Eduard v. Bauernfeld
Fortunat
Eduard v. Bauernfeld

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Fünfter Act.

Erste Scene.

(Die Gegend vor der Hütte.)

Vasko (allein). Dann Rosamunde.

Vasko (allein, geht auf und ab). Was doch die großen Herrn für wunderliche Launen haben! Und nun erst die großen Frauen! – Da ist die Prinzessin. Sie wuchs in Pracht und Ueppigkeit auf. Dabei hat sich ihre Seele den Magen überladen. Nun gebraucht sie die Hungerkur, will eine Klausnerin, eine Schäferin werden – was weiß ich! Aber das prinzliche Wesen schlägt vor. Wenn sie auch in einer Hütte wohnt, sie läßt Einen noch immer antichambriren.

Rosamunde (im Pilgerkleide, kommt aus der Hütte).

Vasko (ihr entgegen). Nun?

Rosamunde. Die Prinzessin will Euch nicht sprechen.

Vasko. So? Hast Du ihr gesagt, daß ich als Abgesandter des Herzogs, ihres Bruders komme?

Rosamunde. Allerdings. Allein sie will sich nur ihrem Bruder selbst anvertrauen. – Gehabt Euch wohl!

Vasko. Auf ein Wort! – Sei ohne Sorge, es geschieht Dir nichts. – Ich muß dem Herzog eine Nachricht bringen. Erzähle doch, wie die Prinzessin hieher kam. Es gehen wunderliche Gerüchte im Volk.

Rosamunde. Was ich weiß, sollt Ihr erfahren. – Es sind nun sieben kummervolle Tage: ich lag Nachts im Bett und schlief, da weckte mich etwas, und ich erschrack nicht wenig, als ich die Prinzessin vor mir stehen sah, in meines Herrn Mantel und Hut. Sie hatte aber nichts Arges im Sinn; vielmehr sah sie erschöpft und leidend aus. Sie bat mich um einen Trunk Wassers, das sie gierig trank, und bald darnach auf das Lager hinsank, und schlief wie ein Todter. Ich saß dabei in Kummer und Angst bis zum lichten Morgen, und wartete auf meinen Herrn, der nicht kam. – Als die Prinzessin erwachte, da mußte sie sich erst auf Alles besinnen, was mit ihr vorgefallen. Sie erzählte mir eine Menge Wunderdinge, die ich nicht verstand. Wie sie aber erfuhr, daß diese Hütte meines Herrn Fortunat Eigenthum sei, da weinte sie bitterlich, und klagte sich alles Unrechts an gegen ihn, und wollt' es ihm abbitten. Doch der war nirgends zu finden, nicht am Teich, nicht im Gebirge, wo ich wohl tausend Mal seinen Namen rief. Da sandte mich die Prinzessin in den Pallast nach ihren Leuten, und schickte diese nach allen Richtungen aus, um meinen Herrn zu suchen. Sie aber zog ein Pilgerkleid an, und hieß mich ein Gleiches thun; und da weinten und beteten wir wechselweise um meines guten Herren Rückkehr, der noch immer nicht hier ist, und den ich wohl bis zum jüngsten Tag nicht sehen werde.

Vasko. Sehr sonderbar! Nun, ich will's dem Herzog melden. Vielleicht läßt er sie die Genovefa weiter spielen. Den Schmerzenreich hat sie schon zur Seite; es fehlt ihr nichts als die Hirschkuh.

(Ab.)

Zweite Scene.

Rosamunde. Agrippina (im Pilgerkleide aus der Hütte). Später Fortunat.

Agrippina. Mein guter Proteus, kam noch keine Nachricht?

Rosamunde. Noch nicht, Prinzessin.

Agrippina.                                       Ach, ich fürchte sehr,
Wir werden Deinen Herrn nicht wieder seh'n!
Du weinst, mein guter Knabe? Deine Thränen
Sind süß, wie sie der Schmerz, die Treue weint,
Ich fühle nicht so selig reinen Schmerz;
Mein Aug' ist trocken, meine Seele weint,
Nicht aber Thränen, die den Busen lindern,
Nein, Blut, das mir des Herzens Schuld erpreßt

Fortunat (hinter der Scene).
Proteus! Mein Proteus!

Rosamunde.                       Das ist seine Stimme!
(Rasch ab.)

Agrippina (allein).
Wär's möglich? Fortunat! Er lebt? Er lebt?
Ich dank' Dir, güt'ger Gott! – Ja, ja, er ist's!

Fortunat mit Rosamunden (tritt auf).

Fortunat. Mein holder Knabe, Du bist unversehrt,
Dich hab' ich wieder – nun ist Alles gut!
Doch sprich, wie kamst Du in die Pilgerkleider?

Rosamunde. Herr, die Prinzessin hieß dies Kleid mich wählen.

Fortunat. Wie? die Prinzessin? – Doch wo ist sie?

Rosamunde.                                                       Seht
Die Pilgerin.

Fortunat.           Prinzessin Agrippina!

Rosamunde. Sie sandte Leute aus, um Euch zu suchen,
Und fanden sie Euch nicht, so wären wir
Durch's Land gepilgert, bis wir Euch erspäht.

Fortunat. So dank' ich Euch mein Leben denn, Prinzessin.
Drei Tage wandert' ich durch öde Wildniß,
Von Wurzeln mich ernährend, wilden Früchten;
Da endlich kam ich an des Waldes Ausgang,
Und todesmatt warf ich mich hin zur Erde.
Da schlugen Rossetritte an mein Ohr,
Und Menschenstimmen; Eure Leute waren's,
Die mich an ferner Landesgrenze suchten;
Sie labten mich mit Speis und Lebenshoffnung,
Und so gestärkt, trat ich die Rückkehr an.

Agrippina. Dem Himmel Dank, der mich Euch retten ließ!
Doch nehmt jetzt Euer Eigenthum zurück,
Das schwer auf mir gelastet, nehmt den Seckel.

Fortunat. Unsel'ge Zaubergabe! – Aber sprecht!
Wo ist der Hut, den ich Euch gab?

Agrippina.                                         Der Hut?
Dort in der Hütte.

Fortunat.                   Hol' ihn, Proteus.

Rosamunde (bei Seite).
Ich merke wohl, sie werden sich versöhnen.
(Ab in die Hütte.)

Agrippina. Herr, da ich wieder Dich vor mir erblicke,
Steht alle Schuld vor meinem Angesicht,
Doch auch das einz'ge Mittel, sie zu sühnen.
Gebiete, laß mich leben, tödte mich,
Sieh, ich bin deine Sclavin, Dein Geschöpf,
Aus Deiner Hand will ich mein Loos empfangen.

Fortunat. Verändert bist Du, bin ich selbst durch Dich;
Zerrissen ist der Faden, der uns band,
Der Ton verklungen, der nicht wieder anklingt.
Ich weiß Dir nicht zu rathen, nichts zu sagen;
Ein krankes Herz muß durch sich selbst genesen,
Darum ermanne Dich, sei stark und lebe. –
Doch sprich, was soll dies Kleid?

Agrippina.                                       Ein Zeichen ist es
Der Reue, die mich foltert. Einsam will ich
Mein Leben, fern von Glanz und Pracht, verbringen,
Doch möcht' ich gern in meine stille Klause
Die Hoffnung nehmen, daß Du mir verzieh'n.

Fortunat. O Agrippina! Mußt' ich das erleben?
Ich sehe wohl, Dein Leben ist zerstört,
Doch wird Dein großer Sinn ein neues bau'n.
Beruhigt's Dich: ich scheide ohne Groll,
Und reiche freundlich Dir die Hand zum Abschied.

Agrippina. Ich werde Deine Milde nie vergessen.

Rosamunde (kommt zurück).
Da ist der Hut.

Fortunat (zu Agrippina).   Leb' wohl!

Agrippina.                                     Leb' wohl – auf immer.

Rosamunde (bei Seite).
Er geht? Nimmt Abschied? Und sie bleibt zurück?

Fortunat. Leb' wohl, du Traum von Liebe und von Glück! –
Proteus, mein Knabe, komm'! Wir ziehen fort
Schnell wie der Wind nach einem andern Land.
Erschrick nicht, was gescheh'! Reich' mir die Hand!
(Ab mit Rosamunden.)

Agrippina (allein).
Er geht, er geht – ich seh' ihn nicht mehr wieder –
Doch hat er mir verzieh'n – Herz, sei genügsam! –
Verzeihung – süßes Wort! Du Lebensbalsam,
Durch den des Herzens Wunden sanft vernarben,
Und wenn sie auch nicht heilen, minder schmerzen.

Dritte Scene.

Agrippina, der Herzog, Vasko und Gefolge (treten auf).

Herzog. Dies ist der Ort?

Vasko.                           Ja, Herr. Sieh die Prinzessin.

Herzog. Schwester, was soll dies wunderliche Treiben?
Was fliehst Du den Pallast, wohnst in der Hütte?
Trägst statt des Purpurs härenes Gewand?
Wie haben diese Tage Dich geändert!
Wo ist die stolze, ad'lige Gestalt?
Dein Blick ist hohl und Deine Wangen bleich;
Was ist es, das so plötzlich Dich verändert?

Agrippina. Ein Wunder.

Herzog.                         Gäb' es Wunder?

Agrippina.                                               Läugnest Du's?
Und bist und athmest, sprichst und denkst und fühlst?
Blick' um Dich, Himmel und Erde sind ja Wunder,
Daß Bäume grünen, daß der Vogel singt,
Daß Sterne schimmern und daß Menschen fühlen –
Die ganze Welt ist ein erhab'nes Wunder.
Erstaunst Du, wenn ich mit dem Fuße stampfe,
Und rasch ein Fruchtbaum aus der Erde quillt?
Ich staune nicht, denn Größeres erlebt' ich;
In meinem Herzen schoß der Reue Saamen
In einem Augenblick zum dichten Wald,
Und darin will ich mich, wie Magdalena,
Vor aller Hoffarth dieser Welt verbergen.

Herzog. So sprich! – Du willst –?

Agrippina.                                 Ein Kloster will ich bauen,
Für arme müde Pilger und für Kranke;
Dort will ich And're trösten, laben, heilen,
Und so des Herzens Ruhe wieder finden.

Herzog. Allein bedenke: Deine reichen Güter –

Agrippina. Sie bleiben Dir zurück, der lebenstüchtig
Lebendigen Besitzes sich erfreut;
Doch leg' an's rasche Herz der Weisheit Zügel,
Daß es Dich nicht zu schlimmen Thaten leite,
Schwer ist's die Macht der Tugend zu vereinen.

Herzog. Ich hör' erstaunt, was Du gelassen kündest;
Nur Ungeheures konnte so Dich ändern!

Agrippina. Du sollst, was Dir zu hören ziemt, erfahren;
Jetzt aber komm', die Schenkung aufzusetzen. –
Hier, wo die unscheinbare Hütte steht,
Soll künftig sich des Klosters Bau erheben;
In Sammlung, Fleiß und Wohlthun und Gebet
Begründe sich mein zweites – inn'res Leben.

(Ab mit dem Herzog und Gefolge.)

Vasko (allein).
So, so! Sie baut ein Kloster. Gut! Ich will sehen, daß ich die Lieferung dafür kriege. – Sie bereut? Nach Belieben. Die Reue ist auch so eine Extra-Speise für die vornehmen Leute. Für uns gemeines Volk paßt das nicht. Wenn der Magen brummt, schweigt das Gewissen. Leben ist das Erste. Wenn mir die Tugend zu essen gibt, so will ich mich bei ihr zu Tisch laden; wenn aber das Laster eine bessere Küche führt, dann trägt die Tugend selbst die Schuld, daß sie ihre Kostgänger verliert. (Ab.)

Vierte Scene.

(Famagusta. Ein Theil des Hafens, dem Zuschauer zur Linken ein Hügel mit einem Kreuz. Man hört von der Seite des Hügels ein Betglöcklein wiederholt in Absätzen läuten. Mehrere Leute treten auf und gegen über den Hügel. Ritter Hugo, Beata und Pancratio kommen.)

Pancratio. Recht saht Ihr, edle Frau! Es naht ein Schiff.

Beata. Ach, brächt' es Nachricht doch von unserm Sohn!

Hugo. Glaub' sicherlich, mein Kind, es geht ihm wohl.

Pancratio. Ihr habt noch Hoffnung, aber ich –?

Hugo.                                                           Nun, nun!
Es wird noch Alles werden.

Pancratio.                               Ach, ich habe
Mein armes Kind in Noth und Tod gejagt!

Hugo. Man stirbt nicht gleich, man muß nicht gleich verzweifeln.
Was gilt's, wir sehen uns're Kinder bald?
Den ganzen Morgen juckt mein linkes Auge:
Das muß etwas bedeuten. – Aber kommt!
Der dritte Ruf des Glöckleins ist vorüber,
Die Orgel hör' ich schon.

Beata.                                 Das Schiff kommt näher.
Wir fragen doch die Leute, wenn sie landen,
Ob sie von Flandern Nachricht wissen?

Hugo.                                                       Freilich.
Doch kommt jetzt, wir versäumen sonst die Messe.

(Alle ab.)

Fünfte Scene.

Fortunat und Rosamunde (treten auf).

Rosamunde. Wie ist mir nur? Was ist mit mir geschehen?

Fortunat. Ruhe hier aus und sammle Deine Sinne. –
(Da Rosamunde sich gesetzt.)
(Für sich.) Ich danke Dir, Fortuna! Dein Geschenk
Hat nach der Heimath mich zurückgebracht.
Doch nimm den Zauberhut nur jetzt zurück,
Und auch des schnöden Reichthum's Quell, den Seckel,
Den thöricht ich erfleht, den Unheilbringer;
Was hab' ich nicht um Weisheit Dich gebeten?
Vielleicht verleihst Du sie, wenn ich die Gaben
In's Meer versenkt, erkennend meinen Unwerth,
Sie zu besitzen, und sie klug zu brauchen.
Fahrt hin, Ihr Zaubergaben!

(Er wirft den Seckel und Hut in's Meer.)
(Sanfte Musik. In der Folge wird ein Schiff sichtbar, welches Anker wirft.)

                                          Ha! Mir ist,
Als billigte die Göttin mein Verfahren;
Mein Sinn ist wieder frei und frisch, wie einst,
Das Leben glänzt mich wieder freudig an,
Was ich erlitt, steht dunkel hinter mir,
Und das Unheimliche verschwebt in Nebel;
Doch vor mir tagt es hell, und süße Sehnsucht
Verkündet mir ein nahes, dauernd Glück.

Sechste Scene.

Vorige. Der Schiffer (aus dem Schiff).

Schiffer. Verzeiht, kennt Ihr den Ritter Hugo, Herr?
Allein was seh' ich? Ritter Fortunat!

Fortunat. Bist Du der Schiffer nicht, den aus Burgund
Ich mit Geschenken nach der Heimath sandte?

Schiffer. So ist es, Herr, und dort ist Euer Schiff.
Mich wundert's, daß Ihr uns voraus gesegelt! –
Befehlt, wohin wir die Geschenke bringen.

Fortunat. Schifft nur die Waaren aus, ich sag's Euch später –

Schiffer (ab auf das Schiff).

Siebente Scene.

Rosamunde. Fortunat.

Fortunat. Ich seh's, mein altes Glück ist nicht gewichen.
Nun, lieber Knabe, hast Du ausgeruht?

Rosamunde (die indessen aufgestanden, erstaunt die Gegend betrachtend).
Wo sind wir?

Fortunat.             Staune nicht! In Famagusta,
In meiner Heimath.

Rosamunde.                 Gott! In Famagusta! –
Wie kamen wir hieher?

Fortunat.                           Sei ohne Furcht!
Kein böser Zauber ist's, dem ich vertraut bin.

Rosamunde. So sind wir wirklich denn in Famagusta? –
Ja, Alles kenn' ich hier: das Kreuz, den Hügel –
Ach, klingt nicht der Gesang aus der Kapelle?
Das ist die lang entwohnte Melodie!
Ihr holden Töne meiner theuern Heimath!

Fortunat. Wie? Deiner Heimath? Deiner Heimath auch? –
Allein was ist Dir? Du bist ganz verändert! –
Dein Blick, Dein Wesen, Deine Sprach' ist anders –
Welch' eine liebliche Erinnerung
Taucht vor mir auf, die mich schon einst ergriff?
Wer bist Du? Du bist nicht mein Diener Proteus,
Du bist ein Engel, der mein Leben schirmt!

Rosamunde. Ich möchte wohl Dein Engel sein,
Doch müßtest Du zum Glück Dich leiten lassen;
Dir aber ist die weite Welt zu klein,
Du möchtest alles Glänzende erfassen.

Fortunat. So war ich einst, nun bin ich's nicht,
Jetzt unterscheid' ich Glanz und Licht,
Und füge mich, demüth'ger Weise,
Wie gern dem engen Lebenskreise!
Wie ich mich von mir selbst entfernt,
So hab' ich kennen mich gelernt;
Die Jugendstürme sind vorbei,
Geläutert ist mein Sinn und frei.
Die Heimath beut mir ihren Gruß,
Es zieht mich nach der Eltern Kuß,
Es schwillt das Herz von Liebesfülle,
Doch sehnt es sich nach Ruh' und Stille.

Rosamunde. Und sonst – nach nichts?

Fortunat.                                           Soll ich's gesteh'n?
Ja, Rosamunde möcht' ich wieder seh'n,
Wenn auch ihr Anblick manches Leid,
Und manche alte Pein erneut.
Ach, tret' ich wieder vor sie hin,
Der ich im leichten Jugendsinn
Die ganze Welt mir offen glaubte,
Dem manchen schönen Traum das Leben raubte: –
Mit welchem Muth werd' ich ihr nah'n?
Sie sieht mich wohl mit ihrem Lächeln an,
Und sagt damit: was soll das eitle Jagen?
Ist dies der Ruhm, den Du davon getragen?

Rosamunde. Das sagt sie nicht, das wird sie nimmer sagen!
Die liebende, die treue Rosamunde
Gießt Balsam und nicht Gift in ihres Freundes Wunde.

Fortunat. Die Stimme wieder – ach wer bist Du? Sprich!

Rosamunde. Mein theurer Freund, erkenne mich:
Ich bin – erschrick nur nicht – ich bin
Dein Diener nicht, bin Deine Dienerin.

Fortunat. Was sagst Du?

Rosamunde.                   Sieh, ich kenne Rosamunden,
Wir sind so inniglich verbunden,
Daß ihre Laster meine Fehler sind,
Und daß ihr Blut in meinen Adern rinnt.

Fortunat. Du bist –?

Rosamunde.             Glaub' nicht, ich wolle scherzen;
Sieh, meine Wunde hier am Arm
Ward nur vom Blut der Rosamunde warm,
Und machte ihr die meisten Schmerzen.

Fortunat. Du bist's?

Rosamunde.           Ich bin es!

Fortunat.                               Rosamunde!

Rosamunde. Mein Fortunat!

Fortunat.                             Du, meine Rosamunde!
(Schließt sie in die Arme.)
Bist Du's denn wirklich? Bist wirklich mein?
Wie kam nur Alles? Wie kann es sein?
Du, Du warst Proteus? Ich kannte Dich nicht?
Hat mich verblendet das strahlende Licht?

Rosamunde. Erst wies ich Dich von mir, da ließest Du mich,
Du suchtest das Leben, ich suchte Dich!

Fortunat. Du warst mein Diener? Ein Mädchen zart!

Rosamunde. Lieben und Dienen sind gleicher Art.

Fortunat. So dank' ich mein Leben der Freundin, Dir?

Rosamunde. Hab' ich's erhalten, so theil' es mit mir.

Fortunat. Hast Du Deine Leiden mir auch verzieh'n?

Rosamunde. Wer denkt an Dornen, wenn Rosen blühn?

Fortunat. Du treue Seele! so bist Du mein?

Rosamunde. Ich fühl', ich lebe – so bin ich Dein.

(Sie halten sich umschlossen.)

Achte Scene.

Vorige. Ritter Hugo. Beata. Pancratio (kommen aus der Kapelle zurück). Der Schiffer (und seine Leute, welche Waaren an's Ufer bringen).

Hugo. Dort steht das Schiff! Die Leute landen eben –

Beata. Ich frag' um unsern Sohn!

Pancratio.                                   Ich um die Tochter!

Fortunat (zu Rosamunde).
Die lieben Eltern, sieh!

Rosamunde.                     Gott! Und mein Vater –

Hugo. Wer sind die Fremden?
(Nähert sich, zieht den Hut.)   Edler Herr, verzeiht –
Ihr kommt wohl weit her?

Fortunat.                               Ja, und bring' Euch Kunde
Von Euerm Sohn –

Hugo (sieht ihn an).         Von Fortunat?

Beata (schreit).                                     Er ist's –

Hugo. Der ist's?

Beata (fällt Fortunat um den Hals).   Mein Sohn!

Hugo (mit offenem Munde).                                 Wa –?

Fortunat.                                                                   Liebe Mutter! Vater!
Herzliebes Mütterchen! Mein alter Vater!

Schiffer (und seine Leute nähern sich mit den Waaren).

Fortunat. Seht, die Geschenke da sind Euer –

Hugo.                                                           Unser?

Fortunat. Pancratio, ich bin kein Bettler mehr!
Gibst Du mir jetzt die Tochter?

Pancratio.                                     Ach, wo ist sie?

Fortunat. Hier!

Pancratio.         Dieser Pilger?

Fortunat.                                 Nein, die Pilgerin!
Und Eure Tochter, meine holde Braut –

Rosamunde. Mein Vater –

Pancratio.                         Rosamunde! Ist's denn wirklich?

Fortunat. Umarmt die Tochter, segnet sie, uns Beide!
(Zu Rosamunde.)
Wir aber preisen uns're guten Sterne!
Denn, die die jungen Herzen früh berührt,
Die unverstand'ne Lieb', hat aus der Ferne
Sie liebender einander zugeführt.

 


 

Anmerkung zu Fortunat.

Abermals eine romantische Skizze aus den zwanziger Jahren, später für die Bühne umgearbeitet. Holtei, ich selbst, hatten das Stück in mehreren Wiener Kreisen mit Erfolg vorgelesen; Zedlitz, Raupach, Tieck, sogar Grillparzer erkannten der Arbeit weit mehr literarischen Werth zu als den früheren Versuchen des Verfassers, obgleich der theaterkundige Grillparzer einen eigentlichen Erfolg auf den Brettern bezweifelte und auf's Höchste einen Succès d'estime in Aussicht stellte. –

Deinhardstein (damals Vice-Director des Hofburgtheaters) vermochte die Annahme des Stückes bei dem obersten Kämmerer Grafen Czernin nicht durchzusetzen. Derlei »Zauberstücke« gehörten in's Leopoldstädter-Theater, hieß es. – Der junge und etwas heißblütige Autor, durch Freunde aufgereizt, die es ihm besser meinten als sie ihm riethen, nahm nun eigens eine Audienz bei Kaiser Franz, um die Bewilligung zur Aufführung seines Märchens auf der Hofbühne zu erwirken – natürlich ein vergeblicher Schritt! –

Holtei, damals, nebst seiner zweiten Frau (einer gebornen Holzbecher), eine der Hauptstützen des Josephstädter-Theaters, veranlaßte mich nun, mein Kindlein den allerdings nicht ausreichenden Kräften dieser Bühne anzuvertrauen. Es war zur Zeit meiner Fehde mit Saphir. Seine Anhänger oder meine Gegner hatten das halbe Parterre angefüllt, doch fehlten auch meine Freunde nicht – kurz, es war in jenen noch unpolitischen Tagen auf einen theatralischen Parteienkampf abgesehen, der zuletzt nicht ausblieb, und an welchem das Publicum mehr oder minder Antheil nahm. Um das Stück selbst kümmerte sich im Grunde Niemand. – Ich saß mit Grillparzer und Zedlitz in einer Loge bis zum Schluß des dritten Actes, wo die Sache noch erträglich ging – später überließen wir das Lustspiel seinem Schicksal und seinem unberechenbaren Publicum, welches zum Beispiel niemals versäumte, über das harmlose Wort »Seckel« in ein verwunderndes Lachen auszubrechen. – Das Stück fiel durch und wurde nur noch Einmal gebracht. Saphir schrieb eine boshafte Recension voll guter Witze, Zedlitz gab sich die undankbare Mühe, einen langen und ernsthaften Artikel dagegen zu schreiben, der dem »Humorist« nur die Veranlassung zu neuen Witzen bot. –

Ich selbst hatte neuerdings die Ueberzeugung gewonnen, daß sich das deutsche Publicum das phantastische Element auf der Bühne nun und nimmer gefallen lasse, es sei denn etwa in der Form der Parodie.


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