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Verzauberung

So fällt die Nacht. Die Vögel krieschen
Im ängstigenden Busch. Wir gehn
Verlornen Weg. Die Winde wehn
Uns nach, und wir verwischen.

So lastet die Nacht. Ihr Unheil,
Zeichen, lang geweissagte,
Kommen über uns Wache, Geplagte,
Und Sterne sausen wie ein Beil.

Aber einst im Schlaf
Wuchs uns Korn und süßer Mohn im Ohr,
Im Auge schwoll ein Teich empor,
Pans Lied blies sanft.

Melancholia

Bang sitzen wir im Gitter
Und zählen die Dinge auf.
Krone und goldener Knauf
Sinkt vor der letzten Zither.

Wir zählen noch einmal die Frauen
Und Sterne feierlich nach,
Bis der Galgenvogel im Dach
Lang und laut schreit: »Grauen!«

Und die Spieluhr der Welt tickt
Schneller und schneller und hörbar.
Hunderttausend stehn wehrbar
Um den Weltbaum, der knickt.

Und Stund' um Stund'
Flattert ein schwarzes Band.
Hinten im traurigen Land
Geht die Sonne zu Grund.

Angedenken

Lächle die blumige Weise,
Schönste im Haupte verblaßt,
Wenn uns der steinerne Gast
Dunkelt in Gärten der Reise.

Sinkt, die das Linnen zerriß,
Die Hand, da sie faul sein müßte:
Bewölkt die entblößten Brüste
Hinüber beugst du in Finsternis.

Nur manchmal bekränzet (die Stunde
Ist unnah und hart gebüßt) –
Da schwenkt das südliche Bild, es grüßt
Wasser und Sand von deinem Munde.

Auf der Flucht

Dämm'rig wohl die Nacht und zu,
Denn Sie schläft im Schoß des Herrn,
Geneigt die Stirn, bereit und gern:
Sie nimmt, sie gibt die Ruh'.

Geliebt und schön im weißen Haar,
Von herrlichem Lande Vigne, Quell,
Ruht ihr Antlitz, und endlich hell
Ladet mit Früchten gesegnet Neujahr.

Verdrossene Stimmen in ewigem Zweiklang,
Täuscherin, Freude der Welt erlischt.
Aber von Schönheit beschattet tischt
Lacher mit voller Hand, einsam.

Herbstliches Lied I

Fruchtbarkeit spend' im Lärme
Abseits dem Tode ein sanftes Lob.
Manche Frucht, deren Ruhm sich aus Erde hob,
Ersehnt die Sanftmut der früheren Wärme.

Lege dich nieder und fürchte kaum.
Glück erfüllt die tödliche Stille.
Ewig belaubter südlicher Baum
Blüht in der Fruchtzeit: o Hoffnung! o Fülle!

Selbst der Schmerz, den der Freund beschwor,
Erntend die Freundin, lebt im Gesang.
Mag sie auch hingehn jetzt: schön und lang
Tönt ihr Nachruf zum fernen Ohr.

Herbstliches Lied II

Diese Stunde kommt erwartet:
Sommer, durchliebt zum Herbst zu zweit,
Neigt doppelt und schwer. Die geistliche Zeit
Feiert, noch grün umgartet.

Geliebt einander, jetzt sterben leicht
Die wilden Tiere. Zum Erinnern
Blüht, die Lust der Welt im Innern,
Letzte Rose neben müdem Zweig.

Liebe diese beiden! Blume
Und Frucht, am dunklen End'.
Sanftmütige Freundin, welche sie kennt,
Belaubt noch den Tod, geht ein zum Ruhme.

Media in vita

Innen spielen Gottes Stimmen.
Hell, ach, weilt ein Halbes bloß:
Nacken oder Stirn zerrinnen,
Und der Gast verläßt den Schoß.

Lockender geht um mit Jungen
Totes Herz, die Zunge stumm.
Nah Geliebte klagt umschlungen,
Kehrt der Freund als Standbild um.

Steh', von Strauch und Tier umwunden,
Dunklem Erdreich nah gefunden:
DENKMAL, Ruhe auf der Flucht!
Leicht lebt die Säule und in Wucht.

Italische Ankunft

In diesem Lande iß dich satt!
Des Lichtes reine Ruhestatt,
Das Dach der Säulen ruhig stehe
Auf deinem Haupt! Doch dies vergehe,
Dem Irdischen ein rascher Krug.
Ob Gott, ob Tier: es gilt genug,
Dem Übermaß ein Maß zu sein.
Das Meer, furchtlos, geht aus und ein.
Geschöpfe auf des Fischweibs Bank
Erwecken sterbend unsern Dank.
Geschlitzter Fisch, zertretne Traube
Sei frohem Leben Trost und Glaube.

Terzinen vom täglichen Leben

Bewahr im Auge, rasch zur Nacht entleert,
Das täglich heile Meer, die Ruh' im Rund!
O singe, daß als Gott es dich beschwert!

Erhebe, welchem gleicht die Frucht, den Fund,
In Schmerz geliebtes Fleisch, im klugen Guß
Verehrt, ach! erst behaun im Steine kund.

Was träumend überhäuft von dir, Verdruß,
O Speis, unmutig uns im Mund verdirbt,
Dem Boden süß entquillt's zum herben Kuß.

Im Reiz der Braut ein Öl: ein andres wirbt
Um sie, daß ihre Art sich schön bewahrt,
O Aas im Bienenschwarm, um sie, die stirbt.

Den Ton, die Taube ganz mit Luft gepaart,
Vernimmt mit Trauer, eh' ihr Flug sich klärt,
Der Lauscher zu der stillen Niederfahrt.

Maria auf dem Lande

Deines Herzens Anfang: Mühe,
Du Junge, sei belohnt. Erblühe
Zu mir hin, dem erhitzten Fels!
Du bringst den Schatten, wo du wählst.

Du lächelnd unzerstörbar Antlitz!
Daß mich ein Garten füllt, ein Wohnsitz
Der sommerlichen Liebe, steig
In mich als Vogel ins Gezweig.

Mich fällt die schönste Wandlung an.
Das Liebesspiel von Blitz und Schwan
Lebt in den Lüften. Sieh, es schmeckt
Die Zunge Erde, und sie trägt.

Widmung
zu einer Gabe der Musik

Bleiben wir gnädig dem Geist empfohlen!
Unbemerkt hilft uns im kühnen Gang
Gefühl und Klugheit unserer Sohlen.
Doch weiter schreitet, die uns mißlang,
Des Gottes Geh-Art heil im Gesang.
Wir hören die Schritte es tönend holen,
Verlass'nes von uns, überstürzt oder bang,
Und es lebt nun im Lied und im Wohlen.

Die Ordnung

Vollkommen lohnt er seinen Boden,
Und dieser weist ihn: Glanz am Zelt!
In Roß und Reiter fromm vermählt,
Sind beide eins in ihrem Odem.

Getroste Kunde! Die Bereiche
Einten noch stärker ihr Gespann:
Ein Wesen ging, halb Tier, halb Mann,
Deß Weg und Dauer war das Gleiche.

Und noch auf rauhen Tieres Wandel,
Benachbart an des Himmels Mut,
Reist über Land der Herr und ruht
Und teilt dem Bettler seinen Mantel.

Befreundete Frucht

Für J. H.

Endlich Süße! Jeder Bissen
In dein Fruchtfleisch läßt mich wissen:
Für dein einiges Gebilde,
Lange bitter, später milde,
Stetig gleich warst du beflissen.

Ahnte dir die künft'ge Wendung?
Fremd noch deiner reifen Sendung,
Duldend noch im Schwang des Bittern,
Kaum im Mittag Süßes witternd,
Blindlings drangst du auf Vollendung.

Köstlich, da die Himmel kalten,
Nur vom Netz am Ast gehalten
Und bedroht von Vogelflügen,
Bist im Saft du aufgestiegen,
Luft und Stille zu gestalten.

Ode der Stille

Grausamer Ruf aus dem Laub,
Da es die Schlafenden ladet.
Vogel, noch eben begnadet,
Geschnitten vor Birn und Traub!

Ja, zerstörerisch streichet der Schrei
Auch von der göttlichen Lippe.
Geschöpfe aus Stille, drum wohnen die Tiere
Einander verborgen bei.

Aber öfters auch dröhnet ein Erz
Tödlich dem Einsamen nach.
Auch der Lockruf, die liebende Ansprach
Mindert ein stilles Herz.

Wann? ... Bald hallet der Apfelfall.
Es meidet der Tritt der Gezeiten
Schützlingin nicht unter männlichen Seiten.
Wehrloser trifft sie der Widerhall.

Stille, o Rückkehr der Stille!
Daß sie am reiflichsten quille,
Bleibt dem Munde der Muschel gewöhnt
Ein Schweigen, während sie tönt.

Auf die Geburt eines Mädchens

Siehe, ein Flämmlein ward wieder entfacht.
Liebe behüte den milden Schein,
Bis es erstarkt zu eigenem Wärmen.
Gerne sei es als frohe Macht
Dem Festtisch des Lebens dargebracht.
Und zehrt es am weltlichen Härmen,
Kehr' es gesegnet zur Stille ein
Und werde mit himmlischem Glanze bedacht.

An ein junges Mädchen

Verspricht nicht, erblüht, deine Lende
Dem Manne den milden Empfang?
Noch kennt das Rund deiner Hände
Des Ballspiels Abwurf und Fang.
Sich grüßend in glücklicher Mitte
Trifft sich in deinem Schritte
Der Gang von Göttin und Kind.
Und um dich arglos gebreitet,
Durch deine Anmut verleitet,
Wieder mythisch die Erde beginnt.

Epistel an einen Freund

Es nahen freilich wieder frohe Boten,
Und wieder steigt das Jahr zum Frühling auf;
Von Süden eilt, wie Flammen atmend
Der Wind der Sehnsucht, und die Erde schickt
Den Lüften herb- und süßen Ruch. Schon legen
Die Gärtner Rosenbeete frei, und schon
An manch geschützter Lehne blinkt ein Grün.
Dann wieder breitet sich an stillen Tagen
Hoch überm kaum Begonnenen des Jahrs
Ein Himmel aus, so rein und tief und blau,
Als spannte er, der erst Verheißende,
Sich schon um einen reif erfüllten Sommer ...

Ich aber wandle wie der Toten Schatten,
Die wohl an solchem Tag, verlockt durch seine
So lebensreiche Anmut, wiederkehren
Und trauernd weilen an den alten Stätten,
Wo sie einst schritten, stark und heitren Sinns,
Dem Freund, der sanften Freundin zugeneigt,
Oder allein auch und voll guten Muts,
Sich selber rauschen hörend wie die Quelle,
Die eines weiten Berges Wasseradern,
Die unterirdisch irren, in sich sammelt,
Und klar den Strahl ins Licht gießt, unbekümmert,
Ob wohl ein Hirt die Lippen daran netzt ...
Nun aber merken, rückgekehrte Schatten,
Sehnsüchtig fahndend nach verlornen Spuren,
Sie kaum des Bodens Rührung unterm Fuß.
So ging auch ich, versiegter Quell, unlängst
Dieselbe Straße, die wir, Freund! im Herbste
Nach überwundnem Leid getrost geschritten,
Den Winter nahe fühlend ohne Furcht;
Die Straße, die den sanften Schwung der Hügel
Umgürtet, da die Stadt zu Füßen liegt
Im runden Tal, genüber auf den Gipfeln
Der Wald sich streckt, und da das lockre Rot
Der nackten Weinbergerde dich entzückte.
An deiner lieben Seite damals sog ich
Mit Inbrunst Dasein ein in alle Poren
Und haucht es wieder aus mit jedem Wort;
Mir war zumut wie Bienen, wenn sie sommers,
Nach Nektar tummelnd, Blütenmeere kosten,
Um ihn geheimnisvoll verwandelt
Und köstlicher in Waben aufzuspeichern ...

Vergeblich aber meint' ich nun, dort wandelnd,
Und in Gedanken deine Liebe hegend,
Den einst vernommnen Odem neu zu spüren.
Unnahbar blieb die ferne gute Stunde
Und fremd befand das nahe Gute mich,
Als wär' ich unsichtbar, ein Unhörbarer
In seiner frohen Mitte, da die Rebe
Am roten Weinberg schon gerichtet war,
Ein lichtes seidnes Zelt, der Himmel wehte,
Und eine Amsel schon mit süßem Lied
Den Abend kündete ... Ach, nichts quoll auf!
Und Dürre blieb in meiner Brust. Ich glich
Dem hoffnungslosen Wandrer, dem im Brand
Der Wüste, da er taumelt, noch ein Bild,
Ein unfaßbarer Traum von Kraft und Leben
Begegnet in der Luft, bevor er stirbt.

Lethe

Ach, wie erhalt' ich die blühende Krone,
Erinnernd vor den Rändern der Finsternis? –
Auch liebend bin ich nicht schuldesohne;
Sprachlos unter des Ruhmes Zone
Betritt die Frucht meinen zeitlichen Biß.

Nichts, ich weiß, gehört mir zu eigen.
Hab' ich nicht gramlos die Gärten geräumt?
Doch schuldig entgeht im Sinne der Feigen,
Wenn sich die Abfälle namenlos neigen,
Der Gast, der des Andenkens Anruf versäumt.

Beerdigt im Krug, die vergebliche Zähre
Verdorrt, die der Brüste Verwüstung nicht wehrt.
Nur sternbildhaft wandelt das ephemere
Schweben der irdischen Liebesverkehre
Im Wörtlichen, da sich Vergänglichkeit jährt.

Epistel an ein junges Mädchen

Mit Plötzlichem, vom Blitzstrahl des Gefühls
Getroffen, geblendet, glaubend, es genüge
Flamme zu sein und Blitz, um schon in Wahrheit
Zu lieben himmlisch, noch den Überfluß des
Glorreich Geliebten höchst zu überfluten: –
Wie kenn ich's, Freundin, einst der selbst Getroffne!
Doch war's vermeintlich. Nämlich wahrhaft himmlisch
Ist nicht ein Gewitter, und nichts Göttliches
Vermag das Rasche, die Gewalt. So gibt die Erde,
Der Stürme Gegenstand, das wohle Beispiel.
Denn wie empfängt sie Blitze? – Dunkel, still,
Zuweilen als Gefahr und stets zu rasch,
Als daß sie's wirklich spüre und den Einfluß
Entgegne innerlich mit einem Auftun.
Nicht darauf handelt sie, nicht so bemerkt sie
Sich angesprochen. Ach, sie schweigt. Aber vom Regen,
Tagreich und dringlich, auch vom Ziehn des Monds,
Der heimlichen Verführung in der Nacht,
Und von dem nahe glühenden Gestirn,
Wenn es befolgt geduldig sommerlich
Die Regel seines Aufgangs: – herrlich da
Fühlt sich gemeint die Erde, und nun eifrig
Auch ihrerseits mit Blütentracht und Frucht
Erwidert sie die Werbung. Denn was sich zutrug
An Blitz und Einschlag, blieb nicht von Belang
Für das Gemeinte, für die Flur. Kaum noch
Daß eine Spur es kündet an Zerstörtem
Im Überschwang, im Übermaß von Griff
Und Absicht. Auch dieses wird getilgt.
Erkühle, Freundin! Anders kann dir nicht
Gedeihen als Erwerb, was du noch jetzt
Als Brennende verzehrst. Ach, kaum erfahren
Übt sich das frühe Herz, hoffend, (o Irrtum!)
Mit Eile, mit Beschleunigung beflügelt,
Das Nicht-Erfahrene zu überholen.
Freundin, o, werde langsam! Aufgeschwungene,
Geh' nieder, werde langsam
Auch bis zum Stillstand, halte an!
Betrachte! Betrachte innig um dich her
Das Tägliche, das Stillste. Ist es schon klar
Und auch tatsächlich? Und das Einfache,
Hat es dich schon ergriffen? Denn häufig gilt
Es nur infolge einer Übereinkunft,
Der nachzufragen man versäumt. Auch ist noch
Vor dir ein Krug, der ruht und hält, etwas
Zu leicht Begreifliches: ein Schein. Ein Gleichsam.
Höchstens Gefühl! Auch Vogelflug: Gefühl!
Die Nächte, Tier und Baum, die Wolke: alles
Für dich Gefühl, nicht einmal sehr genau.
Und dann das Schwierigste, zu lieben nämlich,
Wie unternimmst du es, du aus Gefühl
Hinaufgetriebene, sehr Leichte? Das Reinste,
An dir ist's ein Verdacht. Oder vermagst du
Schon wirklich jene Übermacht,
Mit der die Heiligen berühmt geliebt?
O zweifle! Noch sind sie, die Mächte,
In stummen Dingen, nicht in dir. Du liebst
Aus Ohnmacht, und fähig noch nicht zu bestehn
Vor jenem schrecklichen Anspruch, womit
Von uns Geliebtes rauh uns anruft,
Vergehst du in Gefühlen, süß und reizend:
Waffe der Schwachheit! ... Singende, du singst
Aus Herzensohnmacht; sieh, und die Musik,
Die dich verführt und der du gleichst, sie mündet
Obwohl es anders war in ihrer Absicht,
Ins völlig Augenblickliche und kehrt
Zurück zu ihrem ungestalten Ursprung.

Empfindung: Ausgegossenes, das schwindet,
Ein Rauch, verteilt auf Luft. Denn nichts ergibt sich
Dem Herzen, das sich hingibt. Aber alles
Dem Festgebundenen, der Löwenstärke.
Sie aber ist nicht von Geburt an, und
Ein wahrhaft Lieben zielt ins Fernste.
Drum hege, Freundin, stärksten Argwohn, tritt
Durch alles, das du fertig liebst, hindurch!
Nicht anzutreffen ist der Gott in Fülle,
Die auf dich wartet, üblich wie ein Wirtshaus.
Wo aber? ... So fühle endlich dies: die Not.
Sieh dich bestehend ganz aus Not und spüre
Das Nicht-mehr-gültig-Sein des sichren Erbteils,
Das dich bis jetzt erhielt. Verlösch' die Lampen,
Die künstlich aufgesteckt sind, sieh, ob dennoch
Ein Licht verbleibt in dir, ein wirkliches.
Sinke in Finsternis, mit Schrecken wisse:
Das Hintergründige, es ist! Und anerkenne,
Was ewig anzufechten ist, das Nichts!
Endlich vollkommenes Gefühl (nicht erst
Erschaffen durch ein Ding), erschrecklich reines:
Die Angst. Und nichts als Angst. Versuche,
Ob je ein Schmerz sie ausmißt, diese Angst,
Auch nicht zerstreubar durch des Freundes Nähe,
Die abgründige, Schlucht und Brunnenschacht,
Die dich verschlingt ohne den endlichen
Auffall, der Rettung hieße, ... endlos aber,
Freundin, die fühle! Und von innen her
Völlig bedroht, Vertraute, mit Vernichtung,
Vollziehe diese Qual als Tat und sprich:
»Und daß ich dennoch daure, höre, Herr!,
Ist meine Leistung!« Dieses, – ach, wie sag' ich's –
Ist, Liebende, zu tun. – – – Dann liebe!

Das Nachtmahl

Windhauch feucht von nächtigen Lasten;
Endlicher Heimgang unter Spuk.
Wo die Blätter herbstlich hasten,
Magisch zwischen dunklen Masten
Schimmert Verziertes aus morschem Stuck.
Arkadische Treppe, von Nacht betreten,
Bedroht in der strotzenden Brüstung Bug,
Von Kräften einst triefend, kaum trägt sie den Zug
Schwanker Gedanken auf ihren verwehten
Linien, die sich kräuselnd verspäten,
Darzustellen den alten Betrug.

Doch daß sich der Gram beschwichte,
Noch ein freundlich Iß und Trink
Bieten meinem Angesichte
Deutlicher Wein, die festen Gerichte.
Lob dir, Atzung! ... Ach, ein Wink
Hemmt den Trost der starken Speise.
Der auf meinen Spuren eilt
Mit mir unsichtbar alles teilt,
Tisch und Bett der fernsten Reise,
Sieh! er naht auf klare Weise
Als ein Gast, der störrisch weilt.

»Träumer, erwacht im Ungewissen!
Du Übernachter auf freiem Feld,
Mit dem Herzen als Beute der Furcht zerrissen!
Wie lange träumst du, daß, mit diesen
Wirrnissen ungeheuer vermählt,
Die Ordnung, von deren Angedenken
Sich nichts als die Schlange des Zweifels erhält,
Erdachtes verwirkliche: Wohnraum, Geviert,
Da Klarheit, wohin die Gedanken sich lenken,
Genaue Götter und Dinge schenken,
Wo das Herz, erfüllter sich findend, verliert?

Verdächtig sind dir die ungefähren
Herbergen, wo sich's leidig lebt.
Ich weiß, wie das Motto ›Lerne entbehren‹
Sehr bald die Götter, die die Koffer beschweren,
Wenn auch handlich verpackt, ihres Platzes enthebt.
Inmitten Gesättigter, die im Schatten
Ihr leicht gelungnes Geschäft erschlafft,
Bleibt deines Bogens Sehne gestrafft.
Erhofft dein Pfeil noch ein göttlich Begatten? –
Schon wartet mein Mantel auf dein Ermatten:
Wolke, die dich dunkelt; Flug, der dich rafft!

Sprich nicht von Taten, der du die Muse,
Ironisch Begnadende anderwärts,
Vergeblich versucht mit geduldigem Gruße!
Ihren Lorbeer ersetzend durch die Tracht der Meduse,
Verfolgt sie mit Schlangen dein wehrloses Herz.
Kein Dasein, das sie nicht heimlich verwendet
Als eine Zunge, die gegen dich sticht.
Hat ein steinern oder zeitlich Gesicht
Je dir ein williges Lächeln gespendet,
Dessen Verzehrung nicht Stimmen geendet:
Rauhe Aufrührer zum Gedicht?

Ewig der Anruf, der dir vergiftet
Die Schale der Ruhe, wie im Wald
Ein Hifthorn im ruhigen Vogel stiftet
Die arge Verwirrung, die vergeblich beschriftet
Im Aufflug die Luft mit eigner Gestalt.
Zeilen, unter Bedrohung gepredigt,
Nimmt der Himmel als zierlichen Rauch
Blendend und gleichmütig in Gebrauch.
Ist auch die neueste Zuflucht bestätigt: –
Gebäude aus Ruhe (errungen) erledigt
Kühl des erschaffenden Kusses Hauch.

Niemals, daß spielend Wange an Wange,
Zart von Gold und Gärten erwärmt,
Psyche ein Rosa der Hirten empfange!
Notdurft bedroht sie. Wie lange, wie lange
Erträgt dein Gehör, daß sie blechern lärmt?
Zu dem Gastmahl der frommen Gedanken,
Wenn zärtlich die Nachbarn der stärkste ernährt,
Ist ihr der tödliche Zutritt gewährt.
Fern weilt der Gastfreund, Bewacher der Schranken,
Reichtum, dem sie es einig danken,
Wenn endlich das Bild sich gelassen klärt.

Was bleibt dir? Der Schlaf? Du benutzst diese Tränke
Lieber als Wein mit durchtriebener Kunst.
Aber hinderst du's, Schläfer, daß nicht der gelenke
Atem die Herrschaft beginne und denke?
Daß, von innen den Schlaf belagernd, ein Dunst,
Ausgeburt, die die ungebärde
Brut der Verdauung entsetzlich heckt,
(übertreibend noch das Wirklichste) niederstreckt
Deiner Stillen mühsam versammelte Herde? –
Ich nur beschwichtigte deine Beschwerde,
Freund, mit der Stille, die kein Störer entdeckt!

Stille, nach der die Limone gekundet,
Stürzend vom Ast, unter den du gebückt,
Stille, von keinem Wachstum verwundet,
Richtige erst, die den Früchten mundet,
Stille, im südlichsten Mittag geglückt!
Ah, welche Wollust, die Zeit zu zerbrechen
Im Zufall der Formen, darin sie gerann!
Stille, Stille brach ihren Bann.
Wie schwanden die Namen der Oberflächen!
Frucht, wie war sie ein rein Widersprechen,
Als sie verzückt die Verwesung begann!«

Einhalt! ... Gehöre ich dir? O beschwöre,
Verführer, die Einsicht nicht, die verneint!
Naht die Stunde, da ich dich erhöre,
So nicht, weil mich diese Versuchung betöre!
Ich folge als einer, der sich beweint.
Frucht, wenn sie stürzt unter ihren Gewichten,
Ändert das Sein nicht, das sie beweist.
Ach, ihre Rundung ruht längst im Geist!
Wo sind noch Absichten, welche vernichten,
Wenn sich die Summen unzählig verdichten
Gegen die Zeit, die das Nicht-Sein speist?

Dinge, heißt ihr nicht Gegenstände,
Erfüllt wie ihr seid von Gegenwart!
Wie sehr auch die Zeit sich an euch verschwende,
Unversehrt durch eure Wände
Dringt das Sein, das ihr erspart.
Brot und Wein, bewußtlos junge,
Heile! bevor ihr für mich verschwimmt,
Sei euer gültiges Bild bestimmt!
Setze ich an zu entfliehendem Sprunge,
Fülle es mir die ermüdete Zunge: –
Münze, daß Charon mich kennt und nimmt.

Der Schwan

Wenn auch lorbeern: mir dunkelt das lichte
Spiel der Gefieder von eh'.
Im Schatten der kühlen Verzichte
Trennt der Umriß, den ich nochmals errichte,
Sich als Schwermut vom wolkigen Schnee.

Was zärtlich im Schilfe ich wähne,
Vom Gotte einst irdisch vollbracht,
Erschrak, da der stärkste der Schwäne
Verhaucht überm Schoß wie erdacht.

Doch ich fühle die stündlichen Wellen,
Umufert von Ferse und Haupt,
Die den Vogel jetzt kräuselnd umstellen,
Bis er still die Berührung erlaubt.
Da wieder die Fittiche schwellen,
Erfinden selbst Winde den hellen
Hals, der einst Leda beraubt.

Winter

War's der Schritt, der gläsern schellt?
Schattenhindin, winterbänglich,
Stürzt in Stille übers Feld,
Und die Güte, untergänglich,
Tierverfangen, steigt und quellt.

Stumm dann, leer und unermessen
Schluckt mich dunkle Kammer ein.
Ach, das Herz ist knapp bemessen.
Mondbegrüßt und schmerzvergessen
Wache ich vor schwarzem Wein.

Flüstre: Mond, durchs Vogelleere
Rollst du wie aus Eis erstarrt,
Wirfst geborgtes Licht der Ähre
Hin aufs Schläferpaar, das schwere;
Speichel troff da lau im Bart.


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