Alexis / Hitzig
Der neue Pitaval - Band 15
Alexis / Hitzig

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Vorwort

Sechs Königsmörder, welche die französische Nation in drei Jahrhunderten hervorgebracht hatte, folgen in den ersten sechs Fällen dieses Theils. Es sind nicht die einzigen ihrer Zeit, nur die berühmtesten derselben. So hatten wir aus der langen Reihe von Attentaten und Höllenmaschinen, die gegen Louis Philipp spielten, nur die weltberühmten von Fieschi und Aliband geliefert. In aufsteigender Linie kam Louvel, der Königsmörder gegen die altern Bourbonen, dann ein Jahrhundert früher Damiens, der Attentäter gegen Ludwig XV., und in den beiden vorangehenden Jahrhunderten François Ravaillac, der Mörder Heinrich's IV., und Jacques Clement, der Heinrich's III. In andern Theilen hatten wir die Mordanschläge und Attentate behandelt, welche den ersten Napoleon zum Gegenstand hatten, und, wenn es uns gelüstet, hätten wir eine Reihe causes célèbres in den Angriffen auf Louis Napoleon III., bis zur Höllenmaschine des Italieners Orsini zum Stoffe. Vorläufig glaubten wir, unsere Leser wären zu gesättigt, wie die sittliche Welt hofft, daß der Höllenmaschine Orsini's und seiner Genossen keine Nachfolger kommen werden. Möchte Italien, dessen Wiedergeburt im Augenblicke, wo ich schreibe, möglich wird, sie damit feiern, daß deren Söhne ihre gute Sache nie mehr durch sicilianische Vespern, Fieschi'sche Höllenmaschinen und Orsini'sche Petarden entwürdigen.

Zur Entschädigung nach so grauenhaften und blutbefleckten Seiten der Geschichte hatte Zufall oder Auswahl uns eine ganze Reihe von Criminalfällen aus dem Privatleben entgegen geführt, welche dem Leser als interessante Stoffe, wenn nicht gar als Novellen erscheinen werden.

Der Fall Francesco Fava ist eine der großartigsten und interessantesten Betrügergeschichten des vorvorigen Jahrhunderts, ziemlich exact aus französischen Akten uns überliefert. Papavoine war und ist eine unerklärt gebliebene Mordgeschichte und Monomanie aus den Regesten der modernen Sittenzustände in der französischen Gesellschaft, Mathias Lenzbauer eine der psychologischen Monographien, deren Feuerbach mehrere uns hinterlassen hat.

Eine Entführung und Konstantin Weise, beide Fälle, die sich vor etwa einem Vierteljahrhundert und in unserer nächsten Nähe in Sachsen ereignet, haben so sehr den Anstrich zweier Romane, der zweite eines hochtragischen, daß es der ganzen Autorität eines bewährten Ehrenmannes, Juristen und Richters, wie Bischoff in seinen Sammlungen, bedarf, um an aktenmäßige Begebenheiten zu glauben. Ein Wort über das große Interesse der außerordentlichen Handlungen zu erwähnen ist überflüssig.

Ueber eine der neuern causes célèbres Londons, die Ermordung O'Connor's durch die Eheleute Manning, wiederholen wir aus der ersten Auflage: »Das Resumé der That selbst, wie es bald ermittelt ward, wäre einfach und nicht besonders interessant. Das hohe Interesse, welches der Fall beansprucht, erregte derselbe durch den Kampf der beiden Angeschuldigten unter einander über den Antheil ihrer Thäterschaft, der sich erst vor der Jury entwickelte und die furchtbaren Ausschlüsse, die allmälig für den Psychologen zu Tage stiegen, bis der Proceß durch die tragische Stunde vor der Hinrichtung und während der Execution ein noch ganz anderes in Anspruch nimmt. Ganz London war der aufmerksame Zuschauer, und jeder Tag, jede Stunde brachte Enthüllungen oder Muthmaßungen. Wollte man diese streichen und nur den wahrhaften Kern des wirklich Ermittelten geben, so ist es zweifelhaft, ob dieser merkwürdigste Proceß überhaupt der Aufnahme werth ist. Welches ungemeine Interesse erregt der Proceß Görlitz. Was wäre er, wenn man auf wenige Seiten die Geschichtserzählung, die Verdachtsgründe, die Zeugenaussagen, das Gutachten der Sachverständigen summirte, um schnell zu dem Schluß zu kommen, zu dem auch die Geschworenen kamen; aber erst im Verlauf der langen Assisen, bei deren Beginne sich ganz entgegengesetzte Ansichten, namentlich unter den Juristen, laut machten.« Es ist nicht unbekannt, daß Boz' Denunciationen seiner Zeit nicht unwirksam geblieben, und auch in England die öffentlichen Hinrichtungen jener Art nicht mehr stattfinden.

W. Häring.


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