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Siebentes Capitel.

Zur Sanftmuth war allein sein Herz geschaffen.

Byron Corsar.

 

Monmouths Heer wuchs mit jedem Tage, ja der Zulauf des niederen Volkes war so groß, daß er Tausende aus Mangel an Waffen wieder zurückschicken mußte. Rasch drang er, überall als Sieger mit Festen und Lustbarkeiten empfangen, und als König ausgerufen, bis Bridgewater, Wells und Frome vor, und Feversham, wenig der Miliz der Grafschaften vertrauend, wich auf allen Punkten vor den Insurgenten. Aber wie auch die Feuerköpfe des Heeres drängten, er solle die günstigen Augenblicke nicht verstreichen lassen, und, vertrauend dem protestantischen Feuereifer seiner Leute, einen Hauptangriff wagen, so siegten doch die Rücksichten des Feldherrn über den Drang des Ehrgeizes. Monmouth hatte als Generalissimus des Königreiches, er hatte als glücklicher Feldherr in Schottland das Uebergewicht eines disciplinirten Heeres über zusammengelaufene Haufen zu sehr schätzen gelernt, um Alles in dem Augenblicke aufs Spiel zu setzen, wo noch so wenige bedeutende Männer sich für ihn erklärt hatten.

Die Veteranen der Republik, die finstern Schaaren der presbyterianischen Eiferer, aus denen die Mehrzahl seines Heeres bestand, murrten, daß die heilige Sache Israels durch weltliche Feste aufgehalten werde, daß der Gottgesandte sich nicht entblöde in jeder Stadt zu tanzen, und die feurigen Republikaner lagen ihn fortwährend an, durch eine entscheidende That sein Recht zu bewähren. Monmouth gab ausweichende Erklärungen, er versammelte selten seine Officiere zum gemeinsamen Rathe, dagegen wohnte er den Exercierübungen bei, hörte, die Bibel in der Hand, in den abgeschlossenen Zusammenkünften der presbyterianischen Parteien den Predigern derselben aufmerksam zu, und tanzte bis in die späte Nacht auf den Stadtbällen. Wer ihn genauer beobachtete, mochte darin die Absicht lesen, beunruhigende Gedanken zu verscheuchen, die Menge sah darin das feste Vertrauen auf den Sieg.

Als Robert von einem Streifzuge nach der Walliser Grenze eines Tages heimkehrte, fand er das Heer im Rückzuge begriffen. Unmuthig gab er dem Rappen die Sporen, um seiner Schaar voraustrabend, den Herzog einzuholen. Er fand ihn, wie er auf einem Hügel Kriegsrath hielt, von den ausgezeichnetern Anhängern und solchen Männern, welche besonders das Vertrauen ihrer Partei besaßen, umgeben. Churchill und Feversham waren an der Spitze von dreitausend wohlgeübter Truppen im Anmarsch und es galt die Entscheidung, ob man vor ihnen stehen, oder in die Gebirge von Kornwallis sich zurückziehn solle? Monmouth stand, beide Hände auf den mit der Spitze in den Boden gesteckten Degen gestützt, und hörte die Meinungen an. Lord Gray hatte eben mit der Beredsamkeit der Furcht alle Gründe für das Weichen auseinandergesetzt, welche indessen sämmtlich darauf hinausliefen, daß noch kein Großer des Reichs sich dem neuen Könige angeschlossen, sowie, daß, ob dies schon sehr versteckt gesagt wurde, wenn die Schlacht unglücklich ausfiele, an keine Begnadigung zu denken, die Flucht in der ebenen Gegend aber gefährlicher als in den Bergen sei.

Ein grauer Presbyterianer, den Robert noch nicht im Heere gesehen, der alte Sandy, hatte, da er vor kurzem eine bedeutende Schaar Nachbarn und Glaubensgenossen Monmouth zugeführt, einen Platz im Rathe erhalten. Ingrimmig hatte er, den Kopf bedeckt, dem Redner zugehört, und bohrte jetzt die Hellebarde in die Erde, indem er die Rechte gen Himmel ausstreckte:

»Wende von mir die Schmach, die ich scheue, denn Deine Rechte sind lieblich! Herr, laß mir Deine Gnade wiederfahren, Deine Hülfe nach Deinem Wort, daß ich antworten möge meinem Lästerer. Hat der Herr darum Wunder gethan und seinen Gesandten ausgeschickt über die Meere, hat er darum in vier Tagen ein Heer wachsen lassen, hat er Dich darum gekrönt, Jacob von Monmouth, daß Du Dich verkriechen sollst in Höhlen und Schluchten? Mit des Esels Kinnbacken schlug Simson die Philister zu tausenden und David tödtete den Goliath mit der Schleuder, und bei uns soll Zittern und Zähneklappen sein, weil dreitausend Baalsdiener anrücken gegen das Volk Israel? Ich sage Dir, Jacob von Monmouth, wenn Du hören willst auf die Worte der Hoffärtigen und nicht auf die Worte des Herrn, so wird der Glanz Deiner Krone von der Dauer des Irrlichts sein, das den Wanderer in den Sumpf lockt.«

Misbilligend sahen die Meisten den Redner an, und Gray nahm wieder das Wort: »Die Bauern aus dem Westen fürchten sich vor der Rache, deren ihre paar Hufen Acker ausgesetzt sind, wenn wir uns in die Gebirge ziehn; als ob das Wohl von Englands Königreich darauf begründet wäre, daß man zwölf Bauern keine Rüben stiehlt.«

Der aufgebrachte Wirth rief dagegen: »Ich rede von Deinen Zeugnissen vor Königen und schäme mich nicht, und habe Lust an Deinen Geboten auch wenn mich die Mächtigen darum verschlingen wollten. Es ging allemal übel, wenn sich die Reichen und Großen wollten eindrängen und das Wort führen, wo es des Herren Sache galt. Feigheit und Mammon sind Deine Götzen, Lord Gray, darum weiche von der Schaar der Gerechten. Willst Du aber siegen, Monmouth, so mußt Du ganz vertrauen auf die Schaar derer, die nur Gott vertraun. Heut stehe ich und meine Kinder und Brüder neben Dir, aber damals bei der Bothwell-Brücke standen wir Dir gegenüber, erinnere Dich des Tages und gedenke, daß die Zeit gekommen, wo Du die Schmach tilgen magst.«

Monmouth blickte unschlüssig umher und redete von Stimmen sammeln, als Robert Fletcher mit gewohntem Ungestüm in den Kreis trat.

»Stimmen sammeln!« rief er. »Stimmen sammeln wozu? Ob wir erklären wollen feige Memmen zu sein, eben so thörig als feige etwas unternommen zu haben, wozu wir nicht die Kraft besaßen, jammervolle Buben, die vorm Anblick eines rothen Rockes laufen, oder ob wir uns unserer Haut wehren sollen, wo nur die Wahl frei steht in der Schlacht zu siegen oder uns vom Büttel auf die Schlachtbank schleifen zu lassen? Jacob von Monmouth, Sieger bei Bothwellbrück, Jacob Stuart, König Jacob! und Du sinnest auch nur einen Augenblick was zu thun? Sechstausend Engländer stehn bereit auf Deinen Wink, ganz England hofft auf Dich, ganz England ist verloren, wenn diesmal nichts geschieht, die Jesuiten kriechen umher, die Spione lauern, die Büttel wetzen die Schwerter und drehen die Stricke, die Parlamente werden mit Füßen getreten, und Du zauderst und zagst eine Secunde, weil dreitausend Mann drüben commandirt sind auf uns zu schießen, wenn wir sie angreifen! Jetzt oder nie; mit Füßen den Drachen getreten, ehe er schwillt und Kräfte bekommt vom Blute, jetzt oder nie für Englands Freiheit, jetzt oder nie für Deine ächte Geburt gestritten, wenn Du ein ächter Stuart bist.«

Die Mehrzahl gab ihren Beifall zu erkennen, Lord Gray wich in den Hintergrund, eine Fanfare verkündete Monmouths Entschluß, dem protestantischen Könige wurde ein Lebehoch gebracht, und der Herzog begab sich mit Gefolge und Hauptleuten in das am Fuß des Hügels befindliche Schloß, wo der Friedensrichter Sir Thomas Powle, blasser und verlegener als je bei einer Gelegenheit, den Sohn seines königlichen Herrn bewillkommte. Auf Monmouths Stirne lagerte eine Wolke, welche selbst der Eifer und die Anhänglichkeit seiner Getreuen nicht zu verscheuchen vermocht hatte. Doch erheiterte den leicht Bewegten der possirliche Anblick des beängstigten Friedensrichters.

»Durchlauchtigster Herr,« stotterte Sir Thomas aus der gebeugten Stellung hervor, »ich bin ein schlichter Landedelmann – wenig bekannt mit dem was im Königreiche vorgeht und mit der Ehre, die allen Prinzen des Königlichen Hauses gebührt. – Weiß ich doch selbst nicht recht, wer König im Lande ist – ich habe durchaus ein loyales Blut – und wo ich einen König weiß – habe ich alle Ehrfurcht – wie vor jeder Obrigkeit – nur in diesen schwierigen Zeiten, wo, was legitim ist, für einen Landbeamten so schwer zu unterscheiden fällt – werde ich aber zu jeder Zeit, was mir befohlen ist ohne Anfrage – und es steht in dieser Rücksicht vor dem siegreichen königlichen Herrscher von Albion zu jeder Zeit –«

»Euer Pferdestall offen,« unterbrach ihn Monmouth, der mit einer kleinen Schadenfreude bis jetzt den würdigen Beamten seine verwirrte Rede hatte ausspinnen lassen. »Gewiß, theurer Sir, ich kenne Eure Anhänglichkeit an meine Person. Erinnert Ihr Euch noch Sir Robert Fletcher,« sprach er zu diesem umgewandt, »wie uns der würdige Sir Thomas mit einander bekannt zu machen die Güte hatte. Damals und jetzt! – Es hat sich vieles verändert. Der gute Thomas Armstrong büßte seine Anhänglichkeit mit dem Leben.«

»Durchlauchtigster,« sagte der gepeinigte Friedensrichter, »ich habe keinen Antheil« – und wollte hinzusetzen »an seinem Tode,« aber Monmouth ergänzte die Rede anders.

»An seiner Anhänglichkeit für mich. Nein, Sir Thomas, deshalb werdet Ihr nie an den Galgen kommen.«

Jemand aus dem Gefolge flüsterte dem Herzog zu, doch so, daß es der zitternde Powle verstehen konnte, der Friedensrichter gelte für einen der eifrigsten Torys in der Gegend, er habe die Proclamationen gegen Monmouth verbreitet, stehe noch in geheimem Verkehr mit den Feinden, und solle, nach Aussage der Landleute, sogar jetzt Spione und Agenten bei sich beherbergen.

»Hört Sir Thomas,« sagte Monmouth, »wie man Euch verläumdet. Der Mann, der es sagt, gilt für einen der nie etwas Unwahres berichtet, und wie schlimm stünde es um meinen Freund, wüßte ich nicht, daß Ihr mich so innig liebt, wie ich mich nur selbst lieben kann.«

Der Friedensrichter stotterte unarticulirte Töne, indessen ward nicht ohne Geräusch und Widerstreben von seiner Seite ein Mann herbeigeschleppt, auf den alle Anzeichen eines Spions trafen, und in dem die meisten sogleich den Obersten Rumsey erkannten. Er war in Powles Schlafcabinet gefunden worden, seine Briefschaften zeugten gegen ihn und den Friedensrichter, und der starre Blick aus dem verwilderten Gesichte des Obersten, verrieth, daß er selbst auf keine Gnade hoffe. Von allen Seiten verlangte man den Tod des Bösewichts, dessen Verrath das Blut der heiligen Märtyrer gekostet habe. Monmouth schauderte zusammen, als er ihn erblickte und wandte sich ab.

»Fletcher, was meint Ihr?« fragte er diesen.

»Ob ich ihn schon möchte hängen sehn? Darf ich doch nicht Richter sein, da er mir einst hier durch seine Fürsprache beim Herzog von Monmouth die Freiheit verschaffte.«

»So sei um diesen Dienst ihm vergeben,« sagte Monmouth ohne sich umzublicken. »Er verschaffte mir Eure Dienste und Eure Freundschaft, darum laßt ihn frei, aber nie soll er mir wieder vor Augen treten.« Er winkte mit der Hand, als scheue er sich noch einmal den Mann anzusehen und Rumsey wurde abgeführt und entlassen nicht ohne große Mißbilligung der Mehrzahl, welche darüber zu sprechen hatte.

Ein fröhliches Nachtgelag zeigte Monmouth als den liebenswürdigen Mann, der selbst in der Nähe der Gefahr seinen angebornen Character nicht verleugnen konnte. Robert mochte weder essen noch schlafen; Wein und Unruhe trieben ihn aus dem Schlafgemach in den Park, wo er zu seiner Verwunderung auch den Herzog antraf, der sinnend auf einer vom Monde erleuchteten Anhöhe auf und abging. Er bemerkte den Ritter, legte seine Hand auf dessen Schulter und beide standen schwelgend mehrere Minuten, bis Monmouth anhub:

»Robert, ob es zu verantworten ist, für ein ungewisses Recht, vielleicht nur für den Schatten davon, so Vieler Blut aufs Spiel zu setzen! – Könnte es ohne Blut entschieden werden, ja dann! – Aber daß Alle, die Gedanken haben und keine, auf mich, wie den Vertreter ihres Gewissens bauen, daß ich sie alle, alle vertreten soll vor dem Richter und doch nicht weiß, ob es Ehrgeiz war, oder Liebe zum Vaterlande die mehr trieb.«

»Dergleichen vernünftige Betrachtungen,« entgegnete Robert, »würden sehr ernstlich und schön klingen, wenn Ew. Hoheit sie vor der Invasion angestellt hätten, jetzt vor der Schlacht möchten sie Manchem ganz unwürdig des berühmten ritterlichen Monmouth dünken.«

»Mephistophilus!« sagte Monmouth. »Hatte ich Zeit zum Denken, als ich verfolgt, vertrieben, die letzte Zuflucht in der Barke fand, die Mich nach England trug?«

»Liefert Euch und die gefundene Majestät an York aus, er schlägt Euch den Kopf ab und der Zweifel ist gehoben, ob Monmouth für seines Volkes Wohl den letzten Kampf wagen soll.«

»Dir, Robert,« sagte Monmouth, »ist es doch, bei Lichte betrachtet, nur darum zu thun, einmal an der Spitze einer Kürassierschwadron einzuhauen; Du willst als Cavalier und Sieger durch Londons Straßen trottiren, um Herz und Hand Deiner schönen Erbin ohne Dir etwas zu vergeben mit Bequemlichkeit abzulangen. Oder verlangt Dich so erstaunlich nach dem Psalmengesange, und daß die Londoner Butterhändler ihren Lordmayor frei ausschreien können?«

»Die Menge wird mitgezogen,« entgegnete Robert, »aber wer die träge Masse einmal in Bewegung gebracht und sie dann nicht benutzt, verdient nicht, daß ein Mann für ihn etwas thut.«

»Spotte nur zu. Ich wünschte, ich wandelte jetzt im Park einer reizenden Villa Südfrankreichs, angehaucht von der milden Luft jenes Clima's, von den Düften der Sträucher und Blumen an Harriets Hand, und der ärgerliche Bürgerzwist wäre weit aus unserm Gesichtskreise im nordischen Nebel verschwunden.«

»Und Ihr glaubt, Hoheit, die hochherzige Frau, die in Euch ihr Vaterland, Freiheit, Gott, alles was heilig ist, verehrt, würde mit Euch unter den Orangenblüthen schwelgen, indessen Ihr alles vergeßt, was Euch zum Mann erhoben hat und Ehre giebt. Sie verachtete Euch.«

Monmouth schwieg einige Minuten. »Ich wünschte sie wäre hier, und doch fürchte ich den Moment des Wiedersehens.«

»Seid König,« rief Robert Fletcher, »und die Begeisterte dankt dem Könige, dem Befreier Englands für dasselbe Unrecht, wegen dessen sie dem Verzweifelnden fluchen würde.«

Monmouth drückte rasch und heftig die Hand des Freundes und eilte in das Schloß zurück. Robert, zu aufgeregt, wandelte noch geraume Zeit, durch die wunderlich frisirten Taxushecken des Gartens, bis ihn ein Geräusch in seiner Nähe aufschreckte. Ein Mensch, schwer mit Gepäck beladen, war, da er, um Robert in dem großen Wege zu vermeiden, über umzäunte Beete springen wollte, hingefallen, der Ritter, welcher Verrath vermuthete, war auf ihn zugesprungen, ehe er noch aufstehen konnte, und erblickte zu seiner Verwunderung den Leibdiener des Lord Gray, in dessen Gesicht sich Schrecken malte. Auf die Frage, was er beabsichtige, antwortete er erst nachdem Robert heftige Drohungen hinzugefügt, er solle das Gepäck seinem Herrn nachtragen. Robert, um keine Zeit durch Fragen zu verlieren, ließ sich von ihm, indem er ihn fest am Kragen hielt, nach dem bestellten Orte hinführen. Ehe er aber noch den Platz, wo zwei Pferde am Gartenzaun angebunden, wieherten, erreichte, tönte ihm ein heftiger Wortwechsel entgegen, der ihn, insoweit Verrath im Spiele war, dahin beruhigte, daß er bereits entdeckt sei.

Lord Gray im Handgemenge mit einigen Männern aus Monmouths Heere, suchte mit leiser Stimme diese zu beruhigen. Allein der alte Sandy rief: »Das hilft dem Verräther nichts, er muß zum Herzog zurück,« und als Robert hinzutrat, erfuhr er, daß Gray, geständig die Flucht zu ergreifen, von ihnen ertappt worden.

»Sir Robert,« sagte dieser, »ein Ritter und Edelmann darf keinen andern in den Händen der Bauern sehn. Befreit mich, ich beschwöre Euch.«

»Ein Ritter, Lord Gray,« fuhr ihn Robert an, »der sein Heil in der Flucht sucht.«

»Ich hatte Gründe dazu. Die Buben haben mir ein Geständniß abgepreßt, ich bitte Euch um Alles in der Welt macht mich nur jetzt frei.«

»Bindet ihn, wenn die Memme nicht mit will,« befahl Robert, »und führt ihn vor den König, der noch wach ist.«

»Sir!« knirschte der Lord. »Ihr seid mein Untergebener, ich commandire die Cavallerie, zu der auch Eure hundert Mann, die Ihr Regiment nennt, gehören.«

»Wir würden auch ohne Befehl eines Cavaliers wissen, was wir zu thun haben mit den Abtrünnigen,« sagte Sandy, und befestigte in Beistand des Sohnes und eines kecken jungen Burschen, den er Schwiegersohn nannte, die Hände des Lords auf dessen Rücken.

»Sir Robert, seht Ihr nicht wie die Bauern Euch und mich höhnen?« rief der sich sträubende Lord.

»Tod und Hölle!« schnaubte der Ritter. »Mich und Euch in eine Classe zu stellen. Ich verachte Euch eben so sehr, als mir diese heuchlerischen Sectirer zuwider sind, und finde daß Eure Feigheit bei ihrer Narrheit in der besten Gesellschaft ist.«

»Nicht ungerächt sollt Ihr das gesagt haben,« murmelte drohend der Gefangene, während Robert lachte. Das Schloß wurde allarmirt, und Monmouth von dem Vorfall unterrichtet. Als Robert auf Einsetzung eines Kriegsgerichts drang, erklärte der Herzog die Untersuchung allein übernehmen zu wollen, und verschloß sich mit Lord Gray in seinem Zimmer.

Die presbyterianische Schaar, für deren Anführer der alte Sandy galt, stimmte darauf unfern dem Schloßflügel, wo Roberts Zimmer lag, einen Lobgesang an, der ihm erst am Morgen wenige Augenblicke Schlaf vergönnte, denn schon früh trieb das Signal zur allgemeinen Musterung hinaus. Er hatte schon sonst manchen Aerger beim Exerciren der Reiter gehabt, welche, zu den strengeren Sectirern gehörend, es als halbe Sünde betrachteten den Befehlen eines weltlichen Mannes zu gehorchen. Verdrießlich über die Vorgänge der Nacht, glaubte er bei Einigen Trotz und Widersetzlichkeit zu finden, weshalb er eine Strafrede hielt, die er später sehr geneigt war, nur dem Aerger über den versäumten Schlaf zuzuschreiben. Jetzt aber rief ihn eine Ordonanz zur Berathung der Anführer. Er sprang von seinem Rappen und eilte nach dem Hügel, wo jene bereits um Monmouth versammelt standen.

Wie erstaunte er indessen, als sein erster Blick auf Lord Gray fiel, umgethan mit Monmouths Feldzeichen und allen Insignien als Oberanführer der Reiterei. Noch größer wurde die Verwunderung als Monmouth ihm mit der Nachricht entgegentrat, wie auf erhaltene Kunde, daß der Feind bei Sedgemoor unvortheilhaft gelagert stände, beschlossen sey, die ganze Cavallerie solle unter Gray zum Recognosciren ausrücken. Er möge sich bereit halten den Befehlen des Lord zu folgen.

Robert blickte zuerst den Herzog, dann vernichtend den Lord an.

Monmouth bemerkte es, und sagte lächelnd: »Laßt Euch den kleinen Vorfall von gestern nicht irre machen. Es ist alles ausgeglichen.«

»Was ausgeglichen, die Feigheit, die Schande, der Verrath des Buben, der Euch verlassen wollte in der Stunde der Gefahr?« sagte Robert zum Herzog der ihn bei Seite gezogen.

»Er hat es eingestanden, und um Verzeihung gebeten. Wir sind alle Menschen, und die Schwäche überschleicht uns oft, wenn wir uns am stärksten dünken.«

»Verziehen,« sagte Robert, »gut, denn die Memme ist nicht werth ausgepeitscht zu werden. Aber seid Ihr wahnsinnig ihm das Commando zu lassen?«

»Er ist ein alter Freund,« beschwichtigte ihn der Herzog, »auch wäre seine Bestrafung thörig, da von seinem Beitritt die Geneigtheit einer großen Partei abhängt.«

»Himmel und Hölle!« brauste der Ritter, »und ich soll die Befehle der Memme annehmen? Nimmermehr, und stülptet Ihr ihm den Herzoghut und die neue Krone auf seinen leeren Kopf, Fletcher von Salton gehorcht ihm nicht.«

»Werther Sir Robert Fletcher,« sagte der Herzog mit lächelndem Blicke, »trügt Ihr das bewußte Schwert des alten Fletcher von Salton, so müßte freilich Lord Gray dem Repräsentanten des renomirten Republicanerobersten nachstehn, da aber, wie Ihr wohl wißt, die zarte Miß Anna Euch diesen Degen aufbewahrt, so werdet Ihr diesmal schon nachgiebig sein.«

Der Herzog drehte sich um, man redete Fletcher zu, in so dringendem Momente sich der Bestimmung zu fügen, und, den Grimm verbeißend, steckte er heftig seinen Degen mit den Worten ein: »Ich will.« In dem Augenblicke wurde die Nachricht, gebracht, es zeige sich ein feindliches Piquet, und Robert war froh, daß Grays erster Befehl an ihn dahin ging, mit seinen Reitern dasselbe schnell anzugreifen, und wenn es möglich einzufangen.

Die Trompeter bliesen schon zum Aufsitzen, als er zum Platz kam, wo seine Reiter standen. Alles stieg in Hast auf die Pferde. Er suchte nach seinem Rappen und warf sich auf einen fremden, was er jedoch erst gewahr wurde, als er bereits zum Commandiren vor die Fronte sprengte. Der Eigenthümer dieses Rappen, ein stämmiger Pachter, welchen Sandy seinen Schwiegersohn nannte, und der sich von je als das Haupt der Unzufriedenen unter Roberts Schaar gezeigt hatte, stürzte aber auf ihn los, und faßte sein Pferd am Zügel.

»Es ist mein Pferd, mein eigenes Pferd,« schrie er. »Da läuft das Cavalierpferd, warum giebt der Cavalier nicht besser Achtung.«

»Schurke laß los!« rief der ergrimmte Hauptmann, »jetzt ist keine Zeit zum Tauschen.«

»Auch keine Zeit zum Pferderauben,« entgegnete der trotzige Freisaß. »Auf meinem guten Pferde soll kein Cavalier sitzen.«

»Das für Dich!« schrie Robert, indem er ihm mit dem Degenknopf vor den Kopf stieß. »Losgelassen.«

»Abgestiegen!« schrie der andere und griff, den Zügel loslassend, nach der Brust des Ritters, um ihn herunter zu reißen. Er riß ihm jedoch nur die Schärpe ab. Robert, so frei geworden, schäumend und unfähig ein Wort zu sprechen, griff nach den Pistolen. Eine herausziehn, spannen und losdrücken war das Werk eines Momentes. Durch den Kopf geschossen fiel der trotzige Amman todt zu Boden.

Ein Augenblick des Schweigens folgte. Dann ging ein dumpfes Gemurmel durch die Reiterschaar. »Ein ungeheurer Frevel!« rief man. »Er hat einen Heiligen umgebracht!« Robert wollte commandiren zum Aufbruch, aber er mußte bemerken, daß jeder Versuch fruchtlos ausfallen würde. Die Reiter zogen ihre langen Schwerter, aber nicht, ihm Folge zu leisten, sondern im Rachegefühl für ihren getödteten Kampfgenossen. Da wandte der Ritter das Pferd, Monmouth Rechenschaft abzulegen.

Schon auf halbem Wege kam ihm dieser mit seiner Suite entgegen. Die That war so öffentlich geschehen, von allen Seiten erhob sich die Anklage gegen den Ritter, der alte Sandy trat wie ein ergrimmter Volkstribun mit eisernem Willen vor Monmouth, indem jedes seiner Worte ein hundertfältiges Echo fand, daß der Herzog genöthigt war, sogleich über ihn Gericht halten zu lassen. Es schloß sich ein Kreis der Angesehensten, unter denen diesmal aber die strengsten Presbyterianer die Oberhand hatten, und Robert Fletcher lenkte sein Pferd auf dem Felde umher in einsamem Trotz, er, der gefeierte Ritter, jetzt von allen gemieden.

Lebhaft wurde gestritten, die feindlich gesinnten Presbyterianer fanden eine Stütze an Lord Gray, welcher beredt darzustellen wußte, wie das ganze Unternehmen auf der Schärfe einer Messerschneide stehe, wenn ein Hitzkopf wie Robert Fletcher länger im Heere bleibe, und selbst die günstiger Gesinnten mußten einräumen, daß, wenn dieser Todtschlag ungeahndet bleibe, kein Verlaß mehr auf den tapfersten Theil der Truppen sei. Der Kreis öffnete sich, und Robert Fletcher ritt langsam heran, sein Urtheil zu empfangen. Es ward ihm aus dem Munde eines Squires, der erst vor kurzem eingetreten und vermuthlich dazu erwählt war, weil er mit beiden Parteien in keiner nähern Verbindung stand. Robert Fletcher, lautete es, habe den Tod wegen unbesonnenen Todschlags an einem Unschuldigen, der nur auf sein Recht bestanden, verdient, in Erwägung seiner anderweitigen vielen Verdienste, solle ihm aber das Leben geschenkt und er nur mit der Verbannung aus dem Heere und Königreiche bestraft werden.

Robert erwiederte nichts als ein frostig herausgestoßenes »So?« Fragend blickte er auf Monmouth, der Herzog schlug die Augen nieder. Allein der vorangehende Blick hätte einem minder Erhitzten die innige Theilnahme für den Verurtheilten verrathen müssen. Robert indessen wandte, ohne Laut, ohne Zeichen des Abschiedsgrußes, das Pferd um, gab ihm die Sporen und sprengte durch die zerstreuten Trupps ins Weite.

Lange blickte ihm Monmouth nach, indem sich eine Thräne durch die Augenwimpern drängte. »Mit diesem Manne ging mir ein Heer verloren,« waren seine Worte. »Und wieder ein Freund,« setzte er leiser hinzu, »vielleicht der letzte Freund.«

Ohne sich nur einmal umzublicken sprengte Robert davon und spornte in blinder Wuth das Pferd über Stein und Stock, Graben, Wege und Kornfelder, bis es sich selbst eine beliebige Richtung nahm. Bunt kreisten die Vorstellungen in seinem Kopfe. Er sah Monmouths letzten verlangenden Blick, er glaubte ihn rufen zu hören: »Wir werden uns nicht wiedersehn,« dann dünkte es ihm als riefen befreundete Stimmen deutlich hinter ihm seinen Namen, aber er wandte sich nicht um, sondern spornte, wie gejagt von einem fürchterlichen Spuk, so lange sein Roß, bis es keuchend unter ihm zu Boden sank.


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