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Vierter Brief

Ich finde, ich tue den Gefühlen meines Herzens das größte Unrecht an, indem ich sie dir schreibe und bekannt mache. Welches Glück wärs für mich, wenn du sie erraten könntest aus der Stärke der deinen. Aber ich darf mich auf dich nicht verlassen, und ich kanns nicht unterdrücken, dir zu sagen (wenn ichs gleich nicht mit der Heftigkeit aussprechen mag, mit der ichs fühle), daß du mich nicht, wie dus tust, mißhandeln solltest durch dein Vergessen, das mich zur Verzweiflung bringt und eine Schande ist für dich selbst. Ich habe zum mindesten das Recht zu erwarten, daß du mich klagen läßt über das Unglück, das ich ja voraussah, als ich dich entschlossen fand, mich zu verlassen. Ich habe mich geirrt, das seh ich wohl, als ich annahm, daß du redlicher gegen mich vorgehen würdest, als es im allgemeinen geschieht; das Übermaß meiner Liebe machte mich, wie es scheint, unfähig für alle Art von Verdacht und verdiente am Ende auch eine mehr als gewöhnliche Treue. Aber deine Anlage, mich zu verraten, ist so groß, daß sie schließlich das Übergewicht bekommt über die rechte Einschätzung alles dessen, was ich für dich getan habe. Ich wäre hinreichend unglücklich, wenn du nur deshalb Liebe für mich aufbrächtest, weil ich dich liebe; ich möchte alles deiner Zuneigung zu danken haben. Aber sogar von diesem Zustand bin ich so weit entfernt, daß ich seit sechs Monaten ohne einen einzigen Brief bleibe. Ich habe dieses ganze Unglück der Blindheit zuzuschreiben, mit der ich mich in meinem Gefühl zu dir gehen ließ. Hätte ich nicht voraussehen müssen, daß das, was ich genoß, eher aufhören wird als meine Liebe? Konnte ich mir einbilden, daß du dein ganzes Leben in Portugal bleiben, auf dein Land, auf deine Laufbahn verzichten würdest, einzig im Gedanken an mich? Es gibt keine Erleichterung für das, was ich leide, und die Erinnerung an mein Glück macht meine Verzweiflung erst vollkommen. Ist wirklich alle meine Sehnsucht umsonst? Werd ich dich nie mehr, hier in meinem Zimmer sehen, glühend, hingerissen, wie du warst? Ach, ach, da red ich mich hinein, und ich weiß doch so genau, daß deine ganze Bewegtheit, die mir Kopf und Herz einnahm, nur von ein bißchen Lust aufgeregt war und mit ihr zugleich aufhörte. In diesen Momenten von zu großer Seligkeit hätt ich imstand sein müssen, meine Vernunft anzurufen, daß sie das triste Übermaß meiner Wonnen einschränke und mir schon etwas von dem vorstelle, was ich jetzt leide. Aber ich warf mich dir hin, ganz und gar, außerstande, an etwas zu denken, was meine Freude vergiften und mich hindern könnte, die glühenden Beweise deiner Leidenschaft grenzenlos zu genießen. Es beschäftigte mich auf zu glückliche Art, mit dir beisammen zu sein, ich vermochte nicht zu denken, daß du eines Tages fort sein wirst und nicht bei mir. Trotzdem, ich weiß, hab ich dir manchmal gesagt, du würdest mich ins Unglück stürzen. Aber diese Angst ging rasch vorbei, ich genoß es auch noch, sie dir aufzuopfern und mich deinem Zauber und deinen falschen Versicherungen auszuliefern. Ich sehe wohl ein Mittel für alle meine Leiden, ich wäre sie los im Augenblick, da ich dich nicht mehr liebte. Aber was für ein Mittel! Nein, ich ziehe es vor, noch mehr auszustehen, als dich zu vergessen. Ach, hängts denn von mir ab? Ich kann mir keinen Vorwurf machen, auch nur einen Moment gewünscht zu haben, dich nicht mehr zu lieben. Du bist beklagenswerter als ich; denn es ist besser, durchzumachen, was ich durchmache, als in den hinfälligen Vergnügungen zu stecken, die dir deine Maitressen in Frankreich bereiten. Ich beneide dich nicht um deine Gleichgültigkeit, du tust mir leid. Ich möchte doch sehn, ob du mich ganz vergessen kannst. Es ist mein Stolz, es durchgesetzt zu haben, daß du ohne mich nur unvollkommene Genüsse haben kannst. Und ich bin glücklicher als du, denn ich bin weit mehr beschäftigt. Man hat mich seitdem zur Pförtnerin in diesem Kloster gemacht: alle, die zu mir sprechen, halten mich für wahnsinnig; ich weiß nicht, was ich ihnen antworte: die Nonnen müssen ebenso von Sinnen sein wie ich selbst, daß sie meinen konnten, ich wäre imstande, auf irgendwas aufzupassen. Ich bin voller Neid gegen Manoel und Francisco, die Glücklichen: warum bin ich nicht beständig bei dir, wie sie? ich wäre dir gefolgt, und, weiß Gott, es wäre meinem Herzen ein leichtes gewesen, dir besser zu dienen.

Ich habe keinen Wunsch auf dieser Welt, als dich zu sehn. Vergiß mich wenigstens nicht. Ich will mich begnügen mit deiner Erinnerung, aber ich habe keine Gewißheit dafür. Damals, als ich dich jeden Tag sah, da hoffte ich ganz andere Dinge als dein bißchen Erinnerung, aber du hast mich dazu abgerichtet, mich deinem Willen zu unterwerfen. Und doch, doch, ich bereue nicht, daß ich dich angebetet habe. Es macht mich froh, daß du gekommen bist mit deiner Verführung. Alle Härte deines Weggehns, vielleicht für immer, kann der Hingerissenheit meiner Liebe nicht Abbruch tun: ich will, daß die ganze Welt es weiß, ich mache kein Geheimnis daraus, ich bin entzückt, alles das, was ich tat, getan zu haben, für dich und gegen alles, was Sitte und Anstand heißt. Meine Ehre, meine Religion bestehen nur noch darin, dich aufs äußerste zu lieben, da ich einmal mit dieser Liebe angefangen habe.

Das alles sag ich dir nicht, damit du dich verpflichtet fühlst, mir zu schreiben. Tu dir nur keinen Zwang an. Ich will nur das, was von selbst aus dir kommt, und ich lehne alle Liebesbezeugungen ab, die du in dir zu unterdrücken vermöchtest. Wenn es dir Vergnügen macht, dich nicht anzustrengen, um mir zu schreiben, so werde ich mein Vergnügen darin finden, dich zu entschuldigen. Meine Neigung, dir alles zu verzeihen, ist ohne Grenzen.

Ein französischer Offizier hat mir, aus Barmherzigkeit, heute drei Stunden von dir gesprochen, er hat mir gesagt, daß Frankreich den Frieden geschlossen hat. Ist das der Fall, kannst du dann nicht kommen und mich mit nach Frankreich nehmen? Aber ich verdiene es nicht, tu, was dir gut scheint, meine Liebe hängt nicht mehr davon ab, wie du mich behandelst.

Seit du fort bist, hab ich nicht einen gesunden Augenblick, nichts bereitet mir Wohltun, als tausendmal im Tag deinen Namen herzusagen. Einige von den Nonnen kennen den beklagenswerten Zustand, in den du mich gestürzt hast, und kommen öfters und sprechen mir von dir. Ich verlasse so wenig wie möglich mein Zimmer, in dem du so viele Male eingetreten bist, ich bin immerfort vor deinem Bild, das mir tausendmal teurer ist als mein Leben. Es verschafft mir ein wenig Glück, aber es macht mir auch reichlich Kummer, wenn ich denke, daß ich dich vielleicht niemals wiedersehen werde. Warum, um alles in der Welt, darf es denn möglich sein, daß ich dich vielleicht nie wiedersehe ? Hast du mich für immer verlassen? Ich bin in Verzweiflung. ... Deine arme Marianna kann nicht mehr, sie schließt diesen Brief, sie fühlt eine Ohnmacht kommen. Adieu, adieu. Erbarm dich meiner.


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