Sagen aus Tirol
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Der Metzger von Imst

Es ist noch nicht gar so lange Zeit her, daß zu Imst ein Metzger lebte, der die unlöbliche Gewohnheit an sich hatte, auf der Alm Schafe von fremden Herden wegzufangen, die Zeichen derselben umzuändern, sie in seinen Herden eine Zeitlang mitgehen zu lassen, und sie dann zu schlachten oder auch lebend zu verkaufen. Das gelang ihm ziemlich lange, denn bekanntlich ähnelt ein Schaf dem andern sehr, wenn es nicht fleckig ist. Aber als der Metzger gestorben war, begann er alsbald so greulich zu spuken, daß seine Verwandten nichts Eiligeres zu tun hatten, als den ruhelosen Geist bannen zu lassen. Der Wächter zu Strad rief gerade in einer finstern Nacht die zwölfte Stunde ab, als er plötzlich auf der Straße zwei Kapuziner gehen sah, von denen jeder ein brennendes Licht und der eine ein großes Buch trug. Zwischen beiden aber ging die Gestalt des Metzgers, den hohen Hut tief ins Gesicht herabgedrückt und die Hände über den Unterleib gekreuzt, in schwarzem Gewande. Die Kapuziner winkten dem Nachtwächter, zur Seite zu gehen, welchen Wink dieser auch äußerst gern und sehr bereitwillig befolgte. jene drei aber schritten aus Strad die Poststraße entlang, nach Nassereit zu und zum Wirtshause »Zum Dollinger«, kehrten aber nicht ein daselbst, sondern wendeten sich übers Gurgeltal hinüber nach einer Klamm, durch die vom hohen Andelsberg herab der Klammbach stürzt.

Dort hinein sind schon viele spukende Pütze aus der Umgegend von Imst gebannt, und man hört sie manchmal durch die Nachtstille grauslich heulen: »Helft uns! Hol – hoiiih!«

 


 


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