Christoph Martin Wieland
Der Anti-Ovid
Christoph Martin Wieland

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Vorbericht
der dritten Ausgabe von 1770.

Dieser sich so nennende Anti-Ovid würde in mehr als einem Betracht sehr wenig dabei gewinnen, wenn er neben dem reizenden Verführer, dem er durch seinen Namen Trotz bietet, in der Welt erscheinen sollte.

Die damalige Jugend des Verfassers und die Eilfertigkeit, womit dieses Gedicht im Jahre 1752 in wenig Tagen ejaculirt wurde, zeigt sich in der schlechten Anlage des Plans, in einer noch sehr mangelhaften Kenntniß des Herzens, in der Ungleichheit der Schreibart, in dem seichten Urtheil über die Briefe der Ninon Lenclos an den Marquis von Sevigny und in zwanzig andern Dingen von minderer Bedeutung.

Dasjenige wohl auszuführen, was der Titel verspricht, würde die Ausarbeitung eines ganz neuen Gedichtes erfordern; wozu der Verfasser weder Lust noch Muße hat. Weil indessen doch einige gute Stellen und der Geist und Zweck des Gedichts selbst die möglichste Ausbesserung desselben zu verdienen schienen, so hat man bei dieser Ausgabe größere Veränderungen damit vorgenommen, als mit irgend einem andern in dieser Sammlung; wie die Vergleichung mit der 218 vorigen Ausgabe diejenigen belehren wird, welche sich diese Mühe geben mögen. Insonderheit ist die zweite Hälfte des ersten Gesangs und die erste des zweiten gänzlich umgeschmelzt worden; und wenn bei einer künftigen Ausgabe die beiden andern ein gleiches Schicksal haben sollten, so würde das Ganze so viel als neu seyn, und mehr dadurch gewinnen, als verlieren. 219


Zusatz

zu der

Ausgabe sämmtlicher Werke Wielands,

bei Göschen, Leipzig 1794–1805.

Der Verfasser hat der Versuchung nicht widerstehen können, bei dieser Ausgabe mit dem Rest des Gedichtes eben so frei zu verfahren, als in der vorigen mit einem großen Theile desselben geschehen war, und das Ganze ist dadurch wirklich dem ursprünglichen Anti-Ovid so unähnlich worden, daß man diesen kaum noch darin erkennen kann.

Vielleicht ist die Absicht, das Gedicht etwas lesbar zu machen, bei den meisten Lesern dadurch erreicht: indeß daß einige wenige vielleicht in andrer Rücksicht lieber gesehen hätten, wenn alles, wie es anfangs war, geblieben wäre. Uebrigens scheint eben nicht viel damit gewonnen zu seyn, 220 wenn man einen alten Rock so lange mit neuen Lappen ausstickt, bis man nicht mehr sehen kann, von welchem Zeug und welcher Farbe er einst gewesen seyn mag; es kommt mit allem dem Flicken doch nur – ein Bettlermantel heraus.

[Man hat für gut befunden, alle bei gegenwärtiger Ausgabe beträchtlich veränderten oder gänzlich umgearbeiteten Stellen mit einfachen › ‹ vor den übrigen auszuzeichnen.] 221

 


 


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