Eduard v. Bauernfeld
Franz von Sickingen
Eduard v. Bauernfeld

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Dritter Act.

(Marktplatz in Trier, rechts im Vordergrund das Portal des churfürstlichen Palastes, davor eine Marmorbank, gegenüber eine Herberge mit einer Art niedrigem Balkon oder ein Erker. In der Mitte des Platzes ein Brunnen mit Schnitzwerk. Längs des Theaters zu beiden Seiten Kaufbuden. Im Hintergrunde ein Theil der Stadtmauer mit zwei offenen Thoren.)

 

Erste Scene.

(Käufer und Verkäufer, in und bei den, reich mit Waaren versehenen Buden. Bürger und Bauern mit ihren Weibern und Kindern, die durch die offenen Thore strömen. Auch einzelne Landsknechte darunter gemischt. Buben balgen sich am Brunnen, Mägde schöpfen Wasser u. s. w. Vor der Herberge sammeln sich immer Leute, die nach dem Balkon weisen, und von den beiden Wachen, welche darunter stehen, von Zeit zu Zeit zurückgewiesen werden. Das Portal rechts dagegen steht wie verödet. Gleich beim Aufrollen des Vorhanges muß die ganze Bühne ein Bild großer Lebendigkeit und Thätigkeit, jedoch ohne Ueberladung darbieten.)

Ein Bürger mit seinem Töchterlein und ein junger Bürger kommen.

Erster Bürger. 's wird wieder lebendig bei uns in Trier. Der Markt zieht. – Was steh'n die Leut' dort und gaffen?

Zweiter Bürger. Der Ritter wohnt hier in der Herberg'. Das Volk erwartet ihn.

Erster Bürger. Was sehen sie an ihm? Im Grund' ist's doch nur ein Rebell.

Zweiter Bürger. Wie man's nimmt, Herr Pfannemeier! Ich halt' ihn für einen großen Mann.

Erster Bürger. Weil Ihr jung seid.

Zweiter Bürger. Mich freut's. Ich hoff' noch Großes zu erleben. Luther und Sickingen werden die Welt umändern.

Erster Bürger. Meinethalben mögen sie's thun! Weil nur's Geschäft wieder geht!

Zweiter Bürger. Nun seht! Und wem verdankt Ihr den friedlichen Zustand als dem Ritter Franciscus?

Erster Bürger. Eigentlich verdanken wir ihm den Krieg. Den Frieden haben wir Bürger gemacht. Ich war der Erste, der's ausrief hier auf offenem Markt: »Wir müssen zahlen«, rief ich, »und Frieden machen. Und«, sagt' ich noch – (blickt herum, dann leise) »es lebe unser allergnädigster Herr Churfürst!« (Flüsternd.) Das rief ich laut und unerschrocken. D'rauf wollt' mich das Gesindel in den Brunnen werfen.

Zweiter Bürger. Es war wohl nicht so schlimm!

Erster Bürger. Nicht so schlimm? In den Brunnen da, sag' ich Euch – – zurück, Ihr Jungens! Balgt Euch nicht und laßt die Dirnen ruhig Wasser schöpfen! – Ein ander Mal haben sie mich gar aufhängen wollen. Der Christoph Pfannemeier war eine Waghals, junger Mensch! Und ich bin nicht nur Bürger und Ausschuß, sondern auch Ehemann, Familienvater – – Was trippelst herum, Anne Marie! So halt' doch ruhig! – Ich hab' mein Leben d'ran gesetzt, sag' ich Euch, ich darf jetzt mitreden.

Zweiter Bürger. Ihr wart damals auch mit im Lager?

Erster Bürger. Als Ausschuß. Versteht sich.

Zweiter Bürger. Ist's wahr, daß Euch der Sickingen die Hand gereicht?

Erster Bürger. Freilich! Uns Allen, die mit waren.

Zweiter Bürger. Ihr durftet seine Hand drücken! Ich beneid' Euch darum.

Erster Bürger. Warum? Der Händedruck kommt uns theuer! Wir müssen jetzt die Entschädigung zahlen.

Zweiter Bürger. Pfui! Wer wird an's Geld denken!

Erster Bürger. Mein lieber junger Mensch, Hand ist Hand, und Geld ist Geld.

Zweite Scene.

Vorige. Ein dritter Bürger.

Dritter Bürger (eilig). Wißt Ihr schon? Heut' Abend ist großes Bankett beim Herrn Bürgermeister – dem Ritter von Sickingen zu Ehren. Alle Hauptleut' sind eingeladen – auch die vornehmsten Bürger – später ist auch eine Verlobung. Ein gewisser Hilchen Lorch heirathet des Sickingen Schwester oder Fräulein Base, was sie nun ist – ich hab's von einem der Rathsherren – in der Nacht groß Freudenfeuer mit Racketen. – Noch was Neu's! Der Kaiser soll auf dem Wege von Spanien nach Haus von Räubern ausgeplündert worden sein – Sickingen soll achter Churfürst werden – in Nürnberg ist Rebellion, auch in Wittenberg – den Martin Luther haben sie dabei erstochen – und die Mißernte, die vielen Heuschrecken, der Komet am Himmel – böse Zeiten! Merkwürdig! – Lebt wohl! Ich muß nach Haus. (Ab.)

Erster Bürger. Herr je! Wenn die Hälfte von alle dem wahr ist – – Du wetzest immer, Anne Marie!

Mädchen. Der Vater hat mir ein'n Markt versprochen –

Erster Bürger. Du sollst'n haben! Komm' geschwind'! Dann gleich nach Haus. – Die vornehmsten Bürger! Ich find' gewiß eine Einladung zum Bankett. – Junger Herr, adies! Ich hab' Eil. (Ab.)

Zweiter Bürger. Sie sind so gleichgiltig und Alles ist wie sonst! Ich mein' immer, wenn man so was Großes vor Augen hat, man sollt' an gar nichts Anderes mehr denken. – Er kommt nicht. Mich engt's hier – ich will hinaus in's Freie. (Ab.)

Dritte Scene.

Volk. Dann Hilchen Lorch. Später Blasius.

(Zigeuner-Musik hinter der Scene.)

Volk (läuft zusammen). Die Zigeuner! Die Zigeuner!

Hilchen Lorch (erscheint auf dem Balkon der Herberge). Da geht's munter her –

Volk. Der Sickingen! Der Sickingen!

Hilchen. Seid ruhig, Kinder! Ich bin nicht der Sickingen. Nur ein Stück von ihm – der Hilchen Lorch.

Blasius (der eben, Packete unter'm Arm, aus dem Palast kam, bleibt erschrocken unter'm Portal stehen). Der Hilchen Lorch! (Zigeuner ziehen vorüber. Volk läuft ihnen nach.)

Hilchen. Was sie für Sprüng' machen! 's ist aber doch ein Elend, sich so sein Brot verdienen müssen! Durch Tanz und Narrethei.

Blasius. Jetzt will ich's versuchen – (tritt vorsichtig aus dem Portal).

Hilchen. Was schleicht denn da für 'ne Gestalt? Trägt große Päck' unter'm Arm – wär's ein Dieb? – He! Du da!

Blasius (schon in der Mitte der Bühne. bleibt stehen, ohne aufzublicken). Gnad' mir Gott! Es ruft –

Hilchen. Hörst Du nicht! Wer bist Du?

Blasius (zähneklappernd). Ein Diener – ein treuer Diener –

Hilchen. Wessen?

Blasius. Wessen? Seht Ihr denn nicht –?

Hilchen. Des Herrn Churfürsten also?

Blasius. Ja – nein – wie Ihr befehlt –

Hilchen. Wie ich befehl'? Der Churfürst ist längst mit allen seinen Dienern und Domherren weggezogen, mein' ich –

Blasius. Allerdings – aber Seine Gnaden haben mich zurück gesendet – Sie haben in der Verwirrung verschiedenes Wichtige vergessen – den Churhut zum Beispiel –

Hilchen (lacht). Den Churhut? So? Den mögt Ihr lieber gleich hier lassen!

Blasius. Meint Ihr? Ich mein's fast auch. (Zieht ein Tuch hervor, wischt die Stirne, blinzelt hinauf.) Ein großer Mann – nicht wahr?

Hilchen. Wer?

Blasius. Der Freiherr von Sickingen. (Aengstlich, schwenkt leise das Tuch.) Soll leben! Soll leben!

Hilchen. Wen läßt Du da leben?

Blasius (blickt auf). Den Freiherrn von Sickingen – mit Eurer Erlaubniß –

Hilchen. Wart'! Ich komm' gleich hinunter.

Blasius. Hinunter! Der entsetzliche Hilchen Lorch kommt herunter. – Wenn ich nur davon laufen könnte – aber die Beine versagen mir den Dienst –

Hilchen (welcher herabgestiegen ist). Sag' einmal, was Du für ein dicker Schurke bist?

Blasius. Wie so, gnädiger Herr?

Hilchen. Ich will Dir's gleich erklären! Ißt Du Deines Herrn Brot, trägst Deines Herrn Kleid, und lassest den Fremden leben – he? (Schüttelt ihn.)

Blasius. Barmherzigkeit! Ich will's nicht wieder thun –

Hilchen. Das will ich Dir rathen, oder ich durchbohr' Dir Deinen fetten Wamst! – Geh, pack' Dich zum Teufel!

Blasius. Mit Vergnügen – (verliert im Abgehen einen Pack)..

Hilchen. Halt! Nimm' das mit.

Blasius (hebt den Pack auf). 's ist der Churhut – (ab durch ein Stadtthor).

Hilchen. Was das für Volk ist! Kriecht vor jedem Herrn. Das macht, es hatte noch niemals einen Rechten! (Geht hinein.)

Vierte Scene.

Käufer und Verkäufer. Jäcklein, Arm in Arm mit Joß Fritz und Hans Flux, treten auf.

Jäcklein. Heißa, Jungens! Das ist der Platz. Seht den Brunnen! Da stand ich und predigt' ihnen vor.

Jost Fritz. Damals waren wir zwei nit dabei, Hans Flux.

Hans Flux. Leider Gott nit, Joß Fritz.

Jäcklein. 's waren nur elende Bürger! Keine Bauern, keine tüchtigen Leut', wie Ihr. – Die Andern haben doch Alle zugesagt?

Jost Fritz. Die Gemeindevorständ', versteht sich!

Hans Flux. Aber wir sein die Vornehmsten.

Jost Fritz. Ja, wo wir zwei vorausgehen, da fehlt Keiner. Nit wahr, Hans Flux?

Hans Flux. Freilich, Joß Fritz.

Jäcklein. Und Ihr habt ihnen erklärt –?

Jost Fritz. Alles, Alles. Daß uns der Sickingen die Freiheit bringen will. Wenn wir sie nur schon hätten!

Hans Flux. Ja – denn bis jetzt haben wir blos die Einquartierung. (Volk kommt gelaufen.) Was ist denn da los?

Fünfte Scene.

Vorige. Ein Puppenspieler. Pickelhäring.

Volk und Kinder. Ein Puppenspiel! Ein Hanswurst! Ein Pickelhäring!

Puppenspieler. Kommt herbei, Leut'! Schöne Sachen. Schöne Raritäten! Deutsche Geschichten! 's deutsche Reich! Ein Kreuzer für's ganze deutsche Reich! Kommt herbei, Leut'! Schöne Sachen, Raritäten – (stellt seinen Kram auf).

Jost Fritz. Da wollen wir gucken, Hans Flux!

Hans Flux. Ich mein's auch, Joß Fritz!

Jäcklein. Geht nur, geht – (blickt nach dem Balkon). War mir's doch vorhin, als lauschte sie dort am Erkerfenster –

Puppenspieler. Kommt herbei, Leut'! Schaut die schön' Bilder! Hanswurst, mach' Deine Späß'! (Tritt vor.)

Pickelhäring. Hanswurst ist da, Hanswurst! Seht da ein Schönbartspiel mit Hanswurst!

Puppenspieler (welcher inzwischen Jäcklein in den Rücken kam). Jäcklein!

Jäcklein (wendet sich um). Wer ruft? – Du bist's! Und in der Vermummung?

Puppenspieler. Bald so, bald so. Man muß dem Volk auf alle Arten beikommen. – Wo ist der Ritter?

Jäcklein. Da drinnen. Bist Du denn auch in seinem Dienst?

Puppenspieler. Im Dienste der Brüder. Sickingen dient uns, ohne es zu wissen – darum helfen wir ihm gern.

Jäcklein. Die Brüder? Wann werd' ich sie kennen lernen?

Puppenspieler. Bald – denn Du bist bald reif. – Wie steht's hier?

Jäcklein. Gut. Ich hab' die Bauern. Sie machen den Bundschuh.

Puppenspieler. Du warst thätig! Wenn's nur glückt. – Ich muß hinein –

Jäcklein. Was bringst Du dem Ritter?

Puppenspieler. Große Botschaft.

Pickelhäring. Hanswurst, Hanswurst! Seht den Hanswurst.

Jäcklein (welchem der Puppenspieler inzwischen in's Ohr gesprochen, wie erstaunt). Was sagst Du?

Puppenspieler. Still! Behalt's für Dich.

Jäcklein. Bis ich's brauch'. Es taugt mir just. Heut ist mein Probstück. Ihr sollt mich reif finden.

Puppenspieler. Wollen sehen –

Pickelhäring. Hanswurst, Hanswurst!

Puppenspieler. Ich seh' Dich noch – erwarte mich. – Schöne Sachen, Rarität! 's deutsche Reich! Zeig's ihnen, Hanswurst! (Geht in's Hans. Jäcklein, der noch einen Blick nach dem Fenster geworfen, setzt sich auf die Steinbank vor dem Palast.)

Sechste Scene.

Jäcklein. Pickelhäring. Joß Fritz. Hans Flux. Volk.

Pickelhäring (hat inzwischen seine Bilder aufgerollt und weist, während er recitirt, mit einem Stäbchen hin).
Kinder und Leut', Soldat, Madame,
Schau' sie zu in Gottes Name.
Herre klein und Herre groß
Gehe auf einander los;
Länder dünn und Länder dick
Ein's das andere verschlick;
Von alle Farbe, das bleibt sich gleich.
Auf deutsch: das heilig römisch Reich.

Joß Fritz. Warum heißt's denn römisch, Hans Flux?

Hans Flux. Hörst nit? Weil's deutsch is, Joß Fritz.

Pickelhäring. Dort komm' geritt' auf Schimmel und Rapp'
Die siebe Churfürst im scharfe Trab;
Die thun sich Vielerlei erzähle,
Wolle einen Kaiser wähle;
Jetzt mache sie Capitulation –
Da sitzt er scho' auf seine Thron.

Jost Fritz. Was is das, Hans Flux! Capitulation?

Hans Flux. Weiß nit, Joß Fritz! Da mußt Du die »siebe Churfürste« fragen.

Pickelhäring. Die Ritter mach' dem Herrn zu schaffe,
Zerstört die Raubnest mit die Waffe;
D'rauf macht' er gern 'nen Türkenzug,
's Geld langt nit aus, hat nie genug;
Auch zanke viel die Fürst und Graf,
Das bringt den Kaiser um sei' Schlaf;
Zu aller Noth, zu aller Pein
Kommt dort der Franzmann über'n Rhein. –
Wo sind die Mann? Wo ist die Wehr?
Die deutsche Lande zitter' sehr;
Die Bürger laufe lieber z'Haus,
Da is der ganze Krieg bald aus.
Den Herre Kaiser das verdreußt,
Er sich die Kron' vom Kopfe reißt,
Und schimpft und klagt und weint gar bitter;
Helft, Fürste, Grafe und Raubritter;
Kommt d'rauf der Sickingen und spricht:
Gebt her die Kron', mögt Ihr sie nicht!
Das liebe heil'ge röm'sche Reich
Es geht nicht aus den Fugen gleich;
Ist Einer da, der hilft Euch g'wiß –
Wir flicken's z'samm mit Speer und Spieß,
Mit dem und dem und Allerlei –
Bundschuh herbei! Bundschuh herbei!
Und hält's nit gleich, so seid's nit dumm,
(Geht's nit mit G'rad, so geht's mit Krumm)
Wir mache a Provisorium –
Et caetera et caetera!
Hanswurst ist da! Hanswurst ist da!

Jost Fritz. Merkst was, Hans Flux?

Hans Flux. Merkst was, Joß Fritz?

Siebente Scene.

Vorige. Puppenspieler.

Jäcklein (steht auf, ihm entgegen).

Puppenspieler. Der Ritter wußt' schon Alles, aber er ist guten Muth's. – Folg' mir dann zur andern Herberg vor'm Thor, ich erzähl' Dir noch mehr. Schöne Sachen, Raritäten! Komm', Hanswurst! (Ab mit dem Pickelhäring. Das Volk verläuft sich. Die Buden werden nach und nach geschlossen.)

Jost Fritz. Das war ein schön Spiel, Hans Flux!

Hans Flux. Prächtig, Joß Fritz!

Jäcklein. Geht Ihr jetzt, die Uebrigen zu holen? Die Buden werden schon geschlossen. 's Glöcklein läutet, 's ist Vesperzeit. Das ist die Stund', wo sich alle Hauptleut' hier versammeln! Kommt nur bald! Hier auf'm Platz!

Jost Fritz. 's soll nit fehlen. Gelt, Hans Flux?

Hans Flux. Versteht sich, Joß Fritz! Wir sein accurat. (Sie gehen durch's Thor.)

Achte Scene.

Jäcklein. Dann Justine.

Jäcklein (allein). Es wird glücken – die Brüder sollen mich reif finden! Und dann – – tausend Gedanken rennen mir durch den Kopf und Einer rennt durch sie alle. (Im Fortgehen.)

Justine (erscheint auf dem Balkon). Jäcklein?

Jäcklein (kehrt rasch zurück). Fräulein!

Justine. Du sprachst da mit Leuten – gingst Arm in Arm mit ihnen – es waren wieder die Bauern –

Jäcklein. Ja. Brave Leut'!

Justine. Wirklich?

Jäcklein. Sie leisten Euers Bruders Leuten Quartier und Mahlzeit und wollen noch mehr thun – weit mehr – Ihr könntet wohl bei Gelegenheit ein Wort zu ihren Gunsten beim Franciscus sprechen.

Justine. Ich will mir's merken. Aber Du, Jäcklein! Du sollst doch nicht zu viel mit ihnen umgehen. Mein Bruder will Dir wohl; er erkennt Deine Dienst'. Er sagte neulich, Du könntest noch ein tüchtiger Kriegsmann werden.

Jäcklein. Ein Kriegsmann! Vor der Hand bin ich ein Spion.

Justine. War's doch Dein eigener Wille! Aber Du mußt Dich heben. Hast Du keinen Ehrgeiz?

Jäcklein. Mehr als Ihr glaubt! Ich will das Höchste erreichen – das Allerhöchst'!

Justine. Nun sieh! Dann mußt Du Dich auch vom Niedrigen ferne halten.

Jäcklein. Das thu' ich.

Justine. Nicht immer! Du bist oft ungestüm und könntest doch sanft sein, artig und fein, wenn Du nur wolltest. Das sag' ich Dir jetzt, damit Du siehst, ich zürn' Dir nicht – wegen neulich.

Jäcklein. Ihr seid so gut und so hold! 's ist schön, daß Ihr den geringen Mann nicht gering schätzt.

Justine. Wie sollt ich? Ich bin des Sickingen Schwester, der allen Menschen wohl will.

Jäcklein. Wir wissen's. D'rum sind auch die Brüder für ihn.

Justine. Die Brüder? Wer sind die?

Jäcklein (gläubig naiv). Ich weiß nicht recht – aber ich bin bald reif. Sie haben einen Bund wie die Ritter, nur größer, weiter! Soll ich Dir Namen nennen? Thomas Münzer – das ist ein besserer Luther – Georg Hippler, Florian Geyer, das sind die Hauptmänner von dem Bund – aber alle Menschen nehmen Theil daran.

Justine. Alle Menschen?

Jäcklein. Die rechte Menschen sind. Sie lehren die Gleichheit und die Liebe.

Justine. Das lehrt auch die heilige Schrift.

Jäcklein. Ja, aber die Menschen vergessen's immer! D'rum sind die Brüder, sie zu mahnen.

Justine. So sind's fromme Männer, die predigen und wohlthun?

Jäcklein. Nicht immer. Sie führen auch ein Schwert!

Justine. Ein Schwert? Braucht das die Liebe?

Jäcklein. Gewiß! Denn die Lieb ist auch streng'. Die Welt ist verderbt – die Brüder wollen sie bessern, von Grund aus. Da braucht's Gewalt. (Natürlich.) Es ist so viel Schlechtes in der Welt!

Justine. Das wollt Ihr wegschaffen? Freilich sollt' man besser werden! Aber gut und schlecht, das ist die Welt. Wenn wir Engel wären, so wär's nicht die Erde, sondern ein Paradies.

Jäcklein (an das Geländer gelehnt). Es könnt' ein's sein – es ist ein's!

Justine (lehnt sich herab). Ich find's nicht heraus.

Jäcklein. Und bist doch selber d'rin!

Justine. Ich? Wo?

Jäcklein. Im Paradies-Garten. Du bist sein Engel.

Justine. Bedank' mich schön. Du wirst mir gar artig, Jäcklein! – Leb' jetzt wohl! Ich sag' Dir's gleich zum Abschied.

Jäcklein. Zum Abschied?

Justine. Ja. Ich reis' heut noch fort. Auf den Landstein. Der Bruder will's. Es könnt' Allerlei hier vorfallen. – Mit dem Helmstätt. Der Bruder will's –

Jäcklein. Mit dem Helmstätt?

Justine. Vielleicht nimmt er Dich mit. – Da kommen die Ritter und Hauptleut'! Ich geh' hinein. – Leb' wohl, Jäcklein, wenn wir uns nicht mehr sehen sollten – (ab).

Jäcklein. Mit dem Helmstätt – (geht langsam nach dem Thor).

Neunte Scene.

Landschaden von Steinach. Dietrich von Gemmingen und Georg von Bach (sind inzwischen durch das andere Thor eingetreten). Später Stephan von Helmstätt.

Landschaden. Wir sind die Ersten.

Gemmingen. Die Andern kommen gleich nach. – Ob's bald wieder los geht? Vorüber ist's nicht, das steht fest. Er sagte: nur das Vorspiel!

Landschaden. Mir kann's recht sein! Ich hab' mich recht in den Krieg hinein gewöhnt.

Gemmingen. Ja – und 's ist auch ein Vergnügen, unter einem Führer zu dienen, wie der Sickingen. (Zu Bach.) Nicht?

Bach. Wenn er uns nur nicht weiter reißt – sein eigner Schwieger hat uns gewarnt –

Gemmingen. Weiter? Wohin?

Landschaden. Wohin's ihm beliebt! Ich bin bei Allem. Es lebe der Krieg!

Helmstätt (eilig auftretend). War der Feldhauptmann schon da?

Landschaden. Noch nicht.

Helmstätt. So will ich gleich zu ihm! Ich muß ihm melden. – (geht nach der Herberge).

Landschaden. Der thut wichtig!

Gemmingen. Der künftige Schwager!

Zehnte Scene.

Vorige. Sickingen. Hilchen Lorch und Justine (aus der Herberge).

Helmstätt. Mein Feldhauptmann! Die Rotten sammeln sich so eben nach Eurem Befehl. Später wird der Allarm geblasen –

Sickingen. Gut, gut! Das war hier Dein letztes Geschäft, Stephan. – Willkommen, Ihr Herren! Meine Schwester verläßt uns. Der Helmstätt geleitet sie. Nehmt Abschied von ihr. – Frohe Botschaft, Freunde! Der Spaß hier ist aus – nun geht's an den Ernst.

Landschaden. Nur frisch d'rauf los, Sickingen! Wir zieh'n, wohin Ihr uns führt. Es lebe der Krieg!

Hilchen. Deine Hand, Landschaden! Ich hab' Dich verkannt. Du machst keine Sermon' mehr – jetzt bist Du ein ganzer Kerl.

Sickingen. Da kommen die übrigen Hauptleute – (mehrere Ritter kommen durch die Thore). Willkommen, Herr von Schauenburg, Menzigen, Graf von Fürstenburg –

Hilchen (ihnen entgegen). Wißt Ihr's schon? 's geht wieder los! Munter, Ihr Jungens! (Schnallt den Küraß fest. Lärmen vor den Thoren.) Hört Ihr die Landsknecht! Die jubeln!

Sickingen. Auch den Meisten von Euch, seh' ich, tritt eine freudige Röthe in's Antlitz – wollt' aber Einer zurücktreten, der darf's nur sagen!

Landschaden. Was fällt Euch ein? Wir sind für Euch, Sickingen!

Gemmingen. Sagt aber erst, wohin's geht.

Sickingen. Für's Erste in die Pfalz, nach Heidelberg, wo der Bischof Ränke spinnt gegen mich. Auch der Landgraf von Hessen ist in Anmarsch – wir wollen ihm zuvorkommen.

Gemmingen. In die Pfalz? Nach Heidelberg?

Bach (leise). Sagt' ich Euch's nicht? Er will uns weiter reißen –

Eilfte Scene.

Vorige. Jäcklein mit Joß Fritz und Hans Flux. Nach und nach mehrere Bauern und Landsknechte in bunter Mischung aus den Thoren. Auch der Puppenspieler (schleicht mit herein).

Jäcklein (im Auftreten). Wenn Ihr's entschlossen seid, so besteht nur auch fest darauf. (Ruft hinaus.) Herbei, Ihr Leut', herbei!

Justine. Der Jäcklein! Eine Menge Bauern –

Sickingen (wendet sich um). So?

Jäcklein (zu den Bauern). Jetzt aufgepaßt! (Laut.) Es lebe Franciscus!

Die Bauern. Hoch Franciscus! Hoch die Sickinger!

Sickingen (ihnen entgegen). Was gibt's, Ihr Leute? Was wollen die Bauern?

Jäcklein. Ich hab' sie herbeigeführt, Herr Freiherr.

Sickingen. Du? – Was verlangt Ihr von mir? Was habt Ihr hier unter den Soldaten zu schaffen?

Jost Fritz (tritt vor). Wir kommen Euch zu helfen, Herr Sickingen.

Hans Flux (ebenso). Wir bieten Euch unsern Beistand an.

Sickingen. Euern Beistand? – Seid so gut und tretet ein wenig bei Seit'. – Hilchen, sammle Deine Landsknechte.

Hilchen (wie commandirend). Holla ho! Richtet Euch, Ihr Leut'!

(Die Landsknechte sondern sich von den Bauern und stellen sich in Reih' und Glied. Auch vor den Thoren füllt sich der Raum mit Soldaten.)

Sickingen (geht auf und ab, wie musternd). Es ist gut. – Sprecht also, was gibt's?

Jost Fritz (wie verlegen über Sickingen's Anordnungen). Red' Du, Hans Flux!

Hans Flux. Nein, Du, Joß Fritz!

Sickingen. Nun also?

Jost Fritz (den die Andern vordrängen). Herr Sickingen, wir haben von Euren Manifesten gehört –

Hans Flux. Und daß Ihr uns frei machen wollt –

Jost Fritz. Das möchten wir schon gern!

Hans Flux. Wir denken seit lange d'ran –

Joß Fritz. Ja, denn wir wollen keinen Frohndienst mehr leisten –

Hans Flux. Und keinen Zehend und Todtenfall –

Joß Fritz. Und die Jagd soll frei sein wie der Vogelfang –

Hans Flux. Und die Fischerei und die Holznutzung und Alles mit einander – nicht wahr, Leut'?

Die Bauern. Ja, so soll's sein – das wollen wir!

Bach (zu Landschaden und Gemmingen). Gebt acht! Er hetzt uns noch die Bauern auf den Hals!

Sickingen. Seid getrost, Ihr Leute! Ich weiß, was Euch drückt. Ihr seid Leibeigene, nicht wahr? Laßt den Franciscus gesiegt haben und es soll keine mehr geben.

Jost Fritz. Das wär' uns schon recht! Darum wollen wir auch dazuthun –

Hans Flux. Der Jäcklein hat uns aufgerufen – uns Alle, die Gemeinden.

Jost Fritz. Wir sind die Vorsteher. Da meint denn der Jäcklein – ja, was meint er denn eigentlich?

Hans Flux. Laßt den Jäcklein reden. Der kann's besser vorbringen.

Die Bauern. Der Jäcklein! Ja, der Jäcklein!

Jäcklein (vortretend). Mit Verlaub, Herr Freiherr! Ich bin in Euerem Dienst als Spion – doch mag ich wohl zu Besser'm taugen. Wir haben erfahren, daß die aus Hessen anrücken – aber laßt sie nur kommen, sie sollen Euch nichts anhaben. Das Land hier ist vorbereitet weit und breit. Sie haben Waffen und Proviant. Sagt jetzt das Wort – damals wolltet Ihr's nicht! – Und die Tausende stehen auf, die Hunderttausende. Verbindet sie mit Handschlag und Schwur, und Euere Sach', unsere Sach' ist gerettet. Es ist ein sich'res Mittel und geht gar leicht von Land zu Land. Nicht wahr, Leut'? Wir nennen's den Bundschuh – den bieten wir Dir an, Sickingen.

Sickingen. Den Bundschuh? – Wartet, Ihr Leut'! Ich will mir's überlegen, ob ich Eurer Hilfe brauchen kann.

Jost Fritz. Ueberlegen?

Hans Flux. Wenn wir's Euch anbieten?

Sickingen. Ich müßt's doch immer erst annehmen. (Auf seinen Wink ziehen sich die Bauern zögernd und flüsternd zurück, die Ritter bilden um Sickingen und Justine einen Kreis.) Nun, Ihr Herren! Was sagt Ihr dazu? Soll ich den Bundschuh annehmen?

Hilchen. Greif' zu, Franciscus! Hilf, was helfen kann!

Sickingen. Meinst Du, Hilchen?

Hilchen. So eine Menge ist immer gut. Lebendig oder todt – es füllt den Raum aus.

Sickingen (nachdenkend). Es versperrt ihn auch –

Landschaden (der sich mit den Uebrigen besprochen). Das ist auch uns're Meinung, Sickingen. Die Bauernhaufen würden nur Verwirrung stiften. D'rum laß es die Ritter ausfechten und ohne den Troß.

Sickingen. Die Ritter?

Justine (leise zu Sickingen). Trau' ihnen nicht, Bruder! Die Junker taugen nicht – halt' Dich an die Bauern!

Sickingen. Du räthst mir das? – Gut, Ihr Herren! Jetzt weiß ich Eure Meinung. (Winkt den Bauern.) Kommt, Ihr Leut'! Ihr meint's gut mit mir – das freut mich und ich dank' Euch dafür. Will Einer ordentlich Kriegsdienst thun, der sag' es. Er bekommt Waffen und Handgeld.

Joß Fritz. Kriegsdienst?

Hans Flux. Waffen und Handgeld?

Ein Bauer. Wir sind keine Landsknecht'!

Zweiter Bauer. Wir geh'n nit für's Geld!

Joß Fritz. Alle oder Keiner – anders geht's nit.

Hans Flux. Alle oder Keiner – so will's der Bundschuh.

Puppenspieler (zu Jäcklein). Jetzt ist's Zeit!

Jäcklein (tritt wieder vor). Besinnt Euch nicht, Sickingen! Ihr müßt uns're Hilf' annehmen.

Sickingen. Ich muß?

Jäcklein. Soll ich Euch sagen, warum? (Auf die Ritter.) Soll ich's denen sagen?

Sickingen. Sprich nur! Sag', was Du weißt.

Jäcklein. Ich weiß Alles. (Zu den Rittern.) Der Kaiser ist aus Spanien zurück.

Die Ritter. Der Kaiser?

Jäcklein. Wie ein Blitz war er in Nürnberg. Dort saßen die Herren von der Reichscommission und rathschlagen über den Sickingen – über Euch, Herren.

Landschaden. Ueber uns?

Jäcklein. Kurz, Euer Landauer-Bund ist gelöst, und der Kaiser hat unsern Franciscus in des Reiches Acht und Oberacht erklärt.

Helmstätt. In die Acht!

Mehrere Ritter. In die Acht!

Hilchen. Was weiter! War schon einmal da. Unter'm alten Kaiser Max.

Jäcklein. Aber so gefährlich niemals! Kaiserliche Boten sprengen in alle Länder, die Fürsten sammeln ein Kriegsheer; schon zieht ein Theil der Reichs-Execution im Thal zwischen Lahn und Mosel – dort steigt Rauch auf – sie brennen die Schlösser und Burgen nieder –

Landschaden. Was? An der Mosel? Dort liegt meine Feste!

Gemmingen. Und die meinige! Wir sind verloren!

Jäcklein. Noch nit! Das Land ist für den Sickingen – nicht nur hier am Rhein, an der Mosel, auch in der Pfalz, in Hessen, in Thüringen, in Sachsen – überall. – Erlaß ein neues Manifest, Sickingen, tritt offen an ihre Spitze und Du bist der erste Mann in Deutschland. Und wir sind Alle für Dich!

Die Bauern. Alle! Wir Alle!

Landschaden. Schrecklich! Geht das so weit!

Gemmingen. Mach' Frieden, Sickingen!

Bach. Du sprichst nicht! Du erklärst Dich nicht!

Sickingen (nach einer Pause). Was soll ich sagen? Was erklären? (Trompeten hinter der Scene.) Der Alarm! – Zu Euren Rotten ein Jeder!

Landschaden. Wie? Du wolltest –?

Sickingen. Eure Burgen schützen, Eure Schlösser, und die zerstörten wieder aufbauen. Noch bin ich Euer Feldherr – noch bin ich Herr des Landes. – Ueberlaßt Euch meiner Leitung! – Sapiens dominabitur astris! – Schreckt Euch die Acht? Mich nicht! Berathen die Herren in Nürnberg, so hab' auch ich ein Wörtlein d'rein zu reden, denn ich bin unsers Kaisers erster Rath und Kämmerer, und sein Feldhauptmann wie der Eurige! Noch hab' ich die kaiserliche Bestallung in den Händen; darin nennt mich der Herr seinen »lieben Freund«. Wißt Ihr warum? Weil ich dem Carl vormals gegen die Fürsten beigestanden und ihm zur deutschen Kaiserkron' verholfen! Nun denn, ich geh' wohl selber frei an's Hoflager, trotz der Acht, und weise dem Herrn, daß ich auch jetzt wahrhaft sein »lieber Freund« bin und wo er seine Feind' zu suchen hat – und d'rum, so ruf ich aus vollem freud'gem Herzen: Es lebe der Kaiser! – So viel für mich und für Euch. – (Zu den Bauern.) Ihr aber, lieben Leut', begreift nicht, um was sich's handelt – da laßt die Klügern für sorgen. Bebaut Euer Feld, behandelt Eure Weiber glimpflich und schickt die Kinder in die Schul' – das mag's Beste sein. – Wollt' ich Euch den Kopf brennen machen und die Länder aufwiegeln, wie's die Tollen begehren, so wär's das Thun eines Rebellen – so aber ist's und bleibt's ehrlich Soldatenwerk. – Und somit lebt wohl! Gott befohlen! (Winkt den Landsknechten, welche vortreten.)

Erster Bauer (bedächtig.) Nun, wir geh'n schon –

Zweiter Bauer. Wir fürchten Eure Spieß nit!

Jäcklein. Ihr wollt also uns'rer Hilf' nicht, Sickingen?

Sickingen (stark). Nein.

Jäcklein (stampft mit dem Fuß und wendet sich ab.)

Jost Fritz (im Abgehen). Was sagst Du dazu, Hans Flux?

Hans Flux. Mir scheint, Joß Fritz, mit der Freiheit is nix. (Die Bauern gehen ab.)

Puppenspieler (leise zu Jäcklein). Ich geh' zu den Brüdern – Du weißt mich zu finden. (Ab. Abermals Trompeten.)

Sickingen. Das zweite Zeichen! Auf, zur Heerschau! Leb' wohl, Schwester! Sei guten Muth's! Wir seh'n uns wieder. – Stephan, Dir übergeb ich mein Liebstes! – Vorwärts mit Sickingen! (Ab nach dem Hintergrunde.)

Hilchen (zu den Landsknechten). Habt Acht! Salutirt! (Ab mit den Rittern. Musik vor den Thoren.)

Helmstätt. Fräulein, Euern Arm –

Jäcklein (der sich zu Justinen drängte). Die Bauern grollen. Jetzt ist Euer Bruder verloren – und Euer Junker mit ihm!

(Der Vorhang fällt rasch. Kriegerische Musik fällt ein.)


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