Eduard v. Bauernfeld
Die Geschwister von Nürnberg
Eduard v. Bauernfeld

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Dritter Act.

(Nürnberg. Eine Stube.)

Erste Scene.

Hedwig und Frau Anne (sitzen und spinnen).

Anne. Die leichten Burschen! In die Welt zu rennen,
Und ohne Gruß und Abschied! Grade jetzt,
Wo sie ein Amt erwartet! Wüßte das
Dein Vater, der so viel auf sie verwendet,
Kehrt' er im Grab sich um.

Hedwig.                                 Sprecht nicht so hart!
Zwar schmerzt mich's auch, daß sie verstohlen gingen,
Doch ließen sie ein Brieflein mir zurück;
Und endlich billig ist's, daß junge Leute
Die Welt beseh'n.

Anne.                       Doch ist's nicht die Manier.
Nun, nur Geduld! Die werden mit den Hörnern
Anrennen! Ei, sie glauben wohl, daß man
Die Aepfel nur so von den Bäumen schüttelt!
Gib Acht! Das kommt nicht klüger als es ging,
Und obendrein wird Geld und Wäsche fehlen.

Hedwig. Ach, wären sie erst da!

Anne.                                       Man kann's erwarten. –
Nun, sprich, mein Kind! Hast Dich noch immer nicht
Entschlossen?

Hedwig.               Liebe Base –

Anne.                                       Sieh, der Freier
Wird täglich dringender; es ist ein Rathsherr,
Und schmuck und reich, und gar nichts auszusetzen.
Bedenk', Du bist nun achtzehn – ja vorüber!
Denn zwanzig Jahre sind's, seit Euer Vater
Als junger Wittwer mit den beiden Knaben
Nach Nürnberg kam, und meine Schwester freite.
Herr, wie die Zeit verstreicht! (Steht auf.)
                                            Sah ich den Fratz
Doch in der Wiege liegen, der nun groß
Und stattlich vor mir steht! Und ich belehr' ihn,
Sich einen Mann zu nehmen! Einstens sprichst Du
Mit Deiner Tochter so; und so geht's weiter!
Das ist die Welt. Na, lassen wir's! – Sprich! Willst Du?
Willst meinen Rathsherrn nehmen?

Hedwig (steht auf).                               Seht Ihr, Base,
Was man so Liebe nennt, das fühlt' ich nie;
Doch scheint's ein wackrer Mann, der freit um mich,
Und da Ihr's Alle wünscht, werd' ich am Ende
Ja sagen müssen.

Anne.                       Nun, Gott Lob!

Hedwig.                                           Allein
Verschweigt's ihm noch.

Anne.                                 Warum?

Hedwig.                                           Die Brüder müssen
Zurück erst sein, und meine Wahl auch bill'gen.

Anne. Sah ich doch nie ein Mädchen, das so viel
Auf seine Brüder hält! – Doch sei's! Hier nimm
Die Hand, daß ich's verschweigen will – wenn ich
Mich nicht verplaudere. (Man hört klopfen.)

Hedwig.                             Es klopft!

Anne.                                                 Herein!

Zweite Scene.

Vorige. Humbert.

Humbert. Gott grüß' Euch, Jungfer Hedwig.

Anne.                                                         I, der Humbert!

Humbert. Mit Haut und Haar.
(Zu Hedwig.)               Reicht mir die Hand!

Hedwig.                                                               Willkommen!

Anne. Ei, von der Messe schon zurück?

Humbert.                                             Das geht
So hin und her bei uns. In wenig Tagen
Kehr' ich vielleicht in's schöne Rheinland wieder.

Hedwig. Ihr kommt vom Rhein?

Humbert.                                 Zu dienen, liebe Jungfer,
Und bringe Gruß und Kuß von Euren Brüdern.

Hedwig. Von meinen Brüdern? Sprecht, o sprecht –

Anne.                                                                   Nur ruhig! –
Was machen sie, die liederlichen Jungen?

Humbert. Sie leben ohne allen Harm,
Und sitzen in der Pfalz gar warm;
Ja, sind beim Pfalzgraf selbst gelitten,
Ob ihrer guten, feinen Sitten.

Anne. Beim Pfalzgraf? Was Ihr sagt!

Humbert.                                       Glaubt mir.

Hedwig. Und nichts als einen Gruß bringt Ihr?

Humbert. Sie hätten gern dazu geschrieben,
Doch ist uns keine Zeit geblieben;
Wir wechselten nur kurze Rede,
Die Brüder zogen in die Fehde.

Anne. Was?

Hedwig.       In die Fehde?

Humbert.                           Ihr Patron
Führt mit dem Raugraf Krieg, seit lange schon.

Anne. Sie zogen in den Krieg? Herr je!
Muß uns ein solches Unglück treffen?
Sie kommen um! O Jemine!
Es sind doch immer meine Neffen.

Humbert. Ihr seht das gar mit trübem Blick!
Geht's gut, so machen sie ihr Glück.

Anne. Ja, wenn sie erst den Kopf riskiren,
Und Glieder, Arm und Bein verlieren.

Humbert. Ein Jeder treibt's nach seiner Weise,
Der wagt im Krieg, der auf der Reise,
Der zieht zur Messe, der in die Schlacht.
Der Graf ließ Beide völlig rüsten,
Glänzt Helm und Harnisch hell in Pracht,
Fast trug ich mitzuzieh'n Gelüsten.

Anne. Die tollen Jungen! Närr'sche Sachen!
Wenn sie am Ende Beute machen!

Humbert. Das bleibt nicht aus.
(Zu Hedwig.)                 Kehr' ich zurück,
Gebt mir ein Brieflein; auf gut Glück
Will ich's als Bote überbringen.

Hedwig. Ja, wenn sie noch am Leben sind!

Humbert. Sorgt nicht, mein liebes, schönes Kind!
Die sind verspart zu größern Dingen.
So kecke Herzen, frisches Blut,
Das schlägt sich durch, ich steh' Euch gut. –
Nun will ich meinen Abschied nehmen.

Anne. Will sich der Herr zum Sitzen nicht bequemen?

Humbert. Ein ander Mal. Will mich erfrechen,
Im Hause wieder einzusprechen.

Anne. Nehmt das Geleit.

Humbert.                     Ihr seid zu gut.
(Zu Hedwig.)
Lebt wohl!

Hedwig.           Lebt wohl –

Humbert.                             Muth, Jungfer, Muth!
Im Krieg trifft nicht ein jeder Streich,
Und trifft er auch, man stirbt nicht gleich.
(Ab mit Frau Anne.)

Hedwig (allein).
In Krieg und Schlacht! – Ach, nun ist's aus!
Sie kehren nimmermehr nach Haus.
Mir sprengt's die Brust. – Die enge Stub'
Dreht sich im Kreis – wär' ich ein Bub',
Ich liefe fort zur selben Stund',
Ich liefe mir die Füße wund,
Bis ich ihn fänd', den Bruder mein,
Vielleicht schon todt – mein Claud! – Doch nein!
Er lebt! Er lebt! Gewiß! Wie bricht
Aus meinem Innern helles Licht!
Nimm, theurer Bruder, meinen Schwur:
Dir will ich angehören nur,
Und steh' ich nicht an deiner Seite,
Die Liebe wirkt auch in die Weite.
Umbrause Dich der Schlachtlärm wild:
Mein Herz – es sei Dein Schirm, Dein Schild;
Und wo es schlägt, dort oder hier,
Es lebt für Dich, es bricht mit Dir.
Ich aber – ja, das bringt Dir Glück! –
Den Bräutigam weis' ich zurück. –
Nun bin ich ruhig, bin gefaßt,
Befreit die Brust von schwerer Last.
Doch still! Und Niemand soll's erfahren;
Will mein Gelübde treu bewahren. (Ab.)

Dritte Scene.

(In der Pfalz am Rhein.)

Romulph (als Soldat, mit der Hellebarde, geht auf und ab.) Leopold (in bunten Kleidern, tritt auf).

Romulph (hält ihm die Hellebarde entgegen). Wer da?

Leopold. Gut Freund! Kennst Du mich denn nicht mehr?

Romulph. Freilich kenn' ich Dich.

Leopold. Nun denn! Was schrei'st Du mich an?

Romulph. Das Schreien ist meine Schuldigkeit. Zudem sind wir hier in einem eroberten Land; da heißt es immer auf der Hut sein.

Leopold. Es ist wahr! Wir haben den Raugrafen verjagt und sind als Sieger hier in seine Burg eingezogen, wo ich einst Küchenjunge war. – Sag' einmal: ist der Krieg jetzt aus?

Romulph. Das weiß ich nicht.

Leopold. Du bist ja vom Handwerk.

Romulph. Ich bin nur zum Dreinschlagen. Ich frage nicht viel: Wie und warum? Wo man mich hinstellt, da steh' ich, und was man mir commandirt, das thu' ich.

Leopold. Alles?

Romulph. Alles.

Leopold. Ich wette, nein.

Romulph. Alle Teufel! Ja.

Leopold. Fluchen hat er auch schon gelernt. Aber höre! Wir sind Freunde geworden, nicht wahr?

Romulph. So was dergleichen. Wir haben zusammen getrunken, und Du hast für mich bezahlt.

Leopold. Nun gut! Gesetzt, man trüge Dir auf, mich, Deinen guten Freund, der für Dich zahlt, gefangen zu nehmen.

Romulph (packt ihn). Ich hab' ihn schon.

Leopold. Mich niederzustechen –

Romulph (hebt die Hellebarde). Ich steche –

Leopold. Halt! Es war ja nur beispielsweise.

Romulph. Ja so! (Stellt die Hellebarde nieder.) Bei Fuß.

Leopold. Ich sehe, Du verstehst keinen Spaß. Du bist überhaupt ein ganzer Kerl worden. Gib Acht! Wir Beide bringen's noch weit in der Welt. Sieh! Mein neuer Herr, der Pfalzgraf, ließ mir dies kostbare Ehrenkleid machen.

Romulph. Sieht ein Bischen scheckig aus.

Leopold. Man trägt's am Hofe so. Aber auch Dein Wamms ist nicht übel, Kamerad.

Romulph. Kamerad?

Leopold. Das ist nur eine Redensart. Ich weiß wohl, daß wir Beide nicht auf Einer Stufe stehen.

Romulph (verächtlich). Das ist richtig.

Leopold. Du bildest Dir doch nicht ein, über mir zu stehen? Ich bin des gnädigen Herrn Liebling.

Romulph. Das heißt: Du leckst die Ueberbleibsel von seiner goldenen Schüssel, wie sein Schooßhündchen. Ich kaue schwarzes Brot; dafür bin ich sein Arm und seine Stütze.

Leopold. Du übernimmst Dich ein Bischen, guter Freund! Erinnere Dich an Deinen vorigen Stand.

Romulph. Was Stand! Ich war von jeher ein tapferer Mann; das ist die Hauptsache. Früher führt' ich Krieg auf meine Faust; jetzt hab' ich diese Faust an einen Andern verkauft. Ich bin Soldat mit Leib und Seele, und kenne nichts als mein Commando. Marsch! Halt! Rechtsum! Linksum! Vorwärts! Einhauen! Punktum. Das ist Subordination.

Leopold. Dagegen läßt sich nichts einwenden. Dort kommt unser gnädiger Herr, der Pfalzgraf!

Romulph (stellt sich in Positur, salutirt, dann ab).

Vierte Scene.

Leopold. Der Pfalzgraf.

Pfalzgraf (zurücksprechend). Gebt dem Boten zu essen. Sendet Ritter Hugo hieher, sobald er ankommt. Sieh da, Bursche, bist Du auch da?

Leopold. Eurer Hoheit aufzuwarten. Neue Nachrichten, wenn man fragen darf?

Pfalzgraf. Allerdings, mein Junge. Unser Anführer, der alte Ritter Hugo, hat sich mit Ruhm bedeckt, und Deine ehemaligen jungen Herren, Claudius und Roland, nahmen den Raugrafen eigenhändig gefangen.

Leopold. Hab' ich's nicht immer behauptet: es sind geborne D'reinschlager? Sagt 'mal, Hoheit, nun werden wohl die Glocken geläutet, und ein Te Deum gesungen?

Pfalzgraf. Das versteht sich.

Leopold. Und ein Einzug muß gehalten werden, der sich gewaschen hat, und eine Illumination und Alles miteinander, wie's nun schon einmal zu einer ordentlichen Völkerbefreiung gehört. Haben sich denn die beiden jungen Leute wirklich so ganz besonders ausgezeichnet?

Pfalzgraf. Sie haben gefochten wie die Löwen, wie man zu sagen pflegt. Meine Nichte glaubt, daß sie vornehmer Abkunft seien, und ich vermuthe fast, sie hat Recht. Was sagst Du dazu?

Leopold. Hm! Ich lernte sie in Nürnberg auf der Straße kennen; mehr weiß ich nicht von ihnen. Es sind ein paar junge »Guck in die Welt«, die in's Blaue reisen; und meinethalben mögen's Grafen oder Prinzen sein, mich kümmert's wenig.

Pfalzgraf. Ich will sie nicht geradezu fragen; aber Du, in Deiner jetzigen Stellung, könntest wohl die Wahrheit herausbringen.

Leopold. In meiner Stellung? Ja, was hab' ich denn für eine Stellung?

Pfalzgraf. Weißt Du's denn nicht? Betrachte einmal Dein neues Gewand.

Leopold. Mein Gewand?

Pfalzgraf. Nun ja! Es ist bunt; auch hängen Schellen daran.

Leopold. Schellen? Ich hielt das für eine neue Mode.

Pfalzgraf. Beileibe! Eine uralte, mein Bursche! Denn so pflegen sich seit Jahren die Lustigmacher und Narren zu tragen.

Leopold. Was? Ich bin also ein Narr?

Pfalzgraf. So ist es.

Leopold. Und ohne daß ich's weiß?

Pfalzgraf. Es geht manchem Menschen so.

Leopold. Ich will aber kein Narr sein –

Pfalzgraf. Mein Sohn, das liegt nicht immer in unserer Willkür.

Leopold. Einen Menschen hinter seinem Rücken zum Narren machen – das ist zu viel. Ich bitte um meinen Abschied.

Pfalzgraf. Was fällt Dir ein?

Leopold. Eure Hoheit mögen ein recht guter Pfalzgraf sein, aber Eure Hoheit sollten auch die Verstandeskräfte eines Menschen zu schätzen wissen.

Pfalzgraf. Nimm Dich in Acht! Du sprichst Dich immer besser in Deinen Beruf hinein. Gib Dich zufrieden! Du sollst an unserem Hofe bleiben.

Leopold. Als Narr? Unmöglich!

Pfalzgraf. Als Hof-Narr, wenn Du willst.

Leopold. Hof-Narr? Gehört doch immer in die Gattung. Wißt Ihr was, gnädiger Herr? Macht mich zum Hofkoch.

Pfalzgraf. Daß Du mir meine Brühen verdirbst!

Leopold. Sorgt Euch nicht! Ich habe vor zwanzig Jahren hier im Schlosse den Bratspieß gedreht, und bin, so zu sagen, zwischen Topf und Schüssel aufgewachsen.

Pfalzgraf. Wir wollen sehen, was zu machen ist. (Kriegerische Musik hinter der Scene.) Horch! Ritter Hugo mit unsern Truppen ist bereits auf dem Rückmarsch. Entferne Dich, mein Bursche.

Leopold. Vergeßt den Hofkoch nicht. Im Grunde bin ich das Faulenzen satt, und fühle nach und nach den Trieb in mir, ein nützlicher Staatsbürger zu werden, und einen guten Gehalt zu beziehen. (Ab.)

Fünfte Scene.

Pfalzgraf. Isolda. Ritter Hugo.

Isolda. Da bring' ich Euch den Ritter, lieber Oheim.

Hugo. Verzeiht, daß ich, so staub- und schweißbedeckt,
In Eure Nähe trete, hoher Herr.

Pfalzgraf. Ihr führt den Sieg mit Euch, mein tapf'rer Feldherr! –
Der Raugraf, unser Vetter, ist gefangen?

Hugo. Nicht mehr.

Pfalzgraf.             Wie das?

Hugo.                                 Er starb an seinen Wunden.
Doch hat er noch mit seinem letzten Athem
Uns eine wunderbare Mähr' verkündet,
Die Euch um eine Grafschaft reicher macht.

Pfalzgraf. Ihr sprecht in Räthseln!

Hugo.                                         Hört die Lösung, Herr.
(Zu Isolda.)
Als Euer Vater starb, der Graf von Spannheim,
Und Euer Bruder bald nach ihm, dem Mörder,
Wie wir vernahmen, nach dem Leben strebten,
Da fiel das Land dem Raugraf zu, der damals
Wie jetzo, weit und breit gefürchtet war.
Seit zwanzig Jahren freut' er sich der Herrschaft,
Die er durch Frevel sich erwarb, denn wißt:
Er war es, der die Mörder sandte gegen
Das Gräflein und den Freiherrn Eberhard.

Pfalzgraf. Er war's?

Hugo.                     So sagt' er sterbend aus vor Zeugen;
Und Euch gehört nach salischem Gesetz
Die Grafschaft jetzt.

Pfalzgraf (zu Isolda).       Wenn doch Dein Bruder lebte!
Mit junger Kraft würd' er die Herrschaft führen,
Die meinem Alter neue Sorge macht. –
Geht nun, verpflegt Euch, werther Freund.

Hugo.                                                           Erlaubt, Herr,
Daß ich die beiden Fremden Euch empfehle,
Roland und Claudius, deren starker Arm
Den mächt'gen Feind bezwungen.

Pfalzgraf.                                         Laßt sie kommen.

(Ritter Hugo ab.)

Sechste Scene.

Der Pfalzgraf. Isolda.

Pfalzgraf. Es spricht in mir für diese jungen Männer,
Die unserm Hofe großen Dienst erwiesen.

(Ein Page tritt auf, der dem Pfalzgrafen einen Brief überreicht, und wieder abgeht.)

Pfalzgraf (erbricht den Brief).
Von Seiner Liebden, Grafen Job aus Geldern,
Mit einem Ring – für Dich. Du weißt, es wirbt
Der Graf um Dich für seinen ältern Sohn.
Du kennst ihn nicht, nun will er beide Junker
Uns senden an den Hof. (Sieht in den Brief.)
                                    Sie kommen, heißt's,
Von der berühmten Schul' in Wittenberg
Und sind in Nürnberg jetzt. Hör', was er schreibt. (Liest.)

»– Auf daß aber Euer Liebden der jungen Grafen Eigenschaft etlicher Maßen erkennen: so hat der Aeltere einen etwas störrigen Kopf; den wollen Eure Liebden so viel mildern, als möglich. Ist sonst ein treuer, frommer, junger Mensch, auch ein guter Waidmann. Er trinkt auch gern sich etwas voll, welches ihm aber nicht gut ist. Da bitten wir Eure Liebden ganz freundlich auf's Höchste, Eure Liebden wollen ihm darin wehren. Er spielt auch gern; da wollen Eure Liebden ihm auch ein Maß inne setzen, da er von uns ein Einkommen hat – alle Messe tausend Gulden – wo es uns denn nicht gelegen wäre, so er Schulden Spieles halber oder sonst machte, die zu bezahlen. Eure Liebden wollen ihm auch nicht zulassen, daß er die Nacht hinausgehe in andere Häuser, auf den Gassen zu gassiren und zu jubiliren, es wäre denn Sache, daß Eure Liebden selbst eine ehrliche Freud' vor hätten« u. s. w.

Was sagst Du, Nichte?

Isolda.                               Diese Schilderung
Ist nicht geschaffen, Liebe zu erwecken.

Pfalzgraf. Warum? Es ist ein lust'ger, junger Mensch;
Das tobt sich aus, und wird ein ganzer Mann.
Und sieh den schönen Ring!

Isolda.                                     Oheim!

Pfalzgraf.                                             Was hast Du?

Isolda. Solch einen Ring sah ich an Roland's Finger –

Pfalzgraf. Solch einen Ring?

Isolda.                                 Gewiß!

Pfalzgraf.                                         Die Junker kommen
Aus Wittenberg und Nürnberg – wie die Fremden!
Der Ring – der Brief – Isolda, welch' ein Licht!
Sie sind's! Die jungen Grafen sind's von Geldern.

Isolda. Roland und Claudius?

Pfalzgraf.                               Sie und keine Andern!

Isolda. Doch jene Schilderung paßt nicht auf Roland.

Pfalzgraf. Und eben, weil's nicht paßt, sind sie die Grafen.
Ein lust'ger Herr ist Job, sein Blut schlägt sicher
Nicht aus der Art, sein Brief ist nur Verstellung.
Er schildert uns die Söhne wie sie nicht sind,
Indem wir sie erwarten, sind sie da,
Die Fremden sind es unter falschen Namen.

Isolda. Sie? – Doch wenn Ihr Euch täuschtet?

Pfalzgraf.                                                       's ist ja klar!
Der Roland drängt sich stets in Deine Nähe,
Er will als Unbekannter Dich erobern.

Isolda. Er seh' sich vor! Spräch' auch mein Herz für ihn,
Verstellung könnt' es ihn verlieren machen.

Pfalzgraf. Ich bitt' Dich, sei nicht eckel, liebe Nichte!
Bring' Deinen treuen Schäfer zur Erklärung,
Und dank' dem Himmel, daß der junge Graf
Nicht seines Vaters Schild'rung gleicht. – Sie kommen!
Sie sind's! Sieh nur den adeligen Anstand!

Siebente Scene.

Vorige. Roland und Claudius.

Claudius. Wir nahen, gnäd'ger Herr, da Ihr's gestattet.

Roland (zu Isolda).
Wir legen Eurer Hoheit uns zu Füßen.

Pfalzgraf. Willkommen, meine tapfern, jungen Freunde!
Ich grüß' Euch in dem Stammschloß uns'rer Ahnen;
Denn hier regierte einst des Fräuleins Vater,
Graf Ulrich, unser Vetter. (Weist nach der Wand.)
                                      Seht sein Bildniß.
Er hält Lothar, sein armes Kind, umschlungen,
Und lacht uns freundlich zu, als wollt' er uns,
Die alten Freunde und Verwandten, grüßen.
Wem aber danken wir die Wiederkehr
In unser Eigen? Euerm tapfern Schwert!
Und so verdient Ihr auch den reichsten Lohn.

Claudius. Herr Graf, wir sind belohnt durch Euern Beifall.

Pfalzgraf. Ich kenne Euern Sinn, dem Dank genügt;
Doch gibt es einen Lohn gar hoher Art,
Wonach ein edles Herz sich sehnen mag.
Reicht mir die Hand! (Leise zu Isolda.)
                                Fürwahr, der Roland trägt
Den Ring, von dem Du sprachst. (Laut.)
                                                Als wack're Ritter
Habt Ihr gekämpft, d'rum wollen wir Euch Beiden,
Vor unsers Landes Edlen und den Damen,
Den Ritterschlag verleih'n

Roland.                                 Den Ritterschlag!
Mein Bruder! Welche Gnade, welche Ehre!

Claudius. Sie steht zu hoch für uns're Jahr' und Thaten.

Pfalzgraf. Man ehrt an einem Mann, was er gethan,
An einem jungen Mann, was er verspricht.
Es bleibt bei meinem Wort: noch heute wird
Die wohlverdiente Ehre Euch zu Theil.

Claudius. Doch, hoher Herr –

Pfalzgraf.                               Nein, nein! Sagt nichts dagegen!
Wir wissen, was wir thun. (Zu Isolda.)
                                      Nicht wahr? (Leise zu ihr.)

                                                                Der Erbgraf
Hat ganz die Nase seines Vaters. (Laut.)
                                                Lebt wohl!
Wir finden bei dem Festesmahl Euch wieder,
Und sind in Gnaden Euch gewogen. (Leise zu Isolda.)
                                                    Sieh nur,
Wie er demüthig sich verneigt! Der Schalk!
Es schlägt das Gräfliche doch immer durch. –
Lebt wohl! – Ich kann das Lachen kaum verbeißen!

(Ab mit Isolda.)

Achte Scene.

Roland. Claudius.

Roland. Hörst Du's, mein Bruder? Wie ist Dir zu Muth?
Mir schwirrt's in Kopf und Brust, mein Sinn ist trunken!
Bald wird man uns den Ritterschlag verleih'n.

Claudius. Den Söhnen eines Bürgers, eines Goldschmied's!

Roland. Pah, einen Vater muß ein Jeder haben!
Ich sage Dir, ich bin ganz umgewandelt,
Mir ist schon völlig ritterlich zu Muth.
Du aber freu'st Dich nicht! Was grübelst Du?

Claudius. Mein Bruder, nenn' mich Kind und Thor und Träumer:
Dir berg' ich nicht, was mächtig mein Gemüth
Im Innersten verfolgt, seit wir im Rheinland.
Sieh, jene Ritterburgen nickten mir
Wie alte Freunde und Bekannte zu,
Mir war als hätt' ich Alles schon erlebt
In einer frühern, längst entschwund'nen Zeit:
Da rauschten Sammt und Seide, so wie hier,
Da klangen Schwert und Leier, so wie hier,
Und Ritter wandelten und holde Frauen,
Und Bilder hingen an der Wand, wie hier –
Ein stattlich großer Mann mit braunem Bart
Hielt mich, ein Kind, auf seinem Schooß, und hüllte
Mich in den Mantel ein, ich aber spielte
Mit seinem Schwert – ha, sieh! (Weist nach der Wand.)

Roland.                                         Was ist –?

Claudius (wie oben).                                         Da, da.

Roland. Nun ja! Das Bild, das uns der Herr gepriesen:
Der Graf von Spannheim ist's, Isolda's Vater,
Mit seinem kleinen Sohn, Lothar.

Claudius.                                         Lothar –

Roland. Von dem uns Leopold erzählt. Das Knäblein
Verschied in seinem Arm. – Was sinnst Du noch?
Dich plagt das Heimweh, und Dir fehlt die Schwester?

Claudius. Die Hedwig war von je mein guter Engel –

Roland. Je nun, die Hedwig lieb' ich auch; doch Schwester
Bleibt Schwester, und es gibt noch and're Engel.
Das dunkle Nürnberg hab' ich längst vergessen,
Seit uns das Leben hier so freundlich anlacht.

Claudius. So schien mir's auch zuerst; nun aber faßt mich
Ein Bangen, eine namenlose Angst
In diesen Hallen, diesen Säulengängen;
Wie Jenem, der im Zauberschlafe lag,
Schwebt mir ein Klang, ein Wort vor meiner Seele,
Das ich ausschreien möchte in die Welt,
Und so den langen, dumpfen Zauber lösen –
Doch find' ich nicht das Wort, und schwer und bleiern
Drückt mich die Fessel dieser Alltagswelt;
Der Glanz, der Pomp, der uns umgibt, verletzt mich,
Die Menschen scheinen höhnisch mir zu lächeln,
Die Pfeiler wanken, und die Bilder steigen
Von ihrer Wand – mir schwindelt's! Fort! Hinaus!

Roland. Wo eilst Du hin, mein Bruder?

Claudius.                                             In den Wald.

Roland. Wohl, ich begleite Dich.

Claudius.                                   Nein, bleib' nur, Lieber!
Du kennst ja meine Art. Sieh! Mich verlangt's
Nach Einsamkeit. Der Frühlingsbäume Säuseln,
Der Duft der Blumen und der Wolken Zug
Beschwichtigt bald die aufgeregte Seele,
Und heiter kehr' ich wieder. Lebe wohl! (Ab.)

Roland (allein).
Mir bangt um ihn. Er war von je ein Träumer;
Der Schwester nur gelang's, ihn zu beschwicht'gen,
In solcher Stund', wo ihn der Geist erfaßte.
Erfüllte ihm den Busen, so wie mir,
Ein hohes Bild, ein lieblicher Gedanke –
Er ließ' das Träumen sein, und hielte sich
An's frische Leben, an die Wirklichkeit.

Neunte Scene.

Roland. Isolda.

Isolda. Herr Roland –

Roland.                       Hohe Herrin!

Isolda.                                               Seid gegrüßt!
Ihr schenktet uns den Frieden: so gestattet
Uns Frauen auch ein Dankeswort dafür.

Roland. Sprecht nicht von Dank! Wir sind in Eurer Schuld,
Da uns, den unbekannten Fremdlingen,
Vergönnt war, einer hohen Frau zu dienen.

Isolda. Stellt uns nicht allzuhoch, noch Euch zu tief;
Wen Tapferkeit und feine Sitte ziert,
Der mag in jedem Kreis willkommen sein;
So freu' ich mich der flüchtigen Begegnung,
Die mir im Waldesgrün Euch zugeführt.

Roland. An eine holde Stunde mahnt Ihr mich,
Wo mir zuerst – wenn gleich ein wenig spröde –
Entgegen trat das Schöne und das Hohe.

Isolda. Ich seh', Ihr hüllt in Lob den Tadel ein,
Und zwingt mir doppeltes Erröthen ab.

Roland. Nicht tadeln, theure Herrin, wollt' ich Euch!
Ich weiß, dem edlen Geist ziemt edler Stolz.

Isolda. Daß Ihr mich länger nicht des Stolzes zeiht,
Erlaub' ich Euch, dem unbekannten Fremdling,
Der Gräfin Hand zu küssen. (Reicht ihm die Hand.)

Roland.                                     Meine Lippen
Versiegl' ich so, für ihr zu vorlaut Wort.
(Küßt ihr die Hand, und stutzt, da er den Ring bemerkt.)
Ha!

Isolda.   Ihr erschreckt vor meiner Hand? – Was seh' ich?
Ihr tragt denselben Ring, wie ich, am Finger.

Roland (verlegen).
Denselben Ring?

Isolda (für sich).         Er scheint verwirrt! Er ist's!
(Zu Roland.)
Seht selbst!

Roland (wie oben).   Sehr sonderbar –

Isolda (für sich).                                 Das arme Gräflein!
Ich will ihm aus der Klemme helfen nur!
(Zu Roland.)
Die Ringe sind gewiß vom selben Goldschmied –

Roland. Das glaub' ich auch.
(Für sich.)                 Ich weiß es nur zu gut!

Isolda (für sich).
Wie das? Der Goldschmied macht ihn noch verwirrter.
(Laut.)
Von wem habt Ihr den Ring?

Roland.                                     Von meinem Vater!

Isolda (beobachtet ihn).
Und meinen sandte mir der Graf von Geldern.

Roland. Der Graf von Geldern?

Isolda (für sich).                         Wunderlich! Beim Grafen
Bleibt er gefaßter als vorher beim Goldschmied.
(Zu Roland.)
Es heißt, er will mit Nächstem seine Söhne
Uns zum Besuche senden.

Roland.                                 So?

Isolda.                                         Was sinnt Ihr?

Roland. Ich dachte mir, wenn nun die Grafen kommen,
Wie dann wir Armen, gleich den dunklen Sternen,
Verschwinden werden vor der Sonne Glanz.

Isolda. Ihr traut uns wenig zu, wähnt Ihr, wir würden
Der treuen Freunde Dienst so rasch vergessen.

Roland. Ihr nennt mich Euern Freund? Ich bin beglückt,
Darf ich mich fürder Euern Diener nennen.

Isolda. Mein Diener nicht: Ihr sollt mein Ritter sein;
Vergeßt der Würde nicht, Euch zugedacht.

Roland. Dies milde Wort weckt mir den Muth auf's Neue:
Zu Euer'm Ritter weih' ich mich, und bleib' es,
So lange huldvoll mir dies Auge lächelt.

Isolda (gibt ihm eine Schleife).
Tragt meine Farbe denn, mein tapf'rer Ritter,
Und bleibt der Dame, die ihr Euch erwählt,
Treu und ergeben – ohne Falsch und Trug.

Roland (küßt die Schleife).
Die Gunst macht mir den Busen überschwellen,
Und spornt das Herz zu Thaten an. Was war ich,
Eh' ich in Deine Nähe trat? Ein Nichts!
Nun aber bin ich erst ich selbst, ein Mann,
Seit sich Dein holdes Wesen mir erschlossen.

Isolda. Ihr seht mich allzu gut. (Für sich.)
                                      Er ist mir wirklich
Ergeben; doch warum verstellt er sich?

Roland. Ja, in dem Augenblicke fühl' ich lebhaft,
Was ich durch Dich geworden, werden kann.
Gestatte, Deines Glanzes uns zu freu'n,
Uns aber laß vor Deinem hohen Bilde,
Wie Niedrigen geziemt, die Kniee beugen.

Isolda (für sich).
Noch immer will er nicht die Maske lüften! –
(Laut.)
Genug, Herr Roland, – denn so heißt Ihr ja.
Geht nun! Mein Oheim will Euch sprechen.

Roland.                                                           Fräulein –

Isolda. Habt Ihr noch etwas mir zu sagen?

Roland.                                                 Nichts!
Voll ist mein Herz, doch arm ist meine Zunge.
Lebt wohl!

Isolda (für sich).   Er geht – – doch nein! Er kommt zurück.

Roland. Fräulein, vergönnt mir noch ein Wort.

Isolda.                                                           Ei, sprecht nur!

Roland. Verzeiht, wenn ich vielleicht Euch mißverstand.
Der Großen Sitte kenn' ich nicht; bei uns –
(indem er auf den Ring weist)
Sind Ringe Zeichen eines nähern Bandes.

Isolda (für sich).
Aha! Nun bricht er los!
(Zu Roland.)             Ihr rathet gut.
Dem Erben Gelderns will man mich vermählen.

Roland. Und Ihr – stimmt bei?

Isolda.                                   Noch kenn' ich nicht den Grafen.

Roland. Je nun, er ist ein Graf! Beglückt der Mann,
Den die Geburt berechtigt, seine Wahl
Zum Schönsten und Vollkommensten zu lenken!

Isolda. Wer weiß! Man sagt, daß selten in Palästen
Die Liebe wohnt. So scheint die Sonne wärmer
In Thälern als auf Höh'n.

Roland.                               Dem Erben Gelderns! –
Ihr kennt ihn nicht?

Isolda.                         Vom Ruf, der nicht zu günstig.

Roland (halblaut).
Vielleicht mit Recht.

Isolda (rasch). Ihr kennt ihn?

Roland.                                               Er besuchte,
Gleich mir, die hohe Schul' in Wittenberg.

Isolda. Man sagt, der Junker sei von lockern Sitten?

Roland. Dem Niedern ziemt kein Urtheil über Hohe.
Ihr seid dem edlen Grafen zugedacht,
Und hat er Fehler – doch wer hat sie nicht? –
So werden sie vor Eurer Hoheit flieh'n,
Wie feige Knechte vor des Helden Anblick.
Noch sah der Graf Euch nicht – der Stimme Klang,
Der Augen holdes Lächeln ist ihm fremd,
Noch ist die Liebe nicht in seinen Busen
Im freudigen Triumphe eingezogen –
Bald aber wird er nah'n, Euch seh'n, besitzen –
Betrachten, was ihm ward, mit trunk'nem Blick –
Mög' ihm der Himmel Demuth nicht versagen,
Um ganz zu würdigen sein hohes Glück,
Noch uns ein Herz, es neidlos zu ertragen.
(Ab.)

Isolda (allein).
Noch sah der Graf Euch nicht? – Wie lautet das?
So ist nicht er der junge Graf von Geldern?
Er kann's nicht sein – und doch – – wer gibt mir Licht?
Ich wünschte fast, er wär's, und fürcht', er ist es nicht.
(Ab.)


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