Sagen aus Griechenland
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Sisyphos

Zeus raubte dem Flußgott Asopos seine schönste Tochter, die Nymphe Aigina, und trug sie in der Gestalt eines Adlers auf eine Insel, die seitdem Aigina heißt. Kummervoll begab sich der Flußgott auf die Suche nach ihr und kam in die Stadt Korinth, wo Sisyphos, der Sohn des Aiolos, als König herrschte. Er war als listig und verschlagen bekannt. Asopos stieg zu seiner Burg hinauf und fragte ihn nach seiner geraubten Tochter. Sisyphos hatte gesehen, wohin Zeus mit ihr geflogen war. Er versprach, dem Flußgott zu sagen, wo Aigina sei, wenn er ihm aus den Felsen des Burghofes eine Quelle schlüge, da die hochgelegene Burg ohne Brunnen war und man das Wasser von weither heranholen mußte. Asopos war sogleich bereit zu helfen. Er schritt mitten in den Burghof und berührte den Felsenboden mit seinem Wanderstabe. Da schoß eine Quelle in hohem Sprudel hervor. Wie versprochen, gab Sisyphos dem Flußgott die Insel bekannt, und Asopos reiste dorthin, um seine Tochter zu befreien.

Zeus zürnte Sisyphos, weil er das Versteck aus Eigennutz und nicht aus Nächstenliebe verraten hatte, und wollte ihn dafür bestrafen. Er sandte den Todesgott Thanatos zu ihm, aber Sisyphos bezwang ihn im Ringkampf, lachte über ihn und legte ihm starke Fesseln an. Da konnte kein Mensch sterben. Endlich kam der Kriegsgott Ares und schlug die Fesseln mit seinem Schwerte durch. Der Todesgott bewegte seine dunklen Flügel, erhob sich und ergriff Sisyphos. Er warf ihn in die Unterwelt, rechnete jedoch nicht mit der Verschlagenheit des Königs. Dieser hatte nämlich seiner Gattin befohlen, kein Totenopfer für ihn darzubringen. In der Unterwelt angekommen, bat er Hades und Persephone, ihn für eine Weile nach Korinth zu beurlauben; er wolle seine Gattin an die Totenopfer erinnern und dann wiederkommen.

Beide gaben dem Listigen ohne Argwohn die Erlaubnis, und Sisyphos kehrte in die Oberwelt zu den erstaunten Seinen zurück. Dort genoß er das wiedererlangte Leben bei festlichen Gelagen in vollen Zügen, ohne daran zu denken, in den Hades zurückzukehren. Doch als er eines Tages beim schwelgerischen Mahl sich wieder rühmte, die Schattenherrscher überlistet zu haben, öffnete sich die Saaltür, und der nachtdunkle Todesgott trat herein. Er bemächtigte sich des erschrockenen Königs, dem das Weinglas aus den Händen fiel und der sich mit Händen und Füßen wehrte, und schleuderte ihn in heiligem Zorn in die Unterwelt. Für seinen Betrug erhielt er eine entsetzliche Strafe. Er muß einen mächtigen Marmorblock eine steile Anhöhe hinaufwälzen. Ist er ermattet und schweißbedeckt fast oben, entgleitet der Fels seinen Händen und stürzt in das tiefe Dunkel hinab. Immer wieder geschieht dies grausame Schauspiel. Niemand weiß, wann Sisyphos erlöst werden wird.

Die Menschen, die von dieser Strafe hörten, nennen seitdem eine mühsame Arbeit, die kurz vor dem guten Ende mißlingt und wieder von vorn begonnen werden muß, eine Sisyphosarbeit.

 


 


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