Christoph Martin Wieland
Pandora
Christoph Martin Wieland

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Zweiter Aufzug.

Der Schauplatz bleibt unverändert.


Erste Scene.

Mercur allein. Ei, ei, Pandora, was hast du angestellt? Was wird Prometheus dazu sagen, wenn er kommt und sein ganzes Machwerk auf den Kopf gestellt findet? –

        (Pathetisch, als ob er eine Stelle aus einem Melodrama declamirte.)
    O du schönes, liebliches, goldnes Alter,
    Lächelnde Kindheit der Welt,         (Musik.)
    Holdes, friedsames Schäferleben, . . . . .
    Selige Freiheit und Gleichheit
    Brüderlicher Menschen,
    Fromme Unschuld, süße Eintracht und tiefe Ruhe, . . . . .
    Schöner, reizender, goldner Traum, . . . . .
    Wo bist du hin? . . . . .
    Sie waren so glücklich in ihrer Beschränktheit!
    Bedurften so wenig!
    Und ihr Weniges war für sie so viel! . . . . .
    Alle Menschen waren gleich, . . . . .
    Alle Menschen waren gut, . . . . .
    Alle Menschen befanden sich wohl. . . . . .

        (In seinem natürlichen Ton.)
Das Alles hat nun ein Ende! – Die Leidenschaften haben sich ihrer Herzen bemeistert, und wir werden bald ein schönes Gewirre in der guten Familie sehen, die kaum noch lauter Harmonie und Liebe war. Sie selbst merken nichts von der Veränderung und sind jetzt mit eben der Treuherzigkeit verkehrt, womit sie vorhin grad und fromm waren. – Da kommt Hylassens gutherziger Nebenbuhler und die wohlbedächtige Tante Koronis – Laß doch sehen, wie ihnen die Eröffnung der Büchse zugeschlagen hat.


Zweite Scene.

Mercur. Koronis. Glaukon.

Koronis (zu Glaukon, der in Gedanken ist). Wie, Herr Glaukon? Es gereut Euch schon, daß Ihr meine Nichte dem jungen Hylas so gutwillig abgetreten habt?

Mercur (für sich). Herr Glaukon, was die Leutchen schon höflich geworden sind!

Glaukon. Ich war ein Narr, wie ich das that! Es ist mir aber ganz anders gekommen. Was? Ich sollte leiden, daß mir der Geelschnabel so einen leckern Bissen vor dem Maul wegschnappte?

Mercur. Da haben wir's!

Koronis (indem sie sich ziert und einen kleinen Mund macht). Aber, Herr Glaukon, gibt es denn sonst nichts Liebenswürdiges in unserm Dorf, als meine Nichte? – Ich dächte doch – in der That – seht Ihr denn keine Andre, die Eurer Aufmerksamkeit werth ist?

Mercur (für sich). Die Coquetterie ist nicht im Bodensatz geblieben, wie ich sehe.

Glaukon (ohne auf Koronis Acht zu geben). Der Lümmel sollte vor meinen Augen mit einem so hübschen Mädchen zu Bette gehen? Ich möchte toll werden!

Mercur (zu Glaukon). Aber, Herr Glaukon (weil's doch geherrt seyn muß), Ihr umarmtet ja den Hylas vor einem Augenblick noch so treuherzig?

Glaukon (zornig). Ei was, jetzt möcht' ich ihm den Hals umdrehen! (Er hustet.)

Mercur. Nehmt Euch in Acht, daß Euch der Athem nicht im Halse stecken bleibt! – (Für sich.) Da haben wir den Husten an der Spitze der neuausgeflogenen Krankheiten; der ist auch aus der Büchse.

Glaukon (ganz außer sich). Ah! wenn ich ihn hier hätte, ich zerriß ihn in Stücken.

Koronis. Erzürn' Er sich nur nicht so, Herr Glaukon. Ich wollt' Ihm lieber rathen, sich an meiner Nichte, die Ihm den dummen Jungen vorzieht, zu rächen und – eine Andre zu lieben. Sie ist ein albernes Ding, das einen Mann, wie Er ist, nicht zu schätzen weiß.

Glaukon. Ich will auch gleich zu Myra hingehen und ihr vorstellen, was sie für einen dummen Streich macht, mir einen armseligen Gärtner vorzuziehen, mir, der hundertmal mehr im Vermögen hat!

Koronis. Das ist wirklich das Beste, was Er thun kann. Ich will mitgehn und seine Vorstellungen bei meiner Schwester unterstützen – (Glaukon geht. Für sich) – und sehen, daß ich den Hylas für mich bekomme. Denn, wahrlich, das will ich mir nicht nachsagen lassen, daß ich Jungfer bleiben und den Verdruß haben soll, meine Nichte verheirathet zu sehen.

(Sie geht dem Glaukon nach.)

Mercur (allein). Ein hübscher Anfang! Eifersucht, Haß, Wuth, Neid, Verleumdung, Coquetterie – das wird eine feine Gährung geben! – Aber da kommt ja Hylas mit seiner Lalage? – Wie er das Maul hängt! Wie sie so spröde und vornehm thut! – Ein hübscher Anfang, beim Styx, ein hübscher Anfang!


Dritte Scene.

Hylas. Lalage, geputzter als zuvor, mit Blumen und Federn in den Haaren.

Hylas (für sich). Daß ich das erst jetzt gewahr worden bin! Chloe ist doch weit hübscher, und – ich glaube, sie hat mich auch lieber.

Lalage (für sich). Hylas ist freilich jünger und schöner, aber dafür ist Glaukon reicher als Hylas.

Mercur (für sich). Wohl raisonnirt!

Hylas (zu Lalagen ziemlich brusque). Ei, hör Sie, Jungfer Lalage, was soll denn das bedeuten, daß Sie sich da so viel Blumen und Federn an den Kopf gesteckt hat?

Mercur (für sich). Die Eitelkeit hat sie einstweilen angesteckt, bis die Diamanten und Perlenschnüre aus Indien angelangt seyn werden.

Lalage (zu Hylas). Was hat Mosjeh Hylas sich darum zu bekümmern, was ich anstecke?

Hylas. Was ich mich drum zu bekümmern habe? Eine schöne Frage! Ich habe mich sehr viel darum zu bekümmern, wenn Sie meine Frau werden will. Komm Sie mir nicht so, Jungfer Lalage! Weiß Sie wohl, daß ihre Base Chloe – Sieht Sie, wenn Sie mich böse macht –

Lalage (schnippisch). Nun? Wenn ich Ihn böse mache – was denn?

Hylas. So – heirath' ich gleich Chloe.

Lalage. Nichts als das? – I, das kann Er meinthalben!

Hylas (sich brüstend und spreizend). Chloe ist ein hübsches Mädchen, und – wir haben die Ehre, ihr nicht zu mißfallen.

Mercur (klopft dem Hylas auf die Schulter). Es lebe Kleinmeister der Erste!

Lalage. Ich weiß auch gar nicht, wo ich meine Sinne hatte, da ich mir einfallen ließ, mich an einen Gärtner wegzuwerfen!

Hylas. Der wahrlich wohl die Tochter der Madame Myra werth ist!

Lalage. Da kommt ja meine Base wie gerufen! Ich will euch nicht hinderlich seyn! (Sie thut, als ob sie gehen wollte.)


Vierte Scene.

Chloe. Die Vorigen.

Gesang zu Vieren.

Chloe zu Lalage.
                Du fliehst mich, Base?

Lalage.
                Nicht dich, nur Hylas.

Chloe.
                Wie? deinen Hylas?

Lalage (für sich).
                Die falsche Katze!
                Wie kocht mein Blut!

Chloe (für sich).
                Die haben, merk' ich,
                Sich überworfen,
                Ha! das geht gut!
                        (Zu Lalage.)
                Was hast du, Base?

Lalage (für sich).
                Sie spotten noch? Ich rase
                Vor Scham und Wuth.

Chloe zu Lalage.
                Wer wird denn aber gleich
                So ernstlich schmollen?

Hylas zu Chloe.
                Du wirst die Närrin doch
                Nicht halten wollen?
                Laß sie doch gehen,
                Das kleine Ungethüm!

Lalage zu Chloe.
                Nimm ihn für dich! Ich mache
                Dir ein Geschenk mit ihm.

Hylas.
                Ei, das ist meine Sache!
                        (Zu Chloe.)
                Ich schenke selbst mich dir.

Chloe zu Hylas.
                Du scherzest nur mit mir.

Zu Drei:

        Lalage zu Chloe.
                Nimm ihn, ich schenk' ihn dir.

        Hylas.
                Ich schenke selbst mich ihr.

        Chloe.
                Du scherzest nur mit mir.

Hylas zu Chloe.
                Es ist mein barer Ernst!

Chloe.
                O, dürft' ich's glauben!

Lalage (für sich).
                Sie legt's ihm nah,
                Die garst'ge Nixe!

Mercur (für sich).
                Auch das ist aus Pandorens Büchse!

Hylas zu Chloe.
                Du kannst mir glauben,
                        (Auf Mercur weisend.)
                Frag nur den Herren da!

Mercur zu Chloe.
                Du kannst ihm glauben,
                { Es ist sein barer Ernst.

Hylas.
                { Es ist mein barer Ernst.

Chloe.
                O, dürft' ich's glauben!

Hylas.
                Es ist mein barer Ernst,
                Du hörst es ja!

Mercur. Lalage.
                Es ist sein barer Ernst,
                    Du hörst es ja!

(Lalage geht stolz und hohnlächelnd ab.)

Mercur. Es ist sein Ernst; du kannst dich ihm ohne Gefahr entdecken.

Chloe. Nun, Hylas, wenn das ist, so will ich dir sagen: – (Sie tritt etwas näher zu ihm.) – Lalage gestand mir gestern Abend im Vertrauen, daß sie nur so dergleichen thue, als ob sie dich liebe –

Mercur (für sich). Gestern Abend? Die kleine Spitzbübin! Da ist sie gleich mit der ersten Lüge heimlich niedergekommen.

Chloe. Aber im Grunde sey's ihr gar nicht so ums Herz.

Hylas. Wer bekümmert sich drum?

Chloe. Wenn ich an deiner Stelle wäre, ich wollte mich schon zu rächen wissen.

Hylas. Das will ich auch. Ich will mich rächen! O, es muß gar was Angenehmes seyn, sich zu rächen! Gleich stehenden Fußes will ich gehn – Komm, Chloe, mit zu deiner Tante – ich will mein Wort zurückziehen und dich vor ihrer Nase heirathen.

Mercur. Viel Glücks!

(Hylas und Chloe gehen ab.)

Mercur (allein). Die Süßigkeit der Rache! – Armer Hylas! Arme, arme Lehmgeschöpfe! Was wollt ihr, so schwach, so zerbrechlich, wie ihr seyd, mit Götterleidenschaften anfangen? Wie wollt ihr sie handhaben? – Jupiter ist doch grausam, daß er sich so ein Spiel aus eurem Glücke macht! – Aber so sind wir Andere! Wenn nur sein Groll gegen Prometheus befriedigt wird, auf Glück oder Unglück einer Welt voll armer Menschlein kommt's ihm nicht an! – Doch in dem Allen ist des Schicksals Hand. Wir regieren Himmel und Erde und sind doch nur Werkzeuge, einen Plan auszuführen, den wir weder gemacht haben, noch kennen – Da kommt Myra mit Lalage und dem Alten. Nun werden wir die neuen Familientugenden bald beisammen haben.


Fünfte Scene.

Mercur. Myra. Lalage. Glaukon.

Myra. Was ich höre, Vater Glaukon, so habt Ihr also nicht auf meine Tochter Verzicht gethan?

Glaukon (hustend). Ich, ich thu' auf nichts Verzicht.

Mercur. Ihr habt doch da einen Husten, däucht mich, der Euch nöthigen wird, auf allerlei Verzicht zu thun.

Glaukon. Das wird sich schon geben, wenn ich die schöne Lalage geheirathet habe.

Mercur. Ich sollte selbst glauben, daß es sich geben wird.

Myra. War ich nicht eine Närrin, meine Tochter an einen armen Gärtner verschenken zu wollen? Ein reicher Bauer schickt sich doch wohl besser für sie?

Glaukon. Das dächt' ich!

Myra. Ihr habt Vermögen; das ist just, was meine Tochter braucht.

Glaukon. O! ich hoffe, noch viel mehr vor mich zu bringen. Ich will sparen, will mir abbrechen, will mir das Brod vorm Mund abbrechen –

Mercur (für sich). Bravo! Es wollte mich schon Wunder nehmen, wo der Geiz bliebe? – Nun will ich doch geschwind einen kleinen Flug nach dem Olympus thun, um Jupitern Bericht abzustatten, wie seine Büchse wirkt. – Der ehrliche Prometheus! Der ist garstig angeführt! So ein Tausendkünstler er ist – was Pandora heute verdorben hat, macht er in Ewigkeit nicht wieder gut.

(Er geht ab.)


Sechste Scene.

Hylas und Chloe zu den Vorigen.

Hylas (zu Myra). Wir suchen Euch überall, Frau Myra.

Myra. Was wollt Ihr meiner?

Hylas. Wollt' Euch nur sagen, daß ich Eure Tochter nicht mehr verlange.

Lalage. Und sie dich noch weniger.

Myra. Ihr kommt mir nur einen Augenblick zuvor, Mosjeh Hylas. Ich gebe meine Tochter dem Glaukon.

Hylas. Ach! ich merke wohl, wie das gemeint ist. Ihr gebt sie dem Glaukon seines Hustens wegen.

Glaukon. Wie so? Was wollt Ihr damit sagen, Mosjeh Hylas?

Hylas. I, zum Wetter, das ist ja leicht zu verstehen. Seht Ihr denn nicht, daß Ihr Euch bald zu Tode husten werdet, und daß sie sich dann mit der Haut des Alten einen jungen Mann kaufen will?

Glaukon. Ihr seyd ein Grobian.

Hylas (Chloen bei der Hand nehmend). Komm, Chloe, wir wollen gehen und das wohlgegattete Paar lassen, wo es ist. Mögen sie doch reich seyn. Vergnügen geht über Reichthum. Komm!

(Sie wollen gehen.)


Siebente Scene.

Koronis. Die Vorigen.

Koronis (zu Lalage). Wie, Nichte? was gibt's hier?

Lalage. Ein unverhofftes Brautpaar, wie Ihr seht!

Koronis (für sich). I, verwünscht! daß ich doch immer zu spät kommen muß! – (Zu Hylas.) – Hör' Er, Mosjeh Hylas, nur ein Wort! (Sie nimmt ihn beim Arm und zieht ihn auf die Seite.)

Hylas. Aber fein ein kurzes, ich kann mich nicht aufhalten.

Koronis. Er wird doch kein Thor seyn und das grüne Mädchen da mit Nichts und wieder Nichts heirathen wollen? Hör' Er nur, weil ich doch mit der Sprache heraus muß – ich bin Ihm schon lange gut gewesen. Er weiß, ich habe Vermögen, Chloe hat nichts – Ich bin zwar – ein paar Jährchen älter –

Hylas (indem er sie scharf ansieht). Ein paar Jährchen?

Koronis. Aber was thut das? ich bin jung genug für einen Mann, und ich kann Ihn glücklicher machen als Chloe. Glaukon darf Ihm dann seine Armuth nicht mehr vorrücken, und Lalage wird vor Aerger gelb werden, wenn sie sieht, daß Hylas so dicke thun kann, als der Beste im Dorfe. Besinn' Er sich wohl, Hylas, und laß Er das Mädel gehn! Ich will Ihm bis morgen Bedenkzeit geben.

Hylas. Bedenkzeit? Nun ja, Bedenkzeit kann ich schon brauchen. Wir wollen sehen. Die Sache ist schon überlegenswerth. Wenn ich das hätte denken können –

Koronis. Laß Er sich nur noch nichts gegen Chloen merken.

Chloe (sich ihnen nähernd). Nu, was habt ihr da für Geheimnisse? – (Zu Koronis.) Höre Sie nur, Jungfer Koronis, es gefällt mir gar nicht, daß Sie so vertraut mit Hylas thut.

Koronis. Was will das Mädchen? Ich glaube, Sie ist nicht klug!

Hylas (zu Chloe). Bist ruhig, Chloe! es ist nichts.

Chloe. O, nur gar zu klug! Ich merke wohl, was Sie für Absichten hat. Wahrhaftig, so ein altes Ding, wie Sie ist, sollte sich schämen – (weinend) – einem jungen Mädchen ihren Bräutigam abspenstig zu machen.

Koronis. Was? Wie? Altes Ding? Abspenstig machen? Dir, deinen Bräutigam abspenstig machen? Das hab' ich wohl vonnöthen! – Ich weiß nicht, was mich abhält, daß ich dir nicht gleich die Augen auskratze.

(Chloe läuft mit einem Schrei davon. Hylas folgt ihr.)

Lalage und Glaukon (die Koronis zurückhaltend). Nu, nu, Tante, halte Sie Fried'! Erbose Sie sich nicht so!

Koronis. Laß mich! ich will nicht so weit gegangen seyn, um stehen zu bleiben (Sie geht ab.)

(Man hört ein Getöse von Trompeten und Trommeln.)

Myra. Was ist das für ein Getöse?

Glaukon. Meiner Lebtage hab' ich so was nicht gehört!

Lalage. Ich zittre an allen Gliedern.


Achte Scene.

Koridon, von einem Haufen bewaffneter Bauern begleitet. Myra. Glaukon. Lalage.

Koridon (zu seinen Leuten). Laß sehen, ob sich die auch erst lange bei den Ohren ziehen lassen werden.

Myra (zu Glaukon und Lalage). Es ist Koridon, der reichste Bauer in unsrer Gegend.

Glaukon. Eh, guten Tag, Nachbar.

Einer von den Bauern (zu Glaukon, indem er ihm den Hut vom Kopf schlägt). Will dich Respekt lehren, du alter Krautschuft! Kannst'n Hut nit 'runternehmen, wenn du mit deinem gnädigen Herrn sprichst?

Glaukon. Was Herrn? Wir haben keinen Herrn hier.

Myra. Er ist ein Bauer wie wir.

Glaukon. Wir wissen ja. zum Wetter, wer Koridon ist.

Koridon. Du sollst wissen, ich heiße nicht mehr Koridon; ich bin nun der Herr von Koridon von und zu Koridonshausen.

Lalage. I, wo wollt ihr mit dem langen Namen hin? (Sie lacht.)

Koridon. Es ist nur, um euch mehr Prospect für meine Person einzuflößen, versteht ihr? Ich habe mich zum Herrn dieser Gegend aufgeworfen.

Myra. Da habt Ihr kein Recht zu, das ist unbillig!

Koridon. Kein Recht? Wer sagt euch das? Will euch mein Recht schon fühlen lassen! – Kein Recht! Ihr sollt wissen, ich hab Courage im Leib, wie ein Bär, und hohen Muth und Thatkraft. Will euch beweisen. ob ich'n Recht hab', ihr Lumpenvolk!

Glaukon. Was für ein toller Einfall? Ein schlechter Bauer –

Koridon. Willst's Maul halten, alter Murrkater? Du sollst gleich der Erste seyn, der sich vor mir demüthigt.

Glaukon. Das werd' ich fein bleiben lassen.

Myra. Und ich wahrlich auch.

Koridon. Will's euch schon lehren! Hab schon drei solche Flegel mausetodt geschlagen, weil sie sich nicht unterwerfen wollten.

Glaukon. Ich will von Niemand abhangen; lieber sterben!

Koridon^ Nu, so habt's an euch selber! (Zu seinen Leuten.) – Kinder, nehmt mir die Rebellen da beim Kopfe!

(Die Bauern schicken sich an, seinen Befehl zu vollbringen.)

Glaukon und Myra (sich ihm zu Füßen werfend). Ach! gnädiger Herr, wir bitten um Barmherzigkeit!

Lalage (kniend). Wir wollen uns nicht weiter sträuben, gnädiger Herr Koridon von und zu Koridonshausen!

Koridon. Beim Element, das dacht' ich ja, daß ich euch zur Raison kriegen würde!


Neunte Scene.

Mercur. Die Vorigen.

Mercur. Ei, ei, Sein Diener, Herr von Koridon!

Koridon. Wer ist der?

Mercur. Gut Freund und zur Zeit wohlbestellter Brautdiener bei Lalagens Hochzeit.

Koridon. Wen heirathet sie denn?

Mercur (auf Glaukon weisend). Da, dieß grauköpfige Liebchen hier, wenn Ihr nichts entgegen habt.

Koridon. Zum Element! ich hab' aber sehr viel entgegen. Wie? der alte Kerl da soll so'n hübsches Mädel zur Frau haben? das werden wir nicht zugeben.

Mercur. Da habt Ihr auch Recht. Lalage schickt sich viel besser für einen braven Edelmann, wie Ihr seyd, den Vater der Nobilität – das ist keine Frage.

Koridon. Zum Wetter! das denk' ich just auch.

Glaukon. Ich laß mir eher das Leben nehmen, als Lalagen.

Koridon. Blitz und Hagelwetter! Was, der Kerl raisonnirt noch? Gleich packt ihn an, steckt ihn ins Loch, fort mit ihm!

(Die Bauern schleppen den Glaukon mit Gewalt fort.)

Mercur (für sich). Die Ambition hat in meiner Abwesenheit gewaltig um sich gefressen, wie ich sehe. – (Zu Koridon.) – Courage, Herr von Koridonshausen; es ist schön, daß Ihr so gute Zucht und Ordnung unter den Menschen einführen wollt.

Koridon. Das ist mir so auf einmal zu Kopfe gestiegen. Dacht', 's müßte hübsch seyn, wenn Einer so Herr über die Andern wär' und nur befehlen könnt', wie's ihm in'n Sinn käm' – (Zu Lalage) – Nu, heida, mein Hühnchen! wollen dir die Ehre erweisen und dich zu unsrer Hausfrauen erwählen. Du sollst nichts beim Tausch verlieren.

Lalage (mit einem Knicks). Es soll mir große Ehre seyn.

Koridon. Alle Weiber im Lande müssen dir dann Platz machen und aufwarten.

Lalage (außer sich vor Freude). Heisa! das wird schön seyn!

Koridon. Du sollst alle Tage so geputzt gehen, wie eine Braut an ihrem Hochzeittag.

Lalage (mit einem Sprung in die Höhe). Das ist herrlich!

Mercur. Ew. Gnaden können sich dann einen sechsellenlangen Schweif nachtragen lassen, wenn's beliebt.

(Man hört Lärm hinter der Scene.)

Koridon. He! was gibt's da? – (Zu seinen Leuten.) – Holla, ihr dort paßt auf!


Zehnte Scene.

Glaukon, Hylas und etliche Bauern, mit Stangen und Knitteln bewaffnet. Die Vorigen.

Hylas. Wo ist er, der Großprahler, der Schnapphahn, der Gauner, der uns zu Sklaven machen will?

Glaukon. Und ehrlichen Leuten ihre Bräute vor der Nase wegnimmt.

Koridon. Wie? Was? Alle Wetter? Ich glaube, die Lumpenhunde unterstehen sich gar, mir Trotz zu bieten? – (Zu seinen Leuten.) Allons! Frisch, ihr Bursche, schlagt zu! Schlagt sie zu Boden!

(Sie werden handgemein. Myra und Lalage erheben ein Geschrei und flüchten sich hinter Mercur.)

Hylas (auf Koridon losgehend). Ich will dir den Edelmann aus dem Schädel klopfen, du Mistfinke!

Lalage (dazwischen laufend). O lieber Hylas, halt' ein! Vergreif' dich nicht an meinem Herrn Bräutigam.

(Das Getümmel nimmt überhand.)

Mercur (für sich). Blut soll dießmal nicht vergossen werden. Ich muß mich ins Mittel schlagen – Aber da kommt ja, zum guten Glück, Prometheus selbst.


Eilfte Scene.

Donner und Blitz.

Prometheus. Die Vorigen.

(Sie fahren Alle aus einander und stehen wie versteinert.)

Prometheus (mit Unwillen).
Wie? Welch ein Unfug? Muß ich selber kommen
Und Friede machen unter euch? Elendes Töpferwerk!
Was hält mich, daß ich nicht mit einem Streich'
Ein Werk vernichte, das mir Schande macht,
Und euch, so viel ihr seyd, nichtswürdige,
Mit meiner Feinde Unrath angefüllte
Gefässe allesammt zu Scherben schmettre?
Weg, augenblicks! – und wehe dem von euch,
Der gegen seinen Bruder einen Finger nur
Zu heben sich erkühnt!

(Sie rennen Alle in ängstlicher Verwirrung davon.)

Mercur.
Ereifre dich nicht so,
Prometheus – was geschehn ist, ist geschehn.

Prometheus.
Wohl! Wohl! Ihr habt da eine große That vollbracht!
Könnt stolz drauf seyn mit eurem Jupiter!
Ihr habt euch schön gerochen! Was ich gut gebildet,
Habt ihr verhunzt! Aus meinen lieblichen,
Gutartigen Geschöpfen eine Brut von Narr'n und Schurken
Gemacht, zu elend, um gehaßt, und kaum
Noch gut genug, um kalt bedaurt zu werden!
Für Götter, die ihr seyn wollt, ein gewaltiges
Glorreiches Unternehmen, über ein Gemächt
Von nassem Lehm so obgesiegt zu haben! – Wohl!
Sag deinem Vater Zeus, er soll hinfür
Nichts, das der Müh' sich lohnt, von meiner Arbeit
Verderben können. Was ich jemals wieder bilde,
Soll Marmor seyn und ewig Marmor bleiben,
Bis es die Luft zerbeizt, die Zeit zerfrißt:
Und diese Erdbewohner, einst mein Lieblingswerk,
An deren Unschuld, Eintracht, Kinderfreuden
Ich mein Vergnügen hatte – diese nun
Verdorbenen, besudelten Geschöpfe,
Vom Wurm bestochne Knospen, – ich begebe
Mich alles Rechts an sie! – Ihr habt sie euch geeignet,
Nun, so behaltet sie und macht daraus,
Was euch gefällt!

Mercur.
Vetter Prometheus, wenn die böse Laune,
Die dich in Jamben sprechen macht,
Dir anders Freiheit läßt, Vernunft zu hören,
So höre an! Ich will die Herren des
Olympus weder tadeln, noch rechtfertigen.
Auch ist's natürlich, wenn im ersten Augenblick'
Es dich verdreußt, daß Zeus die schwache Seite
Von deinem Mittelding von Thier und Gott
So bald gefunden und zu seiner und
Der andern Götter Kurzweil so benutzt,
Wie du gesehen hast. – Doch, laß es seyn!
Das Schicksal, dem wir Alle, ungern oder gern,
Gehorchen müssen, hat's mit deinen Menschen
So übel nicht gemeint. Sie sind auf gutem Wege, nun
Zu werden, was du sie seit sechzig Jahren
So gerne machen wolltest und nicht konntest –

Prometheus.
Nicht konnte? Freilich wollte und nicht konnte, weil
Ich, um vollkommner sie zu machen, sie darum
Nicht minder gut und glücklich machen wollte.

Mercur.
Pandorens Büchse hat nicht mehr gethan,
Als das beschleunigt, was am Ende doch
Die Zeit, auch ohne sie, bewirken mußte.

Prometheus.
Ein feiner Trost!

Mercur.
Und dann, bedenke, Vetter!
Daß, wenn die Einzelnen, wenn Hylas, Chloe, Lalage
Und Glaukon und so weiter bei der Katastrophe
Verlieren, – doch das Ganze sehr dabei gewinnt.
Und selbst die Einzelnen gewinnen! Immer Einerlei,
Auch wenn das Einerlei aus lauter Freuden
Gewebt wär', ist, beim Himmel! doch kein Leben.
Verändrung, Wechsel ist des Lebens Würze.
Auf Schmerz ist Wollust desto süßer, Ruh' auf Arbeit;
Aus Dissonnanzen webt der Musen Kunst
Die Zauberein der Harmonie; und Glück,
Mit Sorgen, Kampf, Gefahr und angestrengter Müh'
Errungen, lohnt im Augenblicke des Genusses
Die Kosten tausendfach.

Prometheus.
Wohl, Hermes, weil's nun einmal ist, wie's ist,
So kann's und soll's denn auch nicht anders seyn!
Daß aus dem Bösen selbst, durch unsre Kunst, was Gutes
Gezogen werden kann, ist freilich Trost, wiewohl
Kein Trost für mich! Ich liebe reine Formen,
Und eure Mischerei von Licht und Finsterniß,
Von Süß und Bitter macht mir keine Freude.
Am Ende, Freund! ist all das Gute, das
Im Treibhaus' eurer Leidenschaften je
Hervorgezwungen werden soll,
Für alles Böse nur ein ärmlicher Ersatz.
Dem Unglückseligen, an dessen Eingeweide
Des Schmerzens Geier nagt, dem ist's kein Labsal,
Daß Andre Wollust athmen.

Mercur.
                                                Auch für dieß
Hat Zeus gesorget.

Prometheus.
                                Er? Nichts mehr davon!

Mercur.
Zwar eigentlich nicht Zeus: das Schicksal selbst
Hat für die Uebel, die Pandorens Vorwitz
Den Menschen aufgeladen, auch Arznei bestimmt,
Und durch Pandoren selbst –
        (Eine sanfte Musik kündigt Pandorens Ankunft an.)
                                                  Horch! Horch!
Sie nähert sich – die Lüfte um sie her zerfließen
In Harmonie – Ein Zeichen guter Vorbedeutung!


Zwölfte Scene.

Pandora. Die Vorigen.

Pandora (zu Prometheus).
Prometheus – kannst du mir verzeihn?

Prometheus.
Du bist ein Weib, Pandora – deine Hand,
Wiewohl vom Vorwitz ausgestreckt, war nur
Das Werkzeug einer andern unsichtbaren –
Sey ruhig! Dir hat längst mein Herz verziehn.

Mercur.
Und Beide höret nun des Schicksals Spruch
Aus meinem Munde! Sie soll nun die Gattin
Des Menschenbilders seyn; soll eine göttergleiche Tochter ihm
Gebären, die auf ewig bei den Menschen wohne
Und, aller ihrer Leiden süße Trösterin,
Sie stets begleit', im Leben und im Tode
Sie nie verlass', und Hoffnung sey ihr Name!

Prometheus und Pandora.
                Geheimniß des Schicksals!
                    Wir beten dich an.

Prometheus und Mercur.
                Was lebet und strebet,
                    Ist dein Organ.

Pandora.
                Wir taumeln, wir irren
                Auf nächtlichen Pfaden
                    Nach deinem Plan'

Pandora und Prometheus à 2.
                Und wähnen zu wirken,
                    Was du gethan.

Alle Drei.
                Geheimniß des Schicksals!
                    Wir beten dich an.

(Mit dem letzten Worte dieses Gesanges thut sich der Schauplatz auf und zeigt auf einer Anhöhe in einer Art von Glorie die Göttin des Friedens Irene und die Musen Thelxinoe, Aöde, Polymnia und Erato, die zu ihren Füßen sitzen.)

Irene.
        Herbei, herbei, ihr Kinder der Erde,
            Der Sturm ist vorüber, herbei!

Chor der Musen.
        Der Sturm ist vorüber,
        Verschüchterte Heerde
        Der Kinder der Erde,
            Herbei, herbei!

(Während dieses Gesangs erfüllt sich der Schauplatz zu beiden Seiten mit Bewohnern der Gegend, die Personen des Stücks, Hylas, Lalage u. s. w. an ihrer Spitze.)

Thelxinoe.
        Das Feuer der Zwietracht,
        Das wilde Getümmel
        Der thierischen Triebe
        Zu sänftigen, sendet
        Die Göttin der Liebe
        Aus offenem Himmel
            Die Musen euch zu.

Irene.
        Der Leidenschaften Stürme schweigen
            Dem süßen Zauber ihrer Töne,
        Die Ungeheuer alle fliehen.
        Bekränzt mit Palmen steigt Irene,
            Ihr Sterbliche, zu euch hernieder,
        Bringt euch zurück des Lebens Freuden.
        Ihr fühlt euch wieder Alle Brüder,
        Und alle Sorgen, alle Leiden
            Verlieren sich in sanfte Ruh'.

Chor der Musen, Prometheus und Mercur.
                Das wilde Getümmel
                Der thierischen Triebe
                Zu sänftigen, sendet
                Die Liebe vom Himmel
                    Die Musen euch zu

Prometheus.
        Mit Freude seh' ich Ruh' und Glück
            Zu meinen Kindern wiederkehren;
            Allein wie lange wird es währen?

Mercur.
        So lang', als sie Irenen ehren,
            Als Mäßigung, Genügsamkeit
            Und Musenliebe sie beseelen.

Prometheus.
        Dieß Glück, o, könnt' ich's mir verhehlen!
            Ist nur ein schöner Augenblick.

Irene, die Musen.
        Wir wollen nie von ihnen weichen,
        Wofern sie uns nicht selbst verscheuchen.

Chor des Volks.
        Dank euch, wohlthät'ge Wesen,
            Ihr bringt uns Glück und Ruh'!

à 2.
        Wenn wir von euch uns kehren,
        Wie können wir genesen?

Alle.
        Hört unsern Schwur! Wir schwören
        Uns ew'ge Bruderliebe,
        Euch ew'ge Treue zu!

 


 


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