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7. April 1521 - 27. April 1521
Nach drei Tagen Meeresstille und glücklicher Fahrt, am 7. April 1521, nähert sich die Flotte der Insel Sebu; zahlreiche Dörfer zeigen von ferne schon, daß sie dicht bevölkert ist. Der königliche Pilot Calambu lenkt mit sicherer Hand das Steuer zur Hauptstadt hin, und bereits der erste Blick auf den Hafen belehrt Magellan, daß er es hier mit einem Rajah oder König höheren Ranges und kultivierterer Art zu tun haben wird, denn an der Reede liegen ausländische Dschunken und zahllose kleine einheimische Praus. Es gilt also, von vornherein imposant aufzutreten und sich als der Herr über Blitz und Donner zu erweisen. Magellan befiehlt allen Schiffen, eine Artilleriesalve zur Begrüßung abzugeben, und wie immer erregt dieses Wunder eines künstlichen Gewitters bei klarem Himmel zunächst ungeheures Entsetzen bei den Naturkindern; in schreiendem Schreck flüchten die Eingeborenen nach allen Seiten und verstecken sich. Aber sofort sendet Magellan seinen wackeren Dolmetsch Enrique ans Land, um dem Herrscher der Insel diplomatisch kundzutun, dieser Donner bedeute keineswegs ein Zeichen der Feindschaft, sondern mit solchem hohen Zauber wünsche der mächtige Kommandant dem mächtigen König von Sebu nur seinen besondern Respekt kundzutun. Der Herr dieser Schiffe sei selber bloß Diener, allerdings Diener des größten Herrn der Welt; auf dessen Befehl habe er das gewaltigste Meer der Erde durchfahren, um die Gewürzinseln aufzusuchen. Bei dieser Gelegenheit habe er aber nicht versäumen wollen, dem König von Sebu einen freundschaftlichen Besuch abzustatten, weil er in Massawa vernommen habe, ein wie weiser und freundlicher Fürst der König von Sebu sei. Gerne sei der Kommandant des Donnerschiffs bereit, dem Monarchen dieser Insel niegesehene köstliche Waren zu zeigen und mit ihm in Tauschhandel zu treten. Keinesfalls aber wolle er lange bleiben, sondern nach geschlossener Freundschaft sofort wieder die Inseln verlassen, ohne dem weisen und mächtigen König die mindeste Ungelegenheit bereitet zu haben.
Der König oder vielmehr der Rajah von Sebu, Humabon, ist nun kein so argloses Naturkind mehr wie die nackten Wilden der Ladronen und die »Riesen« Patagoniens. Er hat bereits vom Baum der Erkenntnis gegessen, weiß um Geld und Geldeswert; dieser gelbbraune Fürst am andern Ende der Welt ist praktischer Nationalökonom, was sich dadurch bekundet, daß er die hochkultivierte Errungenschaft der Transitgebühren für seinen Hafen entweder von andern übernommen oder selbst erfunden hat. Dem gerissenen Handelsmann imponiert weder der Kanonendonner noch beschmeichelt ihn die Honigrede des Dolmetschers. Kühl erklärt er Enrique, er verweigere keineswegs diesen unbekannten Fremden die Einfahrt in seinen Hafen, und die neue Geschäftsverbindung sei ihm willkommen. Aber jedes Schiff, das anlege, müsse ausnahmslos eine Taxe, einen Hafenzoll bezahlen. Es möge also dieser große fremde Kapitän der drei großen fremden Schiffe, wenn er hier Tauschhandel treiben wolle, zunächst einmal die übliche Gebühr entrichten.
Der Sklave Enrique weiß sofort, daß sein Herr als Admiral einer königlichen Armada und Ritter von Santiago niemals einem solchen Duodezhäuptling Hafenzoll zahlen wird. Denn durch einen solchen Tribut würde er implicite die Oberhoheit oder Selbständigkeit eines Landes anerkennen, welches Spanien gemäß der päpstlichen Bulle von vornherein schon als seine Provinz betrachtet. Dringlich legt darum Enrique dem König Humabon nahe, in diesem besonderen Falle auf die Taxe zu verzichten und es nicht auf Feindschaft mit dem Herrn des Donners und des Blitzes ankommen zu lassen. Der kommerziell gesinnte Rajah wiederholt sein Bedauern. Erst Geld, dann die Freundschaft. Erst müsse man zahlen, da gäbe es keine Ausnahmen. Und als Zeugen läßt er einen mohammedanischen Händler rufen, der eben von Siam mit einer Dschunke gekommen ist und widerspruchslos den Zoll entrichtet hat.
In Bälde erscheint der maurische Händler und wird sofort blaß. Bei dem ersten Blick auf die großen Schiffe mit dem Kreuz von Santiago auf den gespannten Segeln hat er die schlimme Sachlage erfaßt. Wehe, auch diesen letzten, verborgensten Winkel des Ostens, wo man noch ungehindert von diesen Piraten sein redliches Geschäft treiben konnte, haben die Christen ausgekundschaftet! Auch hier sind sie schon mit ihren furchtbaren Kanonen und Arkebusen, diese Mörder und Feinde Mohammeds! Vorbei nun das friedliche Geschäft, vorbei der gute Gewinn! Hastig flüstert er dem König zu, vorsichtig zu sein und sich mit diesen unwillkommenen Gästen nicht in Streit einzulassen. Es seien dieselben – hier verwechselt er freilich die Spanier mit den Portugiesen –, die Calicut, ganz Indien und Malacca geplündert und erobert hätten. Niemand könne diesen weißen Teufeln widerstehen.
Abermals hat sich mit diesem Erkennen ein Kreis geschlossen: am andern Ende der Welt, unter andern Sternen, hat Europa wieder Europa berührt. Bisher hatte Magellan, nach Westen steuernd, fast überall von Europäern noch unbetretenes Land gefunden. Keiner der Eingeborenen, die ihm entgegengetreten waren, hatte je von weißen Männern gehört gehabt, keiner je vordem einen Europäer gesehen. Selbst Vasco da Gama war, in Indien landend, von einem Araber portugiesisch angesprochen worden; er aber hatte zwei Jahre nicht ein einziges Mal sich erkannt gefühlt, wie auf einem fremden, unbehausten Stern waren die Spanier im Leeren gewandert. Den Patagoniern waren sie wie himmlische Wesen erschienen, wie vor Teufeln oder bösen Geistern hatten die Bewohner der Diebsinseln sich vor ihnen in die Büsche geschlagen. Hier nun, am andern Ende des Erdkreises, stehen die Europäer endlich wieder einem gegenüber, der sie kennt, der sie erkennt – eine Brücke ist geschlagen von ihrer Welt zu diesen neuen Welten über ozeanische Fernen. Der Ring ist geschlossen: ein paar Tage, ein paar hundert Meilen noch, und er wird nach zwei Jahren wieder Europäern begegnen, Christen, Kameraden, Glaubensgefährten. Wenn Magellan noch zweifeln konnte, ob er wirklich schon nahe dem Ziele sei, nun wird es ihm abermals bekräftigt: denn Sphäre hat Sphäre berührt, das Ungeheure ist vollbracht, die Welt ist umrundet.
Die warnenden Worte des maurischen Händlers machen auf den König von Sebu sichtlichen Eindruck. Eingeschüchtert verzichtet er sofort auf die geforderte Hafengebühr. Als offenkundigen Beweis seiner gastfreundlichen Absicht lädt er die Abgesandten Magellans zu einem reichlichen Mahl, und – drittes unwiderlegliches Zeichen, daß die Argonauten nahe von Argos sind diese Speisen werden nicht mehr serviert auf Bastmatten oder Holzplatten, sondern auf Porzellan, das geradewegs aus China kommt, aus dem sagenhaften Cathai Marco Polos. Cipangu und Indien können also nur mehr eine Handbreit weit sein, die Spanier stehen bereits am Rande der orientalischen Kultur. Der Traum des Columbus, von Westen her Indien zu erreichen, ist erfüllt.
Nach Beilegung des diplomatischen Zwischenfalls beginnt ungehindert der offizielle Austausch von Höflichkeiten und Waren. Pigafetta wird als Bevollmächtigter ans Ufer gesandt; gerne erklärt der König von Sebu sich geneigt, mit dem mächtigen Kaiser Karl ein ewiges Friedensbündnis zu schließen, und Magellan tut alles, um diesen Frieden ehrlich zu bewahren. Im sichtlichsten Gegensatz zu den Cortez' und Pizarros, die sofort ihre Bluthunde von der Koppel lassen, barbarisch die Bevölkerung hinschlachten und versklaven, einzig darauf bedacht, so rücksichtslos und rasch als möglich das Land auszurauben, war es diesem weiter denkenden und humaneren Entdecker während der ganzen Reise ausschließlich um pazifistische Durchdringung zu tun; Magellan suchte von Anfang an die Einverleibung der neuen Provinzen lieber durch Freundlichkeit und Vertrag als durch Blut und Gewalt zu erreichen. Nichts gibt der Gestalt Magellans ein so außerordentliches moralisches Übergewicht über alle andern Konquistadoren der Zeit als dieser unbeugsame Wille zur Humanität. Magellan war persönlich eine harte, spröde Natur, er hielt – sein Verhalten bei der Meuterei hat es bewiesen – eherne Zucht in seiner Flotte, er kannte keine Nachsicht und keine Rücksicht. Aber wenn er auch hart war, so bleibt ihm doch die Ehre, niemals grausam gewesen zu sein; nicht eine einzige jener Barbareien, welche für immer die Großtaten eines Cortez, eines Pizarro beflecken, die Verbrennung der Kaziken, die Folterung Guatamozins, schändet sein Gedenken, kein Wortbruch, zu dem sich sonst die Konquistadoren gegenüber den »Heiden« völlig befugt vermeinten, entehrt seinen Triumph. Bis zur Stunde seines Tods hat Magellan jeden Pakt mit jedem Häuptling streng und loyal eingehalten; diese Ehrlichkeit war seine beste Waffe und sie bleibt sein dauernder Ruhm.
Inzwischen hat der Handel begonnen, und zwar zu beiderseitiger Begeisterung. Die Insulaner bestaunen vor allem das Eisen, dieses harte, für Schwert und Speer und Hacke und Pflug so herrlich verwertbare Metall der Fremden – geringwertig scheint ihnen im Vergleich dazu das weiche, weißgelbe Gold, und wie im gesegneten Kriegsjahr 1914 geben sie begeistert Gold für Eisen. Vierzehn Pfund dieses in Europa fast wertlosen Metalls werden ausgewogen gegen fünfzehn Pfund Gold, und mit strengem Verbot muß Magellan die Matrosen hindern, welche bei dieser tollen Freigebigkeit der Goldverächter in Taumel der Begeisterung geraten, gleich auch ihre Kleider und Habe gegen Gold zu verkaufen, denn er will vermeiden, daß durch allzu ungestüme Nachfrage die Eingeborenen die Kostbarkeit dieses Metalls zu mutmaßen begännen und dadurch die Preise der Tauschware gedrückt würden. Magellan will den Vorteil der Unwissenheit wahren – im einzelnen aber sieht er strenge darauf, daß die Leute von Sebu in Maß und Gewicht nicht übervorteilt würden –, ihm, der immer in weiten Dimensionen denkt, geht es nicht um kleinen Geldvorteil, sondern darum, den Handel nicht auf die Dauer zu verderben und zugleich die Herzen, die Seelen dieser neuen Provinz zu gewinnen. Und wieder ist seine Rechnung richtig: bald gestalten sich die Beziehungen der Eingeborenen zu den freundlichen und mächtigen Fremden derart vertrauensvoll, daß freiwillig der König und mit ihm die meisten seiner Gefolgschaft erklären, sie wollten Christen werden. Was die andern spanischen Eroberer in Monaten und Jahren mit Daumschraube und Inquisition, mit grauenhaften Strafen und Feuerbrand erfolterten, das hat der tief religiöse und doch unfanatische Magellan in wenigen Tagen ohne jede Gewalt erreicht. Wie human, wie freigeistig er bei dieser Bekehrung zuwege gegangen, kann man bei Pigafetta nachlesen. »Der Kapitän sagte ihnen, sie sollten nicht Christen werden aus Furcht vor uns oder uns zu Gefallen, sondern wenn sie wirklich Christen werden wollten, so müßten sie es aus eigenem Wunsche tun und aus Liebe zu Gott. Aber auch, wenn sie nicht Christen werden wollten, so würde ihnen nichts Unfreundliches geschehen. Nur jene, welche Christen würden, sollten um so besser behandelt werden. Da riefen sie alle wie aus einem Munde, sie wollten Christen nicht aus Angst und nicht aus Gefälligkeit, sondern aus ihrem eigenen freien Willen werden. Sie gäben sich ganz in seine Hände, und er solle mit ihnen tun wie mit seinen eigenen Untergebenen. Daraufhin umarmte sie der Kapitän mit Tränen in den Augen, nahm die Hände des Prinzen und diejenigen des Königs von Massawa und sagte ihnen, so wahr er an Gott glaube und seinem Kaiser getreu sei, verspreche er ihnen, sie sollten von nun ab in ewigem Frieden mit dem König von Spanien leben, und sie versprachen ihm das gleiche.«
Am nächsten Sonntag, dem 17. April 1521 – im Abschied leuchtet die Abendsonne von Magellans Glück –, feiern die Spanier ihren schönsten Triumph. Auf dem Marktplatz der Stadt erhebt sich ein Baldachin, Teppiche werden von den Schiffen geholt und auf sie feierlich zwei samtene Sessel gestellt, einer für Magellan, einer für den König. Vor dem Baldachin leuchtet weithin sichtbar der Altar, im weiten Kreise umstanden von Hunderten und Tausenden der braunen Leute, die des verkündeten Schauspiels harren. Mit bewußt opernhafter Großartigkeit inszeniert Magellan, der raffinierterweise das Land bisher noch nicht betreten hatte und alle Verhandlungen nur durch Pigafetta führen ließ, sein Nahen. Vierzig Soldaten in voller Rüstung marschieren ihm voraus, hinter ihnen schwingt der Fahnenträger das seidene Banner Kaiser Karls empor, das in der Kirche von Sevilla dem Admiral übergeben worden war und das zum erstenmal auf diesem neuen Krongute entfaltet wird; dann erst, ruhig, ernst und feierlich, schreitet Magellan mit dem Gefolge seiner Offiziere heran. Im Augenblick, da er aus dem Boote ans Land steigt, donnert eine Artilleriesalve von den Schiffen. Im ersten Schreck zerstieben die Zuschauer in alle Winde. Aber da sie ihren König (den man vorsorglich von diesem Donner früher verständigt hatte) gefaßt auf seinem Sessel verbleiben sehen, kehren sie zurück und sehen begeistert zu, wie ein riesiges Kreuz errichtet wird, vor dem ihr König mit dem Thronerben und vielen andern gesenkten Hauptes die Taufe empfängt. Magellan als sein Pate verleiht ihm bei diesem Anlaß statt des bisherigen heidnischen Humabon den Namen Carlos nach dem seines Lehensherrn. Die Königin wiederum, die hübsch ist und auch heute noch in bester Gesellschaft verkehren könnte – ihren europäischen und amerikanischen Schwestern um vierhundert Jahre in der Mode voraus, da sie geschminkte Lippen und rot gefärbte Fingernägel trägt –, empfangt den Namen Joanna, die Prinzessinnen werden gleichfalls mit den fürstlich-spanischen Namen Katharina und Isabella bedacht. Selbstverständlich will nun die übrige haute volée von Zubu und allen den Nachbarinseln nicht hinter ihren Königen und Häuptlingen zurückstehen – bis tief in die Nacht hat der Priester des Schiffs zu tun, um all die Hunderte, die sich herandrängen, zu taufen. Die Nachricht von den wunderbaren Fremden verbreitet sich schnell. Am nächsten Tage strömen bereits von den andern Inseln andere Eingeborene heran, kaum daß sie von den zauberischen Zeremonien dieses fremden Magiers vernehmen; in wenigen Tagen haben fast alle Häuptlinge der Nachbarinseln den Treubund mit Spanien besiegelt und ihr Haupt unter dem Weihwasser gebeugt.
Großartiger ist selten eine Tat vollendet worden. Magellan hat alles erreicht. Die Durchfahrt ist gefunden, das andere Ende der Erde berührt. Neue Inseln von großem Reichtum sind für die Krone von Kastilien gewonnen, unzählige Seelen von Heiden für seinen Gott, und all dies – Triumph im Triumph! –, ohne einen Tropfen Blut vergossen zu haben. Gott hat dem Gläubigen beigestanden. Er hat ihn errettet aus Nöten, wie sie schlimmer kein anderer Irdischer gekannt; unermeßlich fühlt Magellan sich durchdrungen von einem geradezu religiösen Gefühl der Sicherheit. Was kann nach den Schwierigkeiten, die er überstanden, noch Schweres zu leisten sein, was nach diesem herrlichen Sieg sein Werk noch gefährden? Zauberkräftig erfüllt ihn nun ein demütiger Glaube, alles wagen zu dürfen für Gott und seinen König.
Und dieser Glaube wird sein Verhängnis.
Alles ist Magellan gelungen, als hätten Engel den Weg ihm erhellt. Er hat ein neues Reich der spanischen Krone gewonnen, aber wie das Errungene nun dem König bewahren? Länger auf Sebu zu verweilen, ist ihm nicht möglich und ebensowenig, den ganzen Archipel, Insel für Insel, zu unterwerfen. So sieht Magellan – der immer in weiten Etappen denkt – nur einen Weg, um die spanische Macht auf den Philippinen möglichst dauerhaft zu konsolidieren, nämlich Carlos Humabon, den einzigen katholischen Großhäuptling, zum Herrscher über alle andern Häuptlinge zu erheben. Als Bundesgenosse des spanischen Königs soll von nun ab der König Carlos von Sebu ein höheres Prestige besitzen als alle andern. Nicht ein unüberlegter Leichtsinn, sondern ein wohlüberdachter politischer Meisterzug war es darum, wenn Magellan dem König von Sebu nun militärische Hilfe anbot, falls irgend jemand wagte, sich gegen seine Autorität aufzulehnen.
Zufälligerweise ergibt sich gerade in diesen Tagen Gelegenheit zu einer solchen Demonstration. Auf einer ganz winzigen Insel, Mactan, die Sebu gegenüberliegt, regiert ein Rajah namens Silapulapu, der sich von je gegen den König von Sebu aufsässig gezeigt hat. Auch diesmal untersagt er seinen Untertanen, die sonderbaren Gäste des Carlos Humabon mit Lebensmitteln zu verpflegen, und vielleicht hat diese feindselige Haltung eine gewisse Berechtigung. Irgendwo auf seinem Inselchen ist es – wahrscheinlich weil die Matrosen nach ihrer langen Enthaltsamkeit den Weibern wie toll nachjagten – zu einem Scharmützel gekommen, und dabei wurden ein paar Hütten niedergebrannt. Kein Wunder, daß er die Fremden möglichst bald fort wissen will. Aber sein störrisches Verhalten gegen die Gäste Humabons scheint Magellan eine treffliche Gelegenheit für eine demonstrative Machtprobe. Nicht nur der König von Sebu, sondern alle Häuptlinge im weiten Umkreis sollen einmal sehen, wie gut jeder tut, der zu den Spaniern hält, und wie bitter jeder büßt, der sich den Herren des Donners widersetzt: ein solches kleines, nicht sehr blutiges Schauspiel kann überzeugender als alle Worte wirken. Magellan bietet also Humabon an, er wolle jenem widerspenstigen Häuptling eine militärische Lektion erteilen, damit alle anderen Häuptlinge ein für allemal gründlichen Respekt bekämen. Merkwürdigerweise ist der König von Sebu nicht sehr begeistert von Magellans Angebot. Vielleicht fürchtet er, daß sofort nach der Abreise der Spanier die unterworfenen Stämme sich wieder gegen ihn erheben könnten; anderseits warnen auch Serrão und Barbosa den Admiral vor so unnötiger Kriegsexpedition.
Aber Magellan denkt gar nicht an einen wirklichen Kampf; unterwirft sich der rebellische Bursche freiwillig, um so besser für ihn und alle. Ein geschworener Feind alles unnötigen Blutvergießens, der wahre Antipode all der andern schlächterischen Konquistadoren, sendet Magellan zunächst seinen Sklaven Enrique und den maurischen Händler zu Silapulapu und bietet ihm redlichen Frieden an. Er verlange von ihm nichts, als daß er die Oberherrschaft des Königs von Sebu und die Schutzherrschaft Spaniens anerkenne. Willige der Häuptling ein, so wollten die Spanier mit ihm in bester Freundschaft leben; verweigere er dagegen die Anerkennung der Oberhoheit, dann würde man ihm zeigen, wie scharf die spanischen Lanzen beißen könnten.
Jedoch der Rajah antwortet, seine Leute hätten gleichfalls Lanzen. Wenn auch nur aus Rohr und Bambus gefertigt, seien ihre Spitzen doch gut im Feuer gehärtet, und die Spanier könnten sich selbst davon überzeugen. Auf diesen hochmütigen Bescheid hin bleibt Magellan, der Spaniens Machtstellung symbolisch zu verteidigen hat, keine andere Wahl als das Argument der Waffe.
Bei der Vorbereitung dieses kleinen Kriegszugs scheint zum erstenmal Magellan seine augenfälligste Eigenschaft im Stiche zu lassen: Vorsicht und Weitsicht. Zum erstenmal scheint der sonst genaue Rechner leichtfertig sich in eine Gefahr zu begeben. Denn der König von Sebu hat sich bereit erklärt, den Spaniern tausend Mann seiner eigenen Kriegsleute auf diese Expedition mitzuschicken, und ohne Schwierigkeit könnte seinerseits Magellan hundertfünfzig von seiner Mannschaft auf das Inselchen hinüberbeordern – kein Zweifel, daß der Rajah dieser Flohinsel, die man auf einer normalen Karte überhaupt nicht findet, dann eine zerschmetternde Niederlage erleidet. Aber Magellan will keine Schlächterei. Ihm geht es bei dieser Expedition um etwas anderes und Wichtigeres: um das Prestige Spaniens. Einem Admiral des Kaisers beider Welten scheint es unter seiner Würde, gegen einen solchen braunen Lümmel, der keine ungeflickte Matte in seiner dreckigen Hütte hat, eine ganze Armee ins Feld zu schicken und mit Übermacht gegen ein solches jämmerliches Pack von Insulanern zu kämpfen. Gerade das Gegenteil bezweckt doch Magellan – nämlich sichtbar darzutun, daß schon ein einziger gut bewaffneter, gut gepanzerter Spanier allein mit hundert solcher Nackedeis im Spiel fertig wird. Diese Strafexpedition soll ausschließlich den Mythus der Unverwundbarkeit, der Gottähnlichkeit der Spanier über alle Inseln hin sichtbar machen, und was vor einigen Tagen den Königen von Massawa und Sebu auf seinem Schiff als erheiterndes Possenspiel gezeigt wurde, nämlich daß auf einen guten spanischen Eisenpanzer zwanzig Krieger gleichzeitig mit armseligen Lanzen und Dolchen losstoßen können, ohne den Mann darin zu verwunden, soll an diesem widerspenstigen Rajah in größerem Maßstab exemplifiziert werden. Nur aus diesem psychologischen Grunde nimmt der sonst Vorsichtige statt seiner ganzen Mannschaft nur sechzig Leute mit und ersucht den König von Sebu, mit seinen Hilfstruppen unbeteiligt auf den Kanus zu bleiben. Nur als Zeugen, nur als Zuschauer sollen sie an dem lehrhaften Schauspiel teilhaben, wie fünf Dutzend Spanier alle Häuptlinge und Rajahs und Könige dieser Inseln zu Paaren treiben.
Hat der erfahrenste Rechner diesmal falsch kalkuliert? Durchaus nicht. Historisch gesehen war die Proportion von sechzig geharnischten Europäern gegen tausend nackte, mit Fischknochenlanzen fechtende Indios keineswegs absurd. Denn mit vierhundert, fünfhundert Soldaten haben Cortez und Pizarro gegen Hunderttausende von Mexikanern und Peruanern ganze Reiche erobert; im Vergleich zu solchen Unternehmungen war Magellans Expedition nach einem stecknadelkopfgroßen Inselchen wirklich nur ein militärischer Spaziergang. Daß er an Gefahr ebensowenig gedacht hat wie der andere große Seefahrer, Kapitän Cook, der in einem genauso winzigen Gefecht mit Insulanern sein Leben verlor, tut uns schon der eine Umstand zur Genüge kund, daß der fromme Katholik Magellan, der vor jeder entscheidenden Aktion die Mannschaft sonst das Abendmahl nehmen ließ, diesmal nichts dergleichen anordnet. Ein paar scharfe Schüsse, ein paar feste Schläge, und wie die Hasen werden die armen Burschen Silapulapus Fersengeld geben! Ohne richtiges Blutvergießen wird dann die Unantastbarkeit der spanischen Herrschaft für ewige Zeiten glorreich erwiesen sein.
In dieser Freitagnacht des 26. April 1521, da Magellan mit seinen sechzig Mann sich einschifft, um die schmale Meeresenge, welche die beiden Inseln trennt, zu überqueren, behaupten die Eingeborenen, einen seltsamen, schwarzen, unbekannten Vogel ähnlich einer Krähe auf einem Dach gesehen zu haben. Und wirklich, mit einemmal, niemand weiß warum, fangen alle Hunde an zu heulen; nicht minder abergläubisch als die Naturkinder, schlagen die Spanier ängstlich das Kreuz. Aber wie sollte der Mann, der die größte Seefahrt der Welt gewagt, weil irgendein Rabe kreischt, zurückschrecken vor einem Geplänkel mit einem nackten Häuptling und seinem armseligen Gesindel?
Verhängnisvollerweise findet dieser kleine Häuptling jedoch einen ausgezeichneten Bundesgenossen in der besonderen Struktur des Strands. Infolge der dicht vorgelagerten Korallenriffe können die Boote nicht nahe an das Ufer heran; damit ist den Spaniern von vorneweg die eindrucksvollste Kriegshandlung genommen: das mörderische Fernfeuer aus den Musketen und Armbrüsten, das meist schon mit dem bloßen Donner die Eingeborenen in die Flucht jagt. Aber unbedenklich auf diese Rückendeckung verzichtend, springen die schwerbewaffneten sechzig Mann – die übrigen bleiben in den Booten in das Wasser, Magellan an der Spitze, der, wie Pigafetta schreibt, »als guter Hirte seine Herde nicht verlassen wollte«. Bis zur Hüfte in der Flut waten sie den langen Weg zur Küste, wo heulend und schreiend und ihre Schilde schwingend die riesige Horde der Indios sie erwartet. Bald stoßen die Gegner zusammen.
Die verläßlichste von den verschiedenen Schilderungen des Kampfes dürfte jene Pigafettas sein, der, selbst ernstlich von einem Pfeil verwundet, bis zum letzten Augenblick neben seinem geliebten Kapitän ausgeharrt hatte. »Wir sprangen«, berichtet er, »ins Wasser bis zu unseren Hüften und hatten zwei gute Bogenschuß weit durch die Flut zu waten bis an den Strand, während unsere Boote der Riffe halber uns nicht weiter folgen konnten. Am Ufer fanden wir fünfzehnhundert der Inselleute in drei Haufen aufgeteilt, und mit einem furchtbaren Geschrei rannten sie auf uns los. Zwei der Haufen griffen uns von den beiden Flanken an, der dritte von der Front. Unser Kapitän teilte die Mannschaft in zwei Gruppen. Unsere Musketiere und Armbrustschützen feuerten eine halbe Stunde lang von den Booten aus, aber sie erreichten nichts, weil ihre Kugeln und Pfeile und Lanzen auf so weite Entfernung Holzschilde nicht mehr durchdringen konnten oder höchstens den Feinden die Arme verwundeten. Der Kapitän gab darum laut das Kommando, nicht weiter zu schießen (offenbar um die Munition für den Endkampf zu sparen), aber man hörte nicht auf ihn. Als nun die Inselleute sahen, daß unsere Schüsse geringen oder gar keinen Schaden anrichteten, wichen sie nicht weiter zurück. Sie schrien nur immer lauter, und von einer zur andern Seite springend, um unseren Schüssen auszuweichen, kamen sie gleichzeitig, von ihren Schilden gedeckt, näher heran, schleuderten Pfeile, Wurfspieße, im Feuer gehärtete Holzspeere, Steine und auch Schmutz, so daß wir uns kaum erwehren konnten. Einige von ihnen warfen sogar Lanzen mit erzenen Spitzen gegen unseren Kapitän.
Um ihnen nun Schrecken einzujagen, sandte der Kapitän einige von unseren Leuten aus, damit sie die Wohnhäuser der Insulaner in Brand setzten. Aber das machte sie nur noch wilder. Einige von ihnen liefen dem Feuer zu, das zwanzig oder dreißig Häuser verzehrte, und erschlugen dort zwei von unseren Leuten. Der Rest stürzte sich auf uns mit noch größerer Wut. Als sie wahrnahmen, daß zwar unsere Körper geschützt, unsere Beine aber nicht gepanzert waren, zielten sie hauptsächlich auf diese. Dem Kapitän wurde sein rechter Fuß von einem vergifteten Pfeil durchbohrt, worauf er Befehl gab, schrittweise zurückzuweichen. Aber beinahe alle unsere Leute ergriffen jetzt in überstürzter Weise die Flucht, so daß kaum mehr als sechs oder acht von uns mit ihm blieben (der, seit Jahren lahm, offenbar den Rückzug verlangsamte). Nun waren wir von allen Seiten den Lanzen und Steinen ausgesetzt, welche der Feind auf uns schleuderte, und wir konnten keinen Widerstand mehr leisten. Die Bombarden, die wir in den Booten hatten, vermochten uns nicht zu helfen, denn das seichte Wasser hielt sie zu weit weg. So strebten wir immer mehr vom Strande fort, indem wir, unablässig kämpfend, Schritt um Schritt zurückwichen, und waren bereits einen Pfeilschuß weit weg vom Ufer und hatten das Wasser bereits zu unseren Knien. Doch die Inselleute folgten uns zäh und fischten immer wieder die Speere auf, welche sie schon früher gegen uns geworfen hatten, so daß sie denselben Speer fünf- oder sechsmal schleudern konnten. Da sie den Kapitän erkannt hatten, zielten sie hauptsächlich auf ihn; zweimal schlugen sie ihm bereits den Helm von seinem Haupte. Er aber, mit einigen wenigen von uns, blieb als ein tapferer Ritter auf seinem Posten, ohne weiteren Rückzug zu versuchen, und so fochten wir mehr als eine Stunde, bis es einem der Indios gelang, ein Rohrgeschoß in das Gesicht des Kapitäns zu schleudern. In seinem Zorn durchstieß der Kapitän sofort die Brust des Angreifers mit seiner eigenen Lanze, diese aber blieb im Körper des Getöteten stecken, und als der Kapitän nun versuchte, sein Schwert zu ziehen, brachte er es nurmehr zur Hälfte heraus, weil eine Wurfspießverletzung ihm den rechten Arm gelähmt hatte. Als die Feinde das merkten, stürzten sie sich insgesamt auf ihn, und einer von ihnen schlug ihm mit einem Säbelhieb eine solche Wunde in das linke Bein, daß er nieder und auf sein Antlitz fiel. Sofort warfen sich alle die Indios über ihn und durchstießen ihn mit Lanzen und allen andern Waffen, die sie besaßen. Und so nahmen sie unserem Spiegel, unserem Licht, unserem Trost und treuen Führer das Leben.«
Auf derart sinnlose Weise endet im höchsten und herrlichsten Augenblicke der Erfüllung der größte Seefahrer der Geschichte in einem kläglichen Geplänkel mit einer nackten Insulanerhorde – ein Genius, der wie Prospero die Elemente gemeistert, der alle Stürme besiegt und Menschen bezwungen, wird gefällt durch ein lächerliches Menscheninsekt Silapulapu! Aber nur das Leben kann dieser täppische Unfall ihm rauben, nicht mehr den Sieg, denn fast bis zum Ende ist seine Tat getan und beinahe gleichgültig nach so übermenschlicher Leistung das private Schicksal. Leider jedoch folgt der Tragödie seines heroischen Untergangs allzu rasch das Satyrspiel – dieselben Spanier, die vor wenigen Stunden noch wie Götter vom Himmel auf dieses winzige Fürstlein von Mactan herabgesehen, erniedrigen sich so tief, daß sie, statt sofort neue Mannschaft zu holen und den Mördern ihres Führers seinen Leichnam zu entreißen, feige einen Unterhändler an Silapulapu senden, er möge ihnen die Leiche verkaufen: für ein paar Glöckchen und bunte Tücher wollen sie den sterblichen Teil des Admirals zurückerhandeln. Aber, großzügiger als die nicht sehr heldischen Gefährten Magellans, weist der nackte Triumphator den Schacher zurück. Nicht für Spiegelchen und Glasperlen und bunten Samt will er die Leiche seines Gegners verkaufen. Die Trophäe ist ihm nicht feil. Denn kund ist es nun über alle Inseln, daß Silapulapu der Große so leicht wie einen Fisch oder einen Vogel den fremden Herrn des Donners und des Blitzes erlegt hat.
Niemand weiß, was jene jämmerlichen Wilden mit der Leiche Magellans dann getan, welchem Element sie sein Sterbliches zurückgegeben, ob dem Feuer, der Flut, der Erde oder der zehrenden Luft. Kein Zeugnis ist uns geblieben, verschollen ist sein Grab und geheimnisvoll im Unbekannten die Spur des Mannes verloren, der dem unendlichen Ozean, der die Erde umrundet, sein letztes Geheimnis abgerungen.