Xenophon
Anabasis
Xenophon

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4.

Nach dem Uebergange, der gegen Mittag beendigt war, ordneten sich die Griechen und machten nun in Armenien über lauter flaches Land und sanfte Anhöhen einen Marsch von nicht weniger als fünf Parasangen; denn in der Nähe des Flusses waren, wegen der Kriege mit den Karduchen, keine Dörfer. Das Dorf, wo sie anlangten, war groß, enthielt ein Residenzschloß des Satrapen und hatte auf den meisten Häusern Thürme. Lebensmittel fand man im Ueberflusse. Von hier aus rückten sie in zwei Märschen zehn Parasangen weiter bis über die Quellen des Tigris hinaus. In den nächsten drei Märschen legten sie bis zu dem Teleboas fünfzehn Parasangen zurück. Dieser Fluß ist zwar nicht groß, aber anmuthig und viele Dörfer bekränzen seine Ufer. Die Landschaft heißt das westliche Armenien, und ihr Satrap war Teribazus, ein Günstling des Königs, der sich, so oft jener zugegen war, nur von ihm aufs Pferd heben ließ. Dieser Satrap rückte mit Cavallerie an und schickte einen Dolmetscher voraus, der den Anführern den Wunsch desselben, mit ihnen zu sprechen, eröffnete. Diese beschlossen, ihn anzuhören, gingen ihm bis zur Sprechweite entgegen und fragten ihn um sein Begehren. Er äußerte den Wunsch, mit ihnen einen Vertrag zu schließen, der ihn verpflichtete, den Griechen keinen Schaden zuzufügen, sie aber, die Wohnungen nicht anzuzünden und nur die nöthigen Lebensmittel zu nehmen. Die Anführer nahmen den Vorschlag an und schlossen den Vertrag. Nun rückten sie in drei Märschen, unter der 126 Begleitung des Teribazus, der ihnen mit seinen Truppen in einem Abstande von ungefähr zehn Stadien folgte, fünfzehn Parasangen über die Ebene fort und kamen zu königlichen Schlössern, die ringsum von vielen mit Lebensmitteln angefüllten Dörfern umgeben waren. In der Nacht, die sie im Lager zubrachten, fiel ein tiefer Schnee: es wurde daher am Morgen beschlossen, daß sich die Truppen mit ihren Heerführern in die Dörfer vertheilen sollten; denn man sah keinen Feind und glaubte durch den häufigen Schnee gesichert zu sein. Man fand dort alle benöthigten Lebensmittel, Schlachtvieh, Getreide, alte wohlriechende Weine, Rosinen und Hülsenfrüchte aller Art. Einige aber von denen, die sich von der Armee zerstreut hatten, versicherten, ein Kriegsheer entdeckt und bei Nacht viele Feuer gesehen zu haben. Die Anführer hielten es daher für rathsam, nicht zu cantoniren, sondern die Truppen zusammenzuziehen: so vereinigten sie sich also sogleich, entschlossen, sich unter freiem Himmel zu lagern. In der Nacht aber, die sie so zubrachten, fiel ein so unermeßlicher Schnee, daß die Waffen und die liegende Mannschaft bedeckt wurden; auch das Zugvieh war in den Schnee so eingezwängt, daß es nur mit vieler Mühe sich aufrichten konnte. Es war eine große Verdrossenheit beim Aufstehen, denn so lange man lag und der Schnee nicht abfiel, fühlte man sich warm. Als aber Xenophon sich ermannte, unbekleidet aufzustehen und Holz zu spalten, da erhob sich auch bald ein Anderer, der ihm die Arbeit abnahm, und nun standen Mehrere auf, machten Feuer an und salbten sich. Denn man fand hier viel Salböl aus Lilien, Sesam, bittern Mandeln und dem Terpentinbaum gezogen und bediente sich desselben statt des gewöhnlichen Oels. Auch wohlriechende Salben, aus denselben Stoffen verfertigt, waren hier zu haben.

Nun beschloß man wieder, in den Dörfern Quartier zu nehmen, und die Soldaten eilten mit frohem Geschrei 127 den Häusern und den Lebensmitteln zu. Diejenigen unter ihnen, die bei ihrem vorigen Abzuge die Wohnungen in Brand gesteckt hatten, büßten nun durch das unbequeme Lager unter freiem Himmel dafür. Hierauf wurde in der Nacht Demokrates, aus TemeniumStadt in Argolis. gebürtig, mit einiger Mannschaft gegen die Berge zu abgeschickt, auf denen die Streifpatrouillen, ihrer Aussage nach, Feuer gesehen hatten: denn dieser Mann hatte das Lob, schon öfters in ähnlichen Fällen seine Aussagen der strengsten Wahrheit gemäß eingerichtet zu haben. Er hatte zwar, wie er nach seiner Rückkunft erzählte, kein Feuer gesehen, doch brachte er einen Gefangenen mit, der mit einem persischen Bogen und Köcher und mit einer Streitaxt, wie sie die Amazonen tragen, bewaffnet war. Auf die Frage, woher er sei? antwortete er: aus Persien; er käme von der Armee des Teribazus, um Lebensmittel zu holen. Man fragte ihn weiter: wie stark die Armee sei und was für eine Bestimmung sie habe? und er antwortete: Teribazus habe außer seinen eigenen Truppen noch Chalyben und Tarchen bei sich, die in seinem Solde stünden. Teribazus, fuhr er fort, hält sich auf den Höhen des Gebirges fertig, in den Engpässen, die man durchaus passiren muß, die Griechen anzugreifen. Aus diesen Bericht beschlossen die Feldherren, die Truppen zusammenzuziehen; dann ließen sie unter dem Befehl des Stymphaliers Sophänetus eine Besatzung zurück und setzten sich unter Leitung des Gefangenen in Marsch. Als die Höhe erstiegen war und die vorausziehenden Peltasten das feindliche Lager unter sich erblickten, warteten sie nicht erst auf die Hopliten, sondern liefen mit Geschrei darauf los. Die Feinde, durch das Getümmel aufgeregt, hielten nicht Stand, sondern flohen; doch blieben Einige von ihnen auf dem Platze und man erbeutete, außer etwa zwanzig Pferden, auch das Zelt des Teribazus, worin man Bettstellen 128 mit silbernen Füßen, Trinkgefäße und einige Personen fand, die sich für Bäcker und Mundschenken ausgaben. Nachdem sich die Anführer der Hopliten von Allem unterrichtet hatten, beschlossen sie so schnell als möglich zum Lager umzukehren, damit nicht der Feind auf die zurückgebliebene Besatzung einen Angriff machte. Sogleich wurde zum Rückzuge geblasen, und man erreichte noch an demselben Tage das Lager.

 


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