Arkadij Awertschenko
Kurzgeschichten
Arkadij Awertschenko

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Awertschenko rät Euch ...

Wie man Frauen gewinnt

Wir sehen immer wieder, daß hübsche, junge Leute kein Glück bei Frauen haben, während rothaarige, krumme und häßliche Männer die schönsten Damen für sich gewinnen.

Weshalb?

Weil die hübschen, jungen Leute nicht wissen, wie man mit Frauen umgehen muß, und weil die anderen das Geheimnis kennen.

Ich habe für ihr Unglück etwas übrig und will ihnen ein paar Ratschläge erteilen.

Vor allem: Wenn Sie verliebt sind, brauchen Sie nicht sofort Ihren Frack anzuziehen, die weiße Krawatte umzubinden, einen Blumenstrauß in die Hand zu nehmen und der geliebten Frau zu sagen:

»Mein Engel, ich kann nicht ohne Sie leben. Küssen Sie mich!«

Das ist einfältig und dumm.

Machen Sie es so:

Sie kommen eines Abends in der Dämmerung zu ihr. Vorher haben Sie einige Zitronen gegessen und sind sehr bleich. Die Augenränder haben Sie mit verkohlten Zündhölzern ein wenig dunkel gefärbt. Sie setzen sich in eine Ecke und seufzen.

»Warum sind Sie traurig?« fragt die Dame. »Haben Sie Pech in Ihrem Beruf?«

»Der Beruf! Ach, was kümmert mich heute der Beruf.«

»Aber Sie sind so blaß!«

»Ich habe die ganze Nacht nicht geschlafen.«

»Weshalb, um Himmels willen?«

»Fragen Sie nicht! Sie sind schuld – ich habe von Ihnen geträumt . . .«

»Mein Gott! Aber ich. kann doch nichts dafür – es tut mir wirklich leid.«

Hören Sie? Es tut ihr leid. Sie tun ihr leid!

»Quälen Sie sich doch nicht!« sagt die Dame.

Sie stehen auf. Sie nähern sich ihr, als wollten Sie sich verabschieden. Sie küssen ihre Hand! Die Dame blickt sie an und lächelt. Das ist der Augenblick! Wenn Sie ihn versäumen, möchte ich für nichts einstehen !

Weitere Ratschläge kann ich Ihnen übrigens nicht geben. Oder haben Sie Weiteres von mir erwartet? . . . Später dürfen Sie nach Hause gehen . . .

*

Ich kannte einen Mann, der diesen Vorgang sehr vereinfachte. Wenn er mit einer Frau allein blieb, umarmte er sie ohne weitere Umstände.

Ich fragte ihn einmal:

»Wie kannst du so stürmisch vorgehen? Ist es dir immer geglückt?«

»Nicht immer. Aber Frauen sprechen nicht viel in solchen Fällen. Sie machen keinen Wirbel. Gelegentlich ohrfeigen sie dich. Aber von hundert Frauen tun das höchstens sechzig. Ich arbeite also mit vierzig Prozent Nutzen. Soviel verdient nicht einmal ein Bankdirektor.«

Nur nebenbei: es handelte sich um einen hübschen, großgewachsenen Mann. Wenn man klein und zart ist, verläßt man sich besser nicht auf diese Methode. In solchen Fällen wirkt es mehr, zu seufzen:

»Gnädige Frau: ich habe von Ihnen geträumt . . .«

*

Einer meiner Freunde arbeitete in Porzellan – das ist einfach und billig. Vor langer Zeit kaufte er auf einer Auktion eine Porzellankatze und einen Chinesen mit wackelndem Kopf. Seither pflegt er zu sagen:

»Lieben Sie altes Porzellan?«

Kennen Sie eine Frau, die den Mut hat, nein zu sagen?

»Ich habe eine hübsche Sammlung alter Porzellanfiguren. Wollen Sie meine Sammlung sehen?«

Wenn die Dame Ihre Wohnung verläßt und den Hut aufsetzt, fragt sie gewöhnlich:

»Ach ja, Sie wollten mir Ihr berühmtes Porzellan zeigen. Wo steht es denn?«

»Dort drüben!« Stoß den Chinesen! Er wird zu wackeln beginnen. Wenn sie dann die Tür hinter sich zuschlägt, schüttelt der Porzellanchinese immer noch nachdenklich seinen Kopf . . .

*

Zuletzt: die Frauen sind poetisch veranlagt. Und der Geiz ist eine prosaische Sache.

Mein Freund verlor die Liebe einer Frau, weil er ihr im Kaffeehaus gesagt hatte:

»Der Mokka kostet fünf Rubel. Du hast mit deinen reizenden Zähnen ein Stück von meinem Kuchen abgebissen – das macht zehn Kopeken. Außerdem habe ich zwanzig Kopeken Trinkgeld gegeben. Ich bekomme also fünf Rubel und dreißig Kopeken von dir.«

Ein Mann, der so spricht, ist im selben Augenblick erledigt.

*

Sie sehen also: ganz ohne Kleingeld geht es nicht!

Wie man sich beim Diner benimmt

Wenn Sie zu einem Diner eingeladen werden, müssen Sie nicht unbedingt alle Freunde, die keine Einladung erhalten haben, mit sich nehmen und ihnen sagen: »Das sind sehr liebe Menschen, die werden euch sicher auch bewirten!«

Es dürfen nur solche Gäste erscheinen, die ausdrücklich aufgefordert worden sind, und zwar frühestens eine Viertelstunde vor der Tageszeit, zu der man sie gebeten hat. Ich kannte einmal einen jungen Mann, der am Abend des vorhergehenden Tages bei einem Gastgeber anklingelte und sagte: »Ich habe mich entschlossen, schon heute zu kommen, meinen Schlafrock, die Hausschuhe und das Hemd hab' ich mit. Ich bleibe über Nacht, denn ich kenne Ihren Vater – wenn man fünf Minuten zu spät kommt, hat er das Mittagessen schon allein verzehrt.«

Zum Diner müssen Sie im dunklen Anzug erscheinen. Ein Pyjama, wenn er auch aus feinster Seide ist, wird auf die Gesellschaft keinen Eindruck machen. Sie müssen vornehm und ruhig ins Zimmer treten, auch wenn Sie im Vorzimmer bereits erregt gefragt haben: »Komme ich zu spät?«

Sie brauchen nicht zu erwähnen, daß Sie die Straßenbahn benützt haben; in der sogenannten guten Gesellschaft spricht man nicht von der Straßenbahn. Am vernünftigsten ist es, wenn Sie daheim Ihre Hose mit Benzin putzen und dann sagen: »Ich habe heute meinen neuen Wagen ausprobiert.«

Im Vorzimmer können Sie die hübsche Zofe in die Wange kneifen. Einen Diener, und wenn er noch so rosige Wänglein hat, brauchen Sie nicht zu zwicken.

Wenn Sie eintreten, müssen Sie nicht neugierig fragen: »Gnädige Frau, was bekommen wir denn heute?« Am besten ist es, ein mondänes Gespräch zu beginnen oder die Kinder der Hausfrau zu loben, die gewöhnlich auf dem Teppich im Salon herumkriechen.

Über Kinder soll man mit einer gewissen Vorsicht sprechen.

Seien Sie jedenfalls entzückt von ihnen. Das kostet nichts und macht der Mutter Freude. Man sagt einfach:

»Ihr Söhnchen? Entzückend – die ganze Mama! Spricht er schon?«

»Aber woher? Er ist doch noch zu klein.«

Dieses Gespräch ist zwar sinnlos, aber es entspricht dem guten Ton.

Wenn dann die hübsche Zofe auf der Schwelle erscheint und meldet, es sei serviert, brauchen Sie nicht über den Sessel zu springen und ins Speisezimmer zu eilen, sondern Sie müssen ein gleichgültiges Gesicht machen und der Hausfrau sagen: »Aber, Gnädigste, wozu diese Mühe?«

Dann reichen Sie Ihrer Nachbarin liebenswürdig die Hand und sagen, wenn sie auch noch so häßlich ist: »Darf ich heute das Glück haben, Ihr Tischnachbar zu sein?«

Während des Essens darf man die Hausfrau nicht mit merkantilen Fragen belästigen:

»Gnädigste, was kostet dieser Fisch?«

Und wenn die Hausfrau selbst erwidert: »Fünf Rubel«, darf man nicht sagen: »Bitte, schneiden Sie mir noch ein Stück für fünfzig Kopeken ab.«

Wenn das Dessert gereicht wird, soll man alles eher als enttäuscht sagen: »Was? Schon das Dessert? Das ist das ganze Diner? Wenn ich das gewußt hätte, wäre ich lieber in ein Restaurant gegangen!«

Ich kannte einen zerstreuten Gast, der nach einem solchen Essen auf den Teller klopfte und rief: »Zahlen, bitte!«

Vielleicht wäre diese Lösung nicht einmal unangenehm für die Hausfrau, aber wie die Dinge liegen, wirkt es eben verletzend.

Nach dem Diner dürfen Sie nicht aufstehen und sich empfehlen. Für gewöhnlich sitzt man noch eine Weile und raucht, dann blickt man plötzlich auf die Uhr und ruft: »Was? Schon so spät? Ich muß doch in eine Versammlung.«

Wenn Sie gehen, vergessen Sie nicht der Hausfrau die Hand zu küssen und der schönen Zofe ein Trinkgeld zu geben. Irren Sie sich bitte nicht, und verwechseln Sie es nicht – es wäre der Hausfrau und der Zofe sehr peinlich . . .

Zuletzt noch ein Wink für die Gastgeberin: ihr wird empfohlen, den Gast ins Vorzimmer zu begleiten. Erstens ist es nun einmal so Sitte, und zweitens kann er dann keinen fremden Mantel mitnehmen . . .

Wie man Witze erzählt

Wenn man in Gesellschaft Erfolg haben will, muß man auch verstehen, gute Witze zu erzählen. Ein junger Mann, der das kann, wird gern überall eingeladen.

Jeder Witzerzähler muß drei Grundregeln kennen:

1. Der Witz muß kurz sein.

2. Die Wiedergabe muß glänzend sein.

3. Die Pointe muß unerwartet kommen.

Ein bekannter Herr erzählte seine Witze immer in folgender Weise:

»Hm . . . Ich werde Ihnen einen guten Witz erzählen. Ja. Das war in einem kleinen Industrieort. Das Städtchen war nicht groß, aber sehr belebt. Es liegt an den Ufern der Wolga und ist eine Umladestation, deshalb leben dort viele Kaufleute. In dieser Stadt gibt es viele Restaurants. Die Kaufleute gehen den ganzen Tag in diesen Restaurants aus und ein, wickeln dort ihre Geschäfte ab, trinken Tee und Wodka. Da kommt eines Tages in solch ein Restaurant, ich weiß nicht mehr, wie es heißt, ein betrunkener Kaufmann. Unweit von seinem Tisch steht auf dem Fenstersims ein Käfig mit einem Harzer Kanarienvogel. Das Vöglein singt, und der Kaufmann ist vom Gesang einfach entzückt. Sie wissen, daß die Kanarienvögel so schön singen, daß man ihnen zu Ehren sogar eine Gruppe von Inseln ›Kanarische Inseln‹ benannt hat. Der Kaufmann trinkt. Plötzlich ruft er den Kellner: ›Sie, Ober, was kostet der Vogel?‹ – ›dreihundert Rubel!‹ – ›Bringen Sie mir den Kanari in Butter gebacken!‹ Der Kellner weiß, daß der Kaufmann ein reicher Mann ist, er denkt, es sei eine Marotte von ihm. Er nimmt den Kanarienvogel, trägt ihn in die Küche, und nach einiger Zeit serviert er den Vogel, in Butter gebacken. Da sagt der Kaufmann: ›Den ganzen Vogel will ich nicht. Schneid mir ein Stück für drei Kopeken ab!‹ Es entsteht ein Skandal, der Kellner holt den Wachmann. Protokoll. Nach einiger Zeit wird der Kaufmann zum Richter vorgeladen und zu einer Geldstrafe verurteilt.«

So darf man es nicht machen. Man erzählt einen Witz ungefähr in der Art:

»Zederbaum, die ganze Stadt spricht, daß Kegelmann mit Ihrer Frau lebt.«

Der Mann: »Auch ein Glück . . . wenn ich wollte – könnt' ich genau so mit ihr leben.«

Oder:

Zwei Juden kommen in Paris auf den Flugplatz, gehen auf den Piloten zu und fragen ihn: »Fliegen Sie nach London? Nehmen Sie uns mit!« Der Pilot schaut sie an und fragte sie: »Wer seid ihr?« – »Wir sind zwei Juden.« – »Juden nehme ich nicht mit. Wenn mir ein Unfall passiert, werden Sie schreien, mich am Rücken packen und dann . . .« – »Herr Pilot«, antworten die Juden, »wir werden nicht schreien.« – »Ich nehme euch mit, aber nur unter einer Bedingung: Ihr dürft kein Wort reden. Für jedes gesprochene Wort zahlt ihr Strafe: ein Pfund.« Die Juden nehmen im Aeroplan Platz und der Pilot fliegt nach London. Wie sie glücklich in London landen, kommt ein Jude auf den Piloten zu und fragt: »Darf ich jetzt reden? – Abrascha ist ins Wasser gefallen!«

Es gibt nichts Traurigeres als zerstreute Witzerzähler.

»Hm . . . ich werde Ihnen einen Witz erzählen. Das war im Jahre 1989 . . . nein, im Jahre 1900. Warten Sie, in welchem Jahre war es denn?«

»Das ist nicht so wichtig. Erzählen Sie den Witz!«

»Da lebte in einer Stadt ein Engländer, es war kein Engländer, es war ein Armenier . . . Er hieß . . . na, wie hieß er . . . Pardon, ich habe diesen Witz mit einem anderen verwechselt.«

Wenn man so einen Erzähler tötet, so wird man sicherlich vom Richter freigesprochen.

Es gibt auch Witzerzähler, die einen Witz beginnen, dann plötzlich steckenbleiben, erröten und sagen: »Pardon, das ist ein unanständiger Witz, und es sind Damen da.«

Schrecklich sind Leute, die einem zurufen:

»Erzählen Sie doch den Witz, den Sie vorige Woche erzählt haben!«

»Welchen Witz?«

»Na, den da . . . Ein Schuljunge bittet den Lehrer, ihn für den nächsten Tag zu beurlauben. ›Weshalb?‹ fragt der Lehrer. – ›Mein Papa hat gesagt, daß es morgen bei uns brennen wird.‹«

Wie kann man da noch einen Witz erzählen?!

Wie man sich bei einer Hochzeit benimmt

Der Unterschied zwischen einer Hochzeit und einem Leichenbegängnis ist der, daß man bei einem Leichenbegängnis sofort weinen muß, während man bei einer Hochzeit manchmal erst am nächsten Tage weint.

In feinen Kreisen wird nur die Hochzeit gefeiert. Die Ehescheidung wird nicht festlich begangen, obwohl man sich bei einer Ehescheidung oft mehr als bei einer Hochzeit freut . . . Ich werde Ihnen einige Ratschläge geben, wie man sich bei einer Hochzeit verhalten muß.

Der Bräutigam – hm . . . Seine Lage auf der Hochzeit ist zweifellos schwieriger, als die eines geladenen Gastes. Der Gast braucht nicht zur Hochzeit zu kommen, während die Abwesenheit des Bräutigams peinliches Aufsehen erregt. Und nun stellen Sie sich einen jungen Mann mit verzweifelt blassem Gesicht vor, der in einen Frack gepreßt ist und weiße Handschuhe und Lackschuhe trägt . . . Er muß Gratulationen anhören, scherzhafte Bemerkungen der Freunde, Ratschläge der Eltern in Kauf nehmen, muß sich von der Menge in der Kirche begaffen lassen und dabei noch freundlich lächeln . . .

Die Besucher in der Kirche nehmen ihn und die Braut unter Kreuzfeuer.

»Der Arme!« sagt seufzend die dicke Köchin. »So jung und muß schon hineinspringen . . .«

»Bei uns im Spezereiladen hat man erzählt«, bemerkt das Dienstmädchen, »daß seine Braut die Geliebte eines anderen ist. Der hat ihn gezwungen, sie zu heiraten.«

»Was findest du Fesches an ihm? Schau dir bloß seine Nase an!«

Vor diesem Publikum bleibt nichts verborgen, es bemerkt alles.

»Und die Braut? Sie hat ganz rote Augen!«

»Rotgeschminkte Wangen . . . Die Schminke ist so stark aufgetragen, daß sie von den Wangen herunterfällt! Und der Ausschnitt? Wie kann man so zu einer Hochzeit gehen?«

Der Hochzeitsgast muß gut aufgelegt und ein Redner sein. Zur Hochzeit muß er im Frack, im weißen Gilet, in einer Frackhose und frisch rasiert erscheinen . . . Sein Gesicht muß vor Freude glänzen, auch wenn er sich soeben mit seiner Freundin gestritten hat. In der Hand muß er einen Strauß weißer Rosen halten, er muß diesen Strauß der Braut überreichen und ihr lächelnd sagen:

»Diese reinen, unschuldigen Blumen sind das Symbol Ihres reinen, zukünftigen Glückes, das Symbol Ihrer Unschuld!«

Diese letzten Worte darf man auch dann sagen, wenn die Braut und der Bräutigam zehn Jahre in gemeinsamem Haushalt gelebt haben.

Wenn man sauren Wein und schlechtes Essen bekommt, darf man den Blumenstrauß nicht zurücknehmen. Man kann aber vor dem Abschied auf die Braut zutreten und ihr leise zuflüstern:

»Wie kann man Gästen so etwas zum Essen hinstellen? Der Wein war so sauer wie Essig! Und ich habe Ihnen so schöne Rosen gebracht – schicken Sie mir die Blumen zurück. Ich muß morgen zu einer anderen Hochzeit gehen.«

Hochzeitsreden bei der Tafel . . . Hm . . . das ist auch nicht so einfach.

Ich erinnere mich, welch peinlichen Eindruck die Rede eines meiner Freunde auf meiner Hochzeit gemacht hat. Er war Junggeselle und hielt folgende Ansprache:

»Meine Herrschaften, gestatten Sie mir, der Braut und dem Bräutigam zu gratulieren. Ich könnte dem Bräutigam ein langes Leben wünschen, wenn ich nicht fürchtete, daß er das zügellose Leben, das er vor der Hochzeit führte, fortsetzen wird . . . Lieber Freund, jetzt mußt du von den Weibern lassen und mehr auf die Gesundheit aufpassen! . . . Der Braut könnte ich wünschen, daß sie ein paar hübsche pausbackige Kinder bekommt, aber sie hat bereits vor der Hochzeit ein Kind gehabt . . . Ich könnte den Eltern gratulieren, daß sie das Mädchen endlich vom Hals haben. Es ist wahr, die Braut bekommt eine Villa als Mitgift, aber diese Villa ist baufällig, und ich bin fest überzeugt, daß das junge Ehepaar sofort eine Hypothek aufnehmen wird . . . Also wozu davon reden? Ich wünsche auch der Mutter des verehrten Bräutigams Glück. Ich hoffe, daß ihr Sohn seine Mutter besser behandelt, als ihr Gatte es tat, denn er warf ihr alle Gegenstände, die ihm in die Hand kamen, an den Kopf . . . Ich fühle auch die Freude der beiden Tanten der Braut, sie werden sich einmal sattessen können! Ich will feststellen, daß die Löffel, welche die Tanten heimlich eingesteckt haben, nicht aus Silber sind, sondern aus Aluminium . . . Ich beende meine Rede, trinke auf das Wohl aller Gäste und bedaure, daß mir niemand antworten kann, da alle besoffen sind . . . Hurra!«

Eine derartige Rede hat keine Aussicht auf Erfolg – man kann höchstens durchgebleut werden. Daher empfehle ich – um Mißverständnissen aus dem Wege zu gehen – folgende Rede:

»Verehrte Damen und Herren! Ich sehe unter dem Dache dieses ehrwürdigen Hauses blühende Jugend, geistreiches Alter . . . Was hat sie heute vereinigt? Sie sagen einfach: Peter heiratet Werotschka! Er bekommt 45 Millionen, eine Villa, Silber und wer weiß, was noch. Oh, meine Herrschaften, wie oberflächlich beurteilen Sie, was hier vorgeht . . . Meine Herrschaften, hier wird heute der Grundstein zu jenem großen Geheimnis gelegt, aus dem sich der Staat zusammensetzt. Peter hat endlich seine Pflicht vor dem Staat, vor der Gesellschaft erfüllt. Und wenn Sie seine reizende Braut ansehen, so werden Sie sagen: eine angenehme Pflicht. Meine Herrschaften, ich wäre gern selbst an seiner Stelle. (Allgemeines Gelächter, Applaus.) Aber der Weg ist für mich versperrt, ich bin ein überzeugter Frauenhasser, denn ich bin bereits neunzehn Jahre verheiratet . . . (Bewegung auf der linken Seite, wo die Frau des Redners sitzt.)

Meine Herrschaften, ich erhebe das Glas auf das Wohl des Mannes, der heute ein Mädchen heiratet, das es verstanden hat, bis zu seinem neunzehnten Lebensjahre seine Reinheit, seine Unschuld zu wahren . . . Ich trinke auf das Wohl ihrer zukünftigen Kinderchen, die sicher den edlen Charakter ihrer Eltern erben werden . . . Ich trinke auf das Wohl der Eltern, die mit freigebiger Hand (eine Villa, 45 Millionen) das junge Paar beglückt haben . . . Ich trinke auf das Wohl der alten Tante, deren Sohn aus lauter Bescheidenheit unter den Tisch gefallen ist . . . Und mein letzter Toast gilt jenem Herrn, der den Rotwein auf das weiße Tischtuch verschüttet hat, und nun Salz auf den Fleck schüttet – denn Salz und Brot bringen Glück!« (Applaus.)

Dann muß der Redner einen Schluck Wein trinken und nach russischer Sitte »Bitter!« rufen – dann müssen sich Braut und Bräutigam küssen. Diese Sitte wird nur bei Hochzeiten angewendet. Später küßt der Mann selten seine Frau – der Hausfreund küßt sie, und der Mann sagt: »Bitter!«

Wenn Sie eine solche Rede halten, werden Sie rasch beliebt, man wird Sie überall einladen und Sie werden zweifellos eines Tages an der Stelle des Bräutigams sein . . .


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