Abraham a Sancta Clara
Wunderlicher Traum von einem großen Narrennest
Abraham a Sancta Clara

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Ein Verliebter Narr.

Die Lieb ist ein Dieb; ein Dieb ist gewest Judas, weil er Geld gestohlen; ein Diebin ist gewest die Rachel, weil sie ihrem Vatter die goldene Götzen-Bilder gestohlen; ein Dieb ist gewest der Achan, weil er bei Eroberung der Statt Jericho neben anderen einen Mantel gestohlen: aber noch ein grösserer Dieb ist die Lieb / dann dise stihlt denen Menschen gar die Vernunfft / und macht sie zu einem Narren / amantes, amentes. Amnon ein Sohn deß Davids hat sich dergestalten verliebt in sein Schwester die Thamar, daß er vor lauter Lieb ist kranck / und bethlägerig worden; es hat ihme weder Essen noch Trincken geschmeckt; das Gesicht ist ihme gantz und gar eingefallen / daß er ausgesehen / wie ein außgeblassene Sackpfeiffen; Tag und Nacht hat er geseufftzet nicht anderst / als wie ein ungeschmierte Hauß-Thür; er war dergestalten entzündt in der Lieb / daß er ohne Gefahr noch Schaden nicht hette können bei einem Stroh-Dach vorbei gehen; wol recht hat der Poët gesagt:

Bacchus und der Weiber Garn
Machen vil zu lauter Narren.

Im Evangelio seind drei Gäst gar höfflich eingeladen worden zur Mahlzeit / deren aber ist keiner erschinen / sondern der Erste sagte / daß er einen Meir-Hoff habe kaufft / müste also denselben sehen / er bitte / man wolle ihn entschuldiget haben: Der Andere sagte / er habe fünff Joch Ochsen eingehandelt / müste solche probieren / er bitte auch / man woll ihn entschuldiget haben: Der Dritte sagt / er habe ein Weib genommen / er könne nicht kommen / sagt aber nichts / daß man ihn soll entschuldiget haben: Warumb? Darumb / dann ich glaub / er ware schon ein Narr / die Lieb hat ihm den Verstand genommen.

Ein junger Gesell / als er vernommen / daß seine ihm eingebildte Braut / ihn zu nehmen / darumb sich weigerte / weil er nicht längst den Fuß gebrochen / nunmehr zwar geheilet / gleichwol aber sehr hincken thue / ist so frech gewest / daß er von freien stucken zu einem besseren Wund-Artzten gangen / den Fuß wider auff ein neues hat brechen lassen / und folgende also einrichten / daß er nachgehende nicht mehr gehuncken. O Narr!

Ein anderer von guten Hauß, schreibet seiner Liebsten ein Brieffel / und damit solches nit leer einlauffe / sondern ein Schanckung mit sich bringe / also schnitte er ihme einen Finger von der Hand hinweck / und schicket selbigen eingeschlossener in Brieff / zur Bedeutung seiner wahren / und unverfälschten Lieb. O Narr!

Ein anderer hat in Gesundheit seiner Liebsten nit allein ein Glaß Wein biß auff den letzten Tropffen außgetruncken / sondern noch das Glaß völlig mit den Zähnen zernaget / und zermahlet / und es wie den besten Zucker gantz gierig gefressen / daß ihme hierdurch das Ingeweid zerrissen / und folgsamb Lieb / und Leben zugleich verlassen. O Narr!

Ein anderer hat ein Handschueh seiner Liebsten entzuckt / selben gar klein zerschnittener sieden lassen / solchen an statt der Kuttel-Fleck gefressen / anbei bekennet / daß ihme die Zeit seines Lebens keine Speiß habe besser geschmeckt. O Narr!

Salomon hat es selbst bekennt / daß er wegen der Lieb zu denen Außländischen Weibern / zu denen Moabitischen und Ammonitischen / zu denen Edomitischen und Sidonitischen / etc. seie der gröste Narr worden / stultissimus fui Virorum, et Sapientia non fuit mecum. Proverb. c. 30.

Auff solchen Leist ware auch geschlagen / in solchen Model war auch gegossen / mit solcher Narren-Kappen ware auch gecrönt Dulcitius, ein Land-Vogt deß Kaisers Diocletiani, wie Baronius erzehlt A. 749. Agape, Chionia, und Irena haben GOTT ihr Jungfrauschafft verlobt / und auffgeopffert; Dulcitius war gegen disen in ungebührender Lieb entzündet / brache derowegen bei nachtlicher Weil / mit allen Gewalt in ihre Behausung / allwo sie würcklich in Andacht / und Betrachtung begriffen / er underdessen gantz rasent kombt in die Kuchl / wird von GOtt dergestalten verblendt / daß er die Kessel / und Häfen für Jungfrauen angeschaut / laufft auff sie dar / umbfanget selbige / kusset / und halset sie / nicht anderst / als hätte er seinen verlangten Schatz in Armben / er wuste nicht / daß er in der Kuchel / sondern glaubte er seie in der Kammer; er glaubte / er seie bei der Anna, nicht bei der Pfanne / kunte auch fast kein End machen ohne Liebkosen / und Kussen / also / daß er wie ein lebendiger Teufel wegen Rueß / und Schwärtze ausgesehen; unterdessen verharreten die HH. Jungfrauen in ihrem Gebett / als nun der Tag angebrochen / und die Morgenröthe den Erdboden beglantzet / auch mein sauberer (scilicet) Dulcitius den Weeg nach Hauß genommen / ist er unterweegs von männiglich für einen Narren gehalten worden; und blibe bei disen nicht allein / sondern sie haben ihn mit Brüglen wol abgesalbet / biß er endlich den Spiegel umb Rath gefragt / welcher dann ihme ohne einiges Schmeichlen die Warheit gezeigt / daß ihne sein bethörte Lieb vor GOtt und der Welt zu einen Narren gemacht habe. O GOtt! wann solches Wunderwerck öffter geschehe / wie vil wurde es schwartze Larven absetzen.


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