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Zweiter Akt

Wohnzimmer im Gehöfte Ferners.

Behäbig ausgestattet, an den Wänden Heiligenbilder. Eingang Mitte, über dieser Türe, die offensteht, so daß man in die vordere Stube sieht, ein Madonnenbild mit einem Herzen von Messing und eine brennende Lampe mit rotem Glas davor. Zwei Fenster rechts, an dem vorne steht ein Tisch mit Stühlen. Links zwei Stühle, auf einem eine Joppe; ein Schrank, worauf ein Hut. An der Tür Weihwasserbehältnis.

Erste Szene

Ferner in bequemer Hausjoppe und Höllerer sitzen an dem Tische, letzterer mit dem Rücken gegen das Fenster. Beide rauchen und haben vor sich einen Krug und Imbiß; später Crescenz.

Höllerer.
Der Tag neigt sich; heunt kommt dein Sohn wohl nimmer, müßt ja sonst schon da sein. – Warten wir nit unnötig, und ich kimm' nit gern spät heim. – Wo steckt denn der Toni?

Ferner.
Wird mit der Crescenz gangen sein, mein' Wirtschaft anschaun. Hat a gute Führerin, die weiß Bescheid. (Sieht durch das Fenster.) Kann gar nit weit sein, denn dort drüben steht die Crescenz und plaudert mit der Großdirn.

Höllerer.
Ruf s' rein!

Ferner.
Soll gleich da sein. (Steht auf und ruft vom rückwärtigen Fenster:)
Crescenz! He! Kimm rein!

Crescenz (außen).
Gleich, Vater.

Ferner (dasselbe schließend).
Freilich wohl, gleich. (Kommt an den Tisch zurück.)

Höllerer.
Dein Viehstand und Hauswesen is bekannt weit und breit. Wie steht's denn draußt auf die Felder? Bist z'frieden?

Ferner.
Ah freilich! Ich dank Gott dafür! Es is a gesegnet Jahr.

Höllerer.
Bin auch z'frieden, wenn wir's so reinkrieg'n, wie's draußt steht.

Crescenz (kommt herein).
Da bin ich. – Was wollt's denn, Vater?

Höllerer (auf Ferner).
Der Vater will dir nix, aber der Vater fragt dich: Dirndl, was hast denn mit mein' Bub'n ang'fangt, daß d' ihn nit mitbringst? Hast 'n leicht verlor'n oder gar versetzt?

Crescenz.
War' er verlor'n, könnt's ihn schon austrommeln lassen, ich such' ihn nit; war' er aber versetzt, ich löset ihn a nit aus.

Ferner.
Na ich hoff, es werd't's doch nit am ersten Tag zum warteln ang'fangt hab'n.

Crescenz.
Ah freilich, tut er ja grad, als müßt' mir's a Gnad' sein, daß er mit mir geht; ich hab ihm aber gleich g'sagt, ich wär die Crescenz mit 'm hart' Talersackel und nit die Vroni mit 'm Fetzenbinkerl.

Höllerer.
Sikra h'nein! Dös hat's nit Not! Er hat a Talersäck'.

Ferner.
Mußt nit so rar tun mit 'm Toni. Die Dirn kann ihn leiden und ich wett', sie hat nur von d' Taler g'red't, weil s' dös von der Vroni g'magerlt hat.

Höllerer.
Kannst recht hab'n. Die verliebt' Weibsleut' schlag'n a auf d' Talersäck' und meinen den Esel, der s' drum nimmt. Kreuzdividomini! Wo is er denn hin, der Wildling?

Crescenz.
Von mir davong'rennt.

Höllerer.
Vielleicht heim?

Crescenz.
Na, die entgegengesetzte Straß'.

Höllerer.
Sternsakra! Wohin?

Crescenz.
Weiß ich's? Vielleicht auf Ottenschlag zu der Dirn', der Vroni nach.

Höllerer.
Na, das wär unnötig.

Crescenz.
Er hat g'sagt, er wußt wohin, wo man 'n lieber hätt.

Höllerer.
Na, du kimm mir heut heim. – Die dumm' G'schicht' hat mir nie angestanden – mein', 's is aus – und jetzt! Hätt'st 'n auch d' erst' Zeit festhalten können, daß er s' vergißt.

Crescenz.
Soll er s' nehmen.

Höllerer.
Tu nit so. G'schähet uns allz'samm kein G'fall'n, dir zum wenigsten.

Crescenz.
Wann er so is.

Ferner.
Sei du still, Dirn! Und du, Schwiecher, sag 'm Toni, er soll kein' Narr'n spiel'n, sonst war's wohl nix!

Höllerer (aufstehend).
Is enk so weng dran g'leg'n? Ich merk's, er soll enk nur 'n Narr'n mach'n, dann wird erst recht was draus.

Ferner.
Schwiecher!

Höllerer.
Ach was! Schwiecher hin, Schwiecher her! Hast du ihm dein' Dirn nit naufg'worfen?

Ferner.
Ich hätt ihm s' naufg'worfen?

Höllerer.
Vielleicht nit? Hast's nit?

Zweite Szene

Vorige. Franz ist durch die vordere Stube gekommen und tritt jetzt in die Tür.

Franz.
Guten Abend miteinander!

Ferner.
Weißt, kann s' auch behalten.

Höllerer.
So b'halt s'! B'halt s'!

Ferner.
Kommen g'nug drum.

Höllerer (nimmt seinen Hut).
Aber keiner, der ein' Adamshof anrainen hat.

Franz (überschreit die Streitenden).
Holla, he! Streit und kein Ende! Soll ich ewig da zwischen Tür und Angel stehn? Wer ist da der Herr vom Haus?

Ferner.
Der bin ich!

Franz.
Freut mich! – Ich bin der Franz Ferner!

Ferner.
Also Ihr... Du bist's Franzl?! (Tritt, ihn fixierend, zögernd näher und bietet ihm die Hand). Der Herr g'segn' dein' Eingang und dein' Ausgang in diesem Haus!

Höllerer.
Amen!

Ferner.
Schön, daß d' 'kommen bist...

Franz (auf Crescenz).
Ist das die Schwester?

Ferner.
Ja, das is die Crescenz!

Franz (auf Höllerer).
Und Euer Gast da?

Höllerer (gibt ihm die Hand).
Der Bauer vom Adamshof, junger Herr!

Ferner.
Wir sein Schwiecher z'samm'...

Höllerer (schüttelt ihm die Hand).
Freilich! Freilich! Kreuzdividomini! Und ein Herz und ein Sinn!

Ferner.
Sein Sohn heirat die Dirn' da. Crescenz, rühr dich doch, wann der Bruder kimmt!

Crescenz (zu Franz).
Grüß Enk Gott! – G'fallt's Enk da?

Ferner.
Dumm's Ding, kannst nit zum Bruder »du« sag'n?

Crescenz.
Dös »du« sagen wird mir völlig schwer! Ich muß's erst g'wöhnen, denn so hab ich mir 'n nit vorg'stellt. Er schaut aus wie die Stadtherrn, wann s' auf d' Jagd herkämmen, und ist doch a Student, und a Student, mein ich, tat sich schicklich doch nur schwarz trag'n wie a geistlich' Herr, und 's geistlich' G'wand, mein ich, müßt'm Bruder so viel gut stehn!

Ferner.
Pst!! Dirn! Mit der Tür muß man nie ins Haus fall'n!

Höllerer (pfiffig).
Und noch gleich gar mit der Kirchtür!

Crescenz.
Es hat mir's nur so rausg'riss'n, weil dös weltlich aufg'stazte Zeug für ihn sich völlig nit schickt in unsern fromm' Haus; wir sein dafür in der ganz' Gegend bekannt, und der Vater gilt für ein' halben Heiligen!

Franz (ironisch,).
So?

Ferner (zu Crescenz).
Mußt nit so red'n, wir sein alle sündige Leut'!

Höllerer.
Sie is völlig derschrocken über 'n eigenen Bruder, weil er nit schwarz kimmt. Hehe! Narrische Dirn, wer weiß, was noch g'schieht! (Leise zu Ferner.) Weiß jetzt schon, was d' willst, weiß schon – die Dirn' schwatzt dir nit übel aus der Schul'; na, mach's nur richtig und all's bleibt beim alten! (Laut.) Komm, Crescenz, kannst mir a d' Wirtschaft zeig'n, der Vater hat sich g'wiß mit sein'm Suhn z'erst alleinig ausz'red'n!

Ferner.
Freilich wohl! Geht's nur zu!

Höllerer.
Wann d' uns brauchst – sein glei wieder da! – B'hüt Gott derweil!

Crescenz.
B'hüt Gott, Bruder! Hör nur fein auf Vaters' Wort!

Höllerer.
Wohl! Wohl! Wenn man auch aus der Stadt kommt, auf Vaters Wort hör'n, bringt kein' Schand'. (Beide ab.)

Franz.
Adieu, kluge Schwester! Servus, weiser Adamshofbauer!

Dritte Szene

Ferner geht zur Mitte und macht die Türe zu. Franz steht mitten im Vordergrund währenddem, zeichnet mit dem Stock Figuren auf die Diele und pfeift vor sich hin.

Ferner (kommt zum Tische zurück. Spricht die Eingangsreden immer ohne Franz anzusehen).
Magst dich nit setzen, Franz?

Franz (setzt sich).
Hm, ja! Bin rechtschaffen müde, ich bin übers Gebirg gegangen und habe mich lange in den Steigen nicht zurecht gefunden.

Ferner.
Du hast schön' Wetter g'habt bisher?

Franz.
Leidlich!

Ferner.
Wird so bleiben a Weil'! Reut dich wohl nit, daß d' her bist? Die Weg' da 'rum sein schön.

Franz.
Ja, ist 'ne schöne Gegend!

Ferner.
Da hab'n wir noch a Restl Wein stehn. Magst trinken? (Schenkt ein.) Lang zu!

Franz (stürzt den Wein hinab).
Danke!

Ferner.
Du kannst's aber! (Schenkt ein.) Na nochmal!

Franz.
War nur für 'n ersten Durst; ich trinke nicht fort in dem Tempo!

Ferner (schenkt sich ein).
Muß dir's nachtun! (Trinkt.) Aufrichtig, Franz, ich red mich hart mit dir, wir sein völlig wie zwei fremd' Leut' zu einand' und sein doch Vater und Kind! – Geh, leg doch dein Zeug da ab, bist ja zu Haus!

Franz.
Danke, ist nicht nötig! Gibt vielleicht bald wieder Anlaß zum Gehen!

Ferner (sieht ihn groß an).
Was red'st?

Franz.
Sagt mir grad heraus, was Ihr eigentlich mit mir vorhabt!

Ferner.
Werd schon drauf kämma, Franzl! Kimm schon noch drauf, laß dich vorerst nur recht anschau'n. Du bist mir als so klein (zeigt es) aus 'm G'sicht kommen, kann's kaum glauben, daß ich ein' so großen Sohn haben soll, und wie d' sauber word'n bist! Bist mir doch nit in der Stadt verdorb'n word'n?

Franz (bedeutsam).
In der Stadt nicht!

Ferner.
He, trink nur noch eins! – Sag mal, hast auch a Anhänglichkeit an deine Leut'? Hast dein' Schwester gern?

Franz.
Sonderbare Frage! Ihr sagt doch selbst, wir stehen zueinander wie Fremde...

Ferner.
No weißt, ich denk nur, Geschwister haben sich sonst doch allmal gern, b'sonders a ledig' Bursch, der noch kein' Schatz hat, halt' gewöhnlich viel auf seine Schwester. Is a recht a liebe Dirn', die Crescenz! Laß dir nur sagen, die macht a gut' Heirat, kriegt 'n Toni vom Adamshofbauer.

Franz.
Gönn ihr's vom Herzen!

Ferner.
Is a Red, sollst leben! (Stoßt an Franzens Glas und trinkt.) Gönnst ihr's vom Herzen, is a Bruders Red'! Bist a guter Bursch! – Mußt halt aber auch was dazutun, daß s' ganz z'frieden und glücklich wird!

Franz (ironisch, gedehnt).
So –? –!

Ferner.
Ja, ja, Franzl, g'wiß! Aber wir lass'n uns nit spotten, gelt, Franzl? Wir sein dabei, wo's gilt, der Welt z' zeig'n, daß die Fernerschen auf 'n Kreuzweghof z'sammhalten und daß wir unser' Crescenz zum Ausbund von alle Bäurinnen machen! Weißt, der alt' Adamshofbauer – hast 'n vorhin g'sehn – dös is a Findiger, sein Anwes'n, 's zweitgrößt' im Land nach meim', raint an unsers an, und da liegt's ihm in Sinn, wann dö zwei Höf' in oans kommen, was das für a Stuck Land wär – war a allweil mein Denken! – und da hab'n wir's ausgemacht, er gebet 'm Toni sein G'höft, ich der Dirn' das mein' und setzeten so die jung' Leut' aufs größt' Fleckl Erd' im Land! Dö werd'n sich doch rühr'n können, wann a ihr' mehrer werd'n, was, he? So is's halt unter uns ausgemacht, no und jetzt, was meinst denn du dazu? Dich mußt man doch auch hör'n, drum hab ich dich herkommen lass'n!

Franz.
Wie hübsch Ihr doch um den heißen Brei herumschleicht – und damit Ihr Euch ja nicht das Maul verbrennt, verlangt Ihr noch obendrein von mir, ich soll Euch in die Schüssel blasen; nun, wenn Ihr das Zulangen nicht erwarten könnt, ich stell sie Euch gleich kalt, greift zu! Die beiden Höfe sollen in eins, aber auf eine Art, die auch mir taugt – der Alte vom Adamshof wird doch ein mannbares Mädl haben?

Ferner.
Ja – eine wär's schon! Die Plonerl!

Franz.
Gut, so gebt der den Adamshof und ich heirat die Dirn!

Ferner.
Du? Haha! Du, Franzl?! Hör, du bist aber einer, du hast G'späß in dir! Haha, der Toni möcht sich bedanken, was g'schähet denn mit ihm?

Franz.
Steckt den Burschen in die Kutte.

Ferner (bedeutsam).
Aber Franzl, er is ja kein G'studierter!

Franz.
Aber ich bin einer!

Ferner (etwas betroffen, doch gleich gefaßt).
Ja, du bist a G'studierter, ja, und dös is mein Stolz, und weil wir jetzt bei der Sach' sein, so sag ich dir's auch, es war der Wunsch deiner Großmutter und deiner Mutter – Gott hab s' all' zwei selig! – und es wär mein größter Stolz und mein' größte Freud', wann d' nur möch'st geistlich werd'n!

Franz (steht auf).
Nun also, da sind wir bei der Stange! Warum habt Ihr das denn nicht gleich gesagt? Ihr hättet Euch ersparen können, nach meiner Anhänglichkeit an die Familie, nach meiner Geschwisterliebe zu fragen, Ihr hättet Euch ersparen können, Eure ökonomischen Rücksichten und Pläne aufzuzählen; Ihr hättet es endlich Euch ersparen können, mich fühlen zu lassen, daß Ihr das Eure und was etwa an fremden Tauben noch zufliegen mag, lieber Eurer Tochter gönntet, die Euch für einen halben Heiligen hält, als mir, der Euch als ganzen Sünder kennt! Es taugt nicht, daß Ihr mir bei dem, was ich weiß, noch solche Dinge merken laßt!

Ferner (steht auch auf, beschwichtigend).
Franz, hör mich an...!

Franz.
Kreuzweghofbauer – hättest du mir offen herausgesagt, was dir am Herzen liegt, ich hätte dich ruhig angehört und dir ebenso ruhig »nein« gesagt; da du mir aber mit Winkelzügen kommst, so laß dir jetzt sagen: Bisher hat dein Verbrechen bei mir die Natur unter ihr Beichtsiegel genommen – ich bin nun einmal doch dein Kind und ich wollte der Welt nicht das Schauspiel geben, daß der Sohn gegen den Vater als Ankläger auftritt – aber hüte dich! Du hast nimmer den Knaben von damals, du hast jetzt den Mitwisser vor dir, der reden oder schweigen kann, wie es ihm nützlich oder dienlich erscheint. Mich, das laß dir gesagt sein, kann nichts bestimmen, die Mühe meiner Studien an den opfervollsten und schlechtbesoldetsten Stand zu wenden, für den ihr ohne Beruf und Weihe eure Söhne preßt, sie der Familie und dem Vaterlande entzieht, um sie in den ärmlichen Sprengeln ihrer Heimat als das hausen zu sehen, was man sie nicht werden, sondern bleiben läßt – als Bauern in der Soutane!

Ferner.
Franz! Franz! Laß mich reden! Ich hab's ja seit damal neamand anvertrauen können, was nur wir zwei auf der Welt wissen und unser Herr da droben – verstehst, Franz, wie das druckt, wie a Mühlstein liegt's auf mir und nachtig glaub ich oft, ich werd irrsinnig, wann ich denk, ich hab 's Abendmahl so oft g'nommen und davon nie etwas beicht! – Franz, 's is keiner auf der Welt, dem ich's nit z' sagen brauch und der doch davon weiß, wie du – du bist der einzige, der mich ohne Red' und Gegenred' entsündig'n, der mir in meiner letzten Not einmal die Sünd' aussegnen kann! Franz! Franz! Verlaß dein Vatern nit!

Franz (macht sich von dem ihn Umklammernden los).
Ich glaube, Ihr seid jetzt schon von Sinnen! Aber es ist Methode in Eurem Wahnsinn, und Euer Mittel ist drastisch! Ihr würdet Eurer Sünde, ich meines Erbes auf die einfachste Weise ledig, und die Cenzi kriegte den Toni und geistlich' und weltlicher Vorteil gingen hübsch Hand in Hand! Wenn Ihr schon Entsündigung sucht – warum denn bei dem Mitbefleckten und nicht bei den Reinen? Warum laßt Ihr nicht die Crescenz Nonne werden und für uns beide beten? Nach Eurem Denken muß ja doch die Fürbitte der Reinen beim Himmel mehr vermögen!

Ferner.
Die Cenzi – die Cenzi. Das arme Dirndl weiß von nix! Soll die's entgelten?

Franz.
Ihr habt nicht den Mut, ihr, die von nichts weiß, unter die Augen zu treten als der, der Ihr seid? Ihr wollt den Vater, den halben Heiligen, bei ihr nicht im Kurse fallen machen, der Fromme wollt Ihr in den Augen dieses unerfahrenen Dinges bleiben. Ihr seid aber so fromm, daß Ihr darauf sinnt, die erste Sünde durch eine zweite wett zu machen – weil Ihr zu gut wißt, daß jeder Priester, dem sein Amt heilig ist, Euch das ungerechte Gut nicht in den Händen lassen würde, so wollt ihr den Himmel selbst hintergehen und Euch für Euren Privatgebrauch einen Gelegenheitspriester konstruieren, der Euch auf eigne Faust entsündigt. So wollt Ihr –! Nicht aber was ihr wollt, kommt hier in Betracht, sondern was ich will oder nicht will!

Ferner (reckt sich hoch auf, den Atem ausstoßend).
So?! So herrisch?! No, red dich nur aus!

Franz.
Was ich jedoch will, das sag ich Euch jetzt kurz und bündig: Dieses Gut hat mich schon Opfer genug gekostet, seine unrechtmäßige Erwerbung hat mir die Tage meiner Kindheit vergiftet, die bange Sorge langjähriger Mitwisserschaft hat mich menschenscheu und freundlos gemacht. Ihr habt nicht das Recht, das Opfer noch von mir zu verlangen, das mir den Preis aller früheren entreißt – ich will hier Herr sein!

Ferner (verbissen).
Herr willst sein? Hast recht – hast recht – vergant, verwirtschaft das ganze Gut –!

Franz.
Das geschieht nicht, seid ohne Sorge! Ich bin Eurem Ruf gefolgt und hergekommen, weil ich glaubte, Ihr wolltet Euch etwa zur Ruhe setzen und jüngeren, kräftigeren Armen die Arbeit anvertrauen; sie wäre ganz gut besorgt worden, darauf hättet Ihr Euch verlassen können, denn ich muß Euch gestehen, daß ich durchaus nicht in der Lage bin, Euren Fürsprecher beim Himmel abzugeben, denn ich habe nicht mit unserm Herrgott Latein, sondern bloß mit Euch und andern Deutsch reden gelernt; was ich sonst gelernt habe und ob ich zum Großbauern tauge, das könnt Ihr in der landwirtschaftlichen Schule erfragen.

Ferner (ganz erstarrt).
Du hast nit g'studiert?

Franz.
Latein nicht.

Ferner (stürzt auf ihn zu).
Schuft! Schuft! So betrügst du dein' Vatern um sein Geld und um sein' letzt' Hoffnung auf a ruhig' Sterbstund'.

Franz (drückt ihn nieder auf den Stuhl).
Das ging vor acht Jahren – jetzt müßt Ihr Euch nimmer an mir vergreifen – übrigens war's Eure eigne Mutter, die nun seit einem Jahre in kühler Erde ruht, die Euch täuschte, um den Enkel froh zu machen – ich segne ihr Angedenken dafür.

Ferner (hat den Kopf gesenkt und fährt sich mit zitternden Händen durch die Haare).
Nein, nein – ich tu dir nix! – Wirst halt warten müss'n, bis d' hier Herr wirst, warten wirst müss'n, solang ich leb – (aufschauend) und mein' Hand zieh ich ab von dir – und auf mein' Totbett – auf mein' Totbett – verfluch ich dich noch! –

Franz (aufschreiend).
Kreuzweghofbauer! (Ernst.) Besinn dich, eh du von Fluch und Segen sprichst! Du kannst Gott nicht zu deinem Anwalt machen, nachdem du ihn zum falschen Zeugen entwürdigt.

Ferner (bricht kraftlos zusammen).
Jesus, Maria! So red't mein eigen' Fleisch und Blut!

Franz.
Du tust nit wohl daran, Kreuzweghofbauer, in dieser Stunde mich zu erinnern, was ich dir sein sollte, denn ich denke dann auch daran, was du mir warst von meiner Kindheit an bis zum heutigen Tage. Weißt du denn auch, was du ohnehin für alle Zeit in mir zerstört hast? – Die Familie – die Freundschaft – die Liebe! Das alles ist für mich Legende, die Familie ist für mich tot seit meiner Kindheit, du weißt den Tag, an dem sie starb. – Die Freundschaft! Woher mit der Last unseres Geheimnisses auf dem Herzen nähme ich einen Freund? Immer den einen Gedanken ängstlich deckend, ängstlich bergend wie ein häßliches Gebrest am Leib, könnt ich mich seiner nicht erfreuen, und rede ich, entweder wendet er sich scheu von mir, oder aus dem Freunde wird ein Verräter! – Und der goldenste Traum des Daseins – die Liebe! Ich suche ihn als meine Entsündigung, wie du die deine suchst! Ich suche ein Weib, dem auch ich nicht bekennen müßte, was mir auf der Seele lastet, das auch den ganzen Fluch meiner Vergangenheit und die ängstigende Pein der Gegenwart kennt und das mich trotz allem getreu lieben könnte. Ich suche umsonst, das weiß ich, und nichts bleibt mir über, um nicht ganz am Leben bankrott zu werden, als darüber zu wachen, daß mir wenigstens der Preis meines Schweigens nicht entgeht; du kannst dich nicht beklagen, Bauer, daß ich dich überhalte, ich habe meinen Menschen verloren, den frisch von der Natur angelegten Menschen, der übermütig die Erde mit Füßen tritt und keck ohne Frage zum blauen Äther hinaufblickt, und der, du magst mir's glauben, war mir um dein G'höft nicht feil!

Ferner (zitternd, faßt Franz mit beiden Händen und drückt ihn neben sich auf den Stuhl).
Franz! Franz! Du mußt mich anhören! Du mußt mich auch anhören, eh du mich schlecht machst. Laß dir sagen, was mir schon die Jahr' her auf 'm Herzen liegt. Ich hab damal an nix Schlechts denkt, der Herrgott im Himmel is mein Zeug', ich hab damal nix Schlechts denkt! Es hat mir wohl weh tan, wie der Bruder sagt, er will seiner Zuhälterin und ihr'n Kindern alles vermachen, aber ich hab mir denkt, soll's so kämma, so soll's halt sein! Der Bruder is drauf krank mit 'm Bub'n, 'm Jakob, nach Wien fort, und die Burger Vroni hat sich breit g'macht auf'n Hof, als ob s' schon da die Bäurin wär', sie hat g'wußt, wie weh's uns tut, und sie hat's uns g'spür'n lassen. – Da is 's Testament vom Bruder aus der Stadt kämma, ich hab's ruhig in die Lad' g'legt und mir denkt, der Bruder kimmt ehnder wieder, hab ihm ein' Brief geschrieben, daß ich 's Testament kriegt hätt, hab aber kein' Menschen a Sterbenswörtel davon g'sagt, daß 's neamand etwan der Vroni stecken kann, damit die nit gegen uns no quälerischer wurd, als s' eh schon war. – Auf einmal kimmt der Totenschein vom Bruder ins Haus – wie mir da war, das kann ich kein' Menschen beschreiben, jetzt war die Vroni wirklich obenauf und, wann ich auf mein Weib und enk zwa Kinder g'schaut und dabei denkt hab, wie des Vaters reich' Erbschaft jetzt in fremde Händ' soll, da hat's mir 's Herz z'sammzog'n! A öften hab i mir denkt, tragst jetzt in Gotts Nam 's Testament zu G'richt, und nachtig, wann ich kein' Schlaf g'habt hab, bin ich auf, hab's stad aus 'm Kasten g'nommen und für morgen z'recht g'legt – aber wann dann eins von euch, wie's ruhig dag'leg'n seid's, aufg'seufzt habt's in der still' Nacht, und ich hab dann so hing'schaut nach 'm Weib und nach enkere zwei Betteln, da hat mir die Hand zittert und ich hab die Schrift z'ruckg'legt, hab mir denkt, sollst ihnen 's jetzt schon sagen, daß s' fort von Vaters Haus und in hart' Arbeit müssen? 's is ja noch Zeit, laßt s' in ihrer Ruh', so lang's noch sein kann! – So is die Schrift wochenlang bei mir in der Lad' g'leg'n. Da hat's der Vroni z' lang 'dauert und sie is zu G'richt g'rennt. Und wie ich so zum ersten Verhör kimm und triff sie dort, wie s' so spötti lacht, als müßt's jetzt sein, wie sie sich's denkt, und wie der Richter mich so herrisch anschreit – als ob ich der größt' Halunk' auf der Welt wär –, wo ich s' Testament hätt? da hab ich mir denkt, was is da weiter, was hab ich tan, daß der so in mich neinschreit? Ich bin trutzig word'n und hab g'sagt: Es war nit nötig, daß das vor G'richt kam, wann auch a Testament da wär! – Da schreit der Richter: »Ist vielleicht keines da?« Da is mir z'erst der Gedanken kämma, ob ich nit sagen könnt, es wär keins da. Ich war im Zorn und hab mit der Vroni zum warteln angefangen und da sein wir so in Streit kämma, daß uns der Richter all' zwei hat nausführen lassen! Trutzig bin ich heim kämma, ich hab noch nit g'wußt, was draus werd'n soll, und hab meine Händ' zu unsern Herrgott aufg'hob'n, er sollt a Zeichen tun, ob er's nit um der Kinder will'n und ob dem sündig' Leben, was die Vroni mit 'n Bruder geführt hat, derer zur Straf', verzeih'n möcht, wann ich das Testament unterschlaget? Du mußt wissen, Franz, ich hab bis dahin noch alleweil Angst g'habt z'weg'n dem Brief, den ich 'm Brudern g'schrieb'n hab, weil der nit an mich z'ruckkämma is, daß er etwa in unrechte Händ' kummen wär; wie aber der Brief is wie verschwunden blieben, als hätt 'n der Tote selber ins Grab mitgenommen – sixt, Franz, da hab ich mir's als erstes Zeichen ausg'legt und ich hab von da ab g'sagt: Es is kein Testament da! – Da is 's G'richt weiter gangen und hat mir 'n Eid drüber auferlegt. – Wann nur dös nit wär, Franz, wann's nur dös nit gäbet! – Du kannst dir nit denken, wie mir war! Ich kunnt doch jetzt nit sagen: 's Testament is ja da! Nit nur alles wär verloren g'west, mich hätt'n s' obendrein g'straft und ös hätt's derweil kein' Vatern g'habt und leicht a kan Brot – nur Elend und Schand'! Da bin ich an dem Tag, wo ich 'n Eid hätt leisten soll'n, in aller Fruh' in die Kirch', hab wieder die Händ' zum Himmel g'hob'n und unsern Herrgott bitt, er soll mir nochmal a Zeichen geb'n, und wie die Stund' schon rankimmt, wo ich in die Kreisstadt soll, und es is allweil noch nix g'schehn – da ruckt's auf einmal an meine Knie, ich schau auf, steht die kleine Crescenz vor mir, die die Mutter schickt, daß ich mich nit versäumen soll – da is vor mir g'stand'n im weißen G'wandl, die g'schneckelten Haar am Köpferl, wie a Engerl vom Himmel und hat g'sagt: »Voda, sollst schwör'n gehn!« – Da bin ich ruhig aufgestanden, hab 'm Himmel dankt für sein' Gnad' und mir g'lobt, um der Kinder will'n nähm ich die Sünd' auf mich, bin nach der Kreisstadt, aufrecht bin ich in G'richtssaal neingangen, nur wie ich vorm Kruzifix mit die brennenden Lichter steh, wird mir auf amal die rechte Hand wie Blei, als könnt ich s' nit aufheb'n – da kommt mir von Gott der Gedanken, schwörst nit, es wär kein Testament vorhanden, schwörst nur, es wär nit da – das hat mir Kurasch geben, denn die Schrift is ja wirklich viel meilenweit in mein' Kasten versteckt g'leg'n, ich hab 'n Eid ganz klar und deutlich nachsag'n können und alles war gut! Kannst dir mein' Schrecken denken, wie ich drauf heimkomm' und wie ich in der ruckwärtig'n Kuchl die Schrift verbrenn und du stehst auf amal dabei – Ich hab nit g'wußt, was ich tu, Franz, ich hab damal nit g'wußt, was ich tu! – Mir war, als ziehet Gott doch sein' Hand auf amal von mir ab! – Ich war wie verzweifelt! (Kleine Pause.) Später aber, wie durch all' Jahr Seg'n aufs Haus und Feld g'leg'n is, da is mir auch ein Licht auf'gangen, daß mir unser Herrgott dös Gut nur wie ein'm Verwalter übergeben und dabei auch z' gleichzeit bestimmt hätt, wem von euch zwei als 's g'hör'n soll. Du weißt jetzt, wie's kämma is. (Scheu.) Franz, i weiß nit, wie damal, wo du auf einmal vor mir g'standen bist, faßt mich auch heut a Angst, daß ich mich in die Erd' nein verkriechen möcht; grad wie damal so heut trittst du derzwischen, es is, als sollt die G'schicht' nie zu ein' End' kämma! Ich weiß nimmer, was werden soll – Jesus! – Unser Herrgott behüt uns alle zwei – ! (Stützt den Kopf in beide Hände.)

Franz (steht auf und legt ihm die Hand auf die Schulter).
Es wäre uns beiden wohler, alter Mann, wärst du dein Leben lang weniger, was du fromm nennst, gewesen, aber immer ehrlich geblieben! (Geht von ihm weg nach rechts.)

Vierte Szene

Kurzes Klopfen.
Vorige. Vroni tritt ein und geht rasch vor, wobei sie die Mitte gewinnt.

Vroni.
Guten Abend!

Franz (aufmerksam machend).
Vater!

Ferner (erhebt den Kopf aus den Händen).
Wer is's? Du?!

Vroni.
Grüß Gott miteinander! (Zu Franz, der fort will.) Bleib nur da – kannst auch hör'n, was ich mit 'm Matthias Ferner z' reden hab!

Ferner (ist aufgestanden und tritt, ganz der alte, auf sie zu).
Z'reden hätt'st mit mir, keck's Ding! Wird wohl nix so G'wichtigs sein und hat wohl auch a andermal Zeit! Wär grad heut aufg'legt zu ein' Diskurs mit dir! – Wann d' aber schon kommst, so tritt nit in die Stuben, wie vom Himmel g'fall'n; und klopfst schon an, so wart auch, bis man dir »Herein« sagt; dann muß ich dir noch sag'n, daß ich da Herr von Haus und Hof bin und für dich nicht Matthias Ferner, sondern Kreuzweghofbauer heiß, das dermerk dir und, wann d' nächst' Mal kommst, so komm mit Art und hitzt geh!

Vroni.
Es taugt mir aber grad heut und derentweg'n mußt dich also nit harben über meine Unarten, ich bin schon so! – In die Stuben da hoff ich noch a öften z' kommen, ohne Anklopfen, und wann ich dich Matthias Ferner heiß, is's doch allweil dein ehrlich' Nam', und ob dich d'Leut noch lang' so ruf'n werd'n, drauf möcht ich nit schwören, leicht heißt d' in paar Wochen schon im ganzen Land, wie d' bei der Ahnl in Ottenschlag schon d' Jahr her heißt, der Meineidbauer!

Ferner (auffahrend).
Noch so a Wort, Dirn...! (Bezwingt sich und schupft die Achsel.) Bei der Alten in Ottenschlag rappelt's, und die hat dich jetzt wohl auch verruckt g'macht?!

Vroni.
Die Ahnl weiß derweil noch nit, was ich weiß – und ich war noch nie gescheiter wie heut! Auf 'm Adamshof hab ich dir in der Fruh' g'sagt, daß ich nit g'wart hätt bis heut, wußt ich von deiner Sünd' – daß ich aber hoff, ich käm dir noch drauf – da hab'n wir wohl keins denkt, daß ich dir jetzt am Abend sag'n kann: Ich bin dir draufkämma und ich wart auch nit! – Ich wart nit und unser Recht muß uns gleich werd'n, denn das alte Weiberl drob'n in Ottenschlag hat wenig Zeit mehr zum Warten! Ich wart nit, denn die Leut' können die Wahrheit nie zu zeitlich erfahr'n und ich denk, die Lug ist alt gnug word'n! – Aber als ehrlicher Feind komm ich auch, dir ins G'sicht z' sag'n, daß's aus is mit 'm Landfrieden zwischen uns zwei und auf was d' dich darfst g'faßt machen! Die nächste Sonn' sieht mich bereits auf 'm Weg nach der Kreisstadt. Ich will hier sitzen auf 'm Kreuzweghof, der unser is von Gotts und Rechts weg'n nach Vaters letztem Willen, und du sollst hinaus auf den nämlichen Weg, den du vor acht Jahr'n mein' Mutter g'schickt hast in Not und Schand'! Nur darfst du dich nicht wundern, wann er bei dir von der »ehrlich'-Leut'-Straß« abbiegt nach 'm Zuchthaus!

Ferner (schreit auf).
Schandmaul! (Faßt zitternd vor Aufregung nach einem Stuhl.) Wann dir deine graden Glieder lieb sein, so schau, daß d' fortkommst! Hinter mein' Rücken plant's meintweg'n, was's wollt's, wärmt's den alten Prozeß wieder auf, wann's a überflüssig' Geld habt's – Recht wird Recht bleib'n, und für eure Sach' find't sich heut so wenig a Beweis wie damal! Aber in meiner Stub'n, mir ins Gesicht darfst du dich nit übernehmen, das merk und geh mir aus die Aug'n, bevor a Unglück g'schieht!

Vroni.
Laß's gut sein, ich will dich nit länger beschwer'n; aber es steht dir nit gut an, daß du den Hochfahrig'n spielst und mit Recht und Beweis rumwirfst, wo z'neb'n dir in der Stub'n da einer steht, der mit eigne Aug'n g'sehn hat, wo damal 's Testament blieb'n is!

Ferner (schupft die Achsel, wie mitleidig).
Red und red in Tag h'nein – was weißt du? – Leut'g'red'! – (Auf Franz.) Rechnet's leicht auf den, wär euch der grad z'recht kämma als Zeug'?

Franz.
Ihr müßt doch wissen, daß mich niemand zwingen könnte, Zeugnis gegen den leiblichen Vater abzulegen.

Vroni.
Weiß's und hätt dir's auch nit zug'mut't, aber ich hab ein' bessern Zeugen als dich; ich hab 'n leiblichen Vater selber! – Diesmal gilt's nit gegen a arm' Weib und zwa Waserln, dösmal gilt's gegen dein' eigen' Handschrift und Wort aufzukommen Meineidbauer! Ich hab den Brief, den du damal an Vatern ins Spital g'schrieb'n hast.

Ferner (sieht sie mit verglasten Augen an).
Dös is nit – dös kann nit sein!

Vroni.
's is doch so! Der Brief, der gilt! Und es paßt ganz gut zu dem, was nachher kämma is, daß du schon damal schreibst: »Lieber Jakob, es is nit schön, daß Du mich und meine Kinder so g'ring im Testament drin abfertigst!«

Franz.
Unglückseliger! Dein erstes Zeichen spricht nun wider dich!

Ferner (wankt zitternd nach rückwärts zu einem Stuhle, in den er kraftlos zusammensinkt, die Hände vor sich faltend).

Vroni (tritt näher).
Siehst, Meineidbauer, so g'fallst mir! Zu was das Großtun, wo wir zwei doch wissen, wie wir miteinander dran sind? Du magst dir's wohl denken, wie ich auf die Stund' g'wart und g'wart hab die Jahr her, und drum hab ich auch g'wußt, daß d' mir d'Freud nit verdirbst, wann sie kommt! Daß du klein, ganz klein werden wirst, so klein, wie du dich ehender vor alle Leut' groß g'macht hast! – So hab ich dich sehen woll'n, vorerst allein, eh noch die Welt dich so sieht – so wollt ich dich haben allein vor mir! Aug' in Aug'! Wie du kein Wort im Maul hast und dir doch deutlich gnug auf der Stirn g'schrieb'n steht: »Du hast mir nit Unrecht tan, ja, ich bin a großer Halunk!« – Das hat mich herg'führt, und jetzt Gute Nacht miteinander! (Wendet sich und geht bis zur Türe.)

Franz.
Vroni.

Vroni.
Willst du mir was?

Franz.
Laß mich ein Wort bei dir einlegen für den alten Mann – warte wenigstens noch zu – überlege – überstürze nichts!

Vroni (ernst).
Ferner Franz! Drüben in der Totenkammer zu Ottenschlag liegt jetzt zur Stund' mein Bruder nach ein' elend verkommen' Leben auf 'm Laden; ich hab's aus seine letzten Wort', daß's mit ihm nit so kommen wär, wär der dort ein anderer g'wes'n! Mußt nit für den bitten!

Franz.
Red ich denn für ihn allein? Vroni, trifft's nicht auch mich mit?

Vroni.
Armer Bub, ich weiß, daß du für nix kannst und wie schwer als's is, an fremder Sünd' schleppen! Aber ich kann dir nit helfen; die alte Rechnung muß erst ins reine; wann nix mehr am Kerbholz steht, dann komm und red für dich. (Reicht ihm beide Hände.) B'hüt dich Gott!

Verwandlung

Stübchen der Vroni in Ottenschlag.

Seitentüre links. Im Hintergrunde rechts das Bett, mehr links das Fenster, Aussicht, im späteren Bilde sichtbar, auf die Berge. Ein Tisch vorne links. Die Bühne ist, wenn der Vorhang aufgeht, dunkel.

Fünfte Szene

Vroni, wie im vorigen Bild gekleidet, tritt mit Licht in der Hand von links ein, die Bühne erhellt sich.

Lied
        Im Stüberl, am Fensterl,
da sitzt a jung' Dern',
fragt nach 'm Herzliebsten
die leuchtaten Stern!
Sie fragt, ob er treu is –
und wie's ihm grad geht?
Wie halt als Verliebter
oans dalket her red't. (Jodler.)

(Legt ihr Kopftuch ab, zieht ihre Joppe aus.) Der dös Lied sich ausdenkt hat, hat sicher a g'wußt, daß die Lieb' doch die größt' Spitzbüberei auf der Welt is.

Sechste Szene

Vorige. Toni erscheint und legt sich ins Fenster.

Toni.
Grüß Gott, Vroni!

Vroni (erschrickt und wendet sich nach dem Fenster).
Toni?! Herrgott, bin ich jetzt erschrocken! Was willst denn du da? Ich versteh nit, wie dich noch hertrau'n kannst zu mir.

Toni.
Ich wart schon auf dich, seit dämmerig is word'n! Du bist heut fruh in Trutz von mir gangen, dös taugt mir nit. Mußt mich anhör'n. (Hebt den einen Fuß zum Fenster herein.)

Vroni.
Bleib du draußt! Ich hab dir nix z' sagen und von dir a nix anz'hör'n. Zwischen uns zwa is's aus, denk ich, und 's G'scheiteste wird sein, 's geht jedes sein' eignen Weg.

Toni.
Du könntest nit so gleichgültig sein, hätt'st mich auch nur a Tipferl gern g'habt.

Vroni.
Du hast's not, daß d' über mich klagst, du ließ'st dir ja a kein andere an Hals werfen, wann dir mit mir Ernst g'wesen wär.

Toni.
Schau, ich muß 'm Vater folgen.

Vroni.
Wohl! Ich hab nix dageg'n, bin keiner neidig, die dich kriegt, vergönn dich einer jeden und verlang nur, daß d' jetzt gehst und mich a künftig in Ruh laßt.

Toni.
Das hoaßt, ich bin für dich so gut wie a Jud, vor dem d' ausspuckst!

Vroni.
Ach beileib', ich spuck vor kein' Juden aus!

Toni.
So wär ich noch schlechter in dein' Augen wie a Jud'?! Führst schöne Reden! Wie ich sag, so könnt'st nit sein gegen mich, wann dir früher mit der Lieb' Ernst g'wesen wär!

Vroni.
Streifst allweit da rum wie d' Katz' an alt' Weiberkittel?! Steht dir b'sonders gut an. Wunderst dich wohl gar, daß ich mir, weil's so kämma is, nit 'n Kopf drüber abreiß?! Du bist ja a nit in d' Fraiß g'fall'n, wie's g'heißen hat, du sollst die Crescenz nehmen.

Toni (kommt vor).
Schau, Vroni, 's is ja aber noch nit verbrieft und versiegelt, das mit der Crescenz – wer weiß, wird noch was draus! Laß dir nur sagen, was die Crescenz für eine is, du kannst dir gar nit denken, was die für Mucken hat und wie hochfährig als s' is, weil du nie so sein könnt'st wie die! Wenn man s' neben dich halt't, verliert s' in allen Stucken; mein Gott, die Crescenz is a arm's Waiserl gegen dich.

Vroni.
Glaub doch nit, daß i so dumm bin wie oft andre Weibsleut', wo drei, vier zu ein' halten – wann er nur allmal bei jeder die andre orndlich schlecht macht und heruntersetzt; und 's is der ganze Kerl oft nit eine davon wert, obwohl die selber nit von die besten sein.

Toni.
Bin ich denn a so wie dö, von die du sagst, die's mit mehr Weibsleut' halten? Was frag ich nach alle andern, dich möcht ich nur nit verlier'n. Wann d' Crescenz ihre Mucken hätt und mich am End' doch nit nähm, hätt ich nix als 's leere Nachschau'n. Und wenn ich's nehmen muß, wie beschlossen is von dö zwa alten Dickschädeln, wo d' ja weißt, es laßt keiner mit sich reden, und ich sollt dich nimmer sehn, wär wenig Freud' für mich auf der Welt, dich bin ich g'wohnt, du bist mein Schatz – könntst du's nit bleib'n? Müßten uns halt drein schicken... Dein' Mutter hat's auch mit 'm Bauern g'halten.

Vroni.
Der war ledig.

Toni.
Wohl, hat's aber doch allmal mit der doppelt und dreifach Schnur g'halten. Wir sein alle auf der Welt, wie wir sein können, nit anderscht, und dir wurden d' Leut a weiter nix nachsag'n, als daß du deiner Eltern Kind bist und ihr lustig Blut nit verleugnen kannst.

Vroni (überlegen).
No, wenn ich meine Gedanken auch von meine Eltern hab – und hätten die a zehnmal lustig' Blut g'habt – so müssen s' doch rare Leut' g'wesen sein, die sich nur zu rechte Leut' g'halten hab'n, denn ich denk mir grad, daß's mir recht lieb is, so ein' Lumpen, wie du bist, auf gute Art los z' sein. Ich war a jung', dumm' Ding, wie ich dich hab kennengelernt. – Du hast mir g'fall'n, in die Jahr' g'fallt ein'm leicht einer und glaubt man, was wie a Mann ausschaut, müßt a einer sein, du hast a alles Gute, Liebe und Schöne versprochen, weil ich dir in die Augen g'stochen hab, und das wird dir a kein Bub im ganzen Kirchspiel verdenkt haben. Wärst a wengerl was von ein' Mann g'wesen, hätt'st mir doch ehrlich sagen können: »Aus is's!« Wann mir a 's Herz anfangs schwer g'wesen wär drüber, an dein Hochzeittag hätt ich dir nix verdorb'n und wär'n mir bis dahin Herz und Füß' g'wiß wieder leicht g'wesen, ich hätt mir denkt: Hat halt nit sein soll'n, und du wärst allmal in meine Aug'n, wann a a unrechter Liebhaber, doch a ehrlicher Mann blieb'n. So hast du dein Wort nit g'halten und a nit z'ruckg'nommen und hinterm Rucken von zwei Weibsleut' dir austipfelt, was allzwei mit a wenig Ehr im Leib nur kränken kann. Die reich' Bäurin, ah, die is dir schon recht kämma, und die arm' Dirn, die so lang mit dir geht, hast g'meint, die kann nit anderst als weiter fortzotteln auf dem Weg, wohin dir recht wär! Nein, Lumperl, so tun wir nit! – Wär ich dazu aufg'legt, so könnt ich dir ganz andre G'schichten derzählen: Leicht, wie ich morgen schatzgraben geh, oder von Wechselbälg', wo in der Wieg'n vertauscht werd'n, weißt, und sein später auf amal einer, was der andere hätt sein soll'n und wie sich da einer leicht vergreift, glaubt, er hat schon die reich' Bäurin, dieweil wird die ein arm' Dirndl, und mit der arm' Dirn, wo er meint, is recht pfiffig, daß er S' verlaßt, hat er die reich' Bäurin ausg'schlag'n! Aber eben die arm' Dirn, die du von der Großmutter abg'red't hast, daß d' s' leichter jahrelang rumzieh'n kannst, die is die Jahr her älter, und trotzdem sie allweil um dich war, doch auch gescheiter word'n; hitzt, wo ich wieder frei bin, müßt wohl a andrer kämma, a rechter Mann, dem ich »ja« saget! So, und hitzt hab'n mir ausg'red't miteinander, gar is's und aus is's, und jetzt marschier naus, wo d' rein kämma bist!

Toni (geht etwas zurück).
Du redst dich nit schlecht aus! – (Kleine Pause.) Du, Vroni – hörst?

Vroni (ungeduldig).
Ich hab g'red't!

Toni (näher rückend).
Ich weiß was! –

Vroni.
Wann du nit gutwillig gehst –

Toni.
Tu du noch so wild – lieber als der rechte Mann, was erst kämma soll, is dir doch – der Bub am Fleck!

Vroni (stößt ihn zurück).
Lump! Jetzt hast Zeit!

Siebente Szene

Vorige. Franz.
Diese Szene muß sehr rasch abgespielt werden.

Franz (schwingt sich rasch durchs Fenster).
Vroni!

Toni (reibt sich die Seite).
Was wöllt's Ös? Mengt's Enk da nit drein! Wir sein auf 'm besten Weg, uns auszusöhnen – schaut's, daß's fortkommt's!

Franz (kommt vor).
Du bist nicht allein? – Ich hätte mit dir zu reden!

Vroni (spitz).
Ich wüßt nit was! – Um die Zeit! Seid's auch so, weil ich Euch heut in meiner Gutheit hab 'n klein' Finger zeigt, möcht's gleich d' ganz' Hand?! – Ich dumme Gredl hätt wissen solln, daß man in Sommernächten nit's Fenster darf auflassen, soll nit unnütz G'fliederwerk zuflieg'n von allen Seiten!

Toni.
Weiß der Herr auch, wer ich bin?

Franz.
Nein, interessiert mich auch nicht!

Toni (stolz).
Ich bin der Sohn vom Adamshofbauern!

Franz.
Freut mich recht, ich bin der Sohn vom Kreuzweghofbauern!

Toni (erschrocken).
Jesses, künftiger Schwager – nix für ungut, laß nur kein' von unsre zwei Alten vermerken, daß d' mich da troffen hast!

Franz.
Nein, aber eine Gefälligkeit ist der andern wert – da sieh zu! (Aufs Fensterbrett.) Na, happ!!

Toni.
Mußt nix ausplaudern!

Franz (ungeduldig aufstampfend).
Nein, nein! Aber »happ« sag ich!

Toni.
Guti Nacht!! (Steigt hinaus.)

Franz.
Hol dich der Kuckuck!!

Achte Szene

Vorige ohne Toni.

Vroni (die Anfangsreden ungeheuer schroff ).
Na, da is recht lustig! Wärt Ihr nit dazwischenkämma, hätt ich den Buben schon selber nausg'wutzelt, daß er sich g'wundert hätt! Muß ich jetzt leicht warten, bis a dritter kommt, der wieder zu Euch »happ« sagt, daß ich Euch los werd?

Franz (ernst).
Der dritte wird nicht ausbleiben!

Vroni.
Wär mir nit lieb! Ich wurd ja bis morgen fruh nit mit 'm Nauswerfen fertig! Macht's fort, es is jetzt Zeit, daß man schlaft!

Franz.
Hör mich an, Vroni; ich verstehe, daß du ungehalten bist, weil ich jetzt bei dir eindringe; ich bin nur gekommen, dir einen Dienst zu erweisen; ob du ihn nun hoch oder nieder anschlägst, für mich ist er eine Pflicht! Und wenn ich dich warne und dir sage: ich bin da zu deinem Schutz – so nehme ich mir wahrlich nicht mehr Freiheit heraus als der Hund, der dich bewacht.

Vroni.
Nit notwendig! Wir haben eh zwei so Viecher im Haus, und wann Ös da ausg'schnofelt wurd's, taten Enk Eure neuen Kameraden schön zausen!

Franz.
Erst mußt du doch wissen, um was es sich handelt; um einer Kleinigkeit willen, das kannst du dir wohl denken, bin ich zu der Stunde nicht hierher gekommen. Gedulde dich doch einen Augenblick, bis ich dir's gesagt, du wirst doch mich nicht fürchten!

Vroni.
Fallt mir nit ein! Ich fürcht mich vor nichts auf der Welt!

Franz (ernst).
Sprich nicht so, Mädchen, wo mich, mich den Mann, die Furcht hergetrieben hat. Mein Vater ist auf dem Wege nach Ottenschlag. Was ihn treibt, hat er's auch nicht ausgesprochen, Gutes ist es sicher nicht!

Vroni (erschrocken).
Euer Vater? Geht's zu, das bild't's Euch nur ein!

Franz.
Wollte Gott, ich hätte mich getäuscht; aber ich muß dir sagen, was ich fürchte, damit dich nichts überraschen kann, was auch kommen mag! Der Mann ist gefährlich zu einer Stunde, wo bei ihm alles auf dem Spiele steht, er schreckt vor keinem Gewaltschritt zurück, ich darf das sagen, ich habe das selbst erlebt, und so furchtlos du tust, du bist doch nur ein Weib, ein anderes Kind, ihm gegenüber, und daß er sich nicht zum zweitenmal an Wehrlosen vergreife, bin ich hier!

Vroni (ängstlicher).
Ich könnt's nit glauben, daß er die Kurasch zu so was hätt, wie ich 'n heut vor mir g'sehn hab!

Franz.
Hat er auch den Mut sinken lassen, die Verzweiflung richtet ihn wieder auf. Was einer wagt, der verzweifelt, das wagt er! Darum bin ich gekommen, dich zu schützen, ich bin gekommen wegen uns allen, wegen dir – wegen mir – und wegen ihm selbst! Damit nichts Ärgeres geschehe, als schon geschehen ist!

Vroni (ist furchtsam nähergetreten).
Meint's wirklich, daß er so Schlechtes im Sinn hat?

Franz.
Er ist nicht bei Sinnen – er denkt nichts – und läßt alles kommen – wie's auch kommen mag. – Hab Mitleid mit meiner Angst, ich würde dich bitten, laß mich da draußen vor deiner Türschwelle liegen – ich darf nicht von hier – ich darf nicht!

Vroni.
Seid's a guter Bursch! – Aber daß ich Euch da im Haus verstecken tät, das geht doch nit, 's tät sich nicht schicken!

Franz.
Du magst recht haben, ich will dir nicht länger beschwerlich fallen, ich werde das Häuschen die Nacht über im Auge behalten – du weißt nun, von welcher Seite Gefahr droht, von welcher Hilfe kommt. Ich mag dir nach all dem nicht gute Nacht' sagen – aber lebe recht wohl! (Geht nach dem Hintergrund.)

Vroni (reicht ihm beide Hände).
Du bist doch der aufrichtigst' brävste Feind, den eins auf der Welt haben kann!

Franz.
Ich bin dein Feind nicht. – Vroni, mußt auch nicht der meine sein! Ich will dir's sagen, damit du mich verstehen lernst – ich bin's gewesen bis heute, jetzt ist das anders! Ich habe dich gehaßt von klein auf, dich und die Deinen, ihr war't, wenn nicht die Schuld, so doch die Ursache, daß sich mein Vater an mir vergriff, daß ich von der Heimat mußte; und je größer ich wurde, je mehr mir's aufs Gewissen fiel, wie wir an euch Unrecht getan – je erbitterter wurde ich gegen euch! Doch das ist vorüber, seit ich dich gesehen! Vroni, laß uns Frieden machen! Verzeih! Es ist wahrlich genug an dem, was wir alle gelitten! –!

Vroni.
Ich hätt mich dem, den d' früher da troffen hast, nit so unüberlegt anvertraut, hätt mich nit schon als klein' Ding nach wem verlangt, der mich schützt vor Not und Gefahr und vor eurer Feindschaft. Die Lieb' wär nit word'n ohne 'n Haß! Und bin recht froh, daß jetzt eins wie's andre aufhör'n soll! – Mußt nit ungleich denken über mich weg'n dem Bub'n!

Franz.
G'wiß nicht. – Liegt dir so viel daran, Vroni, wie ich über dich denke?

Vroni.
Freilich wohl, weil ich dir vertrau.

Franz.
Das kannst du wahrhaftig.

Vroni.
So is's gut und so is's recht, und jetzt fürcht ich mich auch nimmer, seit ich weiß, daß du zu mir haltst.

Franz.
Hab ich mir's doch schon heute früh am Adamshof gedacht, wenn du die Vroni wärst, ich müßte dich an etwas erkennen, ich hab es aber nicht herausgefunden. Jetzt fällt mir's ein, wie ich dich da so vor mir stehen sehe, voll Stolz und Trotz gegen alle Welt und voll Vertrauen gerade gegen mich – ja, das ist das Gesicht, das ich oft gesehen habe, das Gesicht der kleinen Vroni, so ungebärdig und treuherzig wie damals, als wir vier Kinder noch auf dem Kreuzweghof spielten. Weißt du noch was?

Vroni (verlegen).
G'wiß a recht a dumme Kinderspielerei?

Franz.
Wir spielten damals »Onkel und Vroni« – der Jakob – ich erinnere mich jetzt recht gut, wie der damals aussah – der war der Geistliche, der uns zusammengab, und die kleine Crescenz war die Kranzeljungfer –

Vroni.
Ja und die schönsten Schläg' hab'n wir für das Spiel kriegt, weil's d' Mutter nit hat leiden können, 's wär' unschicklich g'wes'n.

Franz (seufzt).
Doch ich vergesse, das alles ist lange vorüber – denken wir an das Jetzt! – Ich habe nicht eher Ruh noch Rast, bis ich dich außer aller Gefahr weiß – bis diese Nacht vorüber ist – ja, bis ich dich morgen ungefährdet in der Kreisstadt angelangt sehe, wo du tun magst, was nun einmal geschehn muß. Laß mich dich morgen dahin begleiten, es ist ohnedies mein Weg, ich kehre nicht mehr nach dem Kreuzweghof zurück.

Vroni.
Is mir lieb, wann d' mitgehst!

Franz (wendet sich).
So leb wohl für heute! ich gehe, da draußen Wache halten.

Vroni (kommt mit bis zum Fenster).
Das geht nit, schau, wie schwarz der Himmel is – und g'spürst nit, wie die Wetterluft schon herweht über die Bergkuppen? Hast d' höchst Zeit, daß d' nach Ottenschlag rabsteigst. Zu was sollst du die ganz' Nacht da draußt herumlungern? 's is morgen a weiter Weg, der sich übernächtig nit gut geht, brauchst a deine paar Stund' Schlaf. Der Alte kimmt heut g'wiß nimmer! Und wenn auch, wo er hitzt noch nit da is, tut er später kein' Schaden mehr. Weißt – dir kann ich's ja sagen, 's munkelt eh die ganz' Gegend davon – wir krieg'n grad heut wieder so spat Gäst'! 's dauert vielleicht kein' klein' Viertelstund' mehr, so kehr'n die Schwärzer bei uns ein, drum lieg'n a noch die Hund' drauß an der Ketten. Später, wann die verrufenen G'sellen da herein und die Hund' los sein, traut sich neam'nd Fremder da an die Hütt'n ran; wär auch kein'm z' raten! Kannst drum ruhig nach Ottenschlag abi.

Franz.
Du magst recht haben, du bist für heute wohl unter dem Schutze dieser Rechtlosen sicher, aber morgen mit dem frühesten komm ich herauf, und dann geht's über die Berge nach der Kreisstadt, dort magst du dem Geschicke seinen Lauf lassen, der Wirklichkeit ihr Recht geben – aber bis dahin laß mich träumen! Laß uns die Berge durchziehen, laß sie uns noch einmal im Geiste durchkosten, die Kinderzeit, die im Frühdämmer des Lebens liegt und uns erst später ihr ganzes Glück enthüllt, sobald sie für immer vorbei. Es ist die einzige unvergällte Zeit meines Lebens, denn auch die Zukunft liegt nicht lockend vor mir. Morgen will ich noch einmal Kindheit und Heimat aufleuchten lassen im Frührot der Berge, das sei das Letzte, was ich meinem Herzen zugestehe; diese Bilder will ich mit hinübernehmen in den heißen Tag, der folgen wird, und der soll dann, wo er mich auch trifft – vielleicht drüben überm Meer – seinen Mann an mir finden! – Aber morgen in die Berge! – Auf Wiedersehen, Vroni! –! (Steigt aus dem Fenster.)

Vroni.
B'hüt Gott! (Geht ans Fenster.) Jetzt weiß ich nit amol, ob er 'n rechten Steig gangen is – man sieht drauß kein' Strich vor die Augen – nimmt er 'n g'fehlten, geht er a Stund' um und 's Wetter is nur zum runterfall'n! (Kehrt zur Mitte zurück.) Wird a schlimme Nacht werd'n! Dös Häuserl steht so einsam auf der Höh' und da faßt's allmal der Wind von all'n Seiten, als wollt' er's davontragen, und wann ihm das nit g'rat'n will, kommt er in Zorn und beutelt's durcheinand, daß Tür und Fenster vor Angst schrei'n. (Ist zur Tür gegangen und hat sie geschlossen, geht jetzt gegen das Fenster.)

Neunte Szene

Vorige. Ferner erscheint am Fenster.

Ferner.
Laß nur auf!

Vroni (tritt erschrocken zurück, für sich).
Da is er doch noch!

Ferner (setzt sich aufs Fensterbrett, das Gewehr zwischen den Knien).
Je, wie's dich z'sammenreißt! Verlegt's dir die Red'? – Is a gescheiter, du redst nix und nimmst Vernunft an! Bist ja a willige Dirn'! Hast wohl a dem nit »nein« g'sagt, den ich vorher hab da naussteig'n sehn? – Ich weiß, es is dir nit um mich z' tun und hätt'st dir's wohl nit denkt, wie d' mich heut so klein g'macht hast, daß ich so bald wieder aufstund' und gar noch herkimm zu dir! Aber ich hab grad die schneidigen Dirndln gern, es is a b'sondrer G'spaß, die mürb z' machen! Deßtweg'n taugst mir und, wann's a schon a Weil' her is, daß ich nach kein' Dirndl mehr frag, zu dir komm ich doch fensterln! Hahaha! (Steht auf, tritt auf sie zu, die Zähne übereinander.) Mach keine Umständ', sonst brenn ich dich beim ersten Schrei nieder! Gib 'n Brief heraus!!

Vroni (wieder vollkommen gefaßt, für sich).
Wart, Falschspieler, wie ich dich jetzt trumpf!

Ferner.
B'sinn dich nit lang!

Vroni (wie zornig).
Weißt ja doch selber recht gut, daß ich 'n nimmer hab! Hast wohl drauß auf der Lauer schon dein' Freud' dran g'habt, wie ich wehrlos dasteh, neam'nd errufen kann und tun muß, wie euch g'leg'n is!

Ferner.
Spinn keine Faxen, zwirn hurtig aber, gib 'n raus!

Vroni.
Mach mich nit wild mit deiner unnötig'n Frotzlerei! Hast du nit dein' Bub'n selber auf mich g'hetzt, daß er mir 'n Brief abtrutzt? – Ös habt's ja doch hitzt, was wöllt's, laßt's mir wenigstens ein' Fried'!

Ferner.
Mein' Bub'n? Was redst, bist überhirnt – oder –? –

Vroni.
Du kennst 'n wohl gar nit, den, der früher zum Fenster da nausg'stieg'n is?

Ferner (jäh erschreckend).
Der Franz war's? Jesus und Josef! – Ja! – ich hab mein' Aug'n nit trau'n woll'n, wie er in der Finstern an mir vorbeig'strichen is... und doch – dös G'wand – er is mir z'vorkämma – er hat 'n Brief – der Schuft will sein' Vatern ganz in Händen hab'n!

Vroni (ironisch).
Dös ärgert dich wohl grimmig?

Ferner.
Wir zwei sein fertig miteinander! – Ös habt's zum letztmal vom Kreuzweghof träumt, für enk wird hitzt auf St. Nimmerstag in Nindaschtdorf Recht gesprochen, und ich rat enk auch, laßt's kein Wörtel mehr vom »Meineidbauer« fall'n! Adjes! Der Bub kann noch nit weit sein, mit dem red ich hitzt 's letzte Wörtl! (Steigt zum Fenster hinaus.)

Vroni.
Der Herrgott verzeih mir die Sünd'; aber hätt's nit glaubt, wie leicht man ein' Spitzbub'n geg'nüber selber einer wird! Gibt wohl drum so viel, denn einer macht – wie man von die Narr'n sagt – ihrer zehne! – Jetzt hab ich aber auch 'n Alten auf 'n Franz g'hetzt – 's wird dem doch nix g'schehn – Ah! der wird ehnder nit z' finden sein – gang mir recht nah, wann ihm was g'schähet, hab 'n fast so gern wie ein' Bruder! Mein rechter, der arm' Jakob, liegt hitzt unt' in Ottenschlag! – Himmlischer Vater, ich befiehl s' all' zwei in deine Händ'! Laß dem Toten die Erd' leicht sein und b'hüt mir 'n andern vor Not und G'fahr!

(Unter heftigem Donnerschlage und Aufleuchten des Wetterschlages fällt der Zwischenvorhang.)

Verwandlung

Wildromantische Felsengegend.

Die Szenerie repräsentiert ein Felsenplateau, vorne links in der Kulisse ein praktikables Felsstück, im Hintergrund ein solches über die ganze Bühne führend, das mit einer Brücke schließt, die über einen Abgrund führt, den aber ein kleinerer Fels dem Auge des Zuschauers verdeckt, rechts vorne ein sogenanntes »Marterl«.

Zehnte Szene

Franz, die Schwärzer, dann Ferner.

Melodram

Gewitter, Sturm, Donner und Blitz. Leiser, eigenartig aufzufassender Marsch, unter dem die Schwärzer, mit großen Warenpäcken auf dem Rücken, oben über die Brücke marschieren (fünf bis sechs Mann), bis zur Mitte des Weges stumm.

Erster Schwärzer.
Sakramentisches Wetter, hurtig, wenn der Wald drüben nit den Wind auffanget, blaset's uns samt die Bündeln von der Wand runter. Schaut's zu, daß wir's in Rücken krieg'n.

Franz (tritt auf von rechts).
Ich find' mich nimmer zurecht – zurück weiß ich noch, doch was vorwärts liegt? Bis hierher ging es herab – hier geht's wieder aufwärts.

Der letzte Schwärzer (in der Reihe ersieht ihn, die andern sind schon in der Kulisse).

Zweiter Schwärzer (pfeift grell).
He! ös da unten, wart's a wen'g, der Steig is nur für ein' breit g'nug, wart's, bis wir unt' sein. (Verschwindet. Mit dem Verschwinden schließt der leise Marsch.)

Ferner (noch hinter der Szene).
He, holla – Ferner Franz! – Franz!

Franz.
Wer ruft? – Holla he!

Ferner (stürzt in die Szene).
Da war's! Bist du's, Franz?

Franz.
Ihr treibt Euch noch da herum?

Ferner.
Is unnötig, weiß's schon! Komm mit, kennst dich eh da nit aus, ich führ dich.

Franz.
Ich brauche Eure Führerschaft nicht, unsere Wege gehen auseinander!

(Musik nimmt den Marsch wieder auf.)

Die Schwärzer (marschieren langsam im Hintergrunde über die Szene).

Ferner (zieht Franz noch mehr nach dem Vordergrunde, entschieden).
Franz, du hast 'n Brief!

Franz.
Wer sagt das?

Ferner.
Die Dirn selber.

Franz.
Ihr wart dort? – Nun, wenn sie's sagt, wird's wohl so sein!

Ferner.
Na, wenn's so is, so gib ihn heraus!

Franz.
Nein! (Wendet sich.)

(Die Schwärzer sind von der Bühne verschwunden.)

Ferner (hält ihn zurück).
Franz, um unser aller Seelenheil willen, trutz mir nur jetzt nit, gib ihn raus, den Brief, ich muß 'n hab'n. Schau, dein alter Vater bitt dich mit aufgehobenen Händen, treib ihn nit zur Verzweiflung; ich weiß nit, was alles g'schehen könnt, Franz, wo ich jetzt mich selber nit kenn, zwischen Furcht und Hoffnung.

Franz (reißt sich los).
Entschuldigt nicht schon früher, was etwa geschehen könnte – ich will's erwarten, was Ihr beginnt!

Ferner (faßt ihn neuerdings).
Du bleibst! Mir, dem Vater, hast z' g'horchen, so steht schon in der Heilig' Schrift.

Franz.
Laßt mich, sag ich – ich hab mit Euch nichts mehr gemein. (Er stößt ihn von sich, daß Ferner an das Felsstück taumelt, welches Franz nun hinaufsteigt.)

Ferner (sich aufrichtend).
Schuft, du vergreifst dich an mir? Du willst dein'm Vatern sein Unglück ausnutzen. – Oh, daß ich dich damal lebig aus mein'n Händen lassen hab. (Eilt gegen den Hintergrund.)

Franz (ist oben erschienen und schreitet gegen die Brücke vor).

Ferner (aufschreiend).
Bei allen Heiligen, Franz, wenn du nit stillhaltst und den Brief herausgibst, ich schieß dich herunter wie a Gems'!

Franz (an der Brücke).
Denk, daß die Finger an dem Schlosse deiner Büchse die Schwurfinger sind – und dann heb – hebe den Arm, wenn du kannst!

Ferner (außer sich).
Höllteufel! (Schießt.)

Franz (fällt lautlos von der Brücke).

Furioso

(unter dem Ferner nach dem Vordergrunde wankt).

Tremolo

Ferner (zitternd mit verhülltem Gesicht).
Oh, du mein Heiland, hat dös a noch sein müssen?! – (Kleine Pause, läßt die Hände herabsinken.) Er hat's selber nit anderscht woll'n, es is ihm völlig von Kind auf b'stimmt g'wesen durch meine Hand. – Tief liegt er jetzt unt' – der Wildbach reißt ihn mit – bis zum scharfen G'fäll dort über die Kanten bleibt kein Stuck von ihm ganz – den Brief verschwemmt's – den Aufweis gegen mich und den Mitwisser bringt keins mehr ans Licht. Dös is a Schickung, dös muß a Schickung sein. (Kniet an der Martersäule nieder.) Ich hab's ja ehnder g'wußt, du wurdst mich nit verlassen in derer Not! (Seine Kräfte verlassen ihn, und er sinkt an der Säule mit den Händen abgleitend zu Boden.)

(Kurze Melodie, eine düstere Gebetform, in die sich der Marsch der Schwärzer verschlingt, welche oben, ein zweiter Zug, an der Brücke erscheinen.)


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