Jules Amédée Barbey d'Aurevilly
Teufelskinder
Jules Amédée Barbey d'Aurevilly

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An den Leser

Wie schon der Titel dieses Buches »Teufelskinder« besagt, erhebt es nicht den Anspruch, ein Andachtsbuch, eine Nachfolge Christi, zu sein. Gleichwohl ist es von einem christlichen Sittenprediger geschrieben, allerdings von einem, der seine Ehre dareinsetzt, ein ehrlicher, wenn auch sehr kühner Beobachter des Lebens zu sein. Es ist sein Glaube, daß kräftige Künstler alles darstellen dürfen und daß ihre Werke genug sittlich sind, wenn sie die Gemüter erschüttern. Unsittlich sind nur die Unempfänglichen und die ungläubigen Spötter. Der Verfasser dieser Geschichten, der an den Teufel und seine Macht in der Welt glaubt, meint es durchaus ernst. Er erzählt den reinen Seelen, um sie mit Schrecken und Abscheu zu erfüllen. Wer diese Teufelskinder gelesen hat – des bin ich überzeugt –, der wird keine Lust verspüren, es ihnen nachzutun. Und darin liegt ja der sittliche Einfluß eines Buches.

Nachdem dies zur Ehre der Sache gesagt ist, eine andere Frage. Warum hat der Verfasser diesen kleinen Tragödien, die sich im Leben alle Tage abspielen, den vielleicht allzu vollklingenden Namen »Teufelskinder« gegeben? Gilt er den Geschichten oder den Frauengestalten darin?

Die Geschichten sind leider wahr. Es ist nichts daran erfunden. Nur tragen die dargestellten Menschen nicht ihre wirklichen Namen. Sie haben Masken bekommen. Man hat ihnen sozusagen die Namenszeichen aus der Wäsche getrennt. Das Alphabet gehört mir! war Casanovas Rechtfertigung, als man ihm den Vorwurf machte, er führe nicht seinen richtigen Namen. Das Alphabet eines Romandichters ist das Dasein aller derer, die Leidenschaften und Erlebnisse haben, und es handelt sich für ihn lediglich darum, die Buchstaben dieses Alphabets mit Kunst und persönlicher Rücksicht zu ordnen.

Übrigens wird es Hitzköpfe geben, die, vom Titel des Buches in Spannung gebracht, meine Teufelskinder gar nicht so teuflisch finden werden, wie sie sich den Anschein geben. Diese Geschichten sind schlichte Abbilder des wirklichen Lebens. Es gibt aber Leute, die Erfindungen, Verwicklungen, Klügeleien und Übertriebenheiten, kurzum den ganzen Zauber der modernen Opernmusik sogar in der erzählenden Kunst erheischen. Diese lieben Leute werden arg enttäuscht. Die Teufelskinder sind kein Teufelsmachwerk. Es sind eben Teufelskinder: Spiegelbilder des leibhaften Lebens aus unserer Zeit des Fortschrittes und der Kultur, die so erhaben und köstlich ist, daß ihr Konterfei, wenn man es wahrhaftig malt, immer aussieht, als habe uns der Teufel den Pinsel geführt.

Der Teufel ist ein Ebenbild Gottes. Die Lehre der Manichäer, jene Quelle der großen Ketzereien des Mittelalters, ist gar nicht dumm. Malebranche behauptet, Gott sei daran zu erkennen, daß er sich der einfachsten Mittel bediene. Ebenso macht es der Teufel.

Was nun die Frauengestalten in diesen Geschichten anbelangt: warum sollen sie keine Teufelskinder sein? Lebt und webt in ihnen nicht genug Teuflisches? Verdienen sie den holden Namen nicht?

Teufelskinder! Es ist keine einzige unter ihnen, die nicht irgendwie teuflisch wäre. Es ist keine darunter, zu der man mit Fug und Recht »Mein Engel« sagen könnte. Aber wie der Teufel, der doch auch ein Engel ist, wenngleich ein gefallener, so sind auch sie im Grunde Engel nach seinem Muster. Keine ist rein, tugendhaft,und unschuldig. Selbst abgesehen vom Ungeheuerlichen an ihnen, sind sie wirklich arm an Sittsamkeit und braven Gefühlen. Man kann also kaum den Vorwurf machen, sie trügen ihren Namen mit Unrecht.

Es ist vorläufig eine Auslese von solchen Damen. Ich hoffe, es treten mir im Leben nun auch Gegenstücke entgegen. Denn jedes Ding in der Welt hat zwei Seiten. Die Natur gleicht jenen Frauen, die ein blaues und ein schwarzes Auge besitzen. Hier ist das schwarze, abgemalt mit schwarzen Farben. Vielleicht kommt das blaue später einmal: nach den Teufelskindern die Himmelskinder! Ob sich die dazu nötigen himmelblauen Farben finden? Und gibt es denn Himmelskinder?

Paris, am 1. Mai 1874

Jules Amadée Barbey d'Aurevilly


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