Georg Ebers
Der Kaiser
Georg Ebers

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Siebzehntes Kapitel

Der junge Bildhauer war nicht in dem Torhüterhäuschen gewesen, als Arsinoe vorbeikam. An sie gedacht hatte er oft genug, seitdem er sie vor der Büste ihrer Mutter wiedergesehen; aber gerade an jenem Nachmittag war seine Zeit und sein Können von einem anderen Mädchen in Anspruch genommen worden.

Balbilla hatte sich gegen Mittag auf die Lochias begeben, und zwar in Begleitung der würdigen Claudia, einer armen Senatorswitwe, die ihr, der reichen, vater- und mutterlosen Waise, seit mehreren Jahren als Ehrendame und Gesellschafterin zur Seite stand.

Zu Rom leitete diese Matrone den Hausstand Balbillas, und zwar mit ebenso großem Geschick wie Vergnügen. Aber sie war doch nicht völlig mit ihrem Lose zufrieden; denn die Reiselust ihrer Schutzbefohlenen zwang sie oft, die Hauptstadt zu verlassen, und es gab für sie außer Rom keinen Ort, in dem es sich zu leben lohnte.

Nach Bajae ins Bad zu gehen, im Winter einmal, um der Kälte des Januar und Februar zu entfliehen, an der ligurischen Küste einige Wintermonate zuzubringen, das ließ sie sich gefallen; denn dort war sie sicher, wenn auch nicht Rom, so doch Römer wiederzufinden; aber dem Wunsche Balbillas, in einem schwankenden Meerschiffe das heiße Afrika aufzusuchen, das sie sich wie einen glühenden Ofen vorstellte, hatte sie entschiedenen Widerstand entgegengesetzt. Zuletzt war sie doch gezwungen worden, gute Miene zum bösen Spiel zu machen; denn die Kaiserin hatte dem Verlangen, Balbilla mit an den Nil zu nehmen, so entschiedenen Ausdruck gegeben, daß Widerspruch Ungehorsam gewesen wäre. Im stillen mußte sie sich auch sagen, daß ihr übermütiges und eigenwilliges Pflegetöchterchen – so nannte sie Balbilla am liebsten – auch ohne die Einmischung Sabinas den Willen durchgesetzt hätte.

Balbilla war in den Palast gekommen, um Pollux zu einer Büste zu sitzen.

Als Selene an den Schranken vorbeikam, die den Jugendgespielen und seine Arbeit ihren Blicken entzogen, war die würdige Matrone auf ihrem Polster entschlummert und der Bildhauer mit allem Eifer bestrebt gewesen, der vornehmen Jungfrau zu beweisen, daß die Größe ihres Haarschmucks übertrieben sei und durch seine Masse die Wirkung der feinen Züge ihres Antlitzes beeinträchtige.

Er bat sie, sich zu erinnern, in wie einfacher Weise die großen Meister von Athen in den Blütentagen der plastischen Kunst den Haarschmuck anmutiger Frauen zu behandeln gelehrt hätten, und bot ihr an, ihr mit eigener Hand das Haar, wie es sich kleiden würde, zu ordnen, wenn sie morgen, bevor ihre Zofe das erste Löckchen gebrannt, zu ihm zurückkehrte. Heute, sagte er, würden die niedlichen Dingelchen doch wieder in ihre Rundung zurückspringen, wie die Feder an einer Fibula, die man auseinandergebogen.

Balbilla widersprach ihm mit heiterer Lebendigkeit, verwahrte sich gegen sein Verlangen, ihr Zofendienste zu leisten, und verteidigte ihre Haartracht mit den Anforderungen der Mode.

»Aber diese Mode ist unschön, ungeheuerlich, ins Auge schlagend,« rief Pollux. »Nicht um zu verschönern, um aufzufallen, erdachten sie eitle Römerinnen in müßigen Stunden.«

»Durch mein Äußeres aufzufallen,« entgegnete Balbilla, »ist mir zuwider. Gerade wenn man der Mode folgt, und wäre sie noch so auffällig, macht man sich weniger bemerkbar, als wenn man ihr trotzt und sich geflissentlich viel schlichter, bescheidener, kurz anders trägt, als sie es gebietet. Wen hältst du für eitler, die modisch gekleideten jungen Herren auf der kanopischen Straße, oder die zynischen Philosophen mit dem zerzausten Haar, dem künstlich zerrissenen Filz auf den Schultern und dem groben Knüttel in der schmutzigen Hand?«

»Die letzteren,« gab Pollux zurück; »aber sie sündigen gegen die Gesetze der Schönheit, für die ich dich gewinnen möchte und die jede Anforderung der Mode so sicher überleben werden wie die homerische Ilias das Geleier eines Straßensängers, der von der Mordtat erzählt, die gestern unsere Stadt in Aufregung versetzte. Bin ich der erste, der es versucht, ein Bildnis von dir zu formen?«

»Nein,« lachte Balbilla, »fünf römische Künstler haben sich schon an diesem Kopfe versucht.«

»Und ist eine ihrer Büsten so ausgefallen, daß sie dir genügt?«

»Besser als herzlich schlecht hab' ich keine gefunden.«

»So wird dein hübsches Antlitz also in fünffältiger Verzerrung auf die Nachwelt kommen.«

»O nein, ich ließ sie alle zerschlagen.«

»Das war ihnen gesund,« rief Pollux eifrig. Dann wandte er sich mit einer natürlichen Bewegung seinem entstehenden Bildwerke zu und redete es an: »Armer Ton. Wenn die schöne Dame, der du ähnlich gemacht werden sollst, das Chaos ihrer Locken nicht preisgibt, so wird es dir ganz gewiß wie deinen fünf Vorgängern ergehen.«

Bei dieser Verheißung war die Matrone erwacht und fragte:

»Ihr sprecht wohl von Balbillas zerschlagenen Büsten?«

»Ja,« entgegnete die Dichterin.

»Vielleicht wird diese hier ihnen folgen,« seufzte Claudia. »Weißt du auch, was ihr in diesem Falle bevorsteht?«

»Nun?«

»Diese Jungfrau versteht sich ein wenig auf deine Kunst.«

»Ich habe bei Aristeas etwas stümpern gelernt,« unterbrach sie Balbilla.

»Aha, weil das durch den Kaiser in Mode gekommen ist, und es in Rom auffiele, sich nicht mit Bildhauerei zu beschäftigen.«

»Vielleicht!«

»Und bei jeder fertigen Büste,« fuhr die Matrone fort, »versuchte sie, was ihr besonders mißfiel, mit eigener Hand zu verändern.«

»Ich arbeitete nur den Sklaven vor,« fiel Balbilla der Begleiterin ins Wort. »Meine Leute haben übrigens nach und nach eine gewisse Übung im Zerschlagen erlangt.«

»So ist meinem Werke wenigstens ein schnelles Ende beschieden,« seufzte Pollux. »Freilich: alles Entstehende kommt mit seinem Todesurteil auf die Welt.«

»Würde dich ein schneller Untergang deiner Arbeit kränken?« fragte Balbilla.

»Ja, wenn ich mein Werk für gelungen, nein, wenn ich es für verfehlt hielte.«

»Wer eine schlechte Büste aufbewahrt,« sagte Balbilla, »trägt Sorge, daß eine unverdient schlechte Nachrede über ihn auf spätere Geschlechter kommt.«

»Gewiß! Aber woher nimmst du den Mut, dich zum sechstenmal solcher schwer zu verwischenden Verleumdung auszusetzen?«

»Weil ich zerschlagen lassen kann, was mir beliebt,« lachte das verwöhnte Mädchen. »Das Stillsitzen ist sonst nicht meine Sache.«

»Wahrhaftig nicht,« seufzte Claudia. »Von dir erwartet sie indes etwas Gutes.«

»Ich danke,« versetzte Pollux, »und will mir alle Mühe geben, etwas zustande zu bringen, das den Anforderungen entspricht, die ich an ein Marmorbildnis stelle, das erhalten zu werden verdient.«

»Und diese Anforderungen heißen?«

Einige Augenblicke dachte Pollux nach und entgegnete dann:

»Mir steht nicht immer das rechte Wort für das, was ich als Künstler empfinde, zur Verfügung. Ein plastisches Bildnis, das seinem Schöpfer genügen kann, muß zwei Bedingungen erfüllen: es soll in äußerlich ähnlichen Formen der Nachwelt zeigen, was in dem dargestellten Menschen steckte, und ferner derselben Nachwelt vor Augen führen, was die Kunst zu derjenigen Zeit, in der es hergestellt ward, zu leisten vermochte.«

»Das läßt sich hören; aber du vergißt dich selbst.«

»Du meinst meinen Ruhm?«

»Freilich.«

»Ich arbeite für Papias und diene der Kunst. – Das ist mir genug. Der Ruhm fragt einstweilen nicht nach mir und ich nicht nach ihm.«

»Du wirst aber doch auch meine Büste mit deinem Namen versehen?«

»Warum nicht!«

»Weiser Cicero!«

»Cicero?«

»Du kennst wohl kaum die kluge Bemerkung des alten Tullius, daß die Philosophen, die über die Eitelkeit des Ruhmes schreiben, dennoch ihren Namen auf ihre Bücher setzen.«

»Ich verachte den Lorbeer nicht, aber ich will nichts erjagen, was mir nur den Wert zu haben scheint, wenn es mir ungesucht zufällt, weil es mir zufallen muß.«

»Gut. Deine erste Bedingung würde aber doch nur erfüllbar für dich sein, wenn es dir gelänge, mein Denken, mein Empfinden, alles in allem mein ganzes inneres Wesen zu erkennen.«

»Ich sehe dich an und rede mit dir,« entgegnete Pollux.

Claudia lachte laut auf und rief:

»Unterhalte dich statt zweimal zwei Stunden ebenso viele Jahre mit ihr, und du wirst immer Neues an ihr entdecken. Keine Woche vergeht, in der sie Rom nicht etwas zu raten aufgibt. Dieser rastlose Tollkopf kommt niemals zur Ruhe; dafür aber bleibt sich freilich dies goldene Herz immer und überall gleich.«

»Und du glaubst, daß mir das neu sei?« fragte Pollux. »Den rastlosen Geist meines Modells seh' ich auf seiner Stirn und an seinem Munde, und wie sein Gemüt beschaffen ist, das verraten mir die Augen.«

»Und meine Stumpfnase?« fragte Balbilla.

»Sie legt Zeugnis ab, daß Rom recht hat, wenn deine wunderlich lustigen Einfälle es in Erstaunen versetzen.«

»Vielleicht arbeitest du doch nicht für den Hammer der Sklaven,« lachte Balbilla.

»Und täte ich's,« entgegnete Pollux, »so bliebe mir immerhin die Erinnerung an diese angenehme Stunde.«

Der Baumeister Pontius unterbrach den Bildhauer und ersuchte Balbilla, ihn zu entschuldigen, wenn er die Sitzung störe. Pollux müsse sogleich etwas Wichtiges begutachten, werde aber in zehn Minuten wieder bei der Arbeit sein.

Sobald die beiden Frauen allein waren, stand Balbilla auf und sah sich in der von Schranken begrenzten Werkstätte des Bildhauers neugierig um; ihre Begleiterin aber sagte:

»Ein artiger junger Mann, dieser Pollux; doch etwas ungezwungen und überlebendig.«

»Ein Künstler,« entgegnete Balbilla und kehrte jedes Bild und Täfelchen mit den Zeichenstudien des Bildhauers um, hob das Tuch von dem Wachsmodell der Urania, prüfte den Klang der Laute, die an einer der Schranken hing, war bald hier, bald dort und blieb zuletzt vor einem großen, mit Tüchern fest umwickelten Tonstück in einer Ecke der Werkstätte stehen.

»Was mag das sein?« fragte sie Claudia.

»Gewiß ein halb vollendetes neues Modell.«

Balbilla betastete den vor ihr stehenden Körper mit den Fingerspitzen und sagte:

»Es scheint mir ein Kopf zu sein. Jedenfalls etwas Besonderes! Auf so fest verdeckten Schüsseln liegen oft die besten Gerichte. Enthüllen wir denn dies verschleierte Bildnis.«

»Wer weiß, was es ist,« warnte Claudia, indem sie eine Schnur von den Tüchern löste, die die Büste verbargen. »Es gibt oft merkwürdige Sachen in solchen Werkstätten.«

»Ei was! Es ist nur ein menschliches Haupt; ich fühl' es,« rief Balbilla.

»Aber man kann doch nicht wissen,« fügte die Matrone hinzu und löste einen Knoten. »Diese Künstler sind so unbändige, unberechenbare Menschen.«

»Nimm du diesen Zipfel, ich hebe hier,« bat Balbilla, und einen Augenblick später schaute das Zerrbild der jungen Römerin, das Hadrian am letzten Abend geformt hatte, in seiner ganzen fratzenhaften Häßlichkeit der Dichterin entgegen.

Sie erkannte sich sogleich wieder und lachte im ersten Augenblick laut auf; je länger sie aber das Zerrbild betrachtete, desto ärgerlicher, verdrossener, empörter schaute sie drein. Sie kannte ihr eigenes Antlitz Zug für Zug und wußte, was schön, was weniger schön an ihm war; dies Bildnis aber berücksichtigte nichts als das weniger Ansprechende, hob es schonungslos hervor und übertrieb es mit ausgesuchter Bosheit. Dieser Kopf war häßlich zum Erschrecken und dennoch der ihre. Während sie ihn auch von der Seite betrachtete, erinnerte sie sich der Eigenschaften, die Pollux aus ihren Zügen herauszulesen versichert hatte, und tiefe Empörung bemächtigte sich ihrer jungen Seele.

Ihr großer, unerschöpflicher Reichtum, der ihr jede ihrer Launen rücksichtslos zu befriedigen gestattete und ihr Bewunderung selbst für ihre Torheiten sicherte, hatte sie doch nicht vor mancher Enttäuschung geschützt, die anderen Mädchen in bescheidener Lebensstellung erspart bleiben.

Ihre Güte und ihre offene Hand waren oft mißbraucht worden, auch von Künstlern, und das war gewiß, daß der Mann, der dieses Zerrbild geformt und sich an allem, was unschön an ihr war, so boshaft ergötzt hatte, nicht um ihrer selbst willen seine Kunst an ihr zu bewähren begehrte, sondern nur um des hohen Lohnes willen, den sie für ein schmeichelndes Bildnis zu zahlen vermochte.

Sie hatte Wohlgefallen an der frischen und freudigen Künstlernatur des jungen Bildhauers, seinem offenen Wesen und seiner ehrlichen Sprechweise gefunden. Sie war überzeugt gewesen, daß Pollux eher als ein anderer das auffassen würde, was ihrem in strengem Sinne nicht schönen Gesichte jenen eigentümlichen Zauber verlieh, den sie sich trotz des Zerrbildes, das da vor ihr stand, nicht abstreiten ließ.

Sie fühlte sich um eine trübe Erfahrung reicher, empört und beleidigt.

Gewohnt, auch ihrem Mißfallen Ausdruck zu geben, rief sie lebhaft und mit feuchten Augen:

»Das ist schändlich, das ist gemein! Meinen Umwurf, Claudia! Keinen Augenblick will ich diesem Menschen länger zur Zielscheibe für seine plumpen, boshaften Spaße dienen.«

»Es ist nichtswürdig,« rief die Matrone, »eine Jungfrau von deinem Stande so zu verunglimpfen. Hoffentlich wartet die Sänfte draußen.«

Der Baumeister Pontius hatte die zürnenden Worte Balbillas gehört. Er war ohne Pollux, mit dem der Präfekt noch immer redete, in die Werkstätte getreten und sagte, indem er sich Balbilla näherte, ernst:

»Du hast recht, empört zu sein, edle Jungfrau. Dies Ding ist eine Beleidigung von Ton, boshaft und dabei roh in jedem Zuge; aber Pollux hat es nicht gemacht, und es ist nicht gut, zu verdammen, ohne zu prüfen.«

»Du verteidigst den Freund,« rief Balbilla.

»Auch für meinen Bruder würde ich nicht die Unwahrheit reden.«

»Wie der andere im Scherz, so weißt du dir im Ernst das Ansehen redlicher Gesinnung zu geben.«

»Du bist gereizt und nicht gewohnt, die Zunge zu zügeln,« entgegnete der Baumeister. »Pollux, ich wiederhole es, hat diese Fratze nicht gemacht, sondern ein Bildhauer aus Rom.«

»Welcher? Wir kennen sie alle.«

»Ich darf seinen Namen nicht nennen.«

»Da hast du's. Gehen wir, Claudia.«

»Bleibe,« sagte Pontius entschieden. »Wärest du nicht die, die du bist, ich ließe dich gehen, wohin du begehrst mit deinem Zorne und der doppelten Schuld auf der Seele, zwei wohlgesinnten Männern unrecht getan zu haben. Da du aber des Claudius Balbillus Enkelin bist, halte ich es für meine Pflicht, dir zu sagen: hätte Pollux dies Zerrbild gemacht, wär' er nicht mehr in diesem Palaste; denn ich würde ihn hinausgewiesen und dies Machwerk ihm nachgeworfen haben. Du siehst mich verwundert an; denn du weißt nicht, wer hier so mit dir redet.«

»Doch, doch,« entgegnete Balbilla beruhigt; denn sie war überzeugt, daß dieser Mann, der wie aus Erz gegossen und mit zusammengezogenen Augenbrauen vor ihr stand, die Wahrheit rede und irgendein Recht besitze, so ungewöhnlich entschieden mit ihr zu sprechen. »Doch! Du bist der erste Baumeister dieser Stadt, von dem Titianus, nachdem wir dich kennen gelernt hatten, uns Großes erzählte; aber wie soll ich mir deine besondere Teilnahme erklären?«

»Es ist meine Pflicht, dir zu dienen – wenn es sein muß, auch mit dem Leben.«

»Du?« fragte Balbilla befangen. »Ich sah dich gestern zum ersten Male.«

»Und dennoch darfst du frei über alles, was ich bin und habe, verfügen; denn mein Großvater war der Sklave des deinen.«

»Ich weiß nicht,« entgegnete Balbilla mit wachsender Verlegenheit.

»Sollte in deinem Hause der Lehrer deines edlen Großvaters, der alte Sophinus, völlig vergessen worden sein, den Claudius Balbillus freigab und der auch deinem Vater Unterricht erteilte?«

»Gewiß, ganz gewiß nicht,« rief Balbilla. »Er war ein herrlicher Mann und dazu ein großer Gelehrter.«

»Meines Vaters Vater,« sagte der Baumeister.

»Also gehörst du mit zu unserer Familie,« rief Balbilla und streckte ihm freudig die Hand hin.

»Dank für dies Wort,« gab ihr Pontius zurück, »und nun noch einmal: Pollux hat nichts mit diesem Machwerke zu tun.«

»Nimm mir den Umwurf ab, Claudia,« befahl das Mädchen; »ich fahre fort, dem jungen Künstler zu sitzen.«

»Heute nicht; es würde der Arbeit nur schaden,« entgegnete der Baumeister. »Laß den Verdruß, dem du einen so heftigen Ausdruck gabst – ich bitt' dich – in anderer Umgebung verklingen. Der Bildhauer darf nicht wissen, daß du dies Machwerk gesehen hast; es würde ihm die Unbefangenheit rauben. Kommst du mit beruhigter Seele und heiterer, von Anmut beschränkter Lebendigkeit morgen wieder, dann kann Pollux ein Bildnis von dir gestalten, das der Großtochter des Claudius Balbillus gerecht wird.«

»Und hoffentlich auch dem Enkel seines weisen, unvergessenen Lehrers,« sagte das Mädchen, grüßte den Baumeister freundlich und schritt mit der Begleiterin dem Ausgange der Musenhalle zu, bei dem sie von einigen Sklaven erwartet wurde.

Pontius gab ihr schweigend bis zu ihren Dienern das Geleite. Dann kehrte er zu der Werkstätte des Bildhauers zurück und band von neuem das Tuch fest um das Zerrbild.

Als er aus den Schranken wieder hinaus in die Halle trat, eilte ihm Pollux entgegen und rief ihm zu:

»Der Baumeister aus Rom will dich sprechen; – ein großartiger Mensch.«

»Balbilla ist abgerufen worden und läßt dich grüßen,« entgegnete Pontius. »Schaffe das Ding da fort, damit sie es nicht sieht. Es ist roh und abscheulich.«

Wenige Augenblicke später stand er vor dem Kaiser, der ihm seinen Wunsch zu erkennen gab, die Sitzung Balbillas ein wenig zu belauschen.

Als der Baumeister ihm mit der Bitte, Pollux den Vorfall zu verschweigen, erzählte, was sich hinter den Schranken zugetragen hatte und wie entrüstet sich die junge Römerin über ihr allerdings beleidigendes Zerrbild gezeigt habe, rieb Hadrian sich die Hände und lachte laut vor Vergnügen.

Pontius biß die Zähne aufeinander und sagte dann ernst:

»Balbilla scheint mir eine heitere, aber edel gesinnte Jungfrau zu sein. Ich sehe keine Ursache, sie zu verlachen.«

Hadrian sah dem kühnen Baumeister scharf in die ernsten Augen, ließ ihm die Hand auf die Schulter fallen und entgegnete mit einem Anflug von Drohung in der tiefen Stimme:

»Das in meiner Gegenwart zu tun, würde dir und jedem anderen auch übel bekommen. Der Alte nimmt sich heraus, mit Kunstwerken zu spielen, die die Kinder nicht anrühren dürfen!«


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