Sagen aus Tirol
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Friedl mit der leeren Tasche

Herzog Friedrich III. von Österreich, der Landesfürst von Tirol, dem seine Gegner ob seiner Macht- und Mittellosigkeit den Spottnamen »mit der leeren Tasche« gaben, kam auf der Flucht vor seinen Feinden aus Konstanz in die Nähe von Landeck, wo er unerkannt als fahrender Sänger auf dem Zappenhof zwischen Perfuchsberg und Tobadill einkehrte.

Der gutherzige Bauer lud den Fremden zu Tisch und bewirtete ihn freigebig. Wie zum Dank dafür sang der Gast ein ergreifendes Lied vom Schicksal eines armen, landesflüchtigen Fürsten, der, von seinen Feinden vertrieben, von allen Freunden und Untertanen verlassen, hilflos und einsam auf der Welt umherirrte. Die Bauersleute wurden durch das Lied des fahrenden Sängers zu Tränen gerührt; denn sie dachten an das Los ihres eigenen Landesherrn. Als Friedrich erkannte, daß die Herzen der Tiroler ihm noch immer die Treue und Liebe zugetan seien, gab er sich als Landesfürst zu erkennen und erweckte damit einen Sturm der Begeisterung. Von allen Seiten strömte das Volk nach Landeck zusammen, um dem Fürsten seine Verehrung zu bezeigen, und Jubel und Freude umbrandeten Friedrich, der sich nach langer Irrfahrt zum erstenmal wieder unter seinen treuen Tirolern sicher fühlte.

Als sich der Herzog später unerkannt nach Südtirol wenden wollte stieg er heimlich in die Ötztaler Berge, wo er eine Zeitlang als Hirte verkleidet auf der Alpe Fineil die Schafe hütete. Auf dem weiteren Weg über das Gebirge fand der im Rofnerhof Unterkunft, dessen Besitzer ihn vor seinen Feinden verbarg, bis ihn ein treuer Bauer über das Hochjoch brachte. In der Nähe Merans, am Ausgang des Schnalsertales, bot ihm ein anderer Getreuer, der Hendlmüller, eine Zufluchtstätte vor den Spionen der Gegner. Aber es gelang einem von diesen, den Aufenthaltsort des Herzogs auszukundschaften, und Friedl wäre in die Hände seiner Feinde gefallen, wenn ihn nicht der wackere Hendlmüller, unter einer Mistfuhre verborgen, rechtzeitig aus dem Haus geschafft und in ein sicheres Versteck gebracht hätte.

Herzog Friedrich vergaß diese umsichtige Tot des treuen Mannes nie, erhob ihn später in den Adelsstand und gab ihm ein Mühlrad in sein Wappen. So wurde der Hendmüller zum Stammvater des Tiroler Geschlechtes der Grafen Hendl.

Als die Zeit der Bedrängnis für den Herzog endlich vorüber war, beschloß er, das häßliche Spottwort von der »leeren Tasche« für alle Zeiten zunichte zu machen, Er ließ in Innsbruck einen zierlichen Prachtbau aufführen mit einem gar kunstvollen Erker, der zum Beweis, daß seine Tasche nicht mehr leer sei, mit goldenen Schindeln gedeckt wurde.

So erinnert eines der schönsten Wahrzeichen des Landes, das weltberühmte »Goldene Dachl«, ein mit vergoldeten Kupferschindeln gedeckter marmorner Erker am Neuhof, der früherenn Innsbrucker Burg, an den Tiroler Landesfürsten, Herzog Friedrich mit der leeren Tasche.

 


 


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