Eduard v. Bauernfeld
Franz von Sickingen
Eduard v. Bauernfeld

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Zweiter Act.

(Halle im churfürstlichen Palast in Trier.)

 

Erste Scene.

Blasius und Hubert (begegnen sich und schütteln die Köpfe).

Blasius. Nun, was sagt Ihr, Herr Hubert?

Hubert. Eine schlimme Zeit, Herr Blasius!

Blasius. Schlimme Zeit? Es naht der jüngste Tag, wenn er nicht schon da ist! St. Wendel ist über – seine Mauern sind geschleift. Das schöne freundliche Städtchen!

Hubert. Ihr habt eine Nichte dort, hör' ich –

Blasius. Ach ja! Wie mögen die wilden Sickingen'schen Reiter dem hübschen frommen Kinde zugesetzt haben! Und nun steht der Feind bereits hier vor den Thoren von Trier und wird uns bald völlig umzingelt haben.

Hubert. Ganz gewiß. Und Euch zu umzingeln ist keine Kleinigkeit, Domine!

Blasius. Wovon sollen wir künftig leben? Handel und Gewerb' ist gestört. Die Leute kaufen keine Ablässe mehr.

Hubert. Dafür pilgern sie noch immer zum heiligen Rock.

Blasius. Sie pilgern! Was hilft uns das? Sie opfern nicht.

Hubert. Bald werden sie uns selber opfern.

Blasius. Dahin mag's wohl kommen!

Hubert. Es steht jetzt obendrein eine gar artige Hungersnoth vor der Thür.

Blasius. Eine Hungersnoth! – Habt Ihr nichts gehört? Soll ein ganz entsetzlicher Kerl im Sickingen'schen Lager sein – führt gräulich Gesindel mit sich, völlige Räuberhorden –

Hubert. Das ist der Hilchen Lorch! Ja, der hat's besonders auf uns abgeseh'n.

Blasius. Auf uns? Wie meint Ihr das?

Hubert (trocken). Er will jeden Diener des Churfürsten, dessen er habhaft wird, braten lassen.

Blasius. Heiliger Jesus! Braten lassen! Was hat er davon?

Hubert. Fett, Domine, Fett.

Blasius. Ihr könnt lachen – Ihr seid mager – Ihr könnt überall durchschlüpfen, wenn sie einmal, früher oder später, in die Stadt eindringen – aber ich! Ihr habt auch lesen und schreiben gelernt – Ihr seid eine Art Gelehrter – weil Ihr eben mager seid – und der Sickingen, wie's heißt, schätzt die Magern – die Gelehrten wollt' ich sagen. Aber ich! Wer schätzt mich? Und wer schützt mich? Wenn ich nur jetzt ein Stück Gelehrter wär', nur bis nach dem Krieg! Oder wenn ich Urlaub kriegen könnt' – aber unser allergnädigster Churfürst läßt Keinen von uns beim Thor hinaus.

Hubert. Weicht er doch selber nicht von hinnen! Der Hirt muß bei den Schafen bleiben, sagten Sr. Gnaden, und die Schafe beim Hirten.

Blasius. Schafe hin, Schafe her! Aber wenn der Wolf kommt, der Hilchen Lorch –

Hubert. Ein frommer und eifriger Diener seines Herrn muß dem Tode unerschrocken in's Auge sehen können, Herr Blasius.

Blasius. Dem Tode in's Auge sehen – br! Was das für Redensarten sind! – Beim Licht betrachtet trägt doch Niemand an dem ganzen Unheil Schuld als der verwünschte Martin Luther. Sagt mir aufrichtig, Domine, was haltet Ihr denn eigentlich von seiner Lehr'?

Hubert. Von der Lehre des Luther? Warum?

Blasius. Ich hab' mir sagen lassen, daß doch auch manches Gute darin enthalten sei. Ist's nicht ein Unsinn, Freund, daß die Leute des Glaubens wegen einander verfolgen und todtschlagen? Des Glaubens wegen! Mein Gott! Laßt doch Jeden glauben, was er will. Wenn die Leute nur ein klein wenig nachgeben wollten, so könnt' man ja einen Glauben zusammen bringen, womit alle Parteien zufrieden wären. Es gilt ja gleich – wenn man nur überhaupt was glaubt!

Hubert. Ei, Herr Blasius! Was muß ich hören? Ihr seid ja wohl gar ein Ketzer, ein haereticus, ein geheimer Lutheraner?

Blasius. Dummes Zeug! Ich bin gar nichts als ein Mensch, der gern lebendig bleiben möchte – ungebraten. Das ist doch das Geringste, was Einer verlangen kann! Und der Luther ist am Ende doch ein großer Mann – das ist ausgemacht. Und der Sickingen auch! Groß, außerordentlich groß! Er hat so viel Landsknecht' – weit mehr als unser Churfürst. Nun, wer die Wenigeren hat, der soll nachgeben – das ist klar, da brauchts keine Mathematik! Das begreift ein Kind. Nur nachgeben! Nur zum Anfang! Man kann ja seine Zeit abwarten, bis man wieder 's Heft in die Hände krigt, bis man etwas mehr Landsknechte hat – – Horch! was rasselt denn da durch den Kreuzgang?

Hubert. Fürchtet Euch nicht! Es ist ein einzelner Ritter; unser tapferer Commandant von Trier, Herr Gerlach von Isenburg.

Blasius. Wenn's nur der Hilchen Lorch nicht ist!

Zweite Scene.

Vorige. Gerlach von Isenburg (von der Seite links).

Gerlach. Seine Gnaden?

Hubert. Im Augenblick, Herr Commandant. (Ab zur Seite rechts.)

Blasius (der ein Gespräch anknüpfen will). 's ist doch ein recht trauriger Krieg, Herr Gerlach von Isenburg!

Gerlach. Ja.

Blasius. Ein blutiger Krieg.

Gerlach. Das ist gewöhnlich so im Kriege.

Blasius. Was?

Gerlach. Daß er blutig ist. (Wendet sich weg.)

Blasius. Ganz richtig bemerkt! (Für sich.) Unser Herr Commandant scheint kein Freund von kosenden Gesprächen.

Dritte Scene.

Vorige. Churfürst Richard von Greifenklau (im bloßen Haupte, halb kriegerisch gekleidet, von der Seite rechts auftretend). Hubert (welcher zurückkam) und Blasius (entfernen sich).

Richard. Was Neues, Gerlach? Wie steht's in der Stadt? Hat der Feind vor, zu stürmen?

Gerlach. Vermuthlich, Gnaden.

Richard. Was sagen die Bürger dazu?

Gerlach. Sie lassen die Köpfe hängen.

Richard. Aber die Besatzung?

Gerlach. Wird ihre Schuldigkeit thun.

Richard. Bist Du für einen Ausfall?

Gerlach. Jetzt nicht. Wir sind zu schwach. Darum bin ich hier. (Sieht ihn fragend an.) Die Hilfe aus der Pfalz?

Richard. Sie scheint noch fern, trotz meiner wiederholten Briefe und Mahnungen. Der Pfalzgraf ist ein alter, ängstlicher Mann, und war vordem dem Sickingen hoch verpflichtet. Auch Hessen zögert – Mainz hält es insgeheim mit den Rebellen. Das sind die Männer, die der guten Sache dienen! Die Gott, die Kirche, den Kaiser, das Reich schützen sollen! Da steh' ich nun allein, der Churfürst, nach dessen Churhut es den Sickingen längst gelüstet, ich weiß wohl – vielleicht noch nach Mehrerem, nach Höherem! (Geht auf und ab.) Doch Ihr kennt Richard von Greifenklau nicht, seinen Muth, seinen festen Sinn! Ich bin ein Diener der friedlichen Kirche, aber auch der streitenden, wenn es sein muß, und ich kann im Nothfalle jede Hilfe entbehren.

Gerlach. So ist's recht, Gnaden! Man hat nie Soldaten zu viel – aber mit wenigen muß man auch auskommen.

Richard (klopft ihn auf die Achsel). Du bist der Mann nach meinem Herzen, Gerlach! – Kann sich Trier halten?

Gerlach. Es muß.

Richard. Wie lang? (Da Gerlach die Achsel zuckt.) Hab' nur Geduld, Gerlach! Die Hilfe der Fürsten kann nicht völlig ausbleiben. – Ich höre, die Bürgerschaft fängt an, uneins zu werden. Sie zanken sich – auch über Meinungen. Ist das wahr?

Gerlach. Laßt sie meinen! Wenn sie nur den Mund halten. Und sie sollen's. (Schlägt auf sein Schwert.) Das ist uns're Sach'.

Richard. Ich hätt' doch lieber ihren guten Willen. – Versammle das Volk auf dem Marktplatz, Gerlach. Laß Brot und Wein vertheilen und erhalte sie guten Muths. Ich selbst will später eine Anrede an sie halten, und eine Feldmesse lesen. (Entläßt ihn.)

Gerlach (ab).

Vierte Scene.

Richard. Dann Blasius.

Richard (allein). Gut, daß ich den Eisenmann hab'. Aber ich fürcht', es reicht nicht aus.

Blasius (eintretend). Churfürstliche Gnaden –

Richard. Blasius! Sind die Hofdiener Alle versammelt und die Domherren?

Blasius. Sie zittern draußen in der großen Halle. – Machen wir vielleicht Frieden, Gnädigster?

Richard. Frieden? Im Gegentheil! Es mag leicht hier zum Sturm kommen.

Blasius. Zum Sturm?

Richard. Sollte das Aergste gescheh'n, so werd' ich Euch, meine treuen Diener, an die Thore vertheilen, an die gefährlichsten Punkte.

Blasius. An die – Punkte?

Richard. Ihr sollt den Andern zum Beispiel dienen – wie ich selbst. – Salve, mi fili!

Blasius (sich tief verneigend, dann die Faust schüttelnd, für sich). Salve! Hol Dich der T – – (Laut.) Churfürstliche Gnaden –

Richard. Was noch?

Blasius. Der Bürgermeister von Trier ist draußen mit den Räthen. Sie bitten um Gehör –

Richard. In's Himmels Namen! Laß sie kommen.

Blasius (im Abgehen, wie oben). Salve! An die Punkte! (Ab.)

Fünfte Scene.

Richard. Der Bürgermeister und die Rathsherren.

Bürgermeister (auftretend). Allergnädigster Herr –

Richard (ihnen entgegen). Ihr kommt, mich der Treue der Bürgerschaft zu versichern?

Bürgermeister. Allerdings – das heißt –

Richard. Seid ohne Sorge! Wir werden Euch schützen, werden ausharren bis zum letzten Mann.

Bürgermeister. Wir danken für die Gnade, aber – – Wenn wir uns erlauben dürften, Eurer Churfürstlichen Gnaden über die Lage der Stadt –

Richard. Sprecht! Aber macht's kurz.

Bürgermeister. Kurz, gnädigster Herr, die Bürgerschaft hat allen Muth verloren – so zu sagen, die Courage.

Richard. Das macht, weil Ihr sie nicht aneifert.

Bürgermeister. Es wär' vergebens. Sie haben fest beschlossen, sich durchaus nicht zu vertheidigen –

Richard. Was?

Bürgermeister. Sie wollen die schöne und reiche Stadt nicht der Plünderung Preis geben, dem Ruin –

Richard. Will ich's denn? Eben weil ich's vermeiden will, müssen wir uns wehren.

Bürgermeister. Es ist nicht der Weg, Churfürstliche Gnaden. 's nicht der Weg! Auch wären wir dem Sickingen in keinem Falle gewachsen. D'rum haben wir lieber gleich die Waffen aus der Hand gelegt –

Richard. Nicht übel! Seid Ihr Alle so feig'? Doch nein! Ich weiß, es gibt viele beherzte Männer unter Euch –

Bürgermeister. Das ist eben das Unglück! Denn das sind die übel Gesinnten! Die sind alle für den Sickingen. Auch hängen sie insgeheim der Lehre des Luther an –

Richard. So? – Was wollt Ihr also von mir? Ich soll wohl den Reichsfeinden die Thore öffnen? Und der neuen Lehre auch?

Bürgermeister. Niemand wird es wagen, der Weisheit Eurer Gnaden vorzugreifen – da aber die Bürgerschaft theils kleinmüthig ist, theils uneins unter sich, theils voll böser Gesinnung –

Richard. So wär's wohl am besten, ihren Bürgermeister beim Kopf zu nehmen?

Bürgermeister. Gnädigster Herr –

Richard. Noch einmal! Was wollt Ihr von mir?

Bürgermeister. Allergnädigster! Ruhe, Sicherheit – daß Ihr Euch mit dem Ritter vergleicht.

Richard. Das ist also der Wunsch der Stadt? Ein Vergleich mit dem Sickingen!

Bürgermeister. Um jeden Preis. Wir wollen gern zahlen, so weh' es thut. Nur Frieden! gnädigster Churfürst, nur Frieden! Wir bitten demüthigst – (winkt den Rathsherren.)

Die Rathsherren (beugen die Knie). Frieden! Frieden!

Richard (nach einer Pause). Geht! Ihr sollt meine Antwort haben.

Bürgermeister. Und dürfen wir hoffen?

Richard. Ich werde beschließen. Erwartet's.

Bürgermeister. Gnädigster Herr, wir hoffen das Beste, und daß wir durch unsere freimüthige Darlegung nicht die allergnädigste Ungnad –

Richard. Schon gut! Geht nur.

(Bürgermeister und Räthe gehen ab.)

Sechste Scene.

Richard von Greifenklau. Blasius.

Richard (allein). Diese Bürger! Wer hätt's gedacht? Sie hängen Luther's Lehre an, sagte er. – Gährt's denn in allen Köpfen? – Es gibt Zeiten, wo sich jeder Einzelne die Weltverbesserung erwartet. In so einer leben wir. Sie hoffen gläubig auf's goldene Zeitalter, und rennen einem Jeden nach, der ihnen was Neues verspricht, was Unerhörtes. Ihr thörichtes Herz ist die eigentliche Gefahr. Das fürcht' ich mehr als die Waffen meiner Feinde.

(Gemurmel aus der Ferne.)

Blasius (hereinstürzend). Euer Gnaden, wir sind verloren –

Richard. Was gibt's denn?

Blasius. Rebellion – ein Spion – ein Aufwiegler, er steht auf'm Brunnen, mitten auf dem Marktplatz – predigt ihnen vor – läßt den Sickingen leben – der Bürgermeister kommt nicht zum Wort, er wird vermuthlich zerquetscht werden – die Rathsherren auch – wir übrigen werden gebraten – ich hab's vom Gitterfenster aus gesehen, im Küchengang – in voller Sicherheit – aber ich hielt's nicht länger aus – es war zu entsetzlich – (fällt auf die Kniee). Frieden, Euer Gnaden, Frieden!

Richard. Bist Du toll? Wer will den Frieden?

Blasius. Der Spion – nein, die guten Bürger! Und die andern lassen den Sickingen leben – das ist aber nur Gesindel – und die den Frieden wollen, klopfen den Andern auf die Köpfe – und die klopfen wieder – 's ist ein Mordspectakel – (Lärmen von Außen.) Hört Ihr den Braus! Nun geht's von Neuem los – wir sind alle hin! (Springt auf.) Wißt Ihr was, gnädigster Herr? Das Beste, wir lassen auch den Sickingen leben. Zuletzt ist's doch immer ein großer Mann. Es lebe Sickingen! Hoch! Der große Luther! Hoch! Drei Mal hoch!

Richard. Bist Du denn völlig wahnsinnig? Ich will hinaus, will auf den Balkon treten –

Blasius (faßt ihn beim Arm). Nicht von der Stelle! Wer soll mich denn schützen? – Verzeihung – 's ist gegen den Respect, aber wenn's das Leben gilt –

Siebente Scene.

Vorige. Gerlach.

Gerlach (noch hinter der Scene). Haltet Ordnung, bis ich wieder komm'! Packt nur die Beiden, die ihn haben entwischen lassen. (Tritt ein.)

Blasius. Unser tapferer Herr Commandant! Der wird uns retten –

Richard (ihm entgegen). Gerlach! Was hat's denn nur gegeben?

Gerlach. Nichts, Gnaden. Eine kleine Balgerei. Ein kecker Bursch hat sich da herein geschlichen – aus dem Sickingen'schen Lager. Der wiegelt die Bürger auf – die Dummköpf' lassen Euern Feind leben, ihren eigenen Feind – die Besseren nahmen sich an – es setzte Lärm. Da ritt ich mit meinen Leuten hinzu und säubert' den Marktplatz. Aber ein paar Schurken ließen den Spion über die Stadtmauer schlüpfen – sie sollen's büßen. Jetzt ist wieder Ruh'.

Blasius. Ruhe? Wirklich Ruhe, Herr Gerlach?

Gerlach. Ich will's ihnen rathen.

Richard. Aber die Stimmung der Stadt – der Bürgermeister sagte mir – sie wollen sich nicht vertheidigen?

Gerlach. Wie nun die Bürger sind! Kein Muth und immer nur ihren Kram vor Augen –

Richard. Den ich ihnen schützen soll. (Nachdenkend.) Ist's doch ihre eigene Sach'. Höre, Gerlach! (Zieht ihn bei Seite.) Kannst Du die Stadt halten – ohne die Bürger?

Gerlach (überlegend). Nein. Wir brauchen die Dummköpf'.

Richard. Gut denn! Sie sollen ihren Willen haben. – Die Fürsten rüsten und wir müssen Zeit gewinnen. Das Schlimmere ist hier das Bessere. – Komm', Gerlach! Begleite mich. Ich will mit den Bürgern sprechen. (Ab mit Gerlach.)

Blasius (allein, horcht). Es rührt sich nichts. So ein Schlagdrein wie der Gerlach ist doch manchmal eine wahre Gottesgab'. Aber ich trau' dem Frieden noch nicht. Ich seh' den Sickingen, den großen Mann, schon durch's Paulusthor einreiten. Dann will ich aber auch auf die Stadtmauer klettern – so schwer mir's fällt – mit dem Schweißtuch wehen und der Erste Vivat rufen. Ich kenn' kein Vorurtheil. Ich lass' einen Jeden leben, der mich leben läßt. (Ab.)

Verwandlung.

(Ein halb offenes Zelt. Aussicht in's Sickingen'sche Lager. Ganz im Hintergrunde Trier.)

Achte Scene.

Justine. Dann Jäcklein.

Justine (kommt von der Seite rechts im Vordergrund, einen Blumenstrauß in der Hand). Es ist doch artig von dem Helmstätt, daß er mir täglich frische Blumen zu schaffen weiß – sogar mitten in's Lager hinein.

Jäcklein (kommt durch die Mitte gerannt). Das heiß' ich laufen!

Justine. Jäcklein! Wo kommst Du her?

Jäcklein. Wo ist Euer Bruder, Fräulein?

Justine. D'rinnen im Zelt. Nein, Du darfst nicht hinein! Er schreibt Briefe. Auch hat er die Pläne vor sich, die Landkarten.

Jäcklein. Wenn ich ihn sprech', das ändert leicht seinen Plan.

Justine. Kannst Du mir's nicht sagen?

Jäcklein. Euch? – Seid Ihr sein Offizier? (Weist auf die Blumen.) Das ist wohl der Federbusch? – Blickt nur nicht böse! – Wißt Ihr, woher ich komm'? Aus Trier.

Justine. Aus Trier? Du?

Jäcklein. Mitten heraus. Den hübschen Rosenkranz, seht, hab' ich auf'm Marktplatz gekauft – darf ich ihn Euch verehren? – Sagt Eurem Bruder, er soll sein Pulver sparen. Um Trier braucht's keinen Schuß. Die Bürger sind jetzt alle gut Sickingisch.

Justine. Wirklich?

Jäcklein. Wenigstens, was zählt. Und der Pack läuft immer mit. Aber heiß is mir geworden!

Justine. Heiß?

Jäcklein. Ihr müßt wissen, daß ich die ganze Nacht in Trier war.

Justine. Die ganze Nacht! In der feindlichen Stadt!

Jäcklein. Ein paar gute Freund', deren ich überall hab', ließen mich im Dunkel durch's Thor schlüpfen und brachten mich in ihre Herberg. Dort sammelten sich gleich die Unzufriedenen, die unruhigen Köpf', auch die furchtsamen Bürger von Gewicht, denen um ihr Eigenthum bang ist – die Pfiffigen und Eigennützigen, die's immer zur rechten Zeit merken, wenn der Wind wechselt und wo was herausschaut – dann noch eine Menge Halbe, Schwache und Ehrliche, die man mit schönen Redensarten ködert von Freiheit, Wohl des Landes, Bürgerglück und dergleichen. Ich hielt sie frei, trank ihnen zu, schwatzt' ihnen vor, strich Euern Bruder heraus, was das für 'n Mann wär', und was er Alles vor hätt', wie er ihr Krämernest zur Hauptstadt vom ganzen Rhein-Gebiet machen wollt' und wie die guten Trierer in Zukunft mit den Niederländern wetteifern sollten und mit den großen Kaufherren in Brüssel und Mecheln. Das zog! Sie schimpften auf ihren gnädigen Herrn, den Churfürsten, ließen den Sickingen leben, und versprachen, ihm die Stadt ohne Schwertschlag in die Hand zu liefern. – Am nächsten Morgen ging der Spaß los. Ganz Trier war in Gährung. Die Haupt-Schreier rannten auf's Rathhaus und setzten dem Magistrat rechtschaffen zu; die ruhigen Bürger liefen ängstlich hin und her und wußten nicht wie ihnen geschah; wir andern lustig hintend'rein, Reden gehalten, die Leute aufgehetzt! Da kam der Gerlach mit seinen Reitern herangesprengt – just zur rechten Zeit macht' ich mich davon – zwei arme Bursche, die mir behilflich waren, fielen den Reitern in die Klauen. Die werden wohl – (mit einer Pantomime.) Nun, ich bin da, und Trier ist so gut wie Euer, das ist die Hauptsach'! Erzählt's nur Euerm Bruder genau – (wischt die Stirne.)

Justine. Was Du kühn bist, Jäcklein! Was für ein Waghals!

Jäcklein. Ihr lobt mich! Aber Ihr habt doch meinen Rosenkranz nicht annehmen wollen.

Justine. So gib nur her.

Jäcklein. Der hübsche Strauß da hat freilich mehr Werth in Euren Augen. Er ist wohl von dem Junker?

Justine. Welchem Junker?

Jäcklein. Von Eurem Junker – Euerm Ritter, dem Ihr in's Lager gefolgt seid. Von dem Helmstätt.

Justine (lacht). Dem Helmstätt? Ich dächte gar!

Jäcklein. Also nicht?

Justine. Ich bin meinem Bruder gefolgt, Jäcklein, und weil ich den Bauern daheim nicht trau!

Jäcklein (lacht in sich hinein). Den Bauern? So? – Und warum habt Ihr's denn gegen die Bauern?

Justine. Warum hast Du's gegen die Junker?

Jäcklein. Weil sie nichts taugen. – Die Bürger auch nicht viel, 's ist wahr. – Gebt acht! Diese Herren und Grafen und Ritter werden Eurem Bruder noch den ganzen Handel verderben. Ihr solltet ihn warnen. Die Zeiten der Ritterschaft sind vorbei – die Volkszeit kommt. 's ist kein Heil ohne die Bauern! Die geben den Ausschlag.

Justine. Mit Deinen Bauern! Fängst Du schon wieder an? Wirst wieder wüst?

Jäcklein. Wüst, schönes Fräulein? Du magst recht haben. Aber ich war nicht immer so wüst. Jetzt freilich hab' ich Haus und Hof mit dem Rücken angesehen, um hier den Lagerläufer zu machen, den Spion – nun, ist's doch nur meine Lehrzeit! Das soll anders werden, wenn die Reih' an uns kommt, wenn wir gesiegt haben – wir!

Justine. Was ficht Dich an, Jäcklein? Worüber sinnst Du?

Jäcklein (betrachtet sie). Ueber die Welt – über die Ungleichheit der Menschen.

Justine. Ich versteh' Dich nicht –

Jäcklein. Wie sollt Ihr's? Ihr seid ein munter Edelfräulein, in Seide geboren und in Sammt aufgewachsen.

Justine. Du hältst mich für stolz? Sieh, ich bin's nicht.

Jäcklein (wie oben). Nicht?

Justine. Zweifelst Du? Bin ich nicht freundlich mit Jedermann? Auch mit Dir, wüster Mensch? – Aber daß ich Dir's nur gesteh', ich hatt' anfangs eine Scheu vor Dir –

Jäcklein. Eine Scheu? – Wenn Ihr zuletzt doch des Helmstätt Hausfrau würdet!

Justine. Wie kommst Du darauf? Und was kümmert's Dich? – Was fassest Du mich so in's Auge?

Jäcklein (die Hände über der Brust). Wie schön Ihr seid, Fräulein!

Justine. Jäcklein – –!

Jäcklein. Verzeiht – (wie sich mit ihr vergleichend). 's ist doch ein Unterschied zwischen den Menschen! Es gibt keine rechte Gleichheit – aber das soll noch werden! (Ergreift ihre Hand.) Mein Wort d'rauf, Fräulein – das soll noch werden! (Rasch ab.)

Neunte Scene.

Justine. Dann Hilchen Lorch. Später Sickingen.

Justine (allein, sieht ihm nach). Das soll noch werden – –

Hilchen Lorch (tritt sinnend auf). Franz Sickingen, das edel Blut, das hat viel der Landsknecht' gut – (ruft). Franz! Bist Du da, Franz? – Grüß' Euch, Justine! Wo ist der Franciscus?

Sickingen (von der Seite rechts auftretend, Papiere in der Hand). Hilchen Lorch! Was gibt's?

Hilchen (munter). Was soll's geben? Du bist verloren, Franz, bist caput – mit Haut und Haar. Weißt Du, wer im Lager ist? Ein Farbiger, halb roth, halb gelb, ein Buntscheck – ein Reichsherold. Die Herren in Nürnberg verwarnen Dich. Sie drohen so von Weitem mit der Acht – mit der Reichsacht!

Sickingen. Ho, ho! Soll ich des Regiments alte Geigen noch einmal kratzen hören? Sie spielen immer auf, aber Niemand will d'rauf tanzen. Laß den Herold kommen, Hilchen – oder besser, schick' ihn fort.

Hilchen. Was soll ich ihm sagen?

Sickingen. Was Du willst. Du kennst meine Meinung.

Hilchen. Er soll wieder abzieh'n – das wird 's Klügste sein. – Bringt er doch keine Armee mit, sondern blos einen Trompeter, der bläst uns nicht um.

Sickingen. Weißt Du was Neues, Hilchen? Die Fürsten rüsten gegen uns, der Pfalzgraf mit dem Hessen. Der Bischof hat sie herbeigerufen.

Hilchen. So? Sind sie stark?

Sickingen. Ich weiß noch nicht. Wir mögen ihnen gewachsen sein. – Das Schreiben geht nach Mainz an des Churfürsten Gnaden. Der Bote soll's geheim halten. Den Brief sende durch einen verläßlichen Mann nach Basel.

Hilchen. Aha! Zum Hutten.

Sickingen. Ich weiß nicht, was er zögert! Ich erwarte die Truppen aus der Schweiz. Besorg' es schnell!

Hilchen. Schon recht – (singt). Franz Sickingen, das edel Blut – (ab.)

Zehnte Scene.

Sickingen. Justine.

Sickingen (munter). Wie geht's Dir, Schwester? Zauberweibchen, Wassernix! – Potz! Die hübschen Blumen!

Justine. Von dem Helmstätt.

Sickingen. So? – Was macht der Rächer? Die wachen Träum' im Mondenlicht?

Justine. Ich denk' nicht mehr d'ran. – Aber die Reichsacht, Bruder –

Sickingen. Laß ihnen den Spaß! Die Herren drohen gern. Hunde, die bellen, beißen nicht. Nun, wie gefällt Dir's Lagerleben?

Justine. Recht gut. – Der Jäcklein war eben hier. Er war auch in Trier.

Sickingen. Sieh, der Tollkopf!

Justine. Sie sind dort Sickingisch, behauptet er.

Sickingen. Ich weiß. Sie hätten lieber mich als ihren Bischof. Nun, was nicht ist, kann noch werden!

Justine. Du bist heiter. – Du hast Großes im Sinn.

Sickingen. Es wächst so unter der Hand. – Der Luther hätt' immer mithalten können –

Justine. Der Jäcklein warnt Dich auch vor den Rittern –

Sickingen. Vor den Rittern?

Justine. Er meint, die Bauern werden's ausmachen.

Sickingen. Er hat vielleicht recht. Aber man darf sie nicht aufkommen lassen. – Ich muß Dich mit Nächstem wegsenden, Schwester.

Justine. Mich?

Sickingen. Du sollst nach dem Landstein, den ich neu befestigen lassen. Der Helmstätt soll Dich begleiten. Das ist Dir doch recht? – Es mag hier bald zu einem Hauptschlag kommen oder in der Näh'. Wie steh'st Du mit dem Stephan? Es wär' mir lieb, wenn Du Dich bald entschließen möchtest –

Justine. Soll ich d'ran denken? Jetzt, wo Deine Sach' noch unentschieden ist?

Sickingen. Sie wird reif. Ich hab' meine Fäden nach allen Seiten ausgesponnen – das Netz wird bald fertig sein.

Eilfte Scene.

Vorige. Helmstätt. Andere Ritter, auch Hilchen Lorch (im Hintergrunde sichtbar, die nach Trier weisen). Später Bürgermeister, Rathsherren und Bürger.

Helmstätt. Sickingen – guten Morgen, Fräulein! – Der Bürgermeister und die Rathsherren von Trier stehen vor'm Thor und bitten um freies Geleit in's Lager, Sickingen.

Sickingen (zu Justine). Nun sieh! Da fängt sich schon ein ganzer Fliegenschwarm. Sie wollen mich sprechen, Helmstätt?

Helmstätt. Wenn Ihr ihnen gestatten wollt –

Sickingen. Recht gern. Nichts lieber. Laß sie kommen! (Helmstätt geht nach dem Hintergrunde.) Geh' nur, Schwester! Vergiß den armen Jungen nicht! Wir sprechen noch drüber.

Justine (ab).

Zwölfte Scene.

Sickingen. Bürgermeister. Rathsherren und Bürger (nähern sich zögernd).

Sickingen. Da kommen sie schon! (Ihnen entgegen). Immer zu, ihr Herren! Immer zu! (Sie treten vor. Hilchen Lorch und andere Ritter bleiben im Hintergrunde.)

Bürgermeister. Hochwohlgeborner Freiherr! Gnädigster Herr –

Sickingen. Ihr seid der Herr Bürgermeister?

Bürgermeister. Ich hab' die Gnade. Unsere gute Stadt Trier bedauert nichts schmerzlicher, als mit einem so großen Kriegshelden, dessen Ruhm weit und breit –

Sickingen. Laßt den Eingang, lieber Herr! Wir gehen gleich auf die Sach'.

Bürgermeister. Die Sach'? – Die Sach' ist die: wir sind mit Euch in Hader und Zwist gerathen – will sagen, in Zwiespalt – eigentlich nur in Meinungsverschiedenheiten –

Sickingen. Ja, über's Eigenthum! Ihr habt des Hilchen Lorch Güter zurück behalten –

Bürgermeister (rasch). Die Bürgerschaft ist bereit, Alles wieder heraus zu geben, Alles –

Sickingen. Schön! Da sind aber noch die Zinsen –

Bürgermeister (wie oben). Die werden bezahlt – bei Heller und Pfennig –

Sickingen. Und meine Kriegskosten –

Bürgermeister. Werden auch bezahlt – Alles bezahlt –

Sickingen. Da sind wir ja bald einig!

Bürgermeister. Freilich, gnädigster Herr! Wir waren's immer.

Sickingen. Dann erklärt mir nur, wie's kommt, daß Ihr Euch erst so hartnäckig gegen mich vertheidigt!

Bürgermeister. Die Bürger nicht, hochwohlgeborner Freiherr, die Bürger nicht! Es gibt Verhältnisse, Rücksichten – wenn man sprechen dürfte – aber der Respect –

Sickingen. Ich will Eurer Zunge keine Gewalt anthun. – Der Ritter von Sickingen nimmt Eure Unterwerfung an – vorausgesetzt, daß Herr von Greifenklau, Euer Schirmherr, sie bestätigt. – Eure Hand, liebe Männer! Nun sind wir gute Freunde. (Gemurmel im Hintergrunde: »Der Bischof! Der Bischof!«)

Sickingen. Was ist –? Was gibt's denn?

Hilchen (tritt vor, leise). Der Bischof kommt selber mit viel Pomp und Putz.

Sickingen. Noch eine große Fliege. Immer besser!

Dreizehnte Scene.

Vorige. Richard von Greifenklau (mit geistlichem und anderem Gefolge erscheint im Hintergrund und begrüßt sich mit den Rittern).

Helmstätt (zu Richard). Erlauben Euer Gnaden, Euch in's Zelt unsers Feldhauptmann's zu führen –

Richard. Wenn Ihr so gütig sein wollt – (nähert sich). Herr Freiherr von Sickingen –

Sickingen (ihm entgegen, reicht ihm die Hand). Herr Richard von Greifenklau, Ihr erweist mir große Ehr'! – Eure getreuen Rathsherren und Bürger von Trier! Sie wollen sich über des Hilchen Forderung gern vergleichen, wenn Ihr's erlaubt –

Richard, Sie mögen's thun! Es geht vor Allem die Stadt an, die Bürgerschaft – in keinem Fall mich als Churfürsten.

Sickingen. Ihr seid also einverstanden? Als Schirmherr, mein' ich. – Bedank' Dich bei Seiner Gnaden, Hilchen Lorch! Seine Hochwürden wollen Dir Dein Eigenthum zurückstellen.

Richard. Ja, mein lieber Hilchen! Die Bürger von Trier haben ihr Unrecht eingesehen.

Hilchen. So? Das Einsehen kommt ein Bissel spät von den Herren – Bürgern. Aber ich dank' Euer Gnaden.

Sickingen. Geht friedlich nach Haus, Herr Bürgermeister, liebe Herrn! Ich besuch' Euch nächst in Euerm fröhlichem Trier.

(Rathsherren und Bürger mit Bücklingen ab.)

Richard (nach der Pause). Ihr gönnt mir noch ein Wort, Sickingen?

Sickingen. Zu Euerm Dienst.

(Auf einen Wink Sickingens ziehen sich die Ritter zurück. Das Zelt schließt sich.)

Vierzehnte Scene.

Richard von Greifenklau. Sickingen.

Richard. Das Kriegsglück hat Euch einen Vortheil über mich gegeben, Ritter Franciscus –

Sickingen (zuvorkommend). Keinen, Herr Erzbischof, den Ihr mir nicht wieder abgewinnen könnt.

Richard. Meine Bürger sind nicht eben kriegerisch gesinnt, wie Ihr seht. – Ich bin gesonnen, mich für's Nächste nach dem Kloster St. Maximin zu begeben, und später vielleicht nach Heidelberg auf Besuch – zu dem Pfalzgrafen, meinem Freunde.

Sickingen. Seine Gnaden waren sonst auch der meinige. – Nach Heidelberg also? Das ist ein freundlicher Aufenthalt!

Richard. Ihr habt doch nichts dagegen?

Sickingen. Wie sollt' ich? – Erlaubt mir dafür, eine kleine Besatzung in Eure Stadt Trier hinein zu legen.

Richard. Eine Besatzung?

Sickingen. Um Ordnung zu halten – so lang Ihr abwesend seid. Wollt Ihr das?

Richard. Bin ich nicht der Schwächere? Ihr dürft die Bedingung setzen.

Sickingen. Eure Hand darauf!

Richard. Da. – Sind wir nun Freunde, Sickingen? Und ist's Euch Ernst mit dem Frieden?

Sickingen. Ernst? Euch doch auch, Herr Richard? – Aber wer kann das überhaupt jetzt sagen? Wir müssen gerüstet bleiben.

Richard. Gerüstet? Wie meint Ihr's?

Sickingen. Halb Deutschland ist aufgeregt – zum Beispiel in Thüringen und Sachsen. In Wittenberg gab's Unruhen.

Richard. So hör' ich.

Sickingen (wie hingeworfen). Auch in Hessen, in der Pfalz –

Richard (beobachtend). Habt Ihr Nachricht?

Sickingen. Beiläufig. Beide Länder rüsten – man weiß nicht recht 'gen wen. Dafür legt Chur-Trier die Waffen aus der Hand.

Richard. Chur-Trier? – Bin ich denn noch der Churfürst?

Sickingen. Warum nicht, Hochwürden?

Richard. Du gibst mir nicht den rechten Titel, Franz! – Sprich offen. Lockt Dich meine Würde?

Sickingen. Mich, Herr Churfürst?

Richard. Ein Sickingen kann werden, was ein Greifenklau ist, ich weiß wohl! Oder – wolltest Du noch mehr?

Sickingen. Noch mehr? Und was?

Richard. Soll ich Dir sagen, was Deine Feinde gegen Dich aussprengen?

Sickingen. Immerhin! Man erfährt über sich – auch auf diesem Wege.

Richard. Oder man läßt sich warnen. (Tritt ihm näher.) Der Kaiser sei im fernen Spanien, flüstern sie, eine bethörte Menge jauchze Dir zu, und – die Kaiserkrone sei gar ein lockend Ding.

Sickingen. Die Kaiserkrone!

Richard. Geschwätz – nicht wahr?

Sickingen. Ich hätt' Churfürst – ich hätt' Kaiser werden wollen!

Richard. Also nicht? – Doch was willst Du sonst? Die Fürsten achten Dich – warum verfolgst Du sie? Du bist unser Feind – wir dürfen's nicht bezweifeln. Du hast Absichten gegen uns, die Du in Dunkel hüllst.

Sickingen. Absichten! Gegen Euch Fürsten?

Richard. Sag' nein und ich glaube Dir.

Sickingen (nach einer kleinen Pause). Gut denn, Du sollst's erfahren. – Du meinst, ich hätt' Kaiser werden wollen. Ich bin nur ein geringer Ritter. – Kaiser? Und was sind denn die Fürsten, Richard? Kleine Kaiser. Was wollen sie? Die Macht des großen Kaisers brechen. Will ich das? Ich will ihn mächtig haben, einen wahren Kaiser, wie die Ottonen waren, wie die Fried'rich werden wollten, die großen Hohenstaufen, die hellen Morgensterne einer neuen Zeit, verdunkelt, verschlungen von dem trüben Gewölk, das aus Sumpf und Moor aufsteigt, Licht-bergend – Licht-scheu! Darum hab' ich's gegen die Fürsten! Ich will ihrer Herr werden, sie bändigen, sie dem Kaiser zuführen als seine Vasallen, was sie sein sollen, nicht seine Rebellen, was sie sind. Und so unser Karl diesen meinen Gedanken begriffen hätt', so er kein spanischer Kaiser sein wollen, kein römischer, sondern ein deutscher, ein evangelischer – ich wär' der Erste, der ihm auf's Neu' gehuldigt, der erste Mann eines großen neuerstandenen Volkes, der dem neuen Volks-Kaiser zugerufen, zugejauchzt, zugejubelt! Und nun – so Karl nicht selber handelt, handeln wir für ihn – wer weiß, er dankt es uns noch! Das alte Reich in Kirch' und Staat ist morsch – mag's denn zusammenbrechen! Jacta est alea! Ich hab's gewagt! Wir haben's gewagt – der Hutten und ich! – Das ist's, Richard! Da hast Du meine Absicht. Aber ich hab' nicht Kaiser werden wollen – Kaiser nicht!

Richard (nach einer Pause). Du eröffnest mir einen Abgrund, in den ich schaudernd blicke. Ich seh', Ihr wollt die Welt auseinander reißen – und mögt doch schwerlich eine neue schaffen.

Sickingen. Sei getrost, Richard! Wir wollen die alt' Welt nur ein wenig in Ordnung bringen.

Richard. Glaub' nicht, daß Ihr in hundert Jahren damit zu Stande käm't!

Sickingen. Wollen's versuchen, wollen seh'n!

Richard. Du willst Ordnung schaffen? Durch die Unordnung – durch das Chaos?

Sickingen. Nenn's, wie Du willst! Wenn's reif ist, kommt der Schnitter.

Richard (ergreift seine Hand). Laß' Dir rathen, Sickingen! Du stürzest uns Fürsten vielleicht in's Verderben – Dich selbst gewiß!

Sickingen. Mag's! Ich bin nur ein Mann, ein Mensch.

Richard. Und die Länder, die Du zerstören – die Völker, die Du opfern willst!

Sickingen. Sie sollen erst ein Volk werden – Ein's! Ein's in der Macht wie im Glauben.

Richard. Ist das Dein Sinn? – Deutschland –?

Sickingen. Das Ding ist noch nicht da – aber es muß endlich einmal kommen!

Richard. Du scheinst Deiner Sache gewiß! Hast Du ihn für Dich?

Sickingen. Den Kaiser? Oder wen meinst Du?

Richard. Es gibt nur Einen – Martin Luther.

Sickingen (nach einer kleinen Pause). Nein. Den haben wir nicht.

Richard (rasch). Nicht? – Dann wirst Du's auch nimmer erreichen!

Sickingen. Meinst Du? – Doch genug! Sind wir Feind oder Freund?

Richard. Ich beuge mich Dir, weil ich muß – auch hast Du mein Wort – aber mein Herz ist gegen Dich – ich sag' Dir's frei. – Leb' wohl, Sickingen! Du nanntest die Fürsten von Hessen, von der Pfalz – ich hab' sie herbeigerufen, ich läugne es nicht. Und möge der allmächtige Gott ihre Waffen segnen – gegen Dich! (Rasch ab.)

Fünfzehnte Scene.

Sickingen (allein). Dann Landschaden von Steinach. Gemmingen. Bach.

Sickingen (allein). Ihn fürchten sie – sie sind auf der rechten Spur. – Luther, Luther! Warum hast Du nicht mit uns halten wollen!

Landschaden (auftretend). Wie steht's, Sickingen?

Gemmingen. Haben wir Frieden?

Bach. Ist der Krieg vorüber?

Sickingen. Nein, Ihr Herren – nur das Vorspiel. (Geht nach seinem Zelt.)

Die Ritter (in der Gruppe). Das Vorspiel?

Sickingen (wendet sich um, sie beobachtend).


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