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Trauriges Madrigal

Ich trag' nach deiner Klugheit nicht Begehren,
Sei schön! sei traurig! – Sieh, der Träne Spur
Wird deiner lichten Züge Reiz vermehren,
Wie Ströme einer Landschaft Bild verklären.
Wie Sturm und Regenflut verjüngt die Flur.

Dann lieb' ich dich, wenn jäh das frohe Strahlen
Auf deiner Stirn erlischt in Traurigkeit,
Wenn stumm dein Herz ertrinkt in seinen Qualen,
Wenn auf der lichten Gegenwart sich malen
Die schwarzen Schatten der Vergangenheit.

Dann lieb' ich dich, wenn sich dem Aug' entringen
Die Tropfen schwer und heiss wie Blut,
Wenn meine Arme schützend dich umschlingen
Und doch die Angst, die wilde, nicht bezwingen,
Die dir wie Todesqual im Herzen ruht. –

Dann atme ich – o göttlich süsse Qualen,
O tiefer, heiliger Gesang! –
Die Seufzer, die aus deiner Brust sich stahlen,
Und seh' dein Herz wie eine Sonne strahlen
Vom Reichtum, der aus deinem Auge drang.

Ich weiss, dass tief noch bis zu dieser Stunde
Vergessne Sünden brennen dir im Blut,
Wie Feuer in der Esse finstrem Schlunde,
Ich weiss, dass tief in deiner Seele Grunde
Etwas vom Hochmut der Verdammten ruht.

Und doch, mein Lieb, wenn nie in wilden Schauern
Sich dir der Hölle Bilder offenbart,
Wenn nie in eines Albdrucks finstern Mauern,
Drin Gift und Mord und alle Schrecken lauern
Und heimlich Ungemach verwünschter Art,

Wenn in des Nachtmahrs eisenschwerer Klammer
Du nie von Grauen warst und Furcht durchwühlt,
Wenn du beim Glockenschlag in deiner Kammer
Des ganzen Lebens unstillbaren Jammer,
Den wilden Abscheu nie gefühlt,

Dann kannst du nie, – die mich nur liebt mit Klagen,
Du meine Sklavin, meine Königin, –
Nie, von dem Schauer schwüler Nacht getragen,
Mit deiner Seele Schrei mir sagen:
»Nimm, König, mich als Deinesgleichen hin!«


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