Olga Wohlbrück
Der eiserne Ring
Olga Wohlbrück

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Doras Hochzeit stand in wenigen Tagen bevor. Dora hatte bereits zweimal um Aufschub gebeten.

»Ich fühle mich nicht wohl,« sagte sie.

Die Zärtlichkeit der ersten Wochen hatte sich bei ihr bereits verflüchtigt.

Wenn der Kriegsgerichtsrat kam, flüchtete sie in ihr Zimmer, warf sich auf ihr Bett und legte sich ein neues Handtuch auf den Kopf, oder sie schlüpfte heimlich die Küchentreppe hinunter und ging in den Straßen auf und ab. Eine halbe Stunde und länger.

Wollte er sie an sich ziehen, um sie zu küssen, so entwand sie sich ihm, so daß seine Lippen nur ihr Haar oder ihr Ohrläppchen streiften.

Er lachte dann ein bißchen, eitel und verlegen; setzte diese Zurückhaltung auf erwachende bräutliche Scheu. Und seine Verliebtheit wuchs, je unnahbarer sie wurde.

Ulrike ließ kein Auge von der Schwester, vertuschte ihre Launenhaftigkeit, lenkte ab von gelegentlichen Ungezogenheiten Doras. Nur sie allein merkte es, daß Dora schlecht aussah, sich vor der Heirat fürchtete, wie ein Kind, das in eine Dunkelkammer gesperrt werden soll.

Unterdes türmte sich im Salon die Brautwäsche, frisch gebügelt, mit neuen rosa und blauen Bändern zu Päckchen gebunden. Gediegene Kleider lagen über den Stühlen, kokette Negligees hingen am Kronleuchter.

Ein neuer, schöner Rohrplattenkoffer stand mitten im Zimmer, bereit, alles aufzunehmen, was eine dreiwöchige Hochzeitsreise an Toilette erforderte.

»Ich habe mir einen graugrünen Reiseanzug bestellt,« sagte der Kriegsgerichtsrat und strich sich mit Behagen über seinen immer wohlgepflegten und duftenden Schnurrbart.

Dora lachte boshaft.

»Du wirst wie ein Laubfrosch aussehen, Hermann!«

»Wie meinst du, Dorchen?«

Er sah sie ein bißchen fassungslos an. Sie wendete sich ab.

»Graugrün! Eine fürchterliche Farbe! Fürchterlich!«

Sie hatte es gar nicht gewußt, daß graugrün ihr fürchterlich war. Aber jetzt empfand sie diese Farbe als Beleidigung.

Abends sagte sie zur Schwester:

»Was meinst du, Ulrike, wird er immer graugrüne Anzüge tragen?«

Am nächsten Tage sagte der Kriegsgerichtsrat mit strahlendem Lächeln:

»Ich habe noch umbestellen können, Dorchen. Kaffeebraun wird der Anzug. Na, krieg' ich einen Kuß?«

Aber sie antwortete beinahe hämisch.

Der Kriegsgerichtsrat sah aus, als hätte man ihm einen Schlag versetzt. Sein gutes Gesicht spielte in allen Farben:

»Dorchen, ich begreife dich nicht. Was ist dir, mein Kind, bist du mir böse?«

Er wollte zärtlich den Arm um ihre Schultern legen. Sie wurde blaß und sah ihn beinahe haßerfüllt an.

»Ich kann das nicht leiden – ich kann das nicht leiden!«

Und weinend lief sie aus dem Zimmer. Ulrike stand bleich und zitternd am Tische.

»Du mußt das nicht so tragisch nehmen, Hermann. Du weißt ja, sie war immer so jähem Stimmungswechsel unterworfen. Das hat nichts zu bedeuten.«

Sie log. Log bewußt, mit Absicht. Sie wollte ihr Opfer nicht vergeblich gebracht haben. Sie hatte alles in sich zur Ruhe gezwungen, um die Schwester zu retten; nun durfte nicht wieder alles aufgerissen und aufgewühlt werden. Nun sollte er auch einmal die Zähne zusammenbeißen, und das Schwere tragen, für all die köstlichen Stunden jugendlicher Verliebtheit.

Hilflos sah er sie an.

»Du meinst, Ulrike? Es hat nichts zu bedeuten? ...«

Die Zeit, da er im Interesse der Familie ein Opfer hatte bringen wollen, war längst vorbei. Er hatte vom Kelche der Freude, des Genusses getrunken – nun fand er den Weg nicht so leicht zurück zur Entsagung. Und vor ihm stand das Mädchen – das ihm Gewähr geboten hatte für friedlich stilles Glück.

Dämmerig war es im Zimmer. Alles verlor seine scharfen Umrisse. Die Menschen, die Gegenstände, die eigenen Gefühle.

»Meine gute Ulrike ...«

Er kam nicht weiter.

Das Licht flammte auf im Nebenzimmer. Frauenstimmen flüsterten durcheinander, es raschelte von schwerer Seide, und da rief auch die Geheimrätin:

»Hermann, Ulrike, kommt doch ... das Brautkleid ist da ... Herrlich! Seht doch, wie entzückend! Dora ... Dorchen ... wo bist du? ...«


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