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Drittes Kapitel.

Wenn die Sonne nicht am Himmel scheint, so heißt man das einen grauen Tag; und an solchem Tage ist nicht gut was vornehmen, wenn man mit dem linken Fuß zuerst aus dem Bette fuhr. Denn, wenn das erste Ding, was man vornimmt, mißlingt, so pflegt alles andere danach auch fehl zu schlagen.

Sie wußten es freilich selber nicht, aber die meisten Herren vom Rate mußten den linken Fuß zuerst 'rausgebracht haben, denn es wollte nichts passen und nichts sich schicken. Die Dinge, die sonst feststanden, gingen ihnen rund um, und was gerade war, schien ihnen schief; und so grau es draußen war, so grau sah es in ihnen aus.

Unter den wenigen, die Herr Matthis Blankenfelde zur Morgensitzung vereinigt, war gleich ein Zank los, die Chronik sagt nicht warum? und der Konsul von Köln hatte Mühe, daß er durchsetzte, was er im Sinne trug.

Das Unglück, was den Herrn Propst Steeger betroffen, das war noch, was sie alle zumeist anregte; mehr als die Nachricht, daß in der Nacht ein Bürger und Handelsmann von Schnapphähnen in der Spandower Heide geworfen worden. Er war noch mit knapper Not davongekommen und bis ans Thor; aber was er mit sich führte, war verloren, und hatten sie ihn kaum ins Thor eingelassen. Itzo stand er draußen und wollte Klage führen vorm Rate, daß sie ihm abhülfen und Reisige hinausschickten, derweil es noch an der Zeit war. Aber der konnte gut warten; war's nur ein kleiner Mann, und hatte keinen Freund unter den Herren drinnen. Wen er auch ansprach, der 'rein ging, der sah ihn wohl mitleidig an, und zuckte die Achseln und sprach: »'S ist eine schlimme Zeit!« Oder es sprach einer: »Lieber Mann, hilf Dir selber. Du hast ja starke Knochen.« Oder es sagte ein dritter: »Warum bist Du bei Nachtzeit vorm Thore? Die Nacht ist keines Menschen Freund.«

Aber der Propst, Herr Franz Steeger, war ein guter Mann, und mit allen Freund, und auch Blutsfreund mit den meisten. Einen lieberen Mann bei Tische und beim Weinkruge gab es in beiden Städten nicht; er fehlte bei keiner Hochzeit und keinem Kindelbier, und wüßt' es da mit den besten Trinkern aufzunehmen, und seine Geschichtlein, die er erzählte, kitzelten alt und jung. Des Ovidii Kunst zu lieben, wußt' er in hochdeutsche Reime zu setzen, daß es ein wahrer Ohrenschmaus war, ihn anzuhören: und was er erzählte, er wußte es immer zu guter Zeit mit rechtem Schick anzubringen. Als Beichtvater da lief ihm alles zu, so die Weibsen als die Männer, und wo er konnte, da sprach er los, und seine Pönitenzen, die er auflegte, waren auch nicht schwer. Er vermeinte, wenn man von der schweren Zeit sprach, als das Interdikt über Berlin schwebte, und sie den Bernower Abt, den Nikolaus, an unserer Lieben Frauen Kirche, zunächst dem neuen Markte, zerrissen und darauf verbrannt, daß sie auch was Gescheiteres hätten thun mögen, beide, so der Abt als die Berliner. Denn was hätte es so dem einen als dem anderen gefrommt? Der eine sei früher ins Himmelreich kommen, was ihm schon zu gönnen; aber die Bernower Pfründe sei auch kein Hundeloch gewesen, und es habe sich hübsch warm drin sitzen lassen. Er hätte ruhig warten können aufs Himmelreich, und der heiligen Märtyrer gab es schon so viele, daß einer mehr es auch nicht thue. Unter vertrauten Freunden im engen Kämmerlein sagte er auch wohl: es sei dumm Zeug mit dem Märtyrertum in itziger Zeit und zumal in hiesigen Landen. Denn sei wohl der Nikolaus um seinen schmerzhaften Tod zum Heiligen gemacht worden, wie der Nepomuk zu Prag, den Kaiser Wenzel nur von der Brücke stoßen ließ, und gleich ward er ein Heiliger! Rom sei weit, und Freunde dort kosten Geld; und wenn man auch zehnmal verdiene ein Heiliger zu sein, und kein Geld nach Rom schicke, so würde man's nicht. Darum sei's besser sich hier zu vertragen, fünf einmal grade und Rom, Rom sein lassen. Die fünf Löchlein am steinernen Kreuz vor der Marienkirche, daran die ewige Lampe hangt, die brennen muß zum Angedenken des Bernower Abts, und die Bürger dürfen sie nicht ausgehen lassen, lohnten nicht die Schmerzen, die ein Märtyrer ausstehen muß. – Und einen Magen hatte der Propst, wie keiner diesseits und jenseits der Spree. Er konnte noch so viel heut getrunken haben, morgen war er wieder auf der Stelle und trank trotz einem. Er beschämte manchen Edelmann. Und das war bekannt.

Darum war große Bestürzung, und sie war gerecht, daß gerade dem das zutreffen mußte. Und wäre nicht der Tisch ihm aufs Genick fallen: was er bei Thomas Wyns getrunken, er hätte es verwunden. Nun lobte einer um den andern seine guten Eigenschaften, und ward eine Abgesandtschaft an ihn verordnet, ihn zu trösten, und seine Haushälterin, daß sie ihn wohl pflege und gut halte. Und auch an den Hans Ferbitz ward geschickt, daß er Tag und Nacht ihm zu Diensten sei, und solle beides auf der Stadt Kosten geschehen.

Das war gut und billig, denn der Propst verdiente es um die Stadt; er hatte oft zum Frieden geredet, und die Händel suchten auseinandergebracht. Aber nun trat Herr Konrad Ryke ein und erzählte, daß viel Lärmens auf den Gassen sei. Denn der Handelsmann, der in der Früh ausgezogen war, und der Rat hatte ihn noch nicht angehört, laufe schreiend umher, und klage über das Unrecht, und daß die taub seien, die ihn hören sollten und schützen. Und Herr Konrad sagte, es sei des Rates Pflicht ihn zu hören und zu thun, was seines Amtes wäre. Da wurde auch in der Versammlung großer Lärm; einige waren dafür, andere dagegen. Was sei der Mann so früh seines Weges gezogen, sagten diese. Man könne keine Laternen vors Thor hängen, und die Nacht sei zum Schlafen! Die Wächter seien für die Stadt, und nicht daß sie in Winternächten über Land zögen und auf die Sträuche klopften. Es war aber der fürnehmste Grund, warum sie so sprachen, daß der Handelsmann, der Hans Makeprang hieß, keine Fürsprecher hatte. Denn er war nicht von den reichen Makeprang bei Sankt Gertraud, die so viel Renten bei der Stadt hatten, er war nur eines Armen Sohn. Darum achteten viele seiner nicht? wär' es ein Krämer gewesen von den Großen und die zu einer Gilde hielten, hätten sie anders gesprochen. Jedennoch sagten die meisten, man solle ihn hören; was dem begegne, könne auch anderen begegnen. Aber als sie ihn riefen, war er nicht mehr vor der Thür. Nun sollte der Ritter Ruthnik kommen, der Stadthauptmann; aber der schlief noch, und der andere, der Ritter Britzke, war nirgends in der Stadt zu finden. Sein Heiliger weiß, wo der die Nacht zugebracht; ist auch nachgehends nicht ans Tageslicht kommen.

Nun war es auf einmal Herr Blankenfelde, der zum eifrigsten sprach und solche Vernachlässigung rügte; er schob es aber alles dem Bürgermeister in die Schuh, der nicht zugegen sei. Und hatte es, wenn man ihn so reden hörte, guten Klang. Da kam itzt der Ratsknecht Andreas zurück und vermeldete, was ihm Herr Johannes aufgetragen. Sagt' er's auch in Worten nicht ganz so hart und stark, als der kranke Herr in seinem Gemach gesprochen, so gab er's doch wieder, daß es traf, und mochte selbst seine Lust daran haben, es den Herren gut einzugeben. Da war es doch, als ob die Feuerwerker Pulver ausgestreut, und ein Funken fliegt darauf, ehe daß die Mine fertig ist, und es flackte, blitzte und loderte. Wer kann alles das niederschreiben, was da gesprochen wurde!

Dem Ratsschreiber, der ein wackerer Mann war, ging das schwer an, was er hören mußte gegen den Bürgermeister; und erhob sich keiner, der es auf sich nahm und wider sie spräche. An ihm war's nicht. Und waren auf fünf immer vier seine Feinde; Herr Konrad Ryke hätte wohl sprechen können, denn er war ein Ehrenmann, und viele erwarteten es, aber er war auch ein hochmütiger Mann, und mochte es nicht vertragen, wenn sie die Rathenows lobten. Das Wappen der Ryke war älter an den Mauern und im Rathause.

Zu ihm trat, während die anderen um Herrn Bergholz darüber stritten, welche Antwort man dem Bürgermeister zurücksende, jetzt der Herr von Blankenfelde und sprach vertraulich, als wären sie dicke Freunde: »Sagt mir, Herr Ryke, um Gottes Erbarmen, was soll nun daraus werden! Läßt man das hingehen, wie steht's mit dem Gemeindewohl? Und wenn wir's rügen, so schreien sie, wir thäten's aus Feindschaft gegen die Rathenows. Ich gewiß nicht, und Ihr auch nicht. Aber wohin führt das? Er will uns verbieten, für der Stadt Wohl zu ratschlagen, und kommt doch selbst nicht. Ist das zu rechtfertigen?«

»Er ist krank,« brummte Herr Konrad Ryke vor sich.

»Ich will's ihm glauben, so's ihm Vergnügen macht,« lächelte recht boshaft Herr Matthis. »Aber ob die Herren 's ihm glauben werden! Hochmut ist eine schwere Krankheit. Daß uns die Heiligen davor bewahren! Wer möcht' ihm seine Verdienste abstreiten. Aber Verdienste können ausgehen, als wie der Reichtum, wenn nichts hinzukommt; und der Bettelstolz ist nicht so lächerlich, als so einer sich noch groß dünkt und ist doch inzwischen klein worden. Aber 's ist ein Erbstück in der Familie. Der Albertus – verzeih's mir Gott, daß ich an den denke und mit unserem Johannes vergleiche – der überhob sich in Macht und Ansehen. Und wie er in Untugend und Übermut, so wollte der Mattheus allein gerecht und tugendhaft sein. – Und der Johannes will allein Verstand und Kraft von Gott haben, das Regiment zu führen.«

Herr Ryke nickte mit dem Kopfe.

Da fuhr er fort: »Unter uns gesprochen, Herr Ryke: 's ist nicht umsonst, daß er gestern abend den Rat öffentlich beschimpfte und nicht kam, nicht umsonst, daß er heut krank ist, nicht umsonst, daß er den Raschmacher bezahlen will, und der Ratsknecht den Henning bei ihm im Haus fand? nicht umsonst, daß er dem Rat Antwort schickt, wie man Zigeuner abweist. – Er will neuen Anhang. Uns läßt er fahren.«

Der Ratsschreiber verlas jetzt das Schreiben, so ihm die Bergholzischen und der Hoppenrade in die Feder diktiert, an den Bürgermeister. Daß er sich nicht unterstehen solle, bei des Rates Feindschaft dem Henning Mollner auszuzahlen, und noch viel mehr des Argen, was nachfolgte. Es klang so, als es verlesen ward, daß der Ratsschreiber selber innehielt, und es schwieg alles. Keiner sprach ein Wort, Herr Konrad Ryke schüttelte den Kopf, und aller Gesichter wandten sich unwillkürlich nach der Bank, wo Herr Johannes Rathenow sonst saß. Ja, hätte er jetzt dort gesessen und sich erhoben, es hätte keiner mögen einen solchen Brief schreiben oder verlesen. Manche hielten es für ein schlimm Ding, jetzt auch mit dem Bürgermeister zu brechen, wo der Rat so blank stand mit den Zünften und der Gemeinheit.

Da lief eine Nachricht von Mund zu Mund. Herr Bartholomeus Schumm war nicht in den Rat gekommen; es hatte es auch keiner erwartet, der ihn gestern sah. Doch nun verlautete es, wie er den Boten, den ihm der Bürgermeister zugesandt, mit schnöder Antwort von der Thür gewiesen. Das war etwas, was gestern noch keiner für möglich hielt. Die Brücke zwischen den Gewaltigen von Köln und Berlin war gebrochen; das Bündnis zwischen Reichtum und Macht, das viele gefürchtet, alle mit Neid angesehen, zerrissen. Herr Schumm war nicht der Mann, der mit sich spaßen ließ, und Johannes nicht der, welcher solche Abweisung in Glimpf hinnahm. Über Herrn Blankenfeldes Gesicht leuchtete es, doch verbarg er's schnell. Aber nun trumpften sie auf, des Johannes Feinde. Und der Sturm wurde erst gar groß, da grad jetzt einer kam, der beim Bürgermeister angesprochen, und durch den ließ er hineinsagen, wie er, der Johannes, des wunder nehmen müsse, daß der Rat der Klage des Handelsmannes kein Ohr geliehen, da er sich doch um Dinge kümmere, die ihn nichts angingen.

Gottes Wunder! Wie sich da alles überschrie. Das sei doch zu viel, sagten auch die Stillen, daß er kommandieren wolle den Rat von seinem Hause aus. So könne es ein Fürst zu seinen Vasallen thun, und ein Herr zu denen, die ihm gehören, aber nicht ein gekürter Bürgermeister in einer freien Stadt zu denen, die ihn gekürt. So etwas sei unerhört, sagte Herr Bergholz; aber Herr Matthis Blankenfelde meinte, der Stadt Chronika meldete von Exempeln, und man brauche nicht bis in die Zeiten der Heiden zurückzugehen.

Da kam noch einer vom Rate, her sich verspätet hatte, und war in Schweiß und außer Atem. Er hatte aber nicht durchgekonnt vor dem Gedränge in den Gassen; und war's kaum abgegangen, ohne daß sie ihn beschimpft hatten. Denn allerwegen waren sie aus den Häusern getreten, die Bürger und Leute, und hatten die Arbeit ruhen lassen, um den Hans Makeprang zu hören, der wie toll umherlief. Und er erzählte, was ihm begegnet, an allen Ecken, und schrie wie eine Trompete über himmelschreiendes Unrecht, und schimpfte auf den Rat und das Regiment, und weinte und streckte die Hände um Hilfe aus. »Das hört man ja alle Tage,« sagte Herr Hoppenrade gähnend.

»Versichr' Euch, Herr Hoppenrade,« sagte der Ratmann, »mir wurde da heiß wie einem gesottenen Krebs. Das Faß mußt' ihm aus dem Boden geschlagen sein, denn es lief ihm nur so von den Lippen, und Worte sprach er, so wir zeitlebens nicht gehört. Und nun das Volk, das die Reden verschlang! Ich wünschte mich zehn Meilen fort. Endlich rief er, wenn kein Mensch ihm beistände, so wüßt er, wo Hilfe sei, beim gnädigsten Kurfürsten, der zu Spandow sitzt, der keine Räuber dulde in seinen Landen.« Hier ging ein leises Lächeln durch die Versammlung.

»Lacht nur, Ihr Herren,« fuhr der Erzählende fort. »Aus denen herum lachten auch ein zwei und drei. Aber der Mensch schrie: »Lacht nur, Ihr stolzen Herren, die Räuber werd ich nicht verklagen, sondern die Herren, die geschworen sind, uns zu schützen, und lieber schlafen, saufen und sich raufen um des Kaisers Bart. Ich weiß etwas, der hohe Herr wird mich gnädig hören, er wird gern sein Ohr aufthun, er wartet nur, er will kommen, Eure Gerechtsame Euch nehmen, die Ihr nur braucht, das gemeine Volk zu drücken.«

»Was will der Mensch?« rief Hans Möwes aus. »Er ist nur ein Bankert. Keine Gilde nimmt ihn auf.«

»Die von den Gilden waren's auch nicht, die schrieen,« fuhr jener fort. »Das herrenlose Volk machte den Lärmen. Doch bei der Drohung sahen sie sich alle gar wunderbar an. Nun redete er noch von der Leber weg gegen alten und neuen Rat, und es klang, wie er das Regiment schilderte, als wären wir alte Töpfe, die in einer Rumpelkammer zusammengeworfen sind. Und es mußte einer mit dem Besen kommen, der rein fegte. Und der würde nicht zu lange auf sich warten lassen. Vielmehr wie er mit dem Adel den Kehraus getanzt, werde er es mit den Städten und den Geschlechtern auch thun.«

Hier nun war es still geworben, und einige horchten aufmerksamer zu. Matthis Blankenfelde sprach: »Das hat der Hans Makeprang nicht von sich. Er ist ein einfältiger Mensch.«

»Desto schlimmer,« fiel Konrad Ryke ein, »wenn andere hinter stecken. 'S ist übel, daß es zu dem Aufheben kam. Man hätte beizeiten dazu thun müssen.«

»Man sollte ihn vor's Gericht fordern!« rief einer.

»Fordert ihn nur vor,« sagte der Erzähler. »Wenn Ihr den Jubel gehört, würden Euch die Gedanken vergehen. Er schrie: »Ich weiß einen Reichen, gegen den Eure Reichen Bettler, einen Großen, gegen den Eure Großen kleine Leute sind. Der, wenn er den kleinen Finger aufhebt, kann uns besser schützen, als alle Familien und Geschlechter in allen Städten der Marken. Das ist unser gnädiger Kurfürst.« – Lieben Freunde, es war ein arges Stück da, und war es nicht vor Hans Rathenows Hause gewesen, wer weiß, was draus worden.«

»Vor Hans Rathenows Hause!«

»Dahin hatte sich's gezogen, und konnte keiner vor und zurück; ich mußte also mit. Wie's gekommen, das weiß ich nicht, ob sie ihn raus riefen, oder ob er von selbst vor dem Lärmen kam. Im Flure stand er und redete mit dem Makeprang und den andern, die für ihn jetzt schrieen und lamentierten. Was es war, das weiß ich nicht. Ich stand zu entfernt. Aber er soll gesagt haben, wenn er nicht krank wäre und zu Rat sähe, sollte es anders sein. Darauf haben sie den Makeprang, der blaß war und nur so schlotterte an allen Gliedern vor Wut und Hunger auch, und die Haare fielen ihm so von der Stirn ins Gesicht, einen Stuhl hingesetzt in den Flur und ihm ein Weißbrot gegeben und ein Glas Wein –«

»Dem Bankert! Der Bürgermeister!« rief es verwundert.

»Und der Mensch warf sich auf den Stuhl und schimpfte, sage ich Euch, und fluchte nach wie vor und noch ärger wie einer, der einen Schluck Wein auf nüchternen Magen nimmt: Das hülfe ihm einen Quark zu seinem Verlorenen. Nun weiß ich wieder nicht, was Herr Rathenow sprach und wie er ihm zuredete; aber es ging an einer andern Ecke los, nämlich um den Roland. Ich hörte wohl des Henning Mollners Stimme; und was er sagte, dazu jauchzten die andern. Und das Ende vom Lied war, daß er mit seinen Gesellen ausziehen wollte, um dem Makeprang sein Recht zu schaffen. Er stellte sich auf den Fuß vom Roland und schwenkte sein Tuch und rief: »Wer ein wackerer Junge ist, kommt mit!« Da flogen die Mützen und gab's einen Lärm; Ihr müßt es hier gehört haben. Sie hoben ihn auf ihre Schulter und schrieen: »Der Henning soll unser Roland sein! Der wird nicht dastehen als ein Steinbild und thut nichts.« Und nun tobte es und zog fort, und was Reden sie auf uns losließen, das mag ich nicht noch einmal sagen.«

»Und der Bürgermeister?« fragte Herr Blankenfelde.

»Den sah ich nicht mehr.«

Er war wieder krank geworden, zu rechter Zeit!« sprach Herr Bergholz.

»Sie sagten, er hätte gemeint, man solle den Henning lassen. Irgend wer müsse doch in der Stadt sein, der zum Recht verhülfe. Kann sein, daß sie's auch nur so sagten, damit der Haufe es glaubt. Aber zweien von seinen Knechten hat er erlaubt mitzuziehen. Darauf ward ich fortgedrängt, dicht beim Rathenowschen Hause vorbei, und sah nur, wie die Fenster alle voll waren, und die Jungfer Elsbeth sah 'raus mit einem gar fröhlichen Gesichte und nickte dem Henning zu. Darauf wurde etwas Luft und ich eilte mich, daß ich herkam.«

Eine augenblickliche Stille trat in der Versammlung ein, nur unterbrochen von dem fernen Getobe und Wogen der Haufen in den Berliner Gassen. In Köln drüben war es still.

»Sankt Petrus!« rief ein Kölner Herr, »bei uns wäre das nicht geschehen.«

»Er thut's zum Hohne dem Rat, und wir dulden's!« ein anderer.

»Noch wäre es Zeit, ihm's zu untersagen,« meinte ein dritter. »Den Weibel ihm nachgeschickt, daß er sich nicht unterfängt, ohne des Rats Erlaubnis.«

Aber die Mehrzahl schüttelte die Köpfe: »Wir haben des kein Recht,« sagte ein älterer Ratmann. »So einer ausziehen will auf eigene Hand, zu seinem Frommen und Schaden, wer darf's ihm wehren?« Dem stimmte Konrad Ryke bei. »Und wohlgemerkt, Ihr Herren, es wäre auch nicht klug von uns,« sagte Matthis Blankenfelde. »Sie steinigten den Weibel, wie es steht; und keiner von uns möchte ruhig nach Haus kommen. Laßt den Burschen ziehen, und gewärtigen wir,« – setzte er leise hinzu – »ob sie ihn mit blutigem Kopf nach Hause schicken,«

Und nun traf es sich, daß sie alle mit einem Male gehen wollten, und es war heute auch nichts mehr zu beraten. Blieben von allen nur die drei zurück: nebst Herrn Blankenfelde der Bergholz und Hoppenrade. Wäre noch Bartholomeus Schumm dagewesen, so waren die Herren von Köln, so die Macht hatten in ihrer Stadt, beisammen.

»Was nun, Ihr Herren und Freunde?« sprach der Blankenfelde. »Der alte Fuchs, wer hatte das gedacht, schlägt wirklich um! Und das ist das Schlimmste, was er thun konnte; nämlich für uns. Schimpft auf den Rat und hält's mit dem Volke. Hans Rathenow und das Volk! Ist's nicht zum Dummwerden?«

Die andern beiden lachten aus voller Brust. »Laß ihn dem Henning auszahlen. Von Köln kriegt er's nicht wieder,« sprach Herr Hoppenrade. »Und Gott sei's gelobt, von Berlin auch nicht,« setzte Herr Bergholz hinzu.

»Mit seiner Tugend geht's auf die Neige,« sprach Herr Blankenfelde. »Aber mit seiner Macht! Sankt Christoph und all Ihr Heiligen, denkt doch: Hans Rathenow und die Zünfte eins, und der Henning und sein Anhang dazu in der schweren Zeit!«

»Ihr habt die Suppe eingebrockt, eßt sie nun aus,« sprach Herr Hoppenrade. »Ihr verredetet ihn gestern und heute, wo er nicht dran dachte; nun ward dem so. Man muß den Teufel nicht an die Wand malen.«

»Glaube, Ihr habt recht!« entgegnete Herr Blankenfelde aufstehend.

»Aber mutig!« setzte jener hinzu. »Die Suppe eß ich mit Euch.«

»Wir haben die Schumms auf unserer Seite,« sagte Herr Bergholz. »Die Schumms und die Rathenows auseinander. Wollt Ihr mehr noch von zwei Tagen?«


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