Sagen aus Niederösterreich
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Der Grundstein des Vaterhauses in Mödling

Im dichten Wald am Fuß des hohen Anninger saß einst ein blondgelockter junger Mann. Das Werkzeug, daß zu seinen Füßen lag, verriet, daß er ein Holzfäller war, obwohl die Blässe der Wangen diesem Beruf zu widersprechen schien; denn die Arbeit in Gottes freier Natur pflegt sonst das Antlitz zu bräunen. Aber Konrad, so hieß der Jüngling, hatte an einem schweren Kummer zu tragen. Er liebte die Tochter seines Brotherrn, des reichen Mödlinger Müllers Ottfried, und wußte sich von dem Mädchen wiedergeliebt. Doch der Müller verlangte, daß sein künftiger Schwiegersohn mindestens ein Haus haben müsse, um seiner Tochter Gertrud würdig zu sein, und daß konnte Konrad dem Mädchen nicht bieten; denn er war ein Habenichts, der kaum mehr als die Kleider am Leib sein Eigen nannte. Einmal freilich hatte auch er bessere Tage gesehen; seine Eltern waren wohlhabende Leute gewesen, verloren aber durch die Ränke eines bösen Vogts Haus und Hof und starben verarmt in der Fremde.

»Ach, hätte ich nur den Grundstein meines Vaterhauses hier«, rief Konrad seufzend, »dann wäre mir schon leichter zumute!«

»Den kann ich dir verschaffen«, sagte plötzlich eine Stimme hinter ihm, »und ein Haus auch dazu.«

Als Konrad sich überrascht umwandte, gewahrte er einen Weidmann, der unbemerkt herangetreten war.

»Ein Haus!« rief der Jüngling freudig erregt. »Ach, um diesen Preis würde ich gern mein Leben lang dienen!«

»Du brauchst dafür nichts anderes zu tun«, gab der Weidmann zur Antwort, »als mir das erste Kind zu übergeben, das dir geboren wird.«

Konrads Blut wallte schneller durch die Adern bei dem Gedanken, sich durch den Besitz eines Hauses die geliebte Gertrud zu erringen, und halb bewustlos vor Freude sprach er: »Ein Kind! wenn Ihr es gut und christlich erzieht, warum nicht?«

Der Graurock aber runzelte die Stirn und fügte hinzu: »Die Gabe muß mir ohne jede Bedingung zugesagt werden.«

Konrad, in seinem Glück, bald um die Geliebte freien zu können, dachte nicht lange nach und erklärte sich damit einverstanden. Als sich der Jäger aber entfernt hatte, wurde er nachdenklich und überlegte, ob er nicht doch unvorsichtig gehandelt habe; denn, meinte er, am Ende seid der Fremde der Teufel gewesen, mit dem man sich nicht einlassen dürfe. Zuletzt aber kam er zur Überzeugung, das Ganze sei nur ein Scherz gewesen, den sich der Jäger mit ihm erlaubt habe, und verfiel in seinen alten Trübsinn. Traurig kehrte er am Abend nach Mödling zurück.

Um Mitternacht wurden die Bewohner von einem schauerlichen Unwetter aus dem Schlaf gerissen. Von der Klause her näherte sich, den Mond verdunkelnd, eine gewaltige schwarze Wolke gleich einer unheimlichen riesigen Gestalt. Der Nachtwächter, der vor dem Ungewitter flüchten wollte, rannte gerade am Spital vorbei, als eben ein Priester mit dem Allerheiligsten der Pforte des Hauses nahte, um einen Sterbenden die letzte Wegzehrung zu bringen. Ehrfuchtsvoll warf er sich in die Knie, der Priester aber erteilte ihm den Segen. In diesen Augenblick erhob sich in den Lüften ein fürchterliches Geheul, und mit donnerndem Krachen stürzte eine schwere Masse zur Erde herab, daß die Häuser zitterten.

Als man am Morgen einen Toten aus dem Siechenhaus trug, kam von ungefähr Konrad des Weges und erfuhr, daß es der Vogt war, der seine Eltern einst um ihren Besitz gebracht hatte. Er war auf einer Pilgerfahrt nach Heiligenkreuz begriffen, um für seine Sünden Buße zu tun. Unterwegs hatte ihn eine tödliche Krankheit überfallen, der er im Spital zu Mödling erlegen war. »Wie ich und meine Eltern«, sagte Konrad, »wird auch Gott ihm verziehen haben«, und hab segnend seine Hand über den Toten.

Als er weitergehen wollte, erzählte man ihm, daß in derselben Nacht unter ungeheurem Getöse ein Stein vom Himmel gefallen sei, der unweit des Siechenhauses liege. Man zeigte ihm den Fels, und Konrad erkannte in ihm sogleich den Grundstein seines Vaterhauses. Nun wurde ihm auch klar, daß er am Tag vorher mit dem Bösen verhandelt hatte und dieser gerade dabei war, sein Versprechen auszuführen, als der Segen des Priesters sein teufliches Werk vereitelte. Damit war auch Konrad von seinem Versprechen erlöst und dankte froh für diese himmlische Fügung, welche die Seele des ersten Kindes, das ihm je geboren werden sollte, aus den Klauen des Satans gerettet hatte.

Der seltsame Vorfall wurde auch dem Müller Ottfried hinterbracht, und dieser bereute jetzt, daß er bei der Wahl seines Schwiegersohnes allzusehr auf zeitliche Güter bedacht war. Er ließ den Jüngling rufen und sprach tief gerührt: »Ich sehe, der Segen des Himmels ruht auf dir; daher will ich deiner Verbindung mit meiner Tochter auch meinen Segen nicht verweigern. Was dem Bösen mißlang, wird mit Gottes Hilfe mir gelingen, und Haus und Frau sollen dir ohne Bedingung zuteil werden. Die Kinder aber, die dir Gott schenken wird, magst du unangefochten vom Bösen zu wahren Christen erziehen.«

Er hielt sein Wort, und bald waren die beiden ein glückliches Paar. Der Grundstein des Vaterhauses aber war noch lange Zeit an einer Hausecke in Mödling zu sehen.

 


 


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