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Zum Geleit

Die Eigenart und der Reiz dieses Buches liegen darin, daß sein Inhalt Roman und Wirklichkeit zugleich ist.

Die Liebe zwischen diesen beiden hochstehenden, nach Alter und Lebenskreis so verschiedenen Menschen – das psychologisch fein sich entwickelnde Erwachsen ihrer Liebe aus einem anfänglich rein wissenschaftlichen Verkehr – das verjüngende Glück, das auf Ihn, den schon in den Sechzigen Stehenden, und die emporhebende Kraft, die auf Sie von dieser Liebe ausströmt – die inneren Kämpfe und das Leid, welche das Gebot der Pflicht über Beide verhängt – das Auf und Nieder bis zum tragischen Ende – – es klingt alles wie ein Roman.

Und doch ist es kein erdichteter Roman, sondern mit warmem Herzblut erlebte Wirklichkeit – erlebt vor einem Menschenalter von einem berühmten Manne, der gerade in dem Jahrfünft seines größten Weltruhms, als sein Name in Aller Munde war, ganz und gar im Banne dieser geheimen späten Liebe gestanden hat.

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Dieser Veröffentlichung liegt ein umfangreicher wirklicher Briefwechsel zugrunde. Die aus diesem ausgewählten, hier mitgeteilten Briefe sind zwar wesentlich gekürzt und im Interesse der literarischen Abrundung leicht redigiert, inhaltlich aber durchaus echt; besonders wurde darüber gewacht, daß alle Äußerungen des berühmten Gelehrten über seine Weltanschauung und sein Lebenswerk wortgetreu den Originalbriefen entsprechen.

Um den Eindruck des »Romans« nicht durch die Ablenkung der Aufmerksamkeit auf das Biographisch-Memoirenhafte des Inhalts zu beeinträchtigen, sind sowohl die meisten Personennamen wie auch viele Ortsangaben und dergleichen verhüllt worden. Mit einem ganz dichten Schleier der Anonymität wurde die Gestalt der Freundin umgeben – man ehre dieses Geheimnis und freue sich der eigengeprägten Persönlichkeit, die – trotz der Verschleierung der Person – aus diesen Briefen in voller Klarheit vor Augen tritt.

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Bei dem Entschlusse, einen Briefwechsel so intimer Art aus uns noch naheliegender Zeit zu veröffentlichen, war entscheidend, daß der Held dieses Buches selbst den Wunsch gehegt und immer wieder bedacht hat, wie seiner Freundin aus ihren Briefen ein Ehrendenkmal gestaltet werden könne – wir hoffen, daß uns das gelungen ist.

Darüber hinaus ist dieser Briefwechsel von bleibendem kulturgeschichtlichen Werte, indem er ein typisches Kulturbild dafür bietet, mit welchem ethischen Ernste und welcher Strenge noch die Generation um 1900 in einem Konflikt zwischen Liebe und Pflicht darum kämpfte, der Pflicht treu zu bleiben – heutzutage, nach dem Umsturz, würde Franziska von Altenhausen kaum mehr als Typus gelten können.

In der Reihe der literarischen Selbstzeugnisse über berühmte historische Liebespaare nimmt diese Veröffentlichung auch dadurch einen bevorzugten Platz ein, daß es sich hier nicht, wie bei Goethe, bei den Briefen der Diotima an Hölderlin, bei Lenau u. a., bloß um Äußerungen der einen Seite handelt, sondern ein vollständiger Brief wechsel vorliegt.

Das Schicksal unseres Helden aber – das kam als weiterer Antrieb zur Veröffentlichung hinzu – dünkt uns ein ergreifendes und, wenn man es auf andere große Männer anwendet, nachdenklich stimmendes Beispiel dafür, wie ein im öffentlichen Leben an hervorragender Stelle stehender Mann, den die Welt nur als streitbaren Kämpfer kennt, inmitten seines äußeren Kampflebens von schweren inneren Kämpfen und bitterem Herzeleid erschüttert wird, von denen die Welt nichts ahnt, und wie rein persönliche Erlebnisse, von denen die Welt nichts weiß, bestimmend einwirken auf öffentliche Ereignisse, bei denen die Welt aufhorcht – ein lehrreicher Einblick in die Kausalität des historischen Geschehens!

Schließlich erscheint dieser Briefwechsel auch insofern von geschichtlicher Bedeutung, als aus ihm das Charakterbild des berühmten Gelehrten so lebenswahr vor Augen tritt, daß jeder, der das Pseudonym durchschaut und ihn persönlich noch gekannt hat, ausrufen wird: »Ja, das ist er echt und leibhaftig, wie er war – das treueste Bild, das je von ihm gezeichnet worden ist!«

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Man nehme das Ungewöhnliche, das mit reinem Herzen erlebt worden ist und hier mit reinen Händen dargeboten wird, mit reinem Sinne auf – wie es die Liebenden selbst empfunden haben: als ein Seitenstück zu Goethe und Charlotte von Stein, zu Paolo und Francesca da Rimini.

Leipzig, am 17. Juli 1927.
Prof. Dr. Joh. Werner.


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