Georg Ebers
Der Kaiser
Georg Ebers

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Vorwort

Vor vierzehn Jahren plante ich nach einer Reihe von Vorlesungen, welche ich über die Römerzeit in Ägypten gehalten hatte, die Geschichte, welche ich in diesem Buche erzähle. Aber wissenschaftliche Arbeit drängte die Lust am poetischen Schaffen zurück, und als diese die Flügel wiederum kräftiger zu regen begann, fühlte ich mich von anderen Stoffen lebendiger angeregt. So kam es denn, daß ich die Zeit Hadrians später zum Hintergrunde einer Dichtung wählte, als selbst die jüngere Epoche der anachoretischen Bewegung.

Mit der Beendigung dieses Romans hat mein alter Wunsch, die wichtigsten Abschnitte der Geschichte des ehrwürdigen Volkes, dem ich seit beinahe einem Vierteljahrhundert mein Leben weihe, dichterisch zusammenzufassen, seine Erfüllung gefunden. Die Glanztage der Pharaonenzeit habe ich in der »Uarda«, den Heimfall Ägyptens an die junge Weltmacht der Perser in der »Königstochter«, die hellenische Epoche unter den Lagiden in den »Schwestern«, die Römerzeit und das Aufkeimen des jungen Christentums in dem »Kaiser« und die anachoretische Bewegung in den Ägypten benachbarten Wüsten und Felsenlandschaften in »Homo sum« zur Darstellung zu bringen versucht. So wird denn »Der Kaiser« der letzte Roman sein, dem ich das alte Ägypten zum Schauplatz anweise.

Diese Reihe von Dichtungen hat meine Leser nicht nur mit der Kulturgeschichte Ägyptens bekannt machen, sondern ihnen auch die Erkenntnis von einigen besonders mächtigen Ideen, welche das Altertum bewegt haben, erleichtern sollen.

Wieweit es mir gelungen ist, die dargestellten Epochen zu farbigen, der Wirklichkeit nahekommenden Gemälden zusammenzufassen, wage ich nicht zu beurteilen. Denn wenn sich schon gegenwärtige Dinge in verschiedenen Köpfen verschieden spiegeln, so muß dies doch weit bestimmter bei längst vergangenen und halb vergessenen der Fall sein.

Wie oft war ich genötigt, wenn bei der Wiederbelebung einer fernen Vergangenheit die Mittel der Wissenschaft versagten, von der Einbildungskraft Rat und Hilfe zu fordern und mich des Wortes zu erinnern, daß der Dichter ein rückwärts schauender Prophet sein soll. Ruhig durfte ich der Phantasie gestatten, die Flügel zu entfalten, denn ich blieb Herr über sie und kannte die Grenzen, bis zu denen ich ihr erlauben durfte, sich aufzuschwingen. Ich hielt es für mein Recht, viel frei Erfundenes zu zeigen, aber nichts, das nicht in der darzustellenden Zeit möglich gewesen wäre. Die Rücksicht auf diese Möglichkeit hat überall der Phantasie Schranken gesetzt; wo die vorhandenen Quellen gestatteten, völlig treu und wahr zu sein, bin ich es stets gewesen, und die vorzüglichsten unter meinen Fachgenossen in Deutschland, England, Frankreich und Holland haben dies mehr als einmal bezeugt. Aber ich brauche wohl kaum hervorzuheben, daß die dichterische Wahrheit eine andere ist als die historische, denn diese soll möglichst unberührt bleiben von der Subjektivität ihres Verkünders, jene kann nur durch das Medium der Phantasie des Künstlers zur Wirkung gelangen.

Wie meine beiden letzten Romane, so lasse ich auch den »Kaiser« ohne Anmerkungen. Ich tue es in dem frohen Bewußtsein, durch gelehrte und andere Arbeiten einiges Recht auf das Vertrauen der Leser gewonnen zu haben. Nichts hat mich mehr zu immer neuem poetischem Schaffen ermutigt als der Umstand, daß durch diese Dichtungen meiner Wissenschaft mehrere Jünger zugeführt worden sind, deren Namen jetzt unter den Ägyptologen mit Achtung genannt werden.

Jeder mit der Zeit Hadrians Vertraute wird auch bei kleineren Zügen erkennen, welchem Autor, welcher Inschrift, welchem Denkmal sie entnommen worden sind; dem größeren Kreise meiner Leser will ich den Genuß an der Dichtung nicht trüben. Es würde mich beglücken, wenn dieser Roman den Namen eines echten Kunstwerkes verdiente, und die Betrachtung eines solchen soll vor allen Dingen erfreuen und erheben. Wer dabei Bereicherung seines Wissens empfängt, darf doch nicht merken, daß er belehrt wird.

Kenner der Geschichte Alexandrias unter den Römern werden sich wundern, daß ich Therapeuten am mareotischen See unberücksichtigt lasse. Ich hatte ihnen ursprünglich ein eigenes Kapitel zugedacht, Lucäs neueste Untersuchungen bestimmten mich aber, es ungeschrieben zu lassen.

Jahre des Studiums habe ich den Anfängen des Christentums, namentlich in Ägypten, gewidmet, und es gereicht mir zum besonderen Genuß, auch anderen zu vergegenwärtigen, wie sich zur Zeit Hadrians die reine, von menschlichen Zutaten noch wenig getrübte Lehre des Heilandes der Herzen bemächtigte und bemächtigen mußte. Neben dem triumphierenden Glauben zeige ich die edle Blüte des Wesens, die Kunst, welche in späteren Jahrhunderten vom Christentum, um sich mit ihren schönen Formen zu schmücken, herangezogen wurde. Die aus der Zeit meiner Erzählung stammenden Antinousstatuen und Büsten beweisen, daß es der welkenden Pflanze beschieden war, unter Hadrian neue Blätter zu treiben.

Die romantischen Züge, die ich dem Charakter meines die Welt durchwandernden Helden beilege, der Berge bestieg, um sich am Glanz der aufgehenden Sonne zu freuen, sind ihm tatsächlich eigen gewesen. Eine der schwierigsten Aufgaben, welche ich mir jemals gestellt habe, war die, aus den an inneren Widersprüchen so reichen Nachrichten über Hadrian ein Menschenbild zu gestalten, an dessen Wahrheit ich selbst zu glauben vermochte; aber wie gern bin ich an ihre Lösung gegangen! Es gab bei der Anlage dieser Dichtung viel zu bedenken, aber sie selbst ist ganz aus dem Herzen ihres Verfassers gegossen. Möge sie auch den Weg in die Herzen der Leser finden.

Leipzig, den 2. November 1880.

Georg Ebers


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