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Erster Akt

Hofraum eines Bauerngehöftes.

Hintergrund offene Scheuer, durch welche man in den Garten sieht. Rechts und links ebenerdige Gebäude. Links Herrenhaus, schließt sich an die Scheuer. Rechts Gesindehaus, das nur bis zur letzten Kulisse läuft, hinter welcher alle Personen, die von der Straße kommen, auftreten. Vorne rechts ein Ziehbrunnen, vor welchem eine Bank zum Daraufstellen des heraufgewundenen Eimers und der zu füllenden Gefäße; unmittelbar vor dem Brunnen liegen ein leerer Eimer und eine Gießkanne.

Erste Szene

Großknecht

(aus dem Hause rechts. Wie alle Personen in diesem Akt im Sonntagsstaat, Fünfziger, graumeliertes Haar, gebräunte, markierte Züge, schlägt Feuer für seine kurze Pfeife und kommt dabei vor, bis wo Gießkanne und Eimer liegen, wo er stehenbleibt, leicht mit dem Fuße dagegen stoßend).
Holla! Da hat's wieder eine gnädig g'habt, daß s' ja die erste Mess' nit versäumt! Glaubet einer, wie ihnen um den Kirchgang is und wie frumm die Dirndl sein! Ja, den Buben z'lieb geh'n s' hin! Dö Grasteufeln macheten unsern Herrgott selbst zum Kuppler! – Bei mir muß die Kirch' ruhig sein, dös jung G'fliederwerk kann ich drein nit brauchen, ich nimm allweil mit der zweit' Mess' vorlieb, dö erst', die Großherrn- und Verliebt-Leut'-Mess', wo sie sich in die Kirchstühl' breit machen und im Kirchgang an die Vortuchbandeln zupfen und auf d' Füß' treten, dö paß ich allmal ab! (Setzt sich auf die Brunnenbank, schlägt wieder Feuer.) Naß is er word'n, der Sakra, und will nit brennen! (Schmaucht.)

Zweite Szene

Voriger. Vroni, Sonntagsstaat, nur eine blaue Schutzschürze vor, tritt, eine Gießkanne ausschwenkend, durch den Garten auf, sie hat in der Linken eine Nelke, die sie nach dem Lied ins Mieder steckt.

Auftrittslied

   

Zwei Nagerln an oan Stingel,
dös bin ich und mein Schatz,
und da find't koan dritter
dazwischen oan Platz!

Mei Mahm hat mich ausg'lacht!
»Warst dös du und dein Schatz,
da findet leicht a Knösperl
z'neb'n enk zwa no Platz!«

Ah, sag ich, beileib net,
ich bin no sei Weib net! –
Ich bin koan hitzige Mirl.
Was mer braucht, muß mer hon!
Der Nagerlstock a Garteng'schirrl
und a rechte Dirn' oan' Mon!

(Jodler.)

Großknecht.
Du bist's, Vroni? Und noch derheim? Hätt mir's denken können!

Vroni.
Ich war im Garten, gießen!

Großknecht.
Ich weiß's! Wer was derwart', macht sich gern was z'schaffen, 's vergeht die Zeit dabei.

Vroni (schnippisch).
Kann schon sein!

Großknecht (nickt rauchend).
Is eh so!

Vroni (rückt ihm mit der Gießkanne auf den Leib).
Geh, ruck lieber vom Bankel weg, daß ich mein' Gießkanne füll'n kann.

Großknecht (bewegt sich nicht).
Hast du aber Eil'! Du kommst mir grad' g'leg'n – ich hätt mit dir z' red'n!

Vroni (mit spöttischem Knicks).
Jesses, die Ehr'! Der Großknecht, von dem koan' Dirn' im G'höft jahraus, jahrein ein anders Wörtl noch g'hört hat als »gut'n Moring« und »gute Nacht« – du vergibst dir aber viel, wann d' mit mir, dem jüngsten, geringsten Dirndl da im Dienst, red'st!

Großknecht (sieht sie groß an).
Wann du auch, was ich schon lang weiß, kein' Respekt vor mir hast, so könnt'st doch die Faxen sein lassen; dös sein dumme G'spaß! – Du kannst's a nie g'raten, wenn nach 'm Tischgebet alles still is und ich mein' Löffel sauber putz, bevor ich als erster in die Schüssel lang, zu deine jüngern Kameradinnen nüber z'blinzeln, und das is dann a Getupf mit die Ellbög'n unterm Tisch, und da wischt ihr euch 's Maul, bevor ihr noch ein Bissen drein habt's! – Alle können doch nit z'gleich in die Schüssel langen, einer muß der erste sein, und dös is mein Recht, dafür bin i Großknecht – merk dir's!

Vroni.
D' Welt fallet a nit z'samm, wann 's Essen als ein ang'richtes auf 'n Tisch kommet und jeder sein' eignen Teller hätt!

Großknecht.
Dös weiß ich, daß du was Extras haben möcht'st, dös liegt im Blut, so war deine Mutter auch!

Vroni.
Du wirst auch viel wissen, wie mein' Mutter – Gott hab s' selig – g'wesen is.

Großknecht.
Ich glaub doch und eben derentweg'n will ich mit dir reden, eh's z' spät is! – Wir zwei, ich und sie, sein drüben in Ottenschlag miteinander aufgewachsen und in die Schul' gangen. – Dein Ahnl – die noch jetzt dort hoch im Gebirg ihr' Schenkwirtschaft »Zur Grenz« betreibt – kennt mich als klein' Bub'n. Ich war kaum so – (zeigt es) wie sie g'heirat hat. – Dein' Mutter is a Jahr drauf auf d' Welt kommen, und grad wie ich in der letzten Klass' mit 'n Esel um 'n Hals rausg'standen bin, hat sie in der Taferlklass' ihren ersten Tatzen kriegt. Später sein wir z' gleicher Zeit von Ottenschlag weg und sein alle zwei beim Kreuzwegbauer in Dienst treten. – Bekannt von klein auf, unter wildfremde Leut' in ein Dienst, hab'n wir uns tröst', wenn uns a Heimweh ang'fall'n hat, und uns gegenseitig in Schutz g'nommen, wann d' andern wie brütige Gäns' über eins von uns herg'fallen sein! Kein Wunder, daß ich – damal a frischer Bursch – in sie geschossen bin, freundlich is s' g'west mit mir – und a bildsaubre Dirn! – Du bist ihr wie aus 'm G'sicht geschnitten, gleichwohl war s' noch säubrer wie du! (Läßt, in ihr Anschauen versunken, die Hand mit der Pfeife sinken und sagt vor sich hin:) Sauber war s' – bildsauber!

(Kleine Pause.)

Vroni (hat den Eimer umgestülpt und sich auf denselben gesetzt.)
Erzähl weiter von meiner Mutter!

Großknecht (zieht den Arm mit der Pfeife in den Schoß zurück und senkt etwas den Kopf).
Anfangs is alles gangen, wie's recht is unter Liebsleut' mit ehrliche Absichten – (seufzend). Aber daß ich dir sag, damals war grad der alte Kreuzwegbauer g'storb'n und war'n zwei Buben da, der ältere, der Jakob, dem alles g'hört hat, und der jüngere, der Matthias, der halt mitg'schafft hat im reichen G'höft. Der Jakob, der damalige Kreuzwegbauer, der hat's gern mit die Weibsleut' g'halten; da hat manche davon z' pfeifen g'wußt im Ort, die er ang'setzt hat; der hat deine Mutter nur z' sehen braucht – verstanden hat er, was sauber is –, so is er ihr auch nachg'stiegen. – Mein Gott, die Weibsleut' sein allweil so g'west, was ihnen bei ein' G'ringern a Schand brächt', do setzen sie mit ein' Reichen, Vornehmen a Ehr' drein... sie is bald mit ihm gangen. Ich war damals rein a blind' Tobias g'west, und kein Engel is kämma, der mir mit der Fischblattern d' Augen ausgewischt hätt, was s' mir a z' G'hör g'red't hab'n, ich hab nix davon glaubt, und erst wie ich g'merkt hab, sie weicht mir aus, hab ich der Sach' woll'n auf 'n Grund kommen. »Vroni«, hab i g'sagt – sie hat so g'heißen wie du – »Vroni«, hab i gesagt – »du bist schon mit 'n Bauer bei die Leut' im G'red'!« – Da hat sie 's Maul verzog'n und g'lacht und g'sagt: »Wann's wär, gang's wen was an?« Sag ich: »Gang's mich auch nix an?« – Sagt sie: »Dich zum allerwenigsten! Is zwischen uns zwoa was vorg'fall'n?« – Sag ich: »Nix Unrechts nit!« – Da streift s' ihr Vortuch glatt und sagt: »Aus ist's!« – Auf dös sag ich: »Fürcht dich nit, heut steh ich noch aus 'm Dienst; der Kreuzwegbauer wird mich gern los sein, er hat dich um so sicherer! Jetzt b'hüt dich Gott! Ich weiß, du träumst, du würdst leicht Kreuzwegbäu'rin, ich tät dir's wünschen – aber Vroni, du bist nit die erst' und wirst nit die letzt' sein, die der in die Schand' bringt; wann d' dem vornehmen Herrn amal z' g'ring bist, wann d' dich nimmer ausweißt, dann komm zu mir!« Bin gleich zum Kreuzwegbauer, der hat tan, wie ich vorg'sagt hab, er hat mich mit Freuden gehn lassen. Ich aber bin in der nämlichen Nacht noch fort, es ist mir schwer ums Herz g'wesen wie nie mein Lebtag und ich hab glaubt, es müßt mir die Brust zerspringen, wie mir's weh g'wesen is! – So bin ich daher kämma, nach Altranning, daher auf'n Adamshof, wo ich jetzt noch bin!

Vroni.
Hast dich nimmer um sie umg'schaut?

Großknecht.
O wohl! A Jahrl drauf hab ich g'hört, sie is mit ein'm Bub'n niederkommen, das war dein Bruder, von dem man jetzt nicht weiß, was aus ihm worden is – gleichwohl war s' noch a ledige Dirn! Da bin ich nüber nach 'm Kreuzweghof und hab mit ihr g'red't, hab ihr g'sagt: »Vroni, schau, sei gescheit, du bist wohl jetzt in der Schand', aber trau mir, ich nimm dich doch noch, der Bub' soll auf'zog'n werd'n bei uns, was braucht denn so a Haserl? Wird er größer, schafft er mit in unsrer Wirtschaft und verdient sich sein kloan' Leben, geh mit mir, ich hab a alte Mahm, die gibt mir ihr' kloan' Wirtschaft in B'stand!« – Da hat s' g'weint und g'sagt: »Du bist mein rechter Freund, ich komm zu dir. Heut noch red ich mit 'm Kreuzwegbauer!« – G'red't hat s' mit ihm, so viel is g'wiß, und der wird schön g'lacht hab'n über den Simpel, der 's Nest samt 'in Kuckuck kaufen will, aber die Vroni war ihm noch zu neu – (dreht die Pfeife ins Rohr, daß diese zerbricht, und wirft die Stücke zur Seite). – Nochmal hat er s' ang'setzt – und da bist du kämma – und sie is wie früher die Zuhälterin vom Bauer g'wes'n! – Von dem, was nachher kämma is, wirst vielleicht manches selbst wissen! Paar Jahrln sein drüber ins Land gangen, wo s' dich und dein' Bruder hab'n auf 'm Kreuzweghof mit die Hendeln und die Geiß rumrennen lassen, weil's einmal dag'wesen seid's! Auf amal hat's g'heißen, der Kreuzwegbauer hätt dein' Mutter endlich doch heiraten woll'n und hätt sich drum mit seine Leut' überworfen und auf einer Reis' nach Wien – wo er dein' Bruder auch mitg'nommen hat – hätt er woll'n alles ins reine bringen; er is aber krank word'n und dort im Spital g'storb'n! Dein' Mutter hat sich drauf verlassen, daß a G'schrift da is oder daß 'm Bauer sein Wort gilt, und hat drum ein' Prozeß ang'fangt – der Matthias, der durch 'n Tod von sein' Bruder Kreuzwegbauer und euer Vormund word'n is, hat a Weil' zugeschaut und dein' Mutter auf 'm G'höft lassen – kein Testament hat sich aber nit g'funden, der Prozeß is für euch verlor'n gangen, und wie das war – hat er euch hinausg'jagt in Elend und Schand'!

Vroni (schüttelt traurig den Kopf).
Warum denn erzählst dem Kind die Schand' seiner Mutter?

Großknecht (aufstehend).
Daß d' dir a Beispiel draus nimmst! Du bist auf 'm Weg, die nämliche Dummheit z' machen. (Tritt zu ihr und legt ihr die Hand auf die Schulter.) Dös is nit der erste Sonntag, den du, wann's Gesind' in der Kirch' is, da hintri in' Garten schleichst und auf 'n Bauerssohn wartst!

Vroni (steht auf, trotzig).
's is nit der erste!

Großknecht.
Aber der letzte – wann d' g'scheit bist! Du wirst so wenig Bäurin da am Adamshof, als wie's dein' Mutter drüben vom Kreuzweghof worden is!

Vroni.
Ich weiß nit, warum dich gar so harbst, weil mich der Toni gern hat?!

Großknecht.
Verlaß du dich da drauf! Glaubst du, sein Vater redet da nix drein, wann er dahinter kämmet! Damit 's d' es nur weißt, du kannst dich nit mal wie dein' Mutter mit ein bissel Hoffnung zum Narren halten, denn dich kann der Toni nur in die Schand', aber nie mehr zur Ehr' bringen, weil er schon a Weil' neben dir auch mit der Crescenz vom Kreuzwegbauer geht.

Vroni.
Du lugst! – Dem Kreuzwegbauer sähet's wohl gleich, daß er sein' Crescenz gern daher auf 'n Adamshof als Bäuerin setzet, damit nur ich nie da schaff und schalt – er war mir von Kind auf feind – aber so tut der Toni nit!! Du weißt nit, wie wir zwei miteinander stehn! Meinst, ich bin ihm nachg'laufen? Nein, er is zu mir kämma! – Wie s' uns vom Kreuzweghof wegg'jagt hab'n, sein wir zur Ahnl nach Ottenschlag gangen und dort blieb'n – bis zur Mutter ihr'n Tod. – Der Toni hat ihr bis zu ihr'm End' viel Guts tan, weil er g'sehn hat, wie mir ihr Elend z' Herzen geht – darum bin ich ihm gut word'n, und wie er mich an ihr'm Tot'bett g'fragt hat, ob ich ihn leiden könnt, hab ich ihm g'sagt, wenn er's ehrlich meint, könnt ich 'n wohl gern hab'n! – Auf dös hat er mich von dort weggenommen und daher an' Adamshof bracht, weil bei der Ahnl in der Schenk' Juden und Pascher einkehr'n, öfter g'schwärzte War' verstecken und dös alte Weib – der Herr besser's in der Sterbstund' – koan' Gott und koan' Glauben hat! Er braucht a frumm' christlich' Weiberl, hat er g'sagt.

Großknecht.
O freilich, dö Hauptchristen in dö geschnitzten Kirchstühl' hab'n d' frummen Dirndl gar gern, dö sich ohne G'schrei in all's dreingeb'n! – Aber dös hat dir der Bauerssohn doch nit g'sagt, daß's ihm schon von klein auf b'stimmt war, die Crescenz vom Kreuzwegbauer z' frei'n?!

Vroni.
So mag's unter die andern abkartelt sein, aber der Toni kann da nit mittun! Zu was hätt er mir nachher damal zug'red't, daß ich von der Ahnl fortgeh? Glaubst, dem alten Weib hat's nit weh tan, wie ich von ihr bin? – Sie hat mir eh droht, ich käm ihr doch nochmal z'ruck, wie mein' Mutter ihr kämma is! (Ernst.) Der Toni kann nit »ja« sag'n!

Großknecht.
Aber »nein« muß er doch auch nit g'sagt hab'n! – Heut sind s' vom Kreuzweghof zum Kirchgang herüberkommen und treffen sich mit unserm Bauern und mit 'm Toni in der Kirch'. – Der Student aus der Stadt – dem Kreuzweghofbauer sein Sohn – is auch herg'rufen word'n und soll zwischen heut und morgen kämma – da gibt's ein' Handel, und soll wohl in der Kürz'n alles richtig werd'n. – Du hast d' höchst' Zeit, daß d' dein Bündel schnürst und von da gehst; denn in Ehr'n is für dich kein Verbleib!

Vroni (trotzig).
Ich dank schön für 'n guten Rat, aber ich denk, das gang mir alles so nah, daß ich erst selber da nachschauen müßt – dann steht's noch allweil bei mir, ob ich geh oder bleib! Ich weiß nit, warum du dich gar so drum annimmst?

Großknecht.
Was 's mich verint'ressiert, meinst? – Ich bin deiner Mutter – Gott hab s' selig – ihr rechter Freund g'wesen, 's hat s' keiner so gern g'habt als wie ich! Ich hab's heut noch nicht verwunden, was sie an mir getan hat, und doch is mir's ums Herz ganz b'sonders, wann ich an sie denk, und 's is mir koan' zweite kämma wie sie, und kommt a keine! Sieh ich dich so vor mir stehn, da glaub ich, sie dürft's sein, mein' Seel', das is a ihr trutzig' Tun und Wesen – du hast's ganz von ihr; aber leg's ab, amal hat's mir selber an ihr g'fall'n, aber, Vroni, tu's ab, schlag dir s' aus 'm Sinn, die Gedanken, wie hoch als a 'naus woll'n, sei die arm' ehrlich', brav' Dirn, die dein' Mutter war, wie ich mit ihr von Ottenschlag weg bin, tu der Mutter die Schand' nit an ins Grab hinein, daß d' nix von ihr g'lernt hab'n willst, daß ihr' hart' Arbeit und ihr sauer elend' Leben für dich ohne Nutz und Lehr' war! (Glockengeläute.) Sie läuten schon in die zweit' Mess', ich muß jetzt gehn. Ich hab eh mehr g'red't, als der Pfarrer in der Kirch' heut fürbringen kann – und hab da alle alten G'schichten in mir aufg'mischt. – Mein Gott! 's is mir aber doch lieber, als es kommt nachtig über mich – wie's g'wesen is und wie's sein könnt! – Aber am Sonntag, da fecht mich nix an, da hab ich mein Betbüchl und hör d' Orgel spiel'n! (Vertraulich, indem er ein in ein Tuch geschlagenes Gebetbuch sorgfältig aus der Rocktasche zieht.) Siehst, Vroni, damit setz ich mich mitt'n unter die Leut' mit g'flickte Röck' zur zweit' Mess' in ein Kirchbankeck hin – (öffnet behutsam die Schließen und halb die Blätter.) Da is a Veigerl vom Bach, wo wir 's erst' Mal vertraulich miteinand' g'red't hab'n, und paar Blatteln weiter von dem Strauch auf ihr'm Grab die wilde Rosen, die ich mir einmal von Ottenschlag g'holt hab! (Schließt das Buch und birgt es sorgfältig an dem früheren Orte.) Und wenn ich das Buch so in der Kirch' vor mich hinleg, da siech ich s' ordentlich vor mir lieg'n, dö Örter, wo ich meine Täg zu'bracht hab – da liegt tief im Grund das kleine Ottenschlag und hoch oben das nette Wirtshaus »Zur Grenz« – klein wie a Schwalbennest –, weiter im Land, nur zwei Stund', liegt der Kreuzweghof und noch zwei Stund' weiter Altranning – und da verwundr' ich mich, daß man auf nur vier Stund' Umkreis im Land so viel derleb'n kann, und da steht alles vor mir, als ob's gestern g'wesen wär – und da setzt die Orgel ein – und da denk ich so in mir, daß amol im Leb'n a jeder sein' Kreuzweghof g'habt hat, wo ihm's grimmig schlecht gangen is, daß aber auch mit Gotts Hilf' jeder amol sein Altranning find't, wo er Großknecht werd'n kann! – Und da frag ich mich selber, ob mir's recht wär, wann ich all das nit derlebt hätt und 's sollt alles anders sein, wie's is – da schau ich auf meine zwei Bleamerln und sag: »Nein!« Und da wird mir's so warm unterm Brustfleck und da inwendig in mir ganz stad! – Dös sein meine Sunntäg! – jetzt b'hüt dich Gott, Vroni, und überleg dir mein' Red'! (Ab.)

Dritte Szene

Vroni (allein).
»Überleg dir mein' Red'!« und »laß dein trutzig' Wesen sein!« Wie g'ring sein der Leut' Wort', wann s' auch 's Schwerste von ein'm verlangen. – Mein liaber Großknecht, wann's wahr wär, was du sag'st, was gabet's da zum überlegen? In d' weit' Welt müßt ich laufen, daß s' mir nit von morgen an im Ort zum alten all neu' Schimpf und Schand an den Kopf werfen! Und was bleibet mir denn, daß ich's ertraget, so daz'stehn vor mir selber, wann nit der Trutz als mein einzig' und ältester Freund, der mit mir aufgewachsen is? – Ich sollt 'n ableg'n? – Kann ich leicht anders sein, als ich bin? – Und hab'n s' nit alle dran g'arbeit', daß ich so word'n bin? Hab'n nit damals die andern Kinder im Ort mit Finger auf mich deut'? »Oi, schaut's dö an, dö hat kein Vatern nit!« Lass'n mir's nit alle bis heuttags noch g'spür'n, daß ich eigentlich nit auf der Welt sein sollt', weil mein Kämma neamand a Freud' und mein Bleiben nur Ung'legenheit g'macht hat? – Da bin ich aber amol! Und is Vaters oder Mutters Schuld, die mein' g'wiß nit, und hat's unser Herrgott zulassen, so werd ich ihm grad so lieb sein wie ös, dö 's sakramentalisch auf d' Welt kämma seid's! (Lacht und fährt mit beiden Händen über Stirn und Scheitel.) Narrische Mirl! Ich komm da in d' Hitz z'wegen ein' G'red' und muß sich's erst weisen, was daran wahr is. Der Toni soll mir's nur selber sagen, was an der G'schicht' is. (Macht sich mit Eimer und Gießkanne zu schaffen.)

Vierte Szene

Vorige, von rechts treten auf Toni und Crescenz, Ferner und Höllerer, und zwar zuerst Toni, der Crescenz an der Hand führt, voraus, und dann, während diese beiden in den Vordergrund kommen, erscheinen im Hintergrund die beiden Bauern.

Crescenz (im Auftreten).
Nit, daß ich drauf versessen wär, wann's dir nit ansteht, aber der Leut' weg'n möcht ich, daß d' jetzt all' Tag zu uns auf 'n Kreuzweghof kämst, daß s' doch sehn, wir mög'n uns leiden. Is dir's leicht z' viel, daß d' 's G'fährt einspannen laßt?

Toni.
Bewahr! Wann du's so willst, so soll's auch so sein.

Vroni.
Toni!! (Faßt sich, tritt auf ihn zu, streicht sich die Haare aus der Stirn und sagt bitter lächelnd:) Gut'n Morg'n, Toni. Ich hab heut im Garten g'wart wie sonst, warum bist denn nit kommen?

Crescenz.
Was will denn die?

Toni (läßt Crescenz' Hand fahren und tritt zu Vroni – leise).
Du weißt's schon, was s' mit mir vorhabn? Sei g'scheit, Vroni! Ich muß mit dir noch in der G'heim drüber redn. (Tritt rasch zur Crescenz zurück.)

Vroni (laut).
Du mußt mit mir noch in der G'heim red'n? Könnt' sein, daß das, was du mir z'sag'n hast – (auf Crescenz) vor derer da nit leicht gang', aber es is auch gar nimmer nötig, daß du red'st; dageg'n, was ich dir jetzt sagen werd, das kann alle Welt hören.

(Ferner und Höllerer sind vorgekommen.)

Ferner (gedrungene Figur, mit abgelebten Zügen hat einen großen Rosenkranz und ein großes Gebetbuch in der Hand; dazwischentretend).
Halt's Maul, Dirn!

Toni.
Misch dich da nit drein!

Ferner (strenge).
Geh du mit der Crescenz in' Garten, a Wartlerei mit derer da schickt sich vor dein' künftig Weib nit.

Toni.
War's nit der Crescenz z'lieb –

Vroni (bitter).
Geh nur zu, d' kimmst wohlfeil davon.

(Toni und Crescenz durch die Scheuer ab.)

Ferner (stellt sich vor Vroni hin).
Jetzt red ich da im G'höft, und wir werd'n gleich fertig sein miteinander.

Vroni (tritt ihm aufrecht entgegen).
Schon recht, dich hab ich derwart', Kreuzweghofbauer, du mußt doch überall dabei sein, wo ein Unheil für mich um die Weg' is.

Ferner.
Begehr du nit auf, lern lieber Demut; ich siech am Adamshof nur ein Unheil, und das bist du selber. Obwohl ich nimmer dein Vormund bin – wofor ich Gott dank, daß er mich von der Last erlöst hat – so gib ich dir doch als Christ guten Rat und sag dir: Schnür dein Bündel, führ neamand in Versuchung und geh von da je ehnder, je lieber.

Vroni.
Was die Vormundschaft anbelangt, hast du Gott nit z' danken, daß du s' nimmer führst, du hast s' ja freiwillig selber niedergelegt und dafür dank ich ihm, und dein christlich' Rat is da auch unnötig, ich weiß's schon selber, was ich jetzt zu tun hab. (Zu Höllerer.) Adamshofbauer, wenn dir's der Kreuzwegbauer, der jetzt da im G'höft red't und schalt', verlaubt, so wär mir's recht lieb, wann d' mich gleich heut noch aus 'm Dienst ausstehn ließ'st.

Höllerer.
Kreuzdividomini, wer söllt mir was verlaub'n auf mein G'höft?! – Sternsakra, kam mir recht. – Was ich da sag, das gilt und, was ich sag, das wägt – und wann ich sag, du verbleibst deine vierzehn Täg, so verbleibst.

Ferner.
Wär ein Unsinn! Ich sag, sie geht an der Stell'.

Höllerer.
Tausend Element! Ja – und wann ich sag, du gehst an der Stell', so gehst a an der Stell'.

Vroni.
Ich müßt frei lachen über dich – wann mir zum Lachen wär –, Adamshofbauer, wie du ein'm ein' Herrn zeigst! Gleichwohl möcht ich doch wissen, was eigentlich dein' Meinung is, die vierzehn Täg Kündfrist, dö gelten – oder 's an der Stell' geh'n?

Ferner.
Du gehst gleich. Willst 'leicht Unfried' stiften zwischen mir und 'm Schwiecher?

Höllerer.
Kreuzsakra! Dös gibt's nit.

Ferner.
's Zeug dazu hätt'st. Dein Mutter – Gott laß s' ruh'n und verzeih ihr die Sünd' – hat auch am Kreuzweghof Unfried' g'stift, du bist ganz ihr Kind und hast auch das von ihr, daß d' dich ein'm Reichen naufheftst.

Vroni (aufschreiend).
Jesus, Maria! Du verschimpfst mein' arm' Mutter im Grab. (Streift sich die Haare zurück und tritt Ferner ganz unter die Augen.) Herrgott! – Und wenn das meine letzte Stund' wär, Kreuzwegbauer, das schenk ich dir nit. Glaubst, weilst noch lebig herumlauf'st auf der Erd', du darfst die schlecht machen, die in ihr vergrab'n sein? Du glaubst wohl, weil d' Leut', wo du hinkommst, sag'n: Aufg'schaut, der reich' Kreuzweghofbauer kommt! – weil s' dir überall, wo d' einkehrst, 'n Ehrensitz lassen, weil s' in der Kirch' nach dein'm polsterten Betbankerl schau'n: der frumme Mann – du dürfest dir gegen tot und lebig herausnehmen, was d' willst? Reich bist, davon nimmt dir keiner was, aber wann d' Armut kan' Schand', so is auch der Reichtum kein' Ehr' z' nennen. Doch, sei du ehrbar und frumm in der Leut' Augen, ich glaub' nit an dein' Ehrbarkeit und nit an dein' Frummheit, von Kind auf nit, ich will dir's wohl sagen, warum. Du lieber Ohm, hast du nit mehr als einmal uns Kinder, die wir doch deines Bruders Blut waren, am Kreuzweghof in ein' Winkel g'führt und dort geschlagen und treten ohne Grund und Ursach'? Du braver Vormund, hast du dich je um uns umg'schaut? Hätt'n wir nit deinetwegen an Leib und Seel' verderb'n können, wie auch an meinem Bruder g'scheh'n is? – Du hast kein Herz im Leib, sonst hätt'st dich nit an unschuldig wehrlose Kinder vergriffen – du hast kein' Ehr' im Leib, sonst hätt'st nit die Pflicht, über unmündig' Kinder zu wachen, auf dich g'nommen und Händ' am Rucken zugeschaut, wie s' wild aufwachsen; du hast kein Christentum in dir, Kreuzwegbauer, du betrügst so wenig unsern Herrgott mit deine Kirchgäng' als mich. Du bittst wohl auch nur zu Gott, daß er dir 'n Teufel, den d' dreifach verdient hättst, nit in die Wirtschaft fahren laßt. – Denk ich dran, wie wir immer, wo du 'n Fuß hing'setzt hast, weit weg, dir aus 'n Aug'n hab'n fort müssen, da is mir allemal g'wes'n, als hätt'st du a schlecht' G'wissen, als könntst uns derentweg'n nit ausstehn, weil d' dich an uns versündigt hast.

Ferner (bleich und aufgeregt).
Nimm dich in acht, Dirn, nimm dich in acht, was du sagst. (Lauernd.) Was willst damit sagen? Weißt du leicht was?

Vroni (ruhiger).
Nein, Kreuzwegbauer. – Aber völlig leicht is mir ums Herz, weil das herunter is, was mich schon lang druckt. Wußt ich so gut wie der Herrgott, was du in deiner Angst naufbet'st zu ihm, glaubst du, ich hätt g'wart bis heut? Aber das weiß ich in mir, ich tu dir kein Unrecht. Und ich hoff, ich komm dir noch drauf, all' Not und Elend nahm ich auf mein jung' Leben, wann das g'schähet; dressieren wollt ich dich wie der Jäger d' jung' Hund', du sollst mir Sprüng' machen, so alt d' bist. Kreuzwegbauer, völlig lieb könnt ich dich hab'n, denk ich dran, wie ich dich, so groß und stolz d' bist, mit 'n klein' Finger vor mich hinwerfen möcht. Warst du's nit, fast wünschet ich dir, es kam' nit dazu, aber wann's käm, weißt, was dir bevorsteht! (Zu Höllerer, indem sie ihm die Hand gibt.) Bauer, ich dank' dir recht für 'n Dienst, und jetzt b'hüt Gott miteinander. (Rechts ab.)

Fünfte Szene

Ferner und Höllerer. Der Hintergrund füllt sich nach und nach mit aus der Kirche zurückkehrenden Mägden, unter denselben treibt sich Muckerl herum.

Höllerer (zu Ferner, der schweigend dasteht).
Sikra! Dö Dirn' hat a Maul! Dö hat dich rechtschaffen putzt! Aber a feine Stimm hat s', ich hör s' gern, schad, daß s' nit weiter g'red't hat! – (Boshaft.) Schwiecher, wie is's, hast nit um d' Hand noch a bissel was auf mein' G'höft anz'schaffen? Aber wie d' blaß word'n bist? Hätt gar der Wildling 'n Nagel am Kopf 'troffen? Fürcht'st dich vor ihr?

Ferner (aus dem Sinnen auffahrend)
Narr! Ich bin der Bauer vom Kreuzweghof – ehender fürcht' man wohl mich! (Dumpf.) Unser Herrgott laßt's nit zu, daß ich an der zu Schanden wurd', er weiß, was ich für ihn tan hab, wieviel Messen ich g'stift' und was ich an die Kirchen g'schenkt hab und daß ich noch a gar gut' Werk im Sinn hab mit meim Suhn; ich hoff, der Herr wird 'n erleuchten mit seiner Gnad', daß er's einsieht, wie's zu sein eignen und zu unserm Heil is! Dann bleib'n die zwei Anwesen beinand' und g'hör'n meim Dirndl!

Höllerer.
Das deine der Dirn', das meine g'hört doch für alle Zeiten 'm Toni!

Ferner.
Mein Bub kommt heut oder morg'n, tätst mir einen G'fall'n, Schwiecher, wann d' nach 'm Kreuzweghof mitkamst, ich hab ihn von Kind auf nimmer g'sehn, is mir lieber, es is fremd wer dabei, wenn wir uns 's erste Mal wieder vor d' Augen kämma!

Höllerer.
Ich bin schon dabei.

Ferner (im Abgehen).
'n Toni nehm mer auch mit! Komm nur, ich hab 'n Knecht mit 'm Wagel eh zum Gartenzaun b'stellt. (Beide durch die Scheuer ab.)

Sechste Szene

Die Mägde, Muckerl, dann Vroni.

Die Mägde (kommen, Muckerl in ihrer Mitte führend, vor).
Kimm, Muckerl, verzähl!

Mirzl.
Wie geht's denn auf der Alm?

Muckerl (hält eine Flasche sorgfältig unter der Joppe).
Ich dank! ich dank! Hehehe! Recht gut! Hehehe! Der Jodl laßt enk schön grüßen!

Burgei.
Was hast denn da in der Flaschen?

Annerl.
Laß amal kosten!

Muckerl (zieht die Flasche zurück).
Jo, hehehe! Daß 's mir's aussauft's und ich hätt nachher nix! (Gewichtig.) 's is Weihwasser!

Waberl.
Weihwasser! Habt 's doch ehnder g'nug drob'n auf der Alm!

Muckerl.
Freilich wohl! Aber dös ist für mich allanig! (Wie oben.) Zum Trinka!

Alle.
Jegerl, der trinkt's!

Muckerl.
Glaubt's ös leicht, i bin a Heid' und hob kein' Religion? A Predigt versteh ich net – beta dermerk i net, a Betbüchl konn i nit lesen – so nimm i halt 's Christentum einwendig!

Gretl.
Du bist a Hauptchrist!

(Alle lachen.)

Vroni (tritt mit einem Bündel auf).

Muckerl.
Hehehe! – Da kommt d' Vroni!

Mirzl.
Und a Binkerl tragt s' a!

Waberl.
Gehst 'leicht von da? Z'weg'n was denn?

Annerl.
Is eppa richtig mit 'n Toni und der Crescenz vom Kreuzweghof?

Burgei.
Heirat' er s' und laßt er dich sitzen, der grausliche Ding?

(Alle lachen.)

Gretl.
Schau, nimm 'n Muckerl, is a a feiner Bub'!

Muckerl.
Jo, hehehe! Ich nehm dich schon – hehehe! Du taugerst mir schon lang – dös war eine – juhuhu!

(Alle lachen.)

Vroni (verbissen).
Was ös aber lustig seid's, wann's ein'm traurig geht!

Burgei.
Uije! Stamm dich doch auf! 's kimmt dir sonst 's Flenna, bist ja sunst so stark!

Vroni.
Flennet' ich, g'schahet's nit, weil mir weh is, sondern aus Zorn!

Mirzl.
Jegerl, du Zornbinkl! – Beleidig dich nur nit! Wir sind allz'samm allweil gute Kameradinnen zu dir g'wes'n, wir müssen dir schon zum Abschied a paar Almer singen, daß dir 's Herzerl aufgeht.

        Mei' Schatz is viel sauber,
no säub'rer bin i,
und er heirat' auch z'nachst,
doch a andre als mi!

Chor (Lach-Jodler, den Muckerl mit typischem Gelächter übertönt).
Höhöhöhö!

Burgei.

        Mir is jetzt mein Binkerl
so schwer wie mein Herz,
und ich steh enk jetzt da
grad wie's Mandl beim Sterz!
(Wie oben.)

Annerl.

        's sein andere Dirndl
akrat wie du b'schlag'n,
und du wirst jetzt die Nas'n
so hoch nimmer trag'n!
(Wie oben.)

Waberl.

        Vom Gamskogel wahr a
der nämliche Wind,
mein' Mutter war ledig,
und i bin doch ihr Kind!
(Wie oben.)

Vroni (fahrt dazwischen, dabei bekommt Muckerl einen Rippenstoß).

Muckerl (reibt sich).
Ah! – Sie hat mich schon gern!

Vroni (in die Mitte tretend, singt).

        's Kreuzerl am Mieder
und 's Bücherl voll Lieder,
so stazt's ihr im Sonntagg'wand
in d'Kirchen miteinand'!
Da tut's ös so g'schamig,
so christlich und frumb,
doch wie unta der Wochen
seid's allz'samm' a G'lump!

Muckerl.
Höhöhöhö!

Vroni.

        Do richt's ös oft weitaus
viel brävere Leut' aus,
und ganget gleich drunta
ihr Glück und Ehr z' Grund a!
Dös tät enk nit kränken,
aus grad macht's ös krump,
denn ös seid's halt, ös bleibt's halt
doch allz'samm' a G'lump!

(Lehnt sich zornig weinend an den Brunnen.)

Muckerl.

        Ös seid's holt, ös bleibt's holt
doch allz'samm' a G'lump!

Höhöhöhö! (Rennt ab, da die Dirnen unter Geschrei: »Wart nur!« – »Du Fex!« – »Du kriegst's!« über ihn herfallen. Alle durch die Scheuer ab.)

Siebente Szene

Franz und Großknecht. Vroni im Vordergrunde.

Großknecht (den Davonlaufenden nachrufend).
He! Ihr! Hört's? Is der Kreuzweghofbauer schon fort? Hört keins? Die hab'n mit ein' Fexen ihr G'spiel, dös is denen Weibsleuten ihr liebster G'spaß, weil sie sich daneb'n g'scheit vorkämen; gang's nach ihnen, gab's gar nix als lauter Fexen; die s' nit selber schon deppert in d'Welt setzen, die macheten s' gern später dazu und die alt' Weiber unter die Mannsleut' helfen ihnen dabei! (Sieht Vroni.) Kommt's nur, lieber Herr, da hab'n wir schon d' Richtige, die steht Red'! (Kommen vor, so daß Vroni die Mitte und Franz die Brunnenseite gewinnt.) Is der Kreuzweghofbauer schon fort?

Vroni (trocknet sich mit dem Schürzenzipfel die Augen).
Grad muß er fortg'fahren sein.

Großknecht (zu Franz).
Da holt's ihn nimmer ein! (Zu Vroni.) Was is denn dir? Du wischst dir die Aug'n? Und zum Gehn bist auch fix und fertig? – Is's halt doch so kämma, wie ich g'sagt hab'? Hab ich dir's schlecht gemeint?

Vroni.
Vergelt dir's Gott, Großknecht, wie ehrlich du's mit mir gemeint hast!

Großknecht.
Gehst halt zur Ahnl nach Ottenschlag, nit?

Vroni.
Tu's zwar nit gern, magst dir's denken, aber ich muß wohl, so g'schwind find't ich kein ander' Unterkämma.

Großknecht.
Hast recht! Wird freilich z'erst rechtschaffen keppeln, d' Alte, is aber a brav' Weiberl!

Franz (im steirischen Lodenrock, Reisetasche um, Stock – hat auf der Brunnenbank Platz genommen).
Wenn ich schon nach dem Kreuzweghof gehen soll, habt ihr niemand, der mich führen kann?

Großknecht (zu Vroni).
Auf 'n Herweg hab ich den Herrn da g'troffen, er möcht über'n Bergsteig nach 'm Kreuzweghof, der Weg auf der Straßen is ihm zu langweilig! 's geht eh dein Weg auch vorbei, kannst dir ein paar Groschen Wegweislohn verdienen, wann d' ihn führst!

Vroni.
Is mir recht, aber ich tu's nicht der Groschen weg'n, sondern um Gotteslohn! Aber a G'sellschafterin werd't 's nit an mir hab'n, mir is heut nit lustig!

Franz.
Mir auch nicht, liebe Dirn'! Wenn ich trotzig dreinschau', kümmere dich nicht drum! Geben wir uns die Hand drauf, daß wir einander nicht als zuwidere Leute verschrein woll'n, bis wir uns ein andermal und, ich hoff, fröhlicher gesehen haben als heut auf dem Weg nach meines Vaters Gehöft.

Vroni (zieht rasch ihre Hand aus der seinen).
Deines Vaters G'höft? So wärst du leicht der Student, den s' die Täg' erwart'n? Der Ferner-Franzl?

Franz.
Ich heiße Franz Ferner!

Vroni.
Dann geh nur allein deine Weg'! Ich führ dich nicht! – Dein Vater is mein und meiner Leut' Todfeind, ich leid grad unter dem, was er mir d' letzt' Stund' wieder antan hat! Ich geh kein Schritt mit seim' Sohn!

Franz (blickt sie überrascht an und steht schnell auf).
So sag mir doch, wer du bist.

Vroni (wendet sich zum Geben).
Ich hoaß Veronika Burger! (Reicht dem Großknecht die Hand zum Abschied.)

Franz (zieht mechanisch wie zum Gruße den Hut und fährt sich mit der Linken in die Haare, vor sich).
Die ist's! – Ich hab's gefürchtet. – Mein erster Tritt auf heimatlichen Boden macht die Vergangenheit wieder lebendig!

Verwandlung

Wirtsstube im Wirtshause zur Grenze in Ottenschlag.

Eingang letzte Kulisse links. Hintergrund ein großes, breites Fenster (eigentlich zwei Fenster, durch einen schmalen Pfeiler getrennt); die Fensterflügel offen, Fernsicht auf eine Alpenlandschaft. Links vom Fenster steht ein Großvaterstuhl, rechts davon ein Tisch; über demselben hängt an der Wand eine Zither. Zwei Tische befinden sich mit der Längsseite an den Wänden rechts und links und ein Kachelofen steht unmittelbar hinter der Türe.

Achte Szene

Im Großvaterstuhl sitzt die alte Burgerlies mit Strickzeug, Geldtaschel und Schlüsselbund am Gurt. Neben am Tische sitzt Levy, den Hausierbündel neben sich auf der Bank, ein Glas Wein und Eßwaren im Papier vor sich.

Levy (steckt den letzten Bissen in den Mund, wischt mit dem Papier über den Tisch, rückt den Stuhl und schaut behaglich ins Freie).
's is doch a schöne Sach', Burgerlies, nach langer Zeit wieder da heroben bei Euch zu sitzen, unangefochten wie daheim, und hinabzuschau'n auf das Land. Gott, was for a reiche, weite Natur und was for arme beschränkte Leut' um sie.

Lies (altes, aber kräftiges Mütterchen, weiße Scheitel).
Mußt nit groß tun, Levy, bist a gescheiter Mann, ich weiß; aber ich schau dir doch schon jahrelang zu, wie d' dein Fressen allweil im Papierl mitbringst, statt daß d' herob'n fein mit zulangst.

Levy.
Kenn ich's denn riskier'n, daß ich komm ohne Proviant da ins Geberg' zu Euch? Könnt Ihr doch etwa hab'n an dem Tag nor a treefene Woor.

Lies.
Na siehst, du bist selber so a Bauchfrummer und hätt grad dich für gescheiter g'halten.

Levy.
Mein! Was hilft alle G'scheitheit gegen a alte Satzung? Mer werd's gewöhnt. Wer gibt mir a neuchen Mogen zu der neuen Speis'?

Lies.
Mein lieber Levy, grad wie mit euere Mägen is's mit denen ihnere Köpf'.

Levy (kopfschüttelnd).
Möcht sein, Burgerlies, kenn vielleicht sein a Wahrheit. Aber ich muß Ihr sagen, seht Sie mir zu schon jahrelang, seh ich Ihr auch zu af kein kürzere Zeit. A gescheite Frau war Sie immer, aber Sie war nix e soi nachdenklich wie jetzt, hot jeden gelossen bei dem, was er denkt, und hat nix Ihre Meinung aufgedrängt. Das taugt nix, Burgerlies, for Ihr Geschäft taugt dos gor nix. Wollt Ihr alle Leut' e soi denken machen wie Ihr? Gott meiner Väter!

Lies.
Laß mich aus mit 'n Gott der Väter, den habt's ös alte Schippeln doch nur für d' Weiber aufbracht, damit s' Zucht halten und nit auf d' Jüngern neben schau'n.

Levy.
Was ich sag? Sagt ein' andern so was, der Euch nix kennt, nehmt er's for übel und kümmt nix mehr. (Trinkt.) Is an angenehmer, milder Tropfen. Muß mer sich doch neuzeit gewöhnen, kommt mer zu Euch, daß abwechslich bald Ihr a Schneid habt, bald Euer Wein. Früher war Wein und Wirtschaft gleich angenehm. Mein, mir is noch erinnerlich, wenn ich vor so a Stück a fünf Jahr bei Euch bin eingekehrt, wie noch hat Eur' Tochter gelebt und wie die beiden Enkelkinder – der Bub' und das Madl, fünfzehn, sechzehn Jahr alt, a Paar prächtige junge Leut – da in der Wirtschaft mitgeholfen haben – was is doch geworden aus die zwei, habt Ihr sie nimmer gesehen seither?

Lies.
Weißt ja, nach der Vroni ihr'm Tod hat mir der Vormund 'n Buben nimmer lass'n, ich war ihm z' gottlos, dem frummen Mann, und die Dirn hat mir a so a frummer Bauerssuhn abg'red't.

Levy.
Schad um die jung' Leut'. – War a schöne Zeit gewesen damal herob'n. Is mer gekimmen, hat alles gewimmelt von Gäst', mer is da gesessen unter de Pauern, hat einer ja angefangen zu sticheln und ein geheißen e Mauschel! Püh! Wie seid Ihr ihm da gefahren übers Maul. Alles hat gelacht, mer hat gelangt in die Tasch', hat gezahlt a Wein, da war der Frieden hergestellt, die Gläser haben geklungen und alles war wieder gut. Mein, aber jetzt –

Lies.
Freilich, seit mein' Vroni tot is und die jung' Leut' weg, bin ich nur älter und tramhaperter word'n; dös dumm' G'sindel da herum feind't mich an, bin neamand mehr anständig, mir zum allerwenigsten, und haus' jetzt da herob'n allein mit ein einzig'n alten tauben Knecht.

Levy.
Drum seid Ihr auch geworden zu viel nachdenklich, und kommt emal einer, so sprecht Ihr Euch gern aus; aber es taugt nix, Burgerlies! Ich sag's nit weg'n mir, nein, ich komm zu Euch, solange uns beiden der Herr das Leben laßt, aber es tut mer weh, daß, kümm ich amol, ich find't da alles so leer, und es is a Ereignis, daß tagüber is eingekehrt bei Ihr a Jud'.

Lies.
Der noch dazu 's Fressen im Papierl mitbringt! Da kann mer fett werd'n.

Levy (ernst).
Werd't Ihr fett, Burgerlies, sagt emol aufrichtig, werd't ihr fett von dem verdächtigen Volk, was bei Euch kehrt ein die Nacht über?

Lies (gedämpft).
Du meinst die Schwärzer? 's sein meine einzig'n Kundschaft'n, die da noch was sitzen lass'n; soll ich ihnen leicht die Tür weisen? Sie sein nit so uneb'n, sag ich dir! Dieb' und Rauber sein s' nit. Von Urzeit geht Berg und Tal in ein' Trum fort und die Grenzpfähl' sein nit wie die Bäum' aus der Erd' g'wachsen – und soll ich wohl dafür mehr zahl'n, weil die Spanfudler herenten dös nit z'weg'n bringen a so wie die Leut' da draußt? – Freilich hat's oft G'fahr, wenn einer kimmt: Mutter Lies, versteckt's mich, sie sein hinter mir her!' Soll ich 'n ausweisen in seiner höchsten Not? Ich kunnt's nit, ich weiß recht gut, ich verbesser mir nix in der Leut' Augen durch selb'n Zuspruch, aber im G'schrei bin ich früher schon g'wesen, auf a mehr oder minder kimmt's mir nit an, und die paar Jahrln, die mir noch b'schied'n sein, will ich doch noch leb'n können.

Vroni (geht an dem Fenster vorüber).

Levy (hat Geld auf den Tisch gelegt, den Bündel genommen und reicht der Lies beide Hände).
Und um das bissel Leben streitet Ihr Euch herum mit aller Welt? Weiß das, versteh Euch, Burgerlies, müßt nit selber sein an armer Teufel und obendrein a Jud', der in dem Land da muß sein Stück Brot suchen. – B'hüt Gott! (Ab.)

Lies (nachrufend).
Glück auf 'n Weg, Levy, und kehr fein wieder zu. (Wischt an dem Tisch, wo er gesessen. Es klopft.)
Nur rein, wer draußt is!

Neunte Szene

Vorige. Vroni, ein Bündel unterm Arm, tritt zögernd ein.

Vroni.
Grüß Gott, Ahnl!

Lies (dreht sich überrascht um).
Was tausig, Vroni! Du bist's? – Schau einer, laßt dich a amol sehn? Was gar, mir scheint, du bist ausgestanden aus 'm Dienst? Wo trittst denn jetzt ein?

Vroni.
Hab noch kein' Dienst.

Lies.
Nit? Is dös so schnell gangen? Dein frumm' Bauerssuhn hat dich wohl sitzen lass'n, und jetzt is 's Weib ohne Gott und Glauben wieder gut Freund? Traust dich denn in die gottlose Wirtschaft da her?

Vroni (mit unterdrücktem Weinen).
B'hüt Gott, Ahnl! (Wendet sich.)

Lies (nimmt ihr den Bündel weg und wirft ihn auf den Tisch daneben).
Na, dumm's Mensch, mußt gleich flenna? Darf die alt' Ahnl sich leicht nit a bissel 'n Schnabel wetzen? Bleib nur da – d' Wahrheit verbrennt dich nit wie d' Sunn', wirst nit braun davon! War leicht das so schön, wie d' von mir g'rennt bist? Soll ich vor Freud' in Ohnmacht fall'n, daß d' jetzt kimmst, wo dich nit ausweißt und nit daher kamest, wußt d' dir ein' andern Ort?

Vroni.
Ich werd dir nit lang auf der Schüssel lieg'n.

Lies.
A meinetwegen lieg drein bis übers Jahr, dessentwegen is nit – war lang nit so harb auf dich, hätt ich's nit verspürt, wie d' mir abgehst.

Vroni (fällt ihr um den Hals).
Ahnl, du hast mich halt doch gern.

Lies.
Was tust denn wieder? Wirf mich noch um. (Tätschelt ihr die Wange.) Freilich, freilich, bist mein lieb's Dirndl! – Aber jetzt sei g'scheit, bleib fein da. Hab eh neamand, d' Arbeit geht mir schon hart; und a freundlich' G'sicht tat mir doch a wohl. (Wischt über den Tisch.) Setz dich her. (Trippelt zum Schrank und nimmt aus demselben eine Rein auf einem Brett.) Magst leicht ein Bissen essen? (Setzt ihr vor.) Mußt fruh weg sein, kimmst so zeitlich her nach Ottenschlag.

Vroni (etwas essend).
Der Postbot' hat mich her auf sein' Wagerl g'nummen.

Lies.
Dös sein die fein', mit die jung' Dirndl fahrn s' gleich meilenweit ins Land, daß sich dö ja d'Füß' nit vertreten; unseroans könnt' neben herrennen, daß d' Zung' aus 'm Hals hängt, saget keiner »Alte, magst aufsitzen?« – Na, schmeckt's? Gelt, Essen, Trinken und Verliebtsein, sunst steht euch nix an, jung's G'sindel? Habt's recht, gibt eh nix G'scheits weiters auf der Welt.

Vroni.
Du führst noch allweil so unebne Reden, bist nit anders word'n?

Lies.
Zahlet sich aus für die paar Jahrl, die ich noch leb!

Vroni.
Ahnl, ich bitt dich gar schön, sei nit so freimäulig. War mir a rechter Seg'n, wann ich's machen könnt, daß man dich wieder in der Kirchen sahet.

Lies.
Dummes Ding! Wann d' mir mit solche Vorsätz' kimmst, is's mir auch lieber, wann d' wieder gehst! Du machst mich nimmer katholisch. – Glaubst, ich bin dös über Nacht word'n, was ich bin? Da hab'n mehr Jahr' dran g'arbeit', als du auf der Welt bist. A Nacht hat's freilich fertig bracht, dö nämlich, wo dein' Mutter mit enk zwa Kindern an mein' Tür pocht hat, weil s' vom Meineidbauer vom G'höft g'jagt worden is.

Vroni.
Du meinst 'n Bauer vom Kreuzweghof? Warum gibst ihm den Spitznam' »Meineidbauer«?

Lies.
Is dös a schwer Ratsel? Warum hoaßt d' Elster a Dieb? Weil der Lump vom Kreuzweghof falsch geschworen hat, hoaßt er Meineidbauer bei mir, solang er lebt und länger noch, wenn ich ihn überleb, solang von ihm die Red' is.

Vroni.
Wenn das wahr wär, Ahnl, und mir könnt ihm's beweisen.

Lies.
Sein' falsch' Eid hab'n 's eben als Beweis für ihn gelten lassen. Dein' Mutter, die nie g'log'n hat, hat's in der nämlichen Nacht gleich g'sagt, wie's damals zugangen is, und is in ihrer letzten Not noch dabei blieben. Der Meineidbauer hat, bevor sein Bruder nach Wien is, schon ganz gut g'wußt, was dem sein Will' is, wenn er verstirbt; nämlich, daß all's der Vroni und ihr'n zwei Kindern g'hörn soll. (Legt die Hand auf die Schulter Vronis.) Aber a Testament war auch da – es war eins da! Wie da Meineidbauer vom G'richt heimkommen is, wo er die Händ' zu Gott aufg'hob'n hat, daß er von keiner Schrift was weiß, da hat er selb Schriftstück auf 'm Herd verbrennt, und sein Bub' is zufällig dazukommen; er war so a zwölf Jahrl alt, hat g'wußt, daß der Vater z'wegen 'm Testament zu G'richt is schwör'n gangen, und find't ihn da auf einmal, wie er die G'schrift ins Feuer halt'! – Lesen hat der Bub gut kinna, aber 'n Schnabel hat er a auftun müssen, wie die Bub'n gern tun, wenn s' glauben, jetzt können s' geg'n die Eltern aufkommen. Dös war damal a Spektakel auf 'm Kreuzweghof – die Vroni is grad noch dazukommen, daß s' so viel hört, daß sie sich ihr'n Teil draus entnehmen kann – die alt' Mutter vom Bauern hat den Bub'n gleich auf d' Seit' bringen müssen, so wütig war der Vater auf ihn. D' Großmutter und der Bub sind nach Wien gangen, sie hat sich seither hinunterkränkt über die Schlechtigkeit von ihr'n einzig noch übrigen Sohn und is vor'm Jahr verstorben. Ausg'sagt hätten die zwei nix, und der Meineidbauer hätt g'leugnet. So hat's halt beim alten bleiben müssen. – Sixt, Vronerl, und damals, wie der Meineidbauer sein' Hand hat zu Gott aufg'hob'n, nur daß ihm die g'studierten Leut' seines Bruders Hab und Gut zusprechen, da is kein Donner vom Himmel g'fall'n, die Erd' hat sich nit auftan, mein Kind is in Not und Unehr' dagestanden und a so verstorben, und der Meineidbauer is heuttags noch a reicher Mann. Seither war's fertig in mir! Dö Welt taugt mir nit, wo so was drin g'schehn kann. Seit damals heißen s' mich gottlos; ich glaub aber nit, daß amol z'wegen unsere Seel'n die Teixeln raffet werd'n. Der Himmel wird sich grad so viel g'freu'n, daß er 'n Meineidbauer derlangt, wie der Teixel, daß er a Alte mehr in d' Höll' kriegt!

Vroni (lacht).
No, geht's zu! (Ernst.) Ich hoff zu Gott, daß keins von uns in d' Höll kimmt!

Lies.
Na, soll hübsch warm drein sein, dös tauget schon für uns Alte, mir friert da ehnder 's ganz' Jahr; für dich paßt er schon, der Himmel, du hast noch hitzig' Blut und hitzt gar – koan Schatz dazu!

Vroni.
Geh, du red'st so viel wüst, Ahnl! Man muß sich frei schamen – hört mer dir zu!

Lies.
Ah was, z'weg'n ein bißl Neckerei brauchst nit gleich brennrot z' werden, bist doch kein' Heilige und is doch d' Magdalen' eine word'n; bin heut bißl lustig – weil d' mich aufg'riegelt hast! Kommen schon wieder Täg, wo di wundern wirst, wie grantig d' alt' Ahnl sein kann. Kind, lustig is schön, wer's nur allweil sein könnt! – Bleib nur da, dann werd ich's schon a öfter sein können. – Seit ich an kein' Sonntag mehr ins Ort abi komm, hab'n s' mich da allein sitzen lassen, selbst d' vertrautesten Bekannten hab'n nimmer zugesprochen, höchstens die arm' Holzknecht', wann s' viel Durst und wenig Geld hab'n, dö kimmen, und 'vor s' reintreten, schlagen s' a groß' Kreuz, aber so a gottlos Glas Wein für a bißl holzspaneln und a Vergeltsgott schmeckt ihna doch!

Vroni.
Und dös gebt's ös denen Leuten?

Lies.
Freilich gib ich's! Schimpf s' auch orndlich z'samm dabei. – Ich bin nit so schlimm, wie mich d' Leut' machen, ich g'freu mich a, daß d' noch a Vertrauen g'habt hast zu mir und kämma bist – bist a stark Dirndl, dir haben s' draußt in der Welt noch nicht ankönnen; ich wollt, ich hätt euch all' zwei bei mir halten können. – Schlechts hätt's ös da nit g'sehn.

Vroni.
G'wiß nit. Wollt selber, ich wär nit so dumm g'wes'n und von dir fort, ich seh, was ich jetzt davon hab. – Sag, Ahnl, was is denn aus 'm Brudern word'n? Hast nix von ihm g'hört?

Lies.
Ja, ja, den hab'n s' mir auch weggenommen. Ob ich von ihm g'hört hab? Ah freili, mehr als mir lieb is, aus 'm gottlosen Haus da hab'n s' ihn weg, das hat der Meineidbauer a noch auf'm G'wissen. Freilich, er is ja aus der frumm Schul' kämma, tauget ja nit her da. War der beste im Katechismus, hat alle Sünden g'wußt, die man nit tun soll, hat aber a g'wußt, daß die Sünden in der Beicht' vergeb'n werd'n, so is er halt a Dieb und Vagabund word'n. 's erste Mal is er auf'm Schub herkämma nach Ottenschlag, da hat ihn die G'meind' mir ins Haus g'schickt – ich hab glaubt, ich sink in d' Erd – lang is er aber nit blieb'n, und wie er von mir weg is, sein meine Silbertaler a mit fortg'west – dann hat er's weiter so forttrieben – is in die Strafhäuser rumkugelt, dann wieder der G'meind' zur Last g'fall'n – ich aber hab nix mehr von ihm wiss'n woll'n und hab 'n a seither nimmer g'sehn – will 'n a nimmer sehn.

Jakob (geht am Fenster vorüber).

Vroni.
Jesus und Josef!

Lies.
Was hast denn?

Vroni.
War mir doch, als gang einer da vorm Fenster vorbei – und 's wär der Jakob.

Lies.
Wär mir nit lieb.

Zehnte Szene

Vorige. Jakob in abgetragenen Kleidern, elend, bleich, wankt, auf einen Stock gestützt, lautlos herein.

Lies.
Richtig is er's!

Vroni.
Bruder! – Jakob! – Du lieber Heiland, wie schaust denn du aus?

Jakob (wirft sich in einen Großvaterstuhl und holt tief Atem.)
Mit Verlaub! – Grüß Gott, Ahnl! – Grüß dich Gott, Vroni! – Bist a wieder da?

Lies.
Wo kimmst wieder her? Was willst denn da? Kimmst aus der Straf' wieder?

Jakob.
Zum letztenmal, Ahnl.

Lies.
Hast allweil g'sagt, weiß's vom G'meinvorsteher – bist jed'smal 's letzt' Mal in der Straf' g'wes'n.

Jakob.
Dösmal is's g'wiß! Ich hab mein' Teil! Ich hätt können sterben drin in der Stadt – im Spital – sie hätten mir's gern kommod g'macht – sein froh, wann unsereiner – a Gravierter – geht – hab mich aber bis her g'schleppt – gönnt's mir ä Platzl, Ahnl – wo mit mir a End' wird. – 's is letzt', was ich von Euch verlang!

Lies.
Dös is a Feiertag! Da kimmen s' mir ins Haus g'schneit – der verlebt' Bruder und die verliebt' Schwester, und kehr d' Hand um, wird koans mehr davon da sein, der ein' geht auf neu' Dieberei, die ander' auf neu' Liebschaft und die alt' Ahnl kann wie vor und eh allein auf ihrer Wirtschaft leb'n oder sterb'n!

Vroni.
Ahnl! (Ihr im Arm.) Ich geh g'wiß nimmer von dir!

Jakob.
Ich wollt, sie hätt'n mich niemals von Euch tan. Hitzt is's vorbei! – Ich werd nimmer g'sund – ich versprechet a nix – ich haltet's a nit – ich weiß, ich könnt kein gut mehr tun! – Aber gunnt's mir a Platzl zum Sterb'n!

Lies.
Dumms G'red! Zum Sterb'n wird's nit sein! – Vroni, schau derweil auf ihm, ich geh nur nach 'm klein' Acker auf der Höhen, wo der Niklas arbeit' – der muß g'schwind zum Bader im Ort! (Rasch ab.)

Vroni.
Jakob, ich bitt dich, sag d' Wahrheit! Is dir wirklich so schlecht, oder –

Jakob.
Ich weiß, denkst, wer amal lugt – wart, vielleicht dauert's neama bis morg'n, wirst sehn – daß ich d' Wahrheit red! – D' Ahnl möcht ich zum allerwenigsten betrüg'n – die is z'neb'n dir d' einzig' auf der Welt, die's recht g'meint hat mit mir! (Kleine Pause.) Vroni! 's is mir recht lieb, daß ich dich noch triff vor mein' End'. – Wie mir 's Reden schon schwer wird – 's liegt so hoch, der Ahnl ihr Haus – bin völlig raufkrochen – hätt' dir was z'sag'n – hab was für dich! –

Vroni.
Ich bitt dich – nur eins, Bruder – wenn's unrecht' Gut wär'?

Jakob (wischt sich den Schweiß).
Jesus, Vroni! Peinig mich nit in meiner letzten Stund' – was ich für dich hab, is mein von Gott und Rechts weg'n, weißt damal, wie unser Vater nach Wien is, war ich mit als Bub – hat a Schrift, glaub wohl, war sein Testament, nach Haus g'schickt – paar Tag' drauf hat er ins Spital müssen und is bald dort verstorben; 'vor er hat h'nein müssen, hab'n wir bei der Schwiegermahm g'wohnt und die hat 'm Vater sein' z'ruckg'lassen' Sach' bei ihr b'halten und hat noch g'sagt: »Jakoberl, dös heb ich dir auf!« Ich hab mich aber später nie zu ihr hin'traut, weil ich so a Lump worden bin. Nur dösmal, wo ich gar runterkämma bin wie nie, bin ich hin – so wie ich jetzt steh, hat einer wenig Genieren mehr nötig. Dös brav' Weib hat von damal richtig noch die paar Sachen aufg'hob'n, das G'wand hab ich verkauft, um a Wegzehrung bis her z' haben, aber Vaters Betbüchl wollt ich dir oder der Ahnl geb'n – is doch a Andenken. (Zieht das in ein rotes Tuch gehüllte Buch hervor und wickelt es heraus.) Nimm du's!

Vroni.
Ich dank dir recht, Jakob. (Indem sie sinnend die Hände mit dem Gebetbuch sinken läßt, blättert sie dasselbe auf.) Da liegt ja ein Brief drein?!

Jakob.
Weiß's – hab's so aufg'funden – Is noch von damal'n an Vater.

Vroni.
Was steht denn drin?

Jakob.
Weiß's nit – hab 'n nit g'les'n! – is ja doch nur 'n Vater angangen! – Was kunnt drin stehn, was mir noch half' oder schad't? – Geschriebenes mag ich heut noch schwer lesen – gang ungern dran! Hab nur tracht, daß ich noch daher triff!

Vroni.
's Siegel is eh schon ganz verbröckelt, ich mach 'n auf!

Jakob.
Tu's, is jetzt dein' Sach'!

Vroni (öffnet den Brief).
Er is vom Vater sein'm Bruder, vom Kreuzweghofbauer! – Heiliger Gott!

Jakob.
Du verschreckst ein'n!

Vroni.
Um Gottes will'n, Bruder, los zu, los nur zu, was er 'm Vater g'schrieb'n hat: »Lieber Jakob! Dein Testament, worin Du die Burger Vroni und ihre zwei Kinder als Erben von all Dein Hab und Gut einsetzt, hab ich erhalten. Es ist nit schön, daß Du mich und, meine Kinder so g'ring drein abfertigst...«

Jakob (auffahrend).
Jesus, Maria, so steht's drein? – Und dös wär der Beweis g'wes'n. (Faßt mit beiden Händen nach seinem Kopfe.) Vroni – dös gibt mir 'n Rest – mir wird schwindlich! – Ich wär nit schlecht word'n, Vroni, hätt nit g'sehn, wie der Kreuzweghof is reich und ang'sehn g'wes'n dabei – mein ganz' Leben voll Not und Schand' – war rein unnötig – nur dös Fetzl Papier – Jesus und Josef! Is dös a dumme Welt. (Senkt den Kopf und greift unsicher um sich.) Vroni! Vroni!

Vroni.
Bruder, um Himmels will'n, bleib bei dir! Du darfst jetzt nit versterben. Denk an unsern Brief, wart ab, die Ahnl muß gleich mit 'm Bader da sein.

Jakob.
Z' spat! Alles z' spat! – Mich freut nur oans, daß dir's noch gut gehn wird und der Ahnl – und daß ich noch rechtzeitig nach hoam troffen hab. (Blickt durchs Fenster.)

Vroni.
Is dir leichter?

Jakob.
Weiß's nit – Hörst, Vroni?

Vroni.
Was willst denn?

Jakob (zeigt nach der Zither)
Könntst? – Möchtst? –

Vroni.
Die Zither soll ich dir spielen?

Jakob (nickt).
Noch was – (Sagt im Tonfall der Melodie des kommenden Liedes:) »Dös war' mein letzter Wunsch.«

Vroni.
Dös Lied soll ich dir jetzt singen?

Jakob (nickt).

Vroni.
Ich kann nit, Jakob, ich kann nit.

Jakob (lächelt etwas und sagt wie oben).
»Gib mir die G'währ.«

Vroni.
Ich kann dir nix abschlag'n, aber hart wird mir's. – O du mein Gott, so viel hart. (Richtet sich am Tisch die Zither.)

Jakob (faltet die Hände).

Vroni (setzt mit gebrochener Stimme ein, bezwingt sich aber und singt dann mit der scharfen Prononcierung der ländlichen Lieder weiter).

        Dös war' mein letzter Wunsch,
gib mir die G'währ'
laß mich in der Heimat sterb'n,
himmlischer Herr.

Grüner Tann, blaue Berg',
du dunkler See,
euch möcht ich nochmal sehn,
bevor ich geh.

Möcht sterb'n in Elternhütt',
daß noch bewußt – (Liese tritt ein.)
ich mein' Kopf legen kann
an d' liebste Brust.

Jakob (wendet sich).
Großmutter! Großmutter!

(Liese eilt zu ihm, er legt das Haupt an ihre Brust.)

       

Ich mein' Kopf legen kann
an d' liebste Brust.

Daß mir die liebste Hand
d' Augen druckt zu,
b'hüt dich Gott, Heimatland,
ich geh zur Ruh.

B'hüt dich Gott, Heimatland...

(Vroni birgt laut schluchzend ihr Gesicht. Jakob stirbt; der Anblick wird dem Publikum durch Liese entzogen, die sich über den Sterbenden beugt; unter dem spielt das Orchester die Repetitionszeile und fällt der Vorhang.)


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