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Zweites Buch Moses, 2. Kap.:
Zu den Zeiten, da Mose war groß worden,
ging er aus zu seinen Brüdern, und sah
ihre Last und ward gewahr, daß ein Ägypter
schlug seiner Brüder, der Ebräischen, einen.
Und er wandte sich hin und her und da er
sah, daß kein Mensch da war, erschlug
er den Ägypter und scharrte ihn in den Sand.
Und es kam vor Pharao; der trachtete nach
Mose, daß er ihn erwürgte. Aber Mose floh
vor Pharao, und hielt sich im Lande
Midian und wohnete bei einem Brunnen.
Am Brunnen im Lande Midian.
Felsiger Hügel, bis zu halber Manneshöhe durch rohgefügte Steine abgeböscht. Rebengewächse verkleiden hier und dort Fels und Mauerwerk. Inmitten eine breite, moosbewachsene Steintreppe zum Brunnen empor, dessen Umriß sich vom Himmel scharf abhebt. Zeit gegen Sonnenuntergang. Der blinde Knabe Elifas, vom greisen Abimael behutsam geführt, tritt linksher auf. Am Fuße der Steintreppe bleiben sie stehen und sprechen gedämpft.
Elifas
Sind wir am Brunnen, Vater?
Abimael
Ja, wir sind's.
Elifas
Ist es derselbe, den du fernher sahst,
Vom Rand belaubter Schatten, wo wir ruhten?
Abimael
Damals ein ungewisses Mal am Saum
Des Himmels, nun zum Greifen nah.
Elifas in die Knie« sinkend und mit der Stirn die Stufen berührend
Heiliger Umkreis, sei gebenedeit!
Abimael erschüttert
Steh auf, du Knabe, ehre nicht zu früh
Den Ort!
Elifas erhebt sich, steht traumverloren
Im Lande Midian am Brunnen –
Sprach mir der Herr im Traum – birgt sich der Leu,
Der seines Volkes Ketten lösen soll,
Und Name des Gesegneten ist – Moses!
Abimael behutsam
Das Land, in dem wir sind,
ist Midian –
Doch vielen Brunnen zogen wir vorbei,
Seit wir mit unsern Tieren von Mizrajim
Aufbrachen deinem Gottestraume nach.
Ob
diesen Brunnen dein Gesicht verhieß,
Wer kann es wissen?
Elifas
Dieser ist's.
So laß uns rasten, bis es Abend wird,
Dann nahen Hirten aus der Nachbarschaft,
Und Frauen bringen ihre Krüge her.
Die fragen wir nach jenem, den wir suchen.
Elifas
Wir fragen sie. – Doch nicht den Namen gleich
Nennst Du! Leicht sonst erfährt, der allzusehr
Sich birgt, von unserm Forschen und entflieht.
Abimael
Der seines Volkes Ketten lösen soll,
So fluchtbereit vor einer bloßen Frage?
Den Leuen denk ich
anders!
Elifas gequält
Immer zweifelst du!
Abimael stark
Zweifelte ich, wär' ich dann hier bei dir?!
Ich Greis, des Haupt fast ein Jahrhundert beugt,
Durch fremdes Land, durch Sonnenpein von Wüsten
Gehorsam eines blinden Knaben Spur!
Vom Leid gegraben eines ganzen Volks,
Kommt sie von Gott und führt sie hin zu Gott
Ich Blinder wandle nur, ein kleines Licht,
Auf ihr einher, daß Sehende sie finden.
Sie schweigen lange.
Vater!
Abimael
Was willst du?
Elifas
Da er noch wirkte unter unserm Volk,
Der Müden Trost, der Rächer ihrer Qual,
Eh ihn die Häscher suchten Pharaos,
Du
sahst ihn doch, du hörtest seine Stimme
An tausendmal! – Erzähltest du nicht so?
Abimael
Wohl sah ich ihn und hörte seine Stimme
An tausendmal – vor einem Menschenalter.
Elifas
Und keinem noch auf dieser Wanderschaft,
Bist keinem du begegnet, der ihm glich?
Abimael
Keinem.
Elifas immer dringender und unruhiger
Ein Jüngling war er damals, kaum
Daß Bart sein Kinn umflaumte, jetzt ein Mann!
Allein sein Blick, dies Schlachtschwert, seine Stimme,
Dies Drohen Donners, und sein Schritt wie Sturm –!
Aus einem Männerheer ersäh' ich ihn,
In Bettlers Lumpen wollt' ich ihn erkennen!
Und du, mein Vater?!
Abimael
Auch mein Gesicht ist müd geworden, Kind.
Elifas verzweifelt
O Augen! Eine einzige Stunde Augen,
Die wirklich
schauen! Jedes Tier darf sehn!
Und ich, der seinem Volke den Erlöser
Heimführen soll, muß blind sein, heillos blind!
Abimael
Doch um so sehender durch Gottes Licht!
Elifas in schmerzlicher Ekstase
O, lösch es aus, wenn es von dir ist, Herr!
Oder mach auch die
andern Sinne tot,
Daß ich nicht künden muß, was du mir deutest
In Bildern meiner großen Finsternis!
Für dieses Leibes Ohnmacht ist zu viel
Deiner Erleuchtung Last, der Sturm der Rede,
Der wie Gesang durch meine Träume braust
Und dessen einen matten Widerhall
Die wache Lippe tauben Herzen stammelt! –
Mir ist so schwach, mein Vater ...
Abimael läßt ihn niedergleiten und lehnt den Ruhenden an die Mauer
Ruh doch aus!
Elifas
Noch ist nicht Zeit zu ruhen.
Abimael
Nimm dies – Brot!
Elifas
Noch ist nicht Zeit zu essen.
Abimael
Töricht Kind!
Elifas im Einschlafen kindlich, leise
Wie ist das mit den Nachtigallen, Vater?
Die bösen Menschen blenden ihr Gesicht,
Daß ewig für sie Nacht sei und sie – singen.
So tat der Herr auch mir ...
Abimael
Knabe, hab Frieden!
Er bettet den Entschlafenden, kauert dann neben ihn hin und versinkt in Nachdenken
Aschur der Eseltreiber, kommt von rechts und ruft behutsam
Herr! Herr! – Ist denn dem Alten Sand in die Ohren geraten? – Herr! Herr!
Abimael
Red leis! Der Knabe schläft.
Aschur
Schläft er, so tut er das Beste, was er tun kann! Obgleich dieses mondsüchtige Plappermaul selbst im Schlummer seine Schwatzmühle klappern läßt!
Abimael
Was kümmert's dich? Berichte!
Aschur geheimnisvoll und emphatisch
Wir sind an einem Orte, Herr! So wahr ich der Sohn einer Hure bin, unser Land Gosen ist eine Kehrichtecke dagegen! Wenn das Gespenst, dem wir nachjagen, auf dicken Rahm hält und auf fette Hammel, so müssen wir ihm in dieser Gegend begegnen! Wo nicht, so treibe ich meine Eselsgäule nicht einen Schritt über dieses Butterland hinaus. Wollt ihr zwei weiter, so tut eure vier Beine zusammen und laßt sie selber den Esel sein, der euch trägt. Ich bin der Sohn einer Hure!
Abimael
Was weiter?
Aschur
Weiter? Nicht weiter, sondern näher, als Ihr denkt, stieß ich die Nase an ein Gehöft. Ein Gehöft, sag' ich euch, wie es sich bei uns zu Hause nur die Fronvögte und Steuereintreiber der Ägypter leisten können! – Dort sah ich euch Milcheimer aufgestellt, wie die Palastwächter des Pharao! Und Weiber, Herr, vier, fünf, sechs, eines geschmeidiger als das andere –!
Abimael
Du sprachst mit jemand?
Bewahre! Habt Ihr jemals einen Eseltreiber gesehen, der am unrechten Ort ein Wort zuviel gesprochen hätte? Hingegen stahl ich mir eine Handvoll junger Zwiebel, die ich mit eurer Erlaubnis auf der Stelle verzehren werde. Packt aus seinen Taschen aus und ißt schmatzend
Abimael zornig
Dieb und gefräßig! Ist dies alles, Bursch,
Was du vermagst und zu berichten weißt?
Zum Kitzel deines Gaumens sind wir nicht
In dieses Land gereist! Hör auf zu kauen
Oder –!
Aschur gutmütig
Was seid Ihr denn gleich so grimmig Herr? Laßt einen armen Knecht doch ein wenig Stärkung zu sich nehmen! Ihr seid grausamer als die Aufseher des Pharao über Israel. Sechshundert Ziegel im Tage, gut, aber das Vieh, das schuftet, muß auch fressen!
Abimael
Fressen deine Tiere auch? Hast du sie angebunden, wo sie zu grasen haben?
Das wollt' ich ja eben berichten, Herr. Damit fängt ja der zweite Teil meiner Geschichte an. Will sagen: die Hauptsache kommt erst!
Abimael
Fahr fort, doch kurz! Mich ekelt dies Geschwätz,
Das langen Atem hat wie aller Unsinn.
Aschur geheimnisvoll
Riesen!
Abimael
Was heißt das?
Aschur
Ich habe Riesen gesehen!
Abimael
Wieviele?
Aschur
Einen!
Abimael
Warum redest du dann von mehreren?
Aschur
Warum? Weil dieser eine für zehne war!
Abimael
Wie sah er aus?
Wie der leibhaftige Moloch: rotbraun wie Kupfer, Augen wie Mühlsteine, Beine wie Säulen, Arme wie Keulen und auf dem Haupt einen Haarschopf, geräumig genug für ein Storchennest!
Abimael
Und was tat dieser Mann?
Aschur
Was er tat? Das will ich euch gleich verraten: er tat eigentlich nichts. Aber er hatte etwas getan! Etwas Ungeheuerliches mußte der Mann getan haben! Denn er trug einen toten Löwen auf seinem Buckel mit einer Gelassenheit wie unsereiner daheim ein geschlachtetes Zicklein. Allem Anschein nach hatte er das Vieh erwürgt. Denn ich sah nicht die geringste Blutspur daran. Nur die Zunge hing der Bestie aus dem Rachen, schwarz angelaufen und endlos. In dieser Art also ging der Mann knapp an der Lichtung vorüber, wo ich meine beiden Mäuler grasen ließ.
Abimael
Sah er dich nicht, riefst du ihn nicht an?
Aschur
Seid Ihr von Skorpionen gestochen, Herr? Ich zitterte bis zwischen die Schenkel, daß er mich erblicken könnte! – Hört nur weiter! Kaum also war der Mensch vorüber, so rief er mit einer Stimme, gegen die der Gesang der Memnonsäulen das Zirpen einer Grille ist, ein paar Kerle an, die etliche Steinwürfe weit ihre Schafsböcke weideten. Diese ihn gewahren und herbeigesetzt kommen, querfeldein wie die Hasen, das war eins! Bei ihm angelangt, sah ich sie sich gebärden wie die Fanghunde eines Sklaventreibers. Ob sie ihm in der Tat die Füße geleckt haben, konnte ich nicht ausnehmen. Jetzt halfen ihm die Kerle die verreckte Bestie vom Buckel laden, und ihrer zehn hatten gerade genug zu tun, das Ungeheuer an den Rand des Gehölzes zu schleppen, in meine handgreiflichste Nähe. Und nun, Herr, begann euch ein Metzgern, dergleichen habt Ihr, so zahnlos Euer Mund geworden ist, nicht gesehen! Der große Kupferne zerlegte euch mit seinem Gürtelmesser das Untier wie ein Lämmchen, schmiß mit dem Gekröse um sich, daß den Schafhirten der rote Gischt bis an die Nase spritzte, dann zog er die Haut vom Fleisch ab, und nachdem er sie innen mit allerhand Blätterwerk trocken gerieben hatte, stülpte er sich den Balg über die Schultern und ging lachend und schnaubend wie ein Nilpferd seines Weges.
Abimael erregt
Und du ihm nach?!
Glaubt Ihr, ich hätte Lust, mit Haut und Haaren verspeist zu werden?!
Abimael
Und hattest nicht gehört, wie sie ihn nannten?
Aschur
Nichts hörte ich davon. Meine Augen hatten meine Ohren aufgefressen, um sich zu stärken für den ungeheuren Anblick.
Abimael
Dem Manne müssen wir begegnen!
Aschur
Ich nicht! So wahr ich der Sohn einer Hure bin! – Verzieht euch Herr, ich höre Füße! Besser gesagt, meine Nase wittert Jungfernfleisch. Die Weiber kommen zum Brunnen. Bindet eurem mondsüchtigen Schützling das Maul zu, daß er seine Alpdrücke nicht hinausschreit, eh ich die Wasserschöpferinnen belauscht habe! Er verzieht sich.
Von jenseits des Brunnenhügels steigen die sieben Töchter des Jethro, Priesters in Midian, zur Zisterne empor. Unter ihnen Zipporah, das Weib des Moses. Sie bleibt stumm an den Brunnen gelehnt, während die Mädchen schöpfen. Sie singen im Wechselgesang das Brunnenlied:
Die Schwestern
Quill, Brunnen, quill,
Den Zepter von Fürsten gruben,
Edle des Volkes bohrten
Mit ihren Stäben!
Tränken möge dich Wolke
Mit Regen in Hülle und Fülle!
Labsal der Herden bist du,
Verschmäh ihn nicht, Wandrer!
Sei gesegnet, Brunnen,
Und quill, du Glück unsres Hauses!
An dir nahte der Schwester
Der fremde Gebieter.
Groß ist unser Gebieter,
Geheimnisvoll sein Name,
Zungen der Hirten klingen
Gerücht seiner Taten.
Edoms Söhne schlug er,
Die Räuber der Lämmer,
Zelte Kuschans erbeben
Vor seinem Zorne.
Aus dem Lande kam er
Der Zaubrer und Zeichendeuter,
Eine Zeder sein Wuchs,
Ihm schmiegt sich die Rose.
Schön ist unsere Schwester,
Die der Gebieter ersehen!
Rot wie Wein ist ihr Mund,
Im Tal ihrer Brüste duftet's ...
Die Mädchen haben im Schöpfen innegehalten und sich Zipporah genähert, die nun aus ihrem Sinnen aufwacht und mit großer Zärtlichkeit auf die an sie Geschmiegten niedersieht.
Zipporah
Genug von mir gesungen, Schwestern, liebe!
Lenkt nicht des Liedes Strom vom großen Strande
Ans unscheinbare Ufer meiner Schönheit!
Hier fände er nur Blumen zu bewässern,
Die gern bescheiden blühn. Singt den Gebieter!
Die Schwestern
Wir lieben dich, Erwählte, Schwester, süße!
Wir lieben dich so sehr!
Zipporah
Ja, Liebe, Liebe!
Ich fühl's und möchte meine Brust erweitern
Unendlich, daß sie fasse dies Entzücken,
So sehr geliebt zu sein von allen, allen!
So gut seid ihr zu mir! Und ich weiß kaum,
Wie ich's um euch verdien'. Warum gerade
Die Auserwählte
ich? O, diese Frage
Wird nimmer müd! Nur weil an jenem Abend –
Gesegnet sei er! –
ich am Brunnen stand,
Als er einher, der starke Wandrer, schritt?
Nur dieser
Zufall soll mir Schicksal sein,
Erhebung, Liebe, Glück? Und ihr müßt warten? –
Nein, widersprecht mir nicht, ihr lieben Mädchen!
Entsinnt euch doch: wer fragte nach Zipporah,
Eh dieses große Leuchten sie befiel?
War sie nicht stets die stille Unbemerkte?
Ameise hieß man mich, weil emsig zwar,
Doch ohne frohen Anblick für die andern,
Ich meine Arbeit tat. Ihr aber lachtet, sangt
Bei jeglichem Verrichten und erwecktet
So auch der andern Eifer, vielfach wirkend!
Darum war euch der Eltern Liebe heitrer,
Und euch nur galt das Abendlied der Hirten,
Die Flöte im Gebüsch des kleinen Bachs,
Des Gastfreunds Segen und des Wandrers Spruch.
Zipporah war ja doch die siebte nur
Von Jethros Töchtern.
Und ist jetzt die Erste!
Zipporah
Die Erste nicht! Sagt nicht »die Erste«, Schwestern!
Dies klänge nach Verdienst und wäre Hoffart.
Denn was ich bin, bin alles ich durch ihn.
Auch eurer Liebe Strom lenkt dieses starke Wehr
Auf meinen armen Acker, daß er grünt
Und Früchte trägt vom Überfluß der Herzen. –
Erröt nicht, Astaroth, ich weiß, dein Sinn ist rein,
Nur so gefüllt mit Sehnsucht, daß du dich
Wie eine Ähre neigst im Sommerwind.
Um wieviel mehr vor diesem starken Sturm!
Und du, Anyia, senkst du das Gesicht,
Das süße, das die Jünglinge heimsucht
In Träumen nächtens? – Du auch liebst ihn, du
Und du und du, ihr alle, wie man lieben
muß
Das Große, das geringe Schwelle weiht!
Ich bin nicht eifersüchtig, Schwestern, nein!
Und wäre klein, wenn dies nicht meine Liebe
Noch tiefer schüfe, ach, für ihn und euch!
Die Schwestern
Dich lieben wir, um
deinetwillen
dich!
Zipporal
Ja doch, ihr Guten, Guten! – Was ist das?
Feucht meine Hand? – Weint meine kleine Lyia?
Vergaß ich, dich unter den Liebenden
Zu nennen? Oder sonst ein Schmerzchen? Ruhig!
Ich weiß, wie's wehtut! O, auch mir sind Tränen
Bisweilen bittre Würze meines Glücks! –
Gefährtin des Gewaltigen zu sein,
Lehrt Zweifel an sich selbst. Was
bist du ihm,
Was
kannst du ihm sein? ängstigt sich das Herz.
Oft scheinst du ganz vergessen, übervoll
Ist ja sein Sinn von Dingen, die dir fremd!
Dann wieder freilich, kehrt er heim von Taten
Oder aus Träumen ungetanen Werks,
Gehört er dir und ist in
einer Stunde
Vertausendfacht, worum du schon geweint. –
Ein anvertrautes Pfand ist solch ein Mann,
Und kommt der Eigner, der's zurückbegehrt...
Die Schwestern
Zipporah, Schwester, o, nicht traurig sein!
Zipporah
Ich bin es nicht und – weiß doch mehr als ihr.
Die Schwestern
Teil es mit uns!
Nein, dies nehm' ich allein
Auf meine Schultern, trag' es, wenn ich muß;
Hab' ich doch
eins, das mich geringe Magd
An Kraft ihm ähnlich macht, wenn auch nicht gleich:
Sein Kind! –
Nun aber singet wieder, Schwestern, singt!
Klingt frohe Lieder! Denn mir sagt mein Herz:
Heut kehrt er wieder, der uns lang allein,
Ach, allzulang allein ließ, neue Sagen
Den Hirten schenkend, neue Ehre
sich!
Im Hintergrund, gewaltig gegen den abendlichen Himmel und wie Herakles gehüllt in die Haut des Löwen, erscheint Moses.
Moses eine Keule in der Hand
Gegrüßt, Zipporah, Weib! Gegrüßt, ihr Mädchen!
Steht auf! Kniet so vor Göttern, nicht vor mir!
Seht euch die Katze an, die ich erschlug!
Wirft das Fell ab.
Die Schwestern weichen zurück.
Zipporah Gewaltiger und lieber Mann!
Moses
Das Fleisch verzehren heut zu Nacht die Hunde
Am Rande des Gehölzes, wo ich's ließ;
Das wird ein Fest sein!
Uns nur dieser Balg
Als sanftes Unterbett für Lust und Ruh!
Auf ihm will einen Knaben zeugen ich,
Der Mut und List paart, wie dies Tote da,
Das mich die Kreuz und Quer durch Schlupf und Schluft
Genarrt, bis ich es stellte Aug' in Aug'.
Das reißt mir keine Knaben mehr und Rinder!
Hat seinen Durst gestillt am eignen Blut,
Das ihm wie Sturzflut aus dem Rachen brach
Von meiner Faust unweigerlichem Schlag!
Zipporah
Du bist so groß in deinem Über-Mut,
Daß dir dein Weib nicht böse werden kann,
Weil du es minder liebst als die Gefahr.
Moses mächtig gereckt
Ich
brauch' Gefahr! Denn sonst –! Nicht diese Augen!
Ich weiß, was sie bedeuten wollen. Still!
Wieder gelächelt! Lächelnd ist das Weib
Dreifache Gnade. – Was treibt unser Junges?
Zipporah
Es fragte jeden Abend, wann der Vater
Ihm wiederkehre, und entschlief dann brav.
Moses
Entschlief dann brav! – Ja, eines Kindes Schlummer
Schleppt keine ungelösten Fragen mit
Auf seiner Wanderung zum nächsten Tag.
Ich war nicht viel daheim die letzte Zeit...
Man soll nicht so verschwenden mit den Menschen!
Vielleicht ist alles, was der Mann vollbringt,
Nicht eine einzige Stunde Abends wert,
In der ihm jene lächeln, die er liebt...
Dies aber
mußte sein! Am hellen Tag
Zu frech in unsre Hürden brach der Räuber.
Und auch aus
andern Gründen mußt' es sein. –
Doch nun genug davon! Bringt Wein her, Speisen!
Mir ist heut nicht zumut nach einem Raum,
Der enger als der ungeheure Himmel!
Und auch die Knechte ruft, sich mitzufreuen!
Ich brauche Stimmen heute, viele Stimmen
Und Männer um mich! – Du, Zipporah, bleib!
Er läßt sich vor dem Brunnen auf die Erde nieder und versinkt in Nachdenken. Die Mädchen, mit den Krügen auf den Häuptern, haben sich leise entfernt.
Zipporah neben ihm auf einem Steine nach einer Pause behutsam
Du bist so heiter nicht, wie sich's nach solcher Tat
geziemt.
Moses gütig
Nicht doch! Forsch nicht, Zipporah!
Zipporah
Ein Wort von dir, Herr, und Zipporah schweigt.
Moses legt sein Haupt an ihre Kniee
Nicht schweigen! Reden! Honig ist dein Mund,
Musik des Friedens, Flüstern Winds im Korn.
Am Brunnen damals, dieses war das erste
Im ungewissen Licht des Untergangs:
Die liebe Stimme! –
Dann erst dein Gesicht,
Der Gang der Demut und das Haupt geneigt –
Wie lange ist es her seit jenem Abend,
Da ich, ein Flüchtling, Heimlos, dich erfand?
Zipporah
Dreimal drei Jahre meiner Dankbarkeit.
Und andre Jahre vorher irrte ich,
Die Hunde an den Fersen, eh ich hier
An diesem Schoße meinen Frieden fand!
Und nun? – O diese Liebe, Bad, das kühlt
Von Füßen aufwärts! Blutes Unrast ebbt
Im Herzen! Ebbt sie? – Hände auf die Stirn
Das sänftigt, gleitet, Welle übern Stein,
In dem das Feuer schläft, der wilde Funke,
So dies Gezelt Genügens, sanfter Pflichten
In Brand steckt, bricht er los! Bannt ihn,
Ihr Hände! O, um
solcher Gnade tut
Man, was man tut! Doch wenig ist es, wenig.
Zipporah
Und ist so viel, daß alle Täler klingen
Von Deiner Kraft, daß an den Lagerfeuern
Der Hirten weit ins Land kein ander Lied
Erklingt als deiner Taten Preis.
Moses
Taten?
Weil andre es nicht wagen, sind es drum
Schon Taten? Überfluß von einem Becher
In wirren Trinkers Hand! Verwehte Samen,
Neben der Furche aufgegangen, unter
Unkraut!
Plötzlich aufgerichtet und mit veränderter Stimme
Zipporah, hast du je gehört,
Daß etwas brennt und dabei nicht verbrennt?
Daß Büsche reden und die Erde zittert
Von ihrer Stimme?
Zipporah
Niemals hört' ich dies!
Moses
Daß sich aus Flammen bildet ein Gesicht,
Vor dem's dich niederschmettert auf die Knie'? –
Entsetzlich!
Zipporah
Herr, mir bangt um dich!
Moses wild auflachend
Bangt dir?
Erst jetzt? Erst heute? Nicht schon gestern Nacht?! –
Stand nicht ein Schein am Himmel, rot wie Blut?
Wankte der Grund nicht unter deinem Pfühl?
Fuhrst du nicht aus dem Schlaf? Schrie nicht das Kind auf?
Riß sich das Vieh nicht los? Stürzten nicht Hirten
Wankender Kniee in dein Schlafgemach
Und schrieen irr: Die Erde geht in Trümmer!?
Zipporah Nichts davon ist geschehn.
Moses erschöpft
Dann war es Fieber!
Was siehst du mich so an, Zipporah?
Hast Du Angst?
Zipporah
Nicht mehr, Herr.
Moses wieder gefaßt, lächelnd
Aber – früher?
Zipporah
Ein wenig.
Moses tief, zärtlich
Süße Gazelle, zittre nicht!
Zipporah
Vorüber.
Moses
Nach solchem Herzen zielt der Jäger nicht,
Um Küsse
dieses Mundes kann man schon – Vergessen.
Lehnt das Haupt wieder an ihren Schoß
Zipporah Nach einer Pause, sein Haar streichelnd, behutsam
Ich weiß, Herr, daß dies arme Leben hier
Mit Hirten ...
Moses Wie im Traum
Nichts davon! Arm war' dieses Leben? – Erde
Unter den Füßen! Summen wilder Bienen
Im Ohr! Vor lauter Stille stockt das Herz.
O selig! – Nichts mehr wissen von der Welt,
Von sich! Nur daß man atmet, ewig trunken! –
Nie riß' ich dies aus mir, was immer kam'!
So stark sind keine Zeichen, keine Wunder,
Daß sie mich locken könnten mit dem Bild
Des Ruhmes und gewaltigen Vollbringens!...
Wir müssen heute früh zu Bette gehen,
Zipporah. Hab' nicht allzuviel geschlafen.
Auf deines Leibes sanfter Welle will
Ich mich Hinüberfergen an das Ufer,
Das traumlos ist ...
Zipporah erzitternd
Dein Wille, Herr, gescheh'!
Ende des Fragments.
Das vorstehende Fragment stellt die Exposition der einaktigen Tragödie
»Die Berufung«
dar, welche als erster Teil der geplanten Moses-Trilogie gedacht war.