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Martinus Montanus (um 1530 – nach 1560):

Frau Agnes schickt nach einem, von dem sie meint, er habe zwei Bundschuhe

Ein junger, schlechtgekleideter Gesell kam einmal in ein Wirtshaus, darin eine edle Witfrau zur Herberge lag; wegen welchen Handels ist mir nicht bekannt. Die Frau hatte sich eine Weile auf das Bettlein, das in der Stube war, gelegt, davon saß der gute Gesell nicht weit. Nun weiß ich nicht, was ihm in den Sinn kam oder was er gedacht, denn das Herz im Latz flitzte ihm auf und fuhr ihm neben dem Latz gestreckt hinaus. Das hatte die Frau eher als der Jüngling wahrgenommen; doch sobald er das seltsame Tier draußen bemerkte, tat er dasselbe wieder mit Scham hinein. Nun hatte aber der Latz an den Hosen nicht mehr als ein Band; und wie er ihn an der einen Seite hineintat, fuhr ihm der Gottesdieb und Bösewicht zu der anderen Seite wieder hinaus. Das sah die Frau wieder alsbald, gedachte bei sich selbst, ihren Willen mit ihm zu pflegen, dem Gesellen bald reichlich zu essen zu geben.

Und als der Tag vergangen, die Nacht hereingekommen und jedermann schlafen gewiesen ward, ließ die Frau den guten jungen Gesellen durch eine ihrer Mägde wissen, daß er zu ihr kommen solle; sie hätte etwas mit ihm zu bereden. Der gute Gesell war der Botschaft froh, gedachte wohl, daß der Metzen Sonntag wäre, dieweil die schönen Fräulein nach ihm schickten, säumte sich nicht, sprang auf seinen Füße und ging mit der Maid in die Kammer der Frau. Und als sie den Jüngling bei sich sah, schaffte sie jedermann aus der Kammer und erzeigte sich freundlich gegen den Gesellen, setzte sich mitsamt ihm auf das Bett. Der Junge wohl sah, was ihm zu tun bliebe und warum nach ihm geschickt worden war, mit der Frau zu scherzen anfing und binnen kurzem ihrem Willen ein Genügen tat.

Nun fragte ihn die Frau unter anderem, sie hätte wohl gesehen, daß er zwei hätte und ob sonst mehr Leute wären, die so wohl ausstaffiert wären. »Nein«, sagte der Jüngling, »ich bin durch besondere Gnade von Gott so begabt worden; denn ich weiß sonst von niemand solches als von mir.«

Die Frau glaubte dem Jüngling gänzlich und begehrte, den anderen auch zu versuchen. Und der Jüngling, der nun etliche Meilen auf dem einen Roß geritten war, saß auf und ritt noch manche Meile vor Tag.

Ich weiß nicht, wie der Jüngling mit der Frau handelte, aber es gefiel ihr so wohl, daß sie ihn nicht von sich lassen wollte. Sie behielt ihn einige Wochen bei sich, kleidete ihn neu und hätte ihn gar gern, wenn es des Jünglings Wille gewesen wäre und ihr deshalb nicht Schande zugestanden hätte, bei sich behalten. Aber dem Jüngling solches lange Zeit so streng zu treiben nicht möglich sein wollte; und nachdem etliche Tage vergangen waren, nahm er Urlaub, verabschiedete sich von der Frau und schied unter großem Unmut der Frau von dannen.

Gott gebe allen guten Gesellen solche gute Herberge! Amen.

 


 


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