Claude Anet
Männer – Frauen und . . .
Claude Anet

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Von den Frauen

Es gibt Frauen, die zweimal die große Leidenschaft erleben, mit allen ihren Kämpfen, dem Glück, sich geliebt zu wissen, und dem Schmerz der Verlassenen. Sie haben geweint und gelitten, aber sich nur einmal hingegeben. Manche haben den Mann, der ihnen alles hätte sein können, Gott geopfert, in anderen war die Stimme der Pflicht stärker als die des Gefühls.

Es gibt Frauen – sehr wenige – die nur einen einzigen Mann liebten, und deren Leben – es scheint ein Wunder – ein einmaliges Gefühl kannte. Zu diesen gehört aber auch die ungezählte Schar der Herdenfrauen, der ewigen Sklavinnen, die alles über sich ergehen lassen. Kühles Naturell und Mangel an Sinnlichkeit bestimmen sie zur Passivität. Sie sind es, die ihren Kindern die Eigenschaften der Unterwerfung, der Ehrfurcht, der Vorsicht vererben, Eigenschaften, die gewiß nützlich sind, für die man sich aber schwer begeistern kann.

Vor Frauen jedoch, die niemals liebten, kann ich mich nicht beugen. Ich lehne es ab, Gefühlskälte als Tugend anzusehen.

*

Sie hat aus Liebe geheiratet. Die Liebe versickert im Schwemmsand der Ehe. Ein junge Frau noch, sieht sie ein schales, eintöniges Leben vor sich, aus dem das einzige, was in ihren Augen Wert haben könnte, verbannt ist. Und doch fühlt sie eine Kraft in sich, die nicht sterben will. Für Abenteuer ist sie nicht geschaffen; sie verzichtet . . . Sie ist schon entschlossen, alle Hoffnung aufzugeben, da begegnet sie endlich dem Mann. Sie liebt, und diesmal nicht mehr als Unerfahrene; sie ist nicht mehr das unschuldige Kind von einst; lange stellt sie ihre Gefühle auf die Probe, endlich überläßt sie sich ihrer Leidenschaft, sie weiß, es ist für immer . . . Sie spielt den letzten Trumpf ihres Glücks aus.

Und wenn sie sich getäuscht hat? Dann ist alles zu Ende. Kein zweites Mal gestattet sie sich die Möglichkeit eines Irrtums. Sie weiß, daß es Erfahrungen gibt, die man nicht wiederholen darf, ohne manches einzubüßen, dem man unermeßlichen Wert beilegt.

*

Und jetzt zu den Frauen, die mehr als zwei Männern gehörten. Vom zweiten an ist es schwierig und vielleicht auch unnötig, weiterzuzählen. Der Übergang vom ersten zum zweiten vollzieht sich nicht ohne Kämpfe; vom zweiten zum dritten ist er für manche Frauen unmöglich. Warum aber nicht nach dem dritten einen vierten? Frauen, die sich losgelöst haben, die ein ungebundenes Leben führen, haben das Recht, nach ihrem Ermessen zu handeln und ihren Leidenschaften zu folgen.

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Es gibt noch eine andere Einteilung, bloß in zwei Gruppen: Frauen, die mutig sind, und Frauen, die es nicht sind.

Es gibt kaum eine Frau, die nicht einmal in ihrem Leben vor die Entscheidung gestellt war, einen mutigen Entschluß zu fassen, oder auf die Liebe zu verzichten. Denn ohne Gefahr gibt es keine Liebe, eben darin liegt ihre Größe. Will man der Liebe folgen, dann muß man die breite, helle Straße verlassen, auf der man unter dem Schutz der Polizisten in der sicheren Menge dahinschlenderte, dann muß man kühn ins Dunkel des Waldes vordringen, dem Abenteuer entgegen – um jeden Preis! Die Gegend wird unsicher und voll Gefahr; man muß sich verbergen und auf hunderterlei Dinge achten, an die man auf der breiten Straße kaum denkt.

Viele Frauen schreckt der Entschluß. Sie haben Furcht. Sie sind feig. Sie verzichten auf die Liebe.

Die andern aber zögern nicht.

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Schließlich noch eine dritte Einteilung. (Man könnte ungezählte vorschlagen.).

Frauen, bei denen das Gemüt vorherrscht. Sie schenken sich nur Männern, die sie lieben. Gefühl ist ihr einziger Leitstern, ihr höchstes Gesetz. Wo es fehlt, bleibt Ausschweifung; alles, was es begleitet, ist geläutert. Bei manchen spricht das Herz nur ein- oder zweimal; bei anderen wieder hört es nicht auf, sich zu rühren; man weiß, es gibt Frauen, die nacheinander und stets mit ungebrochener Leidenschaft ein Dutzend Männer liebten.

Und neben diesen Frauen, für die das Gefühl alles bedeutet, gibt es die zweite Gruppe jener, die es nicht nötig haben, zu lieben, um die Wollust der Liebe zu empfinden. Jede zufällige Begegnung bereitet lustvolle Stunden. Sie sehen einen Mann; er gefällt ihnen, sie sind erregt, ihre Augen beginnen zu glänzen, ihre Lippen werden feucht; sie geben sich hin. (Beispiel: Die Frau, die man im Theater kennenlernt, und schon im Wagen, in dem man sie nach Hause führt, besitzt.) Übrigens sind solche Frauen trotzdem nicht unfähig, wirklich zu lieben.

Bei den ersteren ist der ursprüngliche Trieb rein gefühlsmäßig; die Erregung der zweiten ist ausschließlich animalisch; sie betätigen ihre Sinne, wie es in einem gewissen Alter alle Männer tun.

Schließlich gibt es auch noch Frauen, die mit ihrem Körper Handel treiben und sich seiner bedienen, um ihre finanzielle oder gesellschaftliche Lage zu verbessern. Doch dies ist ein Kapitel für sich, mit dem wir uns nicht befassen wollen.

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Es gibt Frauen, denen die Gesellschaft verbietet, ein Verhältnis zu haben. Es gibt andere, denen ein einziger Geliebter gestattet wird. Von manchen Frauen verlangt man, daß sie ihr Geheimnis hüten, während sich andere ungestraft kompromittieren dürfen. Es gibt Frauen, die wegen der Anzahl ihrer Verhältnisse, und solche, die wegen der strengen Auswahl ihrer Geliebten bekannt sind. Man kennt uneigennützige Frauen und andere.

Je nach Laune gestattet die Gesellschaft alles, oder sie duldet nichts. Für sie, wie für die Natur, hat das Wort Gerechtigkeit keinen Sinn. Doch sie richtet, und gegen ihre Urteile gibt es keine Berufung.

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Ihr Frauen, für die es keine andere Richtschnur als euer Vergnügen gibt, folget dem königlichen Beispiel Jupiters, der sich, obwohl er der Gebieter über Menschen und Götter war, stets in eine Wolke hüllte, wenn er auf Liebesabenteuer ausging.

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Die Frau bestimmt ihren Preis selbst. Sie wäre dumm, wollte sie ihn nicht so hoch wie irgend möglich festsetzen, und wäre es auch nur, um der Eitelkeit des Mannes zu schmeicheln.

Und nur aus diesem Grunde sind wir ihr dankbar, wenn sie uns jedesmal mit dergleichen, stets unermüdlichen Beharrlichkeit zu überzeugen sucht, daß wir ihr erster Geliebter seien. Wir glauben ihr allerdings nicht, aber die Dringlichkeit, mit der sie darauf besteht, ist recht erfreulich. Solche Sirenenklänge verführen zu dem Glauben, daß uns allein das Schicksal ausersehen habe, von ihr wahrhaft geliebt zu werden, während die anderen, alle unsere Vorgänger, die es immerhin gab, nur als blasse Schemen ihren Weg kreuzten, um rasch vergessen zu werden.

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Wir sollten doch den Mut aufbringen, dies laut zu sagen; eine brave Frau, die ihre Kinder, ihren Mann und ihr Heim liebt, wird nicht zur Rabenmutter, zur unerträglichen Gattin, zur leichtfertigen Person, weil sie einem Mann begegnete, der ihr zu gefallen verstand!

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Eine Frau ist entzückend, solange sie ungekünstelt sie selbst bleibt. Wenn sie aber glänzen will, nach Wirkung und Erfolg strebt, wieviel Feingefühl muß sie dann besitzen! Wie groß sind die Gefahren, die in dem Beifall liegen, der ihr zuteil wird! Ein falscher Ton in dem blendendsten Konzert, und alles ist verdorben.

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Die höchste Aufgabe der Frau besteht darin, dem Manne zu gefallen, ihn erst zu gewinnen und dann festzuhalten. Sie fühlt, daß dies ihre Berufung ist, daß ihr Leben durch die Liebe bestimmt sein soll, daß ihr Glück davon abhängt. Hier fallen für sie die Würfel, hier heißt es siegen oder sterben.

Alles übrige? – ist bloß Beiwerk.

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Zwischen Förmlichkeit und der unschuldigsten Zärtlichkeit liegt ein Abgrund. Nur leichte Stufen aber führen von da bis zu den letzten Liebkosungen.

Darum sind die Vertraulichkeiten, wie so viele Frauen sie zulassen, ohne ihnen irgendwelche Bedeutung beizumessen, gefährlich für sie, sobald sie auf einen geschickten, leidenschaftlichen Mann stoßen.

*

Die Frauen erwecken den Anschein, als glaubten sie, daß es der natürliche Verlauf der Dinge sei, wenn sich die Männer aus Liebe für sie verzehren. Sie erwarten die Huldigungen und geruhen manchmal, sie entgegenzunehmen. Es scheint, als gäbe es nur die eine Schwierigkeit für sie, unter so zahlreichen Anbetern jenen zu wählen, dem sie die besondere Gnade zuteil werden lassen, ihn auszuzeichnen.

Komödie, nichts anderes als Komödie! Die Frauen selbst glauben ja gar nicht an diese Rolle, die sie sich zurechtgelegt haben. Sie wissen sehr gut, daß sie in Wirklichkeit nicht müßig auf den Mann warten dürfen, daß sie ihn suchen müssen. Unzählige liebenswürdige Mittel wenden sie an, um ihn aus der Menge abzusondern, ihm zu schmeicheln, ihn zu bezaubern, ihm auf hunderterlei heimliche Arten begreiflich zu machen, daß er gefalle, daß er der Herr sei, der nur zu entscheiden habe.

Solche Aufgabe ist nicht leicht, doch unsere geschmeidige Gegnerin erfüllt sie mit wundervollem Geschick. Kein einziges Wort entschlüpft ihr, das zu deutlich wäre, kein Satz, über den sie erröten müßte, keine Geste, die bloßstellt, und kein Blick, der zuviel verrät. Und wie reizend bietet sie sich trotzdem an! Mit welcher Kunstfertigkeit geht sie zu Werke! Wie versteht sie es, sich in Szene zu setzen, sich zu kleiden, sich scheinbar gehen zu lassen und doch die vorteilhafteste Beleuchtung für sich zu wählen. Das ist ein Reigen von Andeutungen, von Versprechen, die beschworen sind, ohne daß sie gesagt wurden, wortlos verheißenen Entzückungen, von Bewegungen, die das nahe Paradies verlockend erscheinen lassen und die doch so kühn, so rasch, so ungreifbar sind, daß man eine Täuschung und schlecht gesehen zu haben fürchtet; man wagt nicht zu verstehen, ebensowenig wie man einen zärtlichen Blick anders als den Ausdruck vollkommenster Unschuld zu deuten wagt. Neben einer naiven Frau, die gefallen will, erscheinen die allerfeinsten Künste Don Juans wie derbe Stümperei.

Und ihrer Schelmerei setzt die Frau die Krone auf, indem sie sich zu wehren scheint; sie zwingt den Mann zum Angriff, so überlegen und sicher ihrer selbst gibt sie sich aus.

Nehmt ihr die Maske und ihr findet ein zitterndes Wesen, das die Angst quält, es könnte ihm weder gelingen, den Erwählten anzuziehen, noch ihn festzuhalten . . .

*

Nirgends erkennt man die Schlauheit der Frauen besser, als in der Auslegung, die sie der Geschichte von Josef und dem Weib des Potiphar gaben. Denn die Frauen, unaufhörlich bemüht, ihre Stellung zu verteidigen, geben in Liebesdingen den Ton an, schaffen Meinungen.

Diese Geschichte hätte ihnen unbequem sein können; sie kamen darin schlecht weg, sie zeigten sich in einem wirklich peinlichen Licht. Eine Frau, die ihre Maske fallen läßt, die alle Scham beiseite setzt und sich einem jungen Mann anbietet – und abgelehnt wird! – Wie kommt man darüber hinweg?

Sie brachten es zuwege. Alle Scheinwerfer wurden auf Josef eingestellt, die Frau bleibt im Dunkel. Man bemerkt sie kaum, nicht einmal ihren Namen kennt man, man sieht nur den Mann. Und dieser Mann – eben darin zeigt sich die ganze Größe des weiblichen Genies – ist unentschuldbar lächerlich. Er benimmt sich in ganz unmöglicher Weise, man zitiert ihn bloß, um zu spotten. Ja, die Frauen haben es zuwege gebracht, diesen armen Josef mit all ihrer bitteren Ironie zu überhäufen. Nichts bleibt zu seiner Verteidigung zu sagen. Mit einem Meisterstreich haben sie die öffentliche Meinung geschaffen, die diese peinliche Geschichte so sehr zu ihrem Vorteil wendet, daß ein Mann, will er nicht ehrlos scheinen, einer Frau nicht bloß nicht widerstehen darf, sondern sie zu bestürmen verpflichtet ist. Dies wurde als Pflicht eines wohlerzogenen Mannes dekretiert, als die höchste Pflicht der männlichen Höflichkeit.

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Eine edle Gegnerin, würdig eines Don Juan, ist eine gefühlvolle, zarte, ängstliche Frau, die man gewinnen kann, wenn man ihr etwa folgende, nur in groben Zügen skizzierte Rede hält:

»Gnädige Frau. Der innere Zwang, aufrichtig gegen mich selbst und gegen Sie zu sein, verbietet mir, Ihnen zu sagen, daß ich Sie liebe. Die Liebe, die große Leidenschaft, wie sie die Theaterhelden ständig im Munde führen, das ist eine besondere und nicht restlos geklärte Angelegenheit. Auch ich könnte, wie jeder andere, leidenschaftliche Worte voll Lyrik und falschem Pathos an Sie richten . . . Ich will es nicht tun. Ich will Ihnen bloß sagen, daß Sie mir ungemein gefallen, und daß ich nicht ohne Beben an das Glück denke, Sie in meine Arme zu schließen.

»Wir haben das Leben und die Liebe schrecklich kompliziert, gnädige Frau. Die meisten Männer sind nichts als Kranke, man muß ihnen ausweichen. In ihrem düsteren Grübeln haben sie die Skrupeln erfunden, an denen wir zugrunde gehen; die Gewissensbisse, die uns vergiften; die Furcht, die zu einem chronischen Leiden wurde. Seien Sie überzeugt, gnädige Frau, daß dieses Übermaß an Ängstlichkeit mehr Leid über die Menschheit brachte, als alle Leichtfertigkeit vermocht hätte. Blicken Sie in sich selbst, betrachten Sie Ihr Zögern, Ihre eigene Ängstlichkeit. Ein natürliches, unbeschwertes Glück ist Ihnen unmöglich geworden. Sie haben sich nicht erobern lassen, weil sie Unmögliches von der Liebe erwarteten und kein einziges Mal sicher waren, Ihre Erwartungen erfüllt zu sehen; so standen Sie am Ufer und wagten sich niemals in den Strom hinaus.

»Ich aber verspreche Ihnen nichts anderes als Lust – ja, die Lust, die man so verächtlich macht, die man abzulehnen vorgibt, sicher nur deshalb, weil einem die Geschicklichkeit mangelt, sie zu nehmen; die Lust, die lachende Freude des Lebens . . .

»Es ist wahr, kein allzu hoher Preis darf dafür zu bezahlen sein. Den Ruf einer ehrsamen Frau, der bei Beachtung selbstverständlicher Vorsicht so leicht zu wahren ist, darf sie nicht kosten. Auch müssen Sie überzeugt sein, daß ich Ihnen alle Entzückungen der Wollust bieten kann, ohne Sie den Folgen, die die Natur damit verbunden sehen will, auszusetzen. Vertrauen Sie mir, Sie brauchen weder das eine noch das andere zu fürchten.

»Vertrauen Sie sich mir an. Sie sind schön und strahlend wie der Frühling . . . Wollen Sie sich damit abfinden, in trüber Einsamkeit fern der Lust zu leben? Lassen Sie sich von mir in der Wollust erlaubter Zärtlichkeiten unterweisen – alle sind sie erlaubt . . .«

Das Wesentliche an dieser Liebeserklärung ist, bestimmte sinnliche Vorstellungen in den Gedanken der Frau zu erregen, sie ihr kraftvoll zu suggerieren, damit sie in ihr haften bleiben und klar und aufwühlend in ihr wiedererstehen, wenn man fortgegangen ist. Man soll der Frau Zeit lassen, über das Gesagte nachzusinnen. Man muß dann warten. Wenn man ihr in Gesellschaft wieder begegnet, soll man fortfahren, in gleicher Weise zu sprechen. Es ist besser, ein wenig später, als zu bald zu ihr zurückzukehren. Denn eine versäumte Gelegenheit findet sich immer wieder, aber ein vorzeitiger und zurückgewiesener Angriff setzt die Frau in Abwehrstellung und zerstört jede Erfolgsmöglichkeit. Man darf erst dann die Schlacht liefern, bis man seines Erfolges sicher ist. Beginnt man den Angriff in ihrer Wohnung, dann soll man nicht mehr als einen Kuß auf den Mund fordern. Einem vollständigen Sieg stehen unzählige Hindernisse entgegen – Dienerschaft, die ins Zimmer treten kann, unerwartete Besuche – und selbst wenn man ihn erzwingt, gibt er der Frau, mit all der Unbequemlichkeit eines Boudoirs und in den störenden Kleidern, nur eine recht ungenügende Befriedigung, und man soll nie daran vergessen, daß man ihr wenigstens die Lust, da man ihr nicht mehr versprochen hat, restlos schuldet.

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Das indiskrete Geschlecht ist das weibliche. Darin liegt ein seltsamer Widerspruch, denn die Frauen sind auf die Wahrung des Geheimnisses viel mehr angewiesen als wir; die öffentliche Ehre einer Frau bedingt Sittsamkeit, die bei den Männern nur eine lächerliche Tugend wäre. Eine Frau hat viel zu verlieren, wenn man in ihr Leben Einblick bekommt. Während Liebeserfolge eines Mannes, die bekannt werden, ihm meist nur Vorteile bringen.

Und doch findet man mehr Verschwiegenheit bei den Männern, als bei den Frauen. Männer haben eine ernstere Auffassung von der Ehre, die ihnen anvertraut wurde; das Leben, das sie führen, und oft auch ihre berufliche Pflicht, gewöhnen sie daran, Geheimnisse zu bewahren.

Wie schwer fällt es einer Frau, die liebt, ihr Glück zu verbergen!

Auch ohne bis zu einer überflüssigen, gefährlichen Beichte zu gehen, findet sie hunderterlei Wege, um die Welt wissen zu lassen, wer der Mann ist, den sie bevorzugt. Die Art, wie sie ihn empfängt, wie sie zu ihm spricht oder über ihn hinwegredet, die unbewußten Blicke, mit denen sie seine Augen sucht, die scheue Bewegung, mit der sie sich ihnen entzieht – alles sind Geständnisse.

Wie viele Frauen können darauf verzichten, eine Freundin zur Vertrauten ihrer Liebesangelegenheiten zu machen? Nicht bloß zur Komplizin, die zur Bezeugung eines Alibis gebraucht wird, sondern zur wahren Vertrauten, aus dem unabweislichen Bedürfnis, zu erzählen, sich auszusprechen, zu beichten?

Und wenn es auch vereinzelte Frauen gibt, die so viel Seelenstärke haben, ihr Glück zu verbergen, wo bleibt ihr Heroismus, der sie schweigend leiden läßt, wenn ihr Glück, wie dies vorkommen kann, in bitterste Verzweiflung umschlägt?

Und doch gibt es auch Frauen, die selbst in ihrem größten Unglück stumm, äußerlich kühl bleiben und ohne Seufzer unaussprechliche Qualen ertragen. Niemand vermag die Ursache ihres Leidens zu erkennen, sie schreiten ohne Begleiter durch die Hölle.

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Allgemeine Wahrheit bleibt aber, daß die Frau von ihrer Liebe sprechen muß. Hat sie nicht den Beichtvater, der sie anhört, dann braucht sie ein anderes Ohr.

Es hat Frauen gegeben, die aus Verzweiflung über die Trennung von ihrem Geliebten einen andern genommen haben, um in ihm den verschwiegenen Vertrauten zu finden, mit dem sie von einer Vergangenheit sprechen konnten, deren Last ihre Schultern allein nicht zu tragen vermochten.

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Es ist schwieriger, Menschen zu täuschen, die fern von uns sind, als jene, die der tägliche Lauf unseres Lebens innig mit uns verknüpft. Es gehört keine allzu große Geschicklichkeit dazu, bei denen, die uns nahestehen, einen derartigen Geisteszustand zu schaffen, daß sie schließlich alle, auch die gewagtesten unserer Schritte, Taten, Gesten und Worte in jenem unschuldigen Sinn auslegen, den wir ihnen suggerieren. Die andern aber glauben nur ihren Augen, und sie haben recht.

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Frauen, die nicht mit eigenen Liebesdingen beschäftigt sind, können nicht darauf verzichten, sich mit den Liebesangelegenheiten anderer zu befassen. Sie dienen als Vermittler, empfangen Briefe und geben sie weiter, erfinden Ausreden, erleichtern die Ausgänge und schaffen Alibis. Manche sind ewige Liebesmakler und raffen sich niemals dazu auf, eine Sache für eigene Rechnung durchzuführen. Es genügt ihnen, in der heißen, erregenden Atmosphäre der Sünde anderer zu leben. Zu jeder Stunde findet man sie bereit, ohne zu feilschen nehmen sie jede Mühe auf sich. Und sonderbarerweise sind sie eher imstande, Geheimnisse Fremder zu hüten als ihre eigenen.

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Das höchste Geschick zeigt eine Frau in der Art, wie sie eine Frage ablenkt. Darin ist unsere schwache Schwester uns unleugbar überlegen. Sie handelt nicht immer bewußt, absichtlich, vielmehr einem dunklen Instinkt folgend, der im Kampf mit dem Männchen triumphiert.

Wie Frauen in solchen Fällen die Dinge zu verwirren wissen, grenzt an Magie. Nichts bleibt mehr klar. Was weiß war, ist schwarz geworden, der ganz bestimmte Gegenstand eines Streites ist wie durch Taschenspielerkünste verschwunden. Sie verdrehen die Dinge so lange, bis es dem Mann schließlich unmöglich ist, die leiseste Klage zu erheben, den kleinsten Vorwurf zu äußern, auf das, was ihn stört, im geringsten anzuspielen, wenn er nicht in seinen eigenen Augen herzlos, unzart und derb erscheinen will.

In den ernstesten Fällen, wenn unmittelbare Gefahr droht, wird die Frau krank. Sie beginnt, ihre Nerven zu verwenden, bis diese schließlich wirklich abgenützt sind. Dem Mann bleibt nichts anderes übrig, als seine eigenen Wünsche zu vergessen und seinen Ärger zu verschlucken. Seine Rolle als Ankläger wandelt sich in die eines Krankenwärters. Er pflegt seine arme Freundin, er sorgt sich um sie, er verbirgt seine eigenen Schmerzen, er zwingt sich zu lachen.

Wochen vergehen, langsam erholt sich die Kranke. Bei der kleinsten Gewitterbildung erleidet sie einen Rückfall. Erst wenn die Zeit ihr Werk vollbracht hat und alle Gefahr geschwunden ist, erst dann wird sie gesund.

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Es gibt Frauen, die dafür bestimmt sind, Kinder zu haben. Und es gibt Frauen, für die es besser ist, keine zu haben – im eigensten, hypothetischen und scheinbar einen Widerspruch bildenden Interesse der Kinder. In Zukunft wird man vielleicht jene Frauen, die Mütter werden dürfen, und jene, die unfruchtbar bleiben sollen, bestimmen. Weder der einen, noch der anderen dieser gleichermaßen nötigen Funktionen soll man eine moralische Etikette umhängen.

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Bei mehreren Gattungen des Tierreiches bewährt sich eine solche Teilung zum Wohle der Allgemeinheit und zu Nutzen der Rasse.

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Auf dem berühmten Gemälde von Correggio spreizt Danae ihre ein wenig fetten Schenkel, und ein Goldregen strömt darauf herab.

Wundervolles Symbol!

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Es gibt eine Klasse von Arbeiterinnen, die von der Ausbeutung der Liebe leben. Ihre Zahl ist groß. Es gibt vornehme und elende, zu fünfundzwanzig Sous und zu fünfundzwanzig Louis. Trotzdem leisten sie dieselbe Arbeit, doch auf verschiedenen Stufen der sozialen Leiter. Ihre Aufgabe ist, Leidenschaft in kleine Münze zu wechseln. Man kann es begreiflich finden, daß ein Polizeistaat ihr Gewerbe unterstützt, weniger begreiflich ist die Verachtung der öffentlichen Meinung.

 


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