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Kalendergeschichten
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Hans Jakob Christoffel von Grimmelshausen

(1621 – 1676)

Wie ich ein Kalendermacher geworden bin

Wem das Wasser ans Maul geht, der lernt bald schwimmen, heißt das alte wahre Sprichwort. Ich ausgemergelter, weit und breit herumgereister, ohne Ruhm zu melden in der Welt und der Weltwesen ziemlich erfahrener, mehr als zu wohl bekannter Simplicissimus kann einem hiervon auch ein wunderseltsames Lied singen. Die mich zum öftern äußerst plagende Not lehrte mich, allerhand unbekannte Künste, Griffe, Ränke und possierliche Stücke die Menge zu erdenken und auszusinnen, damit ich nur mein Stück Brot gewinnen und meinen von Hunger und Durst unleidlich geplagten Magen fortbringen und versorgen möchte. Aber solche Künste und Erfindungen halfen mir nur eine Zeitlang; und wann ich meinte, nun hätte ich mich wieder etwas erholt und meinem Magensack ein tägliches Auskommen verschafft (mehr begehrte ich ohnehin nicht), da lag dann, ehe ich mich versah, alle meine Hoffnung im tiefsten Schlamm ...

Ich dachte bei mir selbst: »Lieber Simplicissime! Du hast dein Lebtag wohl viel wunderliche Händel und possierliche, abenteuerliche, ja lächerliche Inventionen hin und wieder der klugen Welt vorgestellt und hast doch bei keiner nichts beständig Gewisses geerntet und erworben; wie wäre es, wenn du in deinen alten Tagen einen Zeitungssinger abgäbest, ein Kalender-Krämlein an unterschiedlichen Orten anrichtest und deine eigne, aus deinem tiefsinnigen Kopf gesponnene Arbeit dabei nicht spartest? Ich hielte gänzlich dafür, es sollte so albern und töricht nicht getan sein.«

Solche meine Gedanken mißfielen mir im geringsten nicht, ja sie gefielen mir im Gegenteil so wohl, daß ich mich alsbald ins Gras setzte, mein Beutelein hervorzog und meinen noch übrigen Reichtum zu überschlagen anfing, ob ich auch so viel hätte, als zu solchem Zeitungs- und Kalenderhandel erfordert wird. Es wollte mir aber fast auf einmal das Herz wieder entfallen, da ich meinen Beutel gar dünn gespickt fand und doch wußte, daß so unzählig viel Kalender unterschiedlicher Orten hin und wieder gedruckt feilstunden, von deren jeglichen Sorten ich doch etliche, wo man danach fragte, haben müßte. Als zum Exempel, es kam mir in Sinn: Der Kometen-Kalender, der Polnische, Schwedische, Dänische Kalender, der Spanische, Indianische, Englische Kalender, Wetter- und Böhmische Kalender, Haus- und Ehe-, Helden-, Geschichts-, Komödien-, Musik-, Kaufmanns-, Speis- und Kuchen-, ja Hasen-Kalender und dergleichen andere mehr. Ich resolvierte mich doch endlich, durch alle Hindernisse zu brechen, auch in meinem, gottlob in Europa, wo nicht gar Asia, Afrika und Amerika trefflich bekannten Simplicissimus-Namen einen Kalender drucken zu lassen, selbigen untenan zu legen, doch also auszurufen, damit er vor anderen von meinen Brüdern und Freunden, derer ich in allen Städten viel antreffe, möge beliebt werden.

Und weil es eben um die Zeit des Jahres war, da die Kalender frisch und neugebacken von der Druckerei kommen, ging ich, so geschwind ich konnte, in eine wohlbekannte und weitberühmte Stadt in Deutschland, sah mich nach einer bequemen Herberge um, da ich auf traurige Mordzeitungen, Seeschlacht-Zeitungen und dergleichen ungehindert spintisieren möchte.

Ich hatte aber kaum den einen Fuß in die Stadt gesetzt, da liefen die Jungen häufig zu. Einer zupfte mich bei dem Ärmel, der andere schüttelte mir die Bänder an den Hosen, sprechend, wie diese Spatzen hergenistelt hätten? Der dritte wollte mich gar herumdrehen, alle insgesamt meinten nicht anders, als ich wäre aus Neu-Zembla angekommen, und konnten nicht nachlassen, mich verwundernd und höhnisch genug zu betrachten. Wie sie mir's endlich zu grob machen wollten, fing ich an, meinen Kopf, der mit einem kleinen Wäldlein umwachsen zu sein schien, zu schütteln und meine heroische Stimme, gleich als in den heißen Sommertagen die arkadischen Tiere zu tun pflegen, hören zu lassen. Ich hatte aber kaum drei Worte gleich als aus einer hohlen Kluft aus meinem Munde prellen lassen, da lief alles von mir mit einem solchen Schrecken, daß sich niemand mehr nach mir umsah und ich also in kurzer Zeit ganz allein war, der ich mich vorher der Leute kaum erwehren konnte.

Zu schaffen hätt' es gehabt, daß mir ein Wirt, derer doch mehr als Tage im Jahr in der Stadt waren, eine Herberge gegönnt hätte, wo nicht ein recht possenreißerischer, mit zwiefacher Kreiden zu schreiben gewohnter Bierwirt sich endlich meiner erbarmte und mir versprochen hätte, mich eine kurze Zeit zu beherbergen. Bei den anwesenden Gästen machte ich mir bald Adresse und begann, von ihnen lieb und wert gehalten zu werden, weil ich ihnen so wunderseltsame Sachen mit großer Ernsthaftigkeit zu erzählen wußte. Sie sperrten Maul, Nasen, Augen und Ohren auf unter meiner Erzählung; ein Teil von ihnen saß, als ob er entzückt wäre. Als ich nun ein Abenteuer mit großer Bewegung zu Ende gebracht hatte, da wollte ein jeder der erste sein, der mir eines zubrächte, welches mir wohl zustatten kam, weil mein Geld im Beutel ohnedies anderswohin prädestiniert war. Die ganze Nacht über ging ich mit tausend Gedanken um, mein Vorhaben glücklich ins Werk zu setzen. Kaum war die Sonne angebrochen, verließ ich meine Zechbrüder in tiefstem Schlaf auf dem Stroh liegend, machte bessere Kundschaft mit meinem Herrn Wirt und verlangte von ihm zu erfahren, wo sich der eine oder andere Zeitungsschreiber und Drucker aufzuhalten pflegte. Er war mir dann so geneigt durch meine gestrigen Relationen worden, daß er sich anbot, selbst mit mir zu gehen und mich bester Maßen zu empfehlen.

Der Anfang war gut, der Fortgang war auch nicht schlimmer. Ich fand bei dem Zeitungsschreiber mehr Material, als ich mir anzutreffen jemals eingebildet hatte. Insonderheit hörte man dazumal, nämlich anno 1668 im Monat Juni, von nichts anderem als von der trefflichen Tapferkeit der Venezianer in der berühmten Festung Candia und von Raserei des türkischen Großwesirs in Bestürmung und Belagerung derselben. Die Schreiber, derer oft zehn in einer Herberge beisammensaßen, ließen sich's mit Kopieren so angelegen sein, daß einer, der sie gesehen, sollte geschworen haben, es betreffe etwas, daran die Wohlfahrt des ganzen Römischen Reichs gelegen sei. Ich erlangte in kurzem vielerlei Zeitungen, kehrte damit wieder behend in meine Herberge zurück, zog das Beste heraus und zierte es mit meinem Stift auf das annehmlichste aus ...

Ich war damit kaum fertig, da eilte ich, als ob mir der Kopf brennte, mit meinem Wirt, der mich nun wegen meiner recht wunderlichen Schwänke wie seine Seele liebte (nach dem Sprichwort: Gleich und gleich gesellt sich gern) zu einem Buchdrucker ...

Als ich mich in seiner Stube umschaute, als ein Kerl, der alles auszustreinen gewohnt ist, fand ich etliche aufgeschichtete Kalenderstöße; die machten mir eine solch herzinnigliche Freude, daß ich nicht unbehend auf den danebenstehenden Tritt sprang, aber in einem Hui Hals über Kopf herunterpurzelte, daß im Fall meine ohnedies ziemlich engen Hosen einen solchen Schnapp taten, als ob ich ein Terzerol in denselben verborgen gehabt hätte und dieses zufällig losgegangen wäre. Mein Wirt eilte behend herzu, um mir wieder aufzuhelfen und zu sehen, ob ich etwa eine Wunde empfangen hätte; er fand aber, wie gesagt, nach langem Suchen nichts anders als eine ungefähr eine halbe Elle lang sich ereignende Hosenwunde, die der Schneider zu heilen am besten Verstand haben möchte. Der Buchdrucker lachte indessen, daß ihm der Bauch schlotterte, da ich in seinem Haus ein solches Gerümpel machte, dessen er doch sonst auch gewohnt war. Dann, als ich wieder auf den Tritt, doch etwas gemach und subtiler, steigen wollte, die herrlichen Kalender zu besehen, warnte er mich freundlich, solches nicht zu tun; ich würde sonst wieder, wie kürzlich geschehen, ein neues lächerliches Aufhebens zu machen gezwungen werden. Er erzählte auch dabei, wie es ihm etliche Jahre bei seinen Kalendern ergangen sei, daß nämlich der eine oder andere, sowohl Einheimische als Fremde, sich nicht gescheut hätten, seine Kalender, ehe sie öffentlich verkauft worden, durchzuschauen, das Beste herauszunehmen, einen neuen Titel zu geben und also ihm zu merklichem Schaden damit zu wuchern. Da habe er endlich dieses Mittel ersonnen, damit ihm seine Kalender in Zukunft unnachgedruckt bleiben möchten; setzte aber gleich hinzu, wenn er gesehen hätte, daß ich im Hinaufsteigen begriffen gewesen wäre, er mich gewarnt haben wollte.

Ich nahm mich als ein rechter Simplicissimus der Sache nicht viel an, sondern gab ihm meine Intention, mit Kalendern Krämerei zu treiben, auf das deutlichste zu verstehen, meldete auch, daß ich zu dem Ende eine gute Quantität von allerhand Sorten einzukaufen und das Geld dafür auszuzahlen hierher gekommen wäre. Wie mein Herr Buchdrucker vom Geld hörte, war er nicht unbehend, brachte einen andern Tritt, stieg hinauf und langte mir ein Dutzend nach dem andern unterschiedlicher ganz neuer Kalender herunter, die noch nicht lange von der Druckerei gekommen zu sein schienen. Sie gefielen mir alle sehr wohl, weil ich in einem Feld, welches mit roter Schrift gesetzt war, viele herrliche Sachen aufgezeichnet erblickte. »Ach«, sprach der Buchdrucker bei Überreichung des Kalenders, dessen Titel mir entfallen, »ich habe meines Wissens eben 99 Kalender unterschiedlicher Autoren beisammen; wenn ich nur den hundertsten auch dazu bekommen könnte, entweder zu kaufen oder einem in der astrologischen Kunst erfahrenen Mann zu verlegen, ich wollte gern ein merkliches spendieren und mich keine Unkosten dauern lassen.« Ich fing darauf einen so bunten Diskurs von der Sternenkunst an, daß mein anwesender Gesellschafter sich nicht genug daran hören konnte. Ich sagte: »Was sollten diese Kalenderschreiber sein? In einem weitentlegenen Ort, wo ich mich, ohne Ruhm zu melden, an die zehn Jahre aufgehalten habe, ist der Kern der Astronomen; die verstehen sich auf den Himmelslauf so fix und fertig, daß man meinen sollte, sie hätten ihre Kunst bei den Seleniten oder Mondleuten grundrichtig erlernt. Sollte einer einen Tag Regen in den Kalender setzen, und es würde hernach nicht regnen, oder sonst etwas, was sich nicht ereignete, der würde sein Lebtag für einen Lotterbuben gehalten.« Ich spickte endlich meine Rede so künstlich und prächtig heraus, daß mich der Buchdrucker alsbald anredete, ihm einen Kalender aufzusetzen und solchen je eher, je besser ihm zuzustellen. Meine Mühewaltung sollte also rekompensiert werden, daß ich wohl würde können zufrieden sein. Ich schnitt hierauf noch mehr von meiner Kunst auf, weil ich sah, daß man mehr, als ich wert war, von mir zu halten begann, und versprach, eine solche Probe meiner Kunst sehen zu lassen, daß es ihn nicht reuen würde, mich in seinem Haus gesehen und kennengelernt zu haben ... Wie nun der angenehme Tag erschienen war, an dem ich meiner Sache eine löbliche Probe tun sollte, da befliß ich mich nicht anders als ein Meistersänger, meine Kehle hell und geläufig auszurüsten, wobei mir dann mein Wirt mit ein paar Kannen Bier trefflich behilflich war. So ausstaffiert und wohlversehen, machte ich mich im Namen Merkurs, des Gottes aller Quacksalber und Leutebetrüger, auf den Markt, legte meine herrlichsten Autoren auf das zierlichste aus, verfügte mich auf meine Bank als auf einen Predigtstuhl und machte solche Mienen mit Hin- und Herstreichen meines Barts, der mein Mund und Kinn als ein festes Bollwerk umschanzt hatte, daß auch die meisten vorübergehenden Leute nur demselben zu Gefallen still standen, um zu sehen, was ich doch endlich nach langem Räuspern anfangen und verrichten würde. Die Anzahl Zuschauer gemahnte mich nicht anders als ein großer Haufen Fliegen um einen Milchtopf.

Als ich nun meine Nachtigallenstimme annehmlich und hell genug erschallen ließ, da fing einer unter dem Haufen, seines Handwerks ein Schornsteinfeger, also von Herzen über meine liebliche Stimme an zu lachen, daß er das Maul aus der Gabel brachte und also nicht mehr zusammenbringen konnte. Behüte Gott, was war da für ein Tumult! Ein Teil lachte noch fester als der arme Schornsteinfeger selbst; ein Teil war voll Schrecken, als sie sahen, daß der gute Kerl seinen Maulkorb nicht mehr zuzuschließen vermochte; ein Teil war beschäftigt, ihm wieder zurechtzuhelfen; ein Teil war auf mich ungehalten, daß ich solches mit meinem Geplärr verursacht hätte.

Als ich das verspürte, da war mir leider nicht wohl bei der Sache; doch ließ ich mich dessen ganz nicht merken, sondern bat die zunächst bei mir Stehenden, den schwarzen Mauskopf her zu mir zu bringen, schwur auch bei meinem Bart und so lieb mir mein Kalenderhandel wäre, ich wollte ihm, ehe einer sagte: Hutzel! wieder zurechthelfen. Als man mich so beweglich reden hörte, wurde der Patient von etlichen seinesgleichen schwarzen Gesellen hergeleitet, und als er sich meinem Befehl gemäß auf meine Bank gestellt hatte, fing ich also an, meine Rede zum Volk zu halten:

»Ihr meine lieben Herren und anwesenden guten Freunde! Es sagt nicht unbillig jener hochgelehrte, meinesgleichen vortreffliche Mann: Saepe etiam sub sordido palliolo latet sapientia (Unter einem unflätigen Mantel steckt oft herrliche Weisheit verborgen!). Wer das nicht glauben will, der sehe, was ich jetzt tun werde. Ich bin, ohne Ruhm zu melden, nicht nur ein Kalenderhändler, nicht nur ein Zeitungssinger, sondern auch vor langer Zeit ein wohlapprobierter Wundarzt, Stein- und Bruchschneider gewesen und habe manchem Menschen mit Gottes Hilfe von seiner Leibesgebrechlichkeit geholfen. ›Ja‹, dürfte mancher sagen, ›wer weiß, ob's wahr ist? Es gibt derer Land- und Leutebetrüger heutzutage einen ganzen Haufen, die sich großer Dinge rühmen, viel Aufschneidens machen und doch kein schäbiges Pferd kurieren können!‹ Nicht so, ihr meine lieben Herren! Urteilt von mir nicht so! Ich will euch nicht länger aufhalten. Jetzt sollt ihr in der Tat innewerden, für wen ich zu halten bin.«

Und indem ich noch also sprach, gab ich dem Schornsteinfeger eine solche Ohrfeige, daß er ohne Zweifel von der Bank heruntergepurzelt wäre, wo ich ihn nicht selbst mit Fleiß bei dem einen Arm festgehalten hätte. Wie die Zuschauer das sahen, wollten sie insgesamt über mich her und mir das Kleid hin und wieder mit Prügeln verschamerieren. Allein, als sie in Obacht nahmen, daß mir mein Patient mit klaren vernehmlichen Worten herzlich Dank für die an ihm erwiesene Kur sagte, da lobte mich jedermann für einen trefflichen Mann; da wollte mir jedermann abkaufen; da drang jedermann auf mich zu und wollte wissen, von wo ich käme und ob ich länger hier zu bleiben gesonnen, und so fort. Ich aber antwortete einem jedem kurz, fing meinen Gesang aufs neue an, so daß in kurzem all meine Zeitungen verkauft und mir noch gar wenige Kalender mehr übrig waren.

Weil es nun eben auf den Mittag zuging, machte ich meine Sachen wieder zusammen, begab mich zurück in mein Wirtshaus und verfertigte meinen Kalender, so geschwind ich konnte. Als solches geschehen, sprach ich dem Buchdrucker zu und übergab ihm meine erste Arbeit, mit seinem höchsten Contentament, der sich glückselig schätzte, von mir ein Material bekommen zu haben. Von dem nahm ich noch einen Ballen Zeitungen und eine gute Quantität Kalender nebenst freundlichem Abschied und Versprechen, in meiner Zurückkunft mit einem neuen und ganz annehmlichen Material bei ihm einzustellen.

So machte ich es auch bei meinem Wirt, der mich fast die ganze Zeit Zehrung frei gehalten und versprochen hatte, mich, wenn ich dermaleins zurückkommen würde, willig und freundlich wieder anzunehmen.

Hiermit trat ich nun im Namen Gottes meine Reise an, nahm meinen Kram auf meinen Rücken und terminierte in ganz kurzer Zeit fast ganz Deutschland, ja auch fremde Länder ziemlich durch, also daß mir wunderlicher Possen überflüssig genug zu Händen stießen.

Dies einzige kann ich nicht ungemeldet lassen, daß, indem ich ein ganzes Jahr in Kälte und Hitze, in Regen und Ungemach Deutschland, Frankreich, Spanien, Portugal, Polen, Moskau und andere Orte mehr mit meiner Hantierung, doch mich allezeit in die Landesart schickend, durchwanderte und sehr viele rare und notable Sachen meinem Hirnhäuslein einverleibt hatte, ich mich endlich einmal resolvierte, alle solch wunderwürdigen Geschichten meiner Profession aufzuzeichnen und mit denselben nachmals aufs neue ganz Deutschland zu durchreisen und meinen geliebten Landsleuten wohlmeinend zu notifizieren und mitzuteilen.

Der possierliche Aff'

Wie die Affen gemeiniglich es in vielen Sachen den Menschen nachtun, also begab sich's auch, daß eines Edelmanns Aff' zu Marsilien, den er zu seiner Kinder Kurzweil gekauft hatte, die kurzweiligsten Possen auf der Welt getrieben. Unter anderem, als er gesehen, daß die Magd den Kindern Suppe zu essen gegeben, wollte er solches auch nachtun.

Auf einen Sonntag nun, wie jedermann den Gottesdienst zu verrichten in der Kirche gewesen und die Magd einen Hafen mit Brühe auf das Feuer gestellt hatte, nahm mein guter Aff' denselben, und weil er's dem Kind zu essen geben wollte, richtet er's im Gesicht dergestalt zu, daß man die Nasen von den Augen nicht unterscheiden konnte. Hernach nahm er des Kindes Kleider, in Meinung, dasselbe so gut als die Magd anzuziehen; er machte aber alles hinterstzuvörderst, denn er steckte die Füße in die Ärmel seines Rocks und die Arme in die Strümpfe, daß also nichts Lächerlicheres von der Welt gewesen, als dieses arme Kind auf des Affen Weise gekleidet zu sehen. Als dasselbe aber überlaut zu schreien anfing, ließ er es also in diesem possierlichen Aufzug. Wie nun die Magd nach Hause kommen und das Kind so aufgeputzt gesehen, machte sie ein großes Geschrei und viele Kreuze vor sich, als wenn sie einen Teufel aus einem Besessenen hätte austreiben wollen. Nachdem sie sich aber ein wenig erholt hatte, fragte sie das Kind, wer es angezogen hätte. Dieses, so beinahe drei Jahre alt gewesen, antwortete auf seine Sprach', daß es der Aff' getan habe.

Als der Vater und die Mutter ebenmäßig heimkamen und das Kind in eben dem Stande, als es die Magd angetroffen, fanden, erschraken sie so sehr, daß sie fast ohnmächtig wurden. Der Vater, der verständiger als die Mutter war, schloß gleich, es würde der Aff' diesen schönen Possen angestellt haben, welches ihn dann zum Lachen bewegte. Die Mutter aber, die dergleichen Abenteuer nicht vertragen konnte, wollte den Affen zur Stund tot haben, weil sie sorgte, es möchte derselbige ein andermal ihren Kindern noch eine ärgere Tücke beweisen.

Es war aber dieses nichts gegen das, was er weiters gestiftet, wie ihr aus dem Verlauf dieser Erzählung vernehmen werdet.

Als einstmals alle Leute im Hause spazierengingen, wollte der Aff' nach dem Exempel des Barbierers, der alle Sonntage kam und den Junkern im Haus den Bart putzte, der Katze auch dergleichen tun und band sie mit den Wiegenbändern an die Stollen eines Stuhls; danach nahm er einen alten Küchenlumpen und band ihr denselben um den Hals; ferner als er einen Tiegel mit schwarzer Schuhcreme fand, welchen die Magd die Schuhe damit zu schwärzen, aufgehalten, goß er ein wenig Wasser hinein und wusch damit der Katze, die eine erbärmliche Musik anstimmte, den Bart so wohl, daß man nichts als das Runde in den Augen sah. Nachdem dieses geschehen, schnitt er ihr mit einer alten Schere, die unter dem Tisch gelegen, den Bart ab. Nachmals fing er noch tausenderlei unnütze Händel in der Stuben an und kehrte alles zuunterst und -oberst.

In währendem solchem köstlichen Haushalten nun kam der Edelmann mit seinen Leuten wieder heim, der, als er die Katz' so wohl geputzt sah, vor Lachen zu zerspringen vermeinte, und war nicht begnügt, daß er diese Lust allein hatte, sondern rief noch alle seine Nachbarn herbei, sich über das herrliche Werk seines Affen zu verwundern, welche, wie sie das sahen, sowohl als er, heftig darüber lachen mußten.

Weil er aber sich besorgte, es möchte dieser Aff' in seinem Abwesen noch größeres Unheil anstiften, also schickte er ihn auf eine Zeitlang zu einem seiner Meier, der keine Kinder hatte, und befahl ihm, daß er sonderlich auf ihn achthaben solle. Der Meier hatte den schlimmen Gast kaum einen Monat gehabt, da er ihm mehr denn für 500 Franken Schaden getan; denn bald rupfte er ihm alle Zwiebeln, Erbsen und Bohnen aus in dem Garten, bald warf er ihm sein Geschirr auf die Erde, bald deckte er ihm das Dach ab. Kurz zu sagen, es war kein Schelmenstück so groß, das er nicht tat.

Endlich, als er seiner zu hüten müde ward, nahm er ihn mit auf seinen Karren, auf dem er ein fettes Schwein und ein Fäßlein Wein zum Markt führte, um ihn seinem Herrn wiederzugeben. Dieses Schelmenvieh nun zog unterwegs den Zapfen aus dem Weinfaß, so daß der ganze Wein auslief. Als nun der Bauer in die Stadt kam und das Faß leer fand, wußte er nicht, wie solches zugegangen, und dachte gleich, daß der Aff' ihm diesen Possen gemacht hätte. Worüber er sich dann so sehr erzürnte, daß, wo er nicht ein Absehen auf seinem Herrn hätte haben müssen, den er nicht gern vor den Kopf stoßen wollte, er ihn auf der Stelle umgebracht hätte.

Wie nun der Markt aus gewesen, ging der Meier zu seinem Junker, um ihm seinen Affen wiederzugeben und zu bitten, daß er ihn für entschuldigt halten wolle, weil er ihn nicht länger behalten könnte, indem er ihm so viele Schelmenstücke bewiesen.

Der Edelmann war zornig, daß er hören mußte, daß sein Aff' so schelmisch gewesen, und entschloß sich, ihn um ein geringes Geld wegzugeben. Unterdessen legte er ihn in seiner Kammer an eine eiserne Kette, damit er kein Unheil mehr anstellen möchte.

Wenig Zeit hernach trug sich's zu, daß dieser Edelmann ein Reißen im Leib bekommen, welches ihm große Schmerzen verursachte; deswegen schickte er, sich beizeiten helfen zu lassen, nach dem Doktor, der ihm eine Arznei verordnete und dem Apotheker befahl, daß er sie ihm anderntages bringen sollte, was auch geschah. Weil er ihn aber schlafend fand und ihn nicht aufwecken wollte, ließ er die Arznei in einem silbernen Becher auf dem Tisch stehen und befahl dem Kammerdiener, daß er sie ihm geben sollte. Der Aff' aber, so sich ledig gemacht, sprang auf den Tisch, und als er diese Arznei gar süß gefunden, soff er sie ganz aus. Auf eine Stund' darauf, als der Aff' die Purgation verschluckt hatte, hätte man seine Wunder sehen sollen, wie er auf und ab gelaufen und Stühle und Bänke über einen Haufen geworfen. Der Edelmann, von diesem Getös erwacht, sah die wunderlichen Posituren, Maulgrimmen und Zähnblecken dieses Affen und mußte so sehr darüber lachen, daß er sich selbigen Tages besser befunden; welches, als es in der Stadt ruchbar worden, jedermann zum Lachen bewegte.

Und wie der General über die Galeeren, so sich eben damals zu Marsilien befand, von den kurzweiligen Possen dieses Affen hörte, kaufte er ihn diesem Edelmann ab, gab aber nicht fleißig acht auf ihn. Denn als er einstmals die Stücke, so man bei dem Eintritt des Herzogs von Guise losgebrannt, hatte anzünden gesehen, machte er sich einstmals los und ging mit einem glühenden Brand auf die Stadtmauern, wo er ein großes Stück angetroffen und von Stund an denselben daraufgelegt; unterdessen aber, ehe es angegangen, lief er geschwind vor das Mundloch, zu sehen, was herausfahren würde. Wie es nun seine Wirkung tat, führte ihn die Kugel so weit hinweg, daß man nicht wußte, wo er hingekommen.

Der deutsche Bauer

Ich wurde einstmals mit einer Partei von der Götzischen Armee, die darmal zur Neustadt auf dem Schwarzwald lag, in die Schwabenheit kommandiert. Da kriegten wir einen Bauer, der uns den Weg am Bodensee weisen mußte. Diesen fragten wir per Spaß, ob er schwedisch oder kaiserisch sei? Er aber dachte, sagst du kaiserisch, so geben sich diese für schwedisch aus und räumen dir den Buckel ab; sagst du aber schwedisch, so wiederfährt dir's abermal; antwortet deshalb, er wisse es nicht. »Schelm«, sagte ein Reiter zu ihm, denn damals waren wenig redliche Leut', weil die Soldaten die Bauern Schelmen nannten, daß sie es hörten, und hingegen die Bauern die Soldaten Diebe schalten (wenn sie es nicht hörten) »du wirst ja wissen, wem du zugehörst.« – »Nein, ihr Herren«, antwortet der Bauer, »dies ist ohne Gefahr nicht zu sagen, ich sei denn auf meinem Mist.«

Darauf sagte der Offizier: »Wenn du mir die Wahrheit bekennst und sagst, wie es dir ums Herz ist, so will ich dich gleich wieder deines Wegs laufen lassen; wo nicht, so mußt du im Bodensee (neben welchem wir eben vorbeiritten) ohn' alle Barmherzigkeit ersaufen.« Der Bauer antwortet: »Ich hab' mein Lebtag gehört, ein Ehrlicher von Adel, wie ich Euch für einen ansehe, halte sein Wort. Darum will ich eben so mehr auf solche Parolen die Wahrheit sagen (wenn ich deren nur versichert bin) und lebendig davonkommen, als stillschweigen oder gar lügen und im See ersaufen.« – »Ein Schelm ist, der sein Wort nicht hält!« antwortet der Offizier. Da sagt der Bauer: »Es bleibt dabei! Was aber meine Affektion anbelangt, so wollte ich wünschen, die kaiserischen Soldaten wären eine Milchsuppe so groß als dieser See, und die Schwedischen wären die Brocken drein. Alsdann möcht' der Teufel sie miteinander auffressen!«

Das gab bei uns ein Gelächter und dem Bauern wieder die Freiheit.


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