Ludolf Wienbarg
Soll die plattdeutsche Sprache gepflegt oder ausgerottet werden?
Ludolf Wienbarg

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Um die deutsche Gemüthlichkeit ist es ein schönes Ding und was kann namentlich dem Niedersachsen gemütlicher sein, als seine angeborne Sprache. Doch ein schöneres Ding ist der muthige Entschluß, die Gemüthlichkeit einstweilen auszuziehn, wenn sie uns zu enge wird.

Grade das behaupte ich von der und gegen die plattdeutsche Sprache. Sie ist dem Verstand der Zeit längst zu enge geworden, ihr Wachsthum hat bereits mit dem sechszehnten Jahrhundert aufgehört, sie kann die geistigen und materiellen Fortschritte der Civilisation nicht fassen, nicht wiedergeben und daher verurtheilt sie den bei weitem größten Theil der Volksmasse in Norddeutschland, dem sie annoch tägliches Organ ist, zu einem Zustande der Unmündigkeit, Rohheit und Ideenlosigkeit, der vom Zustand der Gebildeten auf die grellste und empörendste Weise absticht.

Habe ich Recht ober Unrecht? Steht es nicht so mit dem Volk in Hannover, Westphalen, Meklenburg, Holstein u.s.w.? Wurzelt nicht das Hauptübel im absoluten Unvermögen der täglichen Umgangssprache, den nöthigsten Ideenverkehr zu bewerkstelligen?

Daß ich in beiden Unrecht hätte. Aber den Stein, den diese Anklage gegen die plattdeutsche Sprache als eine Feindin der Volksbildung, der geistigen Thätigkeit erhebt, derselbe gewigtige Stein muß erhoben werden von jedem Niedersachsen, jedem Deutschen, dem der materielle und geistige Zustand von Millionen Brüdern, dem die Gegenwart und die Zukunft Deutschlands nicht gleichgültig ist.



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