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Anhang.
Nachweise.

Nr. 1 (zu S. 30). Die Urschriften der Briefe Schillers an den Herzog von Württemberg und den Obrist v. Seeger sind aus dem Nachlaß des Medizinalrats Leydhecker (s. über ihn Schillerbiographie, Band I, S. 297, Anm.) an die kgl. Bibliothek zu Berlin gekommen; vgl. den Druck bei Jonas, Schillers Briefe, Nr. 34 u. Nr. 35. Vom Brief an den Herzog hat sich auch ein Bruchstück des Konzeptes erhalten, das eine Anzahl kleiner Varianten aufweist; es befindet sich heute im Schillermuseum zu Marbach (der Schluß ist abgerissen; vgl. den Druck bei Jonas VII, S. 270-271, der korrekter ist als der erste Druck in Boas' Nachträgen zu Sch.s Werken); Streicher, wie er auch den Inhalt des Schreibens aus der Erinnerung nur ungenau angibt, irrt also, wenn er (Schillers Flucht S. 85) erzählt, der Dichter habe den »vorher nicht aufgesetzten, aber vortrefflich geschriebenen Brief den wartenden Freunden« vorgelesen. Daß Schiller das Schreiben an den Herzog einem Briefe an den General v. Augé beigeschlossen, der General geantwortet, Schiller erwidert und v. Augé noch einmal geantwortet habe, wird von Streicher berichtet; erhalten hat sich von diesen Briefen jedoch keiner, weshalb mehrere Biographen auf die Meinung gekommen sind, Schiller habe an den General v. Augé gar nicht geschrieben und vom Obristen Seeger müsse gelten, was Streicher vom General erzähle. Innere und äußere Gründe sprechen aber hier für die Richtigkeit der Darstellung Streichers. Ein Ansuchen Schillers an den General als an seinen Vorgesetzten war, wie ich im Haupttext ausgeführt habe, den Umständen völlig angemessen, und es ist von vornherein unwahrscheinlich, daß sich Streicher bezüglich einer Person, die er an mehreren Stellen so bestimmt nennt und deren Kundgebungen auf die Flüchtlinge einen so großen Eindruck machen mußten, eine Verwechslung habe zu Schulden kommen lassen. Wir erfahren aber auch vom Dichter selbst, und zwar aus dem vom 18. Oktober 1782 datierten Brief an seine Schwester (bei Jonas Nr. 37), daß er dem General geschrieben hatte, wie denn Christophine in ihren »Notizen über meine Familie« erzählt: »mein Bruder ... reißte mit H. Streicher ... nach Manheim ... von da aus schrieb er sogleich an den Herzog die Ursache seiner Entweichung, an seinen General, der ihn sehr liebte, und an unsern Vater«. Endlich ist noch zu beachten, daß der Brief an Seeger den Auftrag, ein beigelegtes Schreiben dem Herzog zu überreichen, nicht enthält und daß in ihm auch von einem Ersuchen um Antwort und von einer Adresse, unter der Antwort nach Mannheim gelangen könne, nirgends die Rede ist. Minor (Schiller II, S. 2) sagt mit Unrecht, der Dichter habe im Brief an Seeger diesem »zum Empfang einer Antwort seine genaue Adresse« verraten. Daß der bei Jonas Nr. 34 gedruckte Brief an Seeger gerichtet ist, bezeugt schon die Anrede in der Handschrift.

Nr. 2 (zu S. 36). Jonas fand in Boxbergers Nachlaß eine Abschrift des Briefes Schillers an den Herzog, welche der Oberlehrer Kuhlmey nach dem damals noch in der Seegerschen Familie befindlichen Original gefertigt hatte; in der Abschrift lag ein Zettel, auf dem die Worte standen: »Die Staatsräthin v. Lotter, Seegers Tochter, auf dem Lande bei Darmstadt. Der Brief an den Herzog nicht geöffnet und ist im Nachlaß des Hrn Obrist nach seinem Tode uneröffnet gefunden worden.« (Briefliche Mitteilung des Schulrats Fritz Jonas an mich v. 20. Okt. 1890.) Übereinstimmend damit ist eine handschriftliche Bemerkung Boxbergers zum Druck des Briefes in einem mir gehörigen Exemplar der Beiträge zur Sch. Lit. v. Ad. v. Keller.

Nr. 3 (zu S. 40). Minor (II, 8) verlegt den Antritt der Reise in die »letzten Tage des September«, wobei er in Klammern den 29. nennt, und noch unsicherer spricht Karl Bergers Schillerbiographie von »einem der letzten Septembertage«. Streicher, für die Begebenheiten während der ersten Wochen nach Schillers Flucht unsere Haupt- und nahezu einzige Quelle, berichtet, daß die Reise »nach einem Aufenthalt von sechs oder sieben Tagen beschlossen« worden sei; da nun Schiller am 24. Sept. Vormittags in Mannheim angekommen war, so führen »sechs« der Abreise vorausgegangene Aufenthaltstage auf den 30. September, »sieben« auf den 1. Oktober. Zum nämlichen Ergebnis, wenn auch bei Streichers mitunter nicht sehr deutlicher Ausdrucksweise mit geringerer Bestimmtheit, gelangt man, wenn man die der Abreise vorausgehenden Mannheimer Erlebnisse, wie sie uns geschildert werden, auf Tage einteilt. Streicher erzählt, daß Schiller am Nachmittag der Ankunft an den Herzog und an den General v. Augé geschrieben habe, und fährt S. 89 fort: »Nach zwei erwartungsvollen Tagen traf die Antwort von General Augé an Schiller ein.« Minor setzt gemäß seiner Auffassung dieser Angabe das Eintreffen der Antwort auf den 26. September, mir aber scheint, die »zwei erwartungsvollen Tage« waren zwei Tage, welche zwischen dem Abgangstag des Schillerschen Schreibens und dem Tag des Eintreffens der Antwort in der Mitte lagen; denn soviel Zeit mußte bei den damaligen Verkehrsmitteln wohl vergehen, bis Schillers Brief nach Stuttgart und die Antwort auf ihn wieder nach Mannheim gelangte, und der 24. September, an dessen Abend günstigsten Falles der Brief Schillers mit der Post noch abging, konnte ein »erwartungsvoller Tag« noch nicht sein. Wir haben einen Anhaltspunkt für die Postfahrtdauer an den Berechnungen des Briefes, den Schiller unter dem 19. Nov. 1782 aus Mannheim an seine Eltern richtete: »Heute«, schreibt er, »ist der 19te, am 21ten bekommen Sie« (auf der Solitude) »diesen Brief, wenn Sie also unverzüglich (das müßte seyn) von Stuttgart weggehen, so könnten Sie am 22. zu Bretten im Posthaus seyn, welches ungefähr halbwegs von Mannheim ist.« Ich setze also das Eintreffen der (ersten) Antwort des Generals auf den 27. September. Schiller erwiderte den Brief des Generals »augenblicklich«, und es folgt am Nachmittag das Vorlesen des »Fiesko«, das somit auch auf den 27., nicht den 26. zu setzen ist. »Am andern Morgen«, also am 28., erfahren Streicher und Schiller von Meyers Meinungsänderung. Nachdem diese Vorgänge erzählt sind, fährt Streicher wiederum fort: »Am andern Tage traf die Antwort des Generals auf das zweite Schreiben Schillers ein.« Das wäre demnach der 29. Sept. gewesen. Auf Grund dieses zweiten Briefes des Generals wurde die Reise nach Frankfurt »beschlossen«; daß sie aber augenblicklich, noch am nämlichen Tage angetreten wurde, sagt Streicher nicht, und die Wahrscheinlichkeit spricht, da wohl einige Vorbereitung notwendig gewesen sein wird, Streicher auch erst nach Hause schrieb, eher dagegen.

Nr. 4 (zu S. 44). Streicher nennt den Gasthof nicht, er erwähnt nur, daß in Sachsenhausen ein Wirt »der Mainbrücke gegenüber« gewählt wurde und daß Schiller »durch das Fenster« seines Zimmers »die Aussicht auf die Mainbrücke hatte«. Otto Brahm und Minor ( II, S. 596) nennen nach Wurzbach den Gasthof »Zu den drei Rindern«; die um Frankfurts Geschichte verdiente Schriftstellerin Elisabeth Mentzel aber berichtigte diese Angabe, indem sie (im »Archiv für Frankfurts Geschichte und Kunst«, 3. Folge, 3. Band S. 247) bemerkte, daß man von den »drei Rindern« keinen freien Blick auf die Mainbrücke hatte, sondern in die Brückenstraße schaute; der Gasthof, in welchem Schiller und Streicher Wohnung nahmen, müsse der »Storch« in der Brückenstraße gewesen sein. Den Namen des Wirtes, Friedrich Karl Tausent, hat laut brieflicher Mitteilung der Frau Elisabeth Mentzel an mich neuestens der Frankfurter Stadtarchivar Dr. Jung ermittelt. Vgl. auch den Aufsatz E. Mentzels »Die Beziehungen des jungen Schiller zu Frankfurt am Main« im Jahrbuch des Freien Deutschen Hochstifts 1905, S. 168 ff.

Nr. 5 (zu S. 46). Text und Schreibung des Briefes nach der in der Münchener Universitätsbibliothek befindlichen Urschrift, mit der ich aus den in Band I, S. 800-801 meiner Biographie angegebenen Gründen den Druck bei Jonas verglichen habe. Das Datum fehlt in der Urschrift, und Jonas (Schillers Briefe I, 70 u. 468 f.) setzt, durch Streicher irregeführt, unrichtiger Weise den »30. September 1782« dafür ein. Da Schiller und Streicher ihre Wanderung von Mannheim nach Frankfurt am 30. September oder am 1. Oktober antraten (vgl. Nachweise Nr. 3), am ersten Reisetag in einem rheinischen Dorfe, am zweiten in Darmstadt übernachteten, am dritten Abend Frankfurt-Sachsenhausen erreichten und der Brief erst am Morgen nach der Ankunft in Sachsenhausen geschrieben wurde, so fällt seine Abfassung nicht vor den 3. oder 4. Oktober; selbst wenn man mit Minor den 29. September als den Reiseantrittstag annähme, ergäbe sich kein früheres Briefdatum als der 2. Oktober. Daß Schiller, wie Jonas zu glauben scheint, den Brief noch vor der Abreise aus Mannheim niedergeschrieben und ihn behufs späterer Übergabe an Dalberg den dortigen Freunden »zurückgelassen« habe, ist der in diesem Punkte sehr ausführlichen und lebendigen Schilderung Streichers ganz entgegen. Die falsche Datierung Streichers (»29. oder 30. September«) hängt damit zusammen, daß er schon das Datum der Flucht Schillers irriger Weise auf den 17. statt den 22. Sept, gesetzt hatte; diese Fehlerquelle macht sich noch weiterhin bemerkbar.

Nr. 6 (zu S. 52). Erst lange nach Niederschrift dieser schon meinem ältesten Manuskript angehörigen Stelle ist mir aus Ludwig Geigers Ausgabe des Briefwechsels zwischen Schiller und Körner ( I, S. 298, Cotta'sche Weltliteratur) die den Gedanken des Selbstmords bezeugende Äußerung bekannt geworden, die nach Försters »Kunst und Leben« S. 116 in einem Briefe Schillers an Körner gestanden haben soll: »Mit dem Gedanken, meinem unnützen Leben ein Ende zu machen, stand ich auf der Brücke von Sachsenhausen und ging mit dem Entschlusse um, mich in den Fluß zu stürzen – da rief mich der Gedanke, du besitzest ja noch Freunde, die dich in deiner Not nicht verlassen werden.«

Nr. 7 (zu S. 58). Nach der Streicherschen Schilderung war der Tag, an dem Schiller aus Meyers Brief die Weigerung Dalbergs erfuhr, der fünfte der Frankfurter Aufenthaltstage (den Tag der Ankunft in Sachsenhausen als ersten gerechnet); der 6. oder 7. Oktober also nach der Berechnung in Nr. 4 und 5. Es fragt sich nun, wann Schiller und Streicher die Rückreise antraten. Streicher erzählt, daß man erst die Geldsendung seiner Mutter habe abwarten müssen und daß Schiller, um gegen die äußerste Not gedeckt zu sein, das Gedicht »Teufel Amor« zu verkaufen versucht habe; hierauf fährt er fort: »Endlich, nachdem der Reichthum der geängstigten Freunde schon in kleine Scheidemünze sich umgewandelt hatte, kamen am nächsten Tag die bescheidenen dreißig Gulden ... an.« Diese Zeitbestimmung ist undeutlich; denn, wie der lässig gebildete Satz lautet, kann mit dem »nächsten Tag« sowohl der auf den Empfang des Meyerschen Unglücksbriefes folgende Tag, als auch ein Tag gemeint sein, an dessen Vorgänger die Freunde das letzte größere Geldstück in Scheidemünze hatten umwandeln müssen. Die Schillerbiographen pflegen das erstere anzunehmen; es hat ihnen aber überhaupt die Chronologie der Begebenheiten zwischen Schillers Flucht aus Stuttgart und seiner Abreise nach Bauerbach bisher wenig Kopfzerbrechen gemacht. Ich glaube, daß Streicher, von seinem Gedächtnis getäuscht, den Frankfurter Aufenthalt um einige Tage zu kurz angegeben hat und daß zwischen dem Empfang des Meyerschen Briefes und dem Eintreffen des Geldes ein paar Tage lagen. Schiller selbst schreibt am 6. Nov. 1782 an seinen Freund Jacobi, er sei »14 Tage« in Frankfurt gewesen. Nun sind zwar die Aufenthaltsangaben, die der Dichter in den Briefen jener Wochen machte, vielfach ungenau und irreführend, und Schiller mag die Hin- und Rückreisetage miteingerechnet haben; daß aber die ganze Reise etwas mehr Zeit in Anspruch genommen hat als 9, nach der Streicherschen Erzählung sich ergebende, Tage, läßt sich auch von anderer Seite her belegen. Schiller hat im Herbst 1782 in Oggersheim »7 Wochen gewohnt«; so schreibt er selbst am 11. Aug. 1783 an Henriette von Wolzogen. Streicher S. 156 f. macht die nämliche Angabe und wörtlich ebenso Karoline von Wolzogen, Schillers Leben 1. Aufl. S. 58. Da nun nach Streicher S. 134 Schiller am 30. November von Oggersheim abreiste, so führen jene 7 Wochen, rückwärts gerechnet, genau auf den 12. Oktober, als den Tag der Ankunft in Oggersheim. Die Rückreise aus Frankfurt werden Schiller und Streicher somit am 10. Okt. angetreten haben.

Nr. 8 (zu S. 61). Der Name Schick ist mir 1894 bei meinem Besuch Oggersheims im dortigen Stadthaus genannt worden. Literarische Erwähnung tat seiner, soviel ich weiß, zuerst das Stuttgarter »Morgenblatt« v. J. 1856, S. 859 (Abdruck in v. Wurzbachs Schillerbuch); doch hatten ihn die Schillerbiographen vergessen. Ergänzendes bringt Albert Becker in seinen zuerst im »Pfälzischen Museum« (1905), dann selbständig erschienenen Untersuchungen »Schiller und die Pfalz« (1907). Nach dieser die Nachrichten über Schillers Beziehungen zur bayrischen Rheinpfalz kenntnisreich zusammenstellenden und durch einige Materialien vermehrenden, von gelegentlicher Urteilslosigkeit aber nicht freien Schrift hieß der Oggersheimer Wirt Joseph Heinrich Schick, seine Frau Johanna Elisabetha war eine geborene Behret aus Speyer. Streicher spricht (S. 124) von des Wirtes »Frau und Tochter«, das Ehepaar hatte aber mehrere Kinder. Die älteste, damals 17jährige Tochter hieß wie die Mutter Johanna Elisabetha, und ihr soll (nach Angabe des »Morgenblattes« 1856, S. 859 und 1152) Schiller von einem Spaziergang nach Frankenthal ein blaues Bändchen mitgebracht haben, das später eine jüngere Schwester, eine verwitwete Frau Schumann, die noch 1856 in Germersheim lebte, als »einzige Reliquie von Schiller« bewahrt hat. Daß Schiller von Oggersheim aus Frankenthal besucht hat, sagt zwar Streicher nicht ausdrücklich, man dürfte aber auch ohne jenes Zeugnis des »Morgenblattes« daran glauben, da es ihm in Oggersheim, so zu sagen, vor der Nase lag und ein bequemer Spaziergang von einer Stunde dahin führte. Dagegen ist an einen Besuch anderer pfälzischer Orte von Oggersheim aus nicht zu denken. – Der Mitredakteur der »Frankfurter Zeitung«, Herr C. Haas, schrieb mir im April 1905, daß die Oggersheimer Wirtin Schick seine Ururgroßmutter sei; weitere Mitteilung konnte ich nicht erhalten, obwohl ich die an mich gerichteten Fragen beantwortet hatte.

Nr. 9 (zu S. 70). Wie Beckers in Nr. 8 genannte Schrift angibt, stammte Jakob Derain aus Oggersheim; er war um 1743 geboren und starb am 15. Juni 1813. Zur Zeit, als Schiller und Streicher in Oggersheim lebten, war er »ledig« und hatte Haus und Kramladen inmitten des Städtchens; später heiratete er und erbaute und bezog ein an der Straße gegen Frankenthal zu gelegenes Häuschen, wo er sich so ausschließlich seinen wissenschaftlichen Neigungen gewidmet zu haben scheint, daß ihn die französisch abgefaßte Oggersheimer Todesurkunde als »homme de lettres« bezeichnen konnte. Der Name wurde bald Derain, bald Derhein, auch Derheim und (im Sterberegister) Derhin geschrieben.

Nr. 10 (zu S. 76). »Die Originale der Ausschußprotokolle sind nicht mehr vorhanden; was Martersteig (1890) veröffentlicht hat, sind die Reinschriften, die von dem Souffleur und Kopisten Trinkle angefertigt wurden« (Friedrich Walter, Archiv u. Bibliothek des großh. Hof- und Nationaltheaters in Mannheim, I, S. 16). Martersteig (S. 85) setzte beim Druck des Protokolls der dritten Sitzung an Stelle des Datums ein Fragezeichen. Das Gutachten Ifflands (ohne Datum) hatte schon Schlönbach im Dresdener Schillerbuch des Jahres 1860, S. 123 f., veröffentlicht. Koffka, dessen Buch »Iffland und Dalberg« (1865) aus den Mannheimer Protokollen Auszüge gab, druckte den Tert des Ifflandschen Gutachtens nicht ganz korrekt ab und setzte zur »Dritten Sitzung« willkürlich, wie es scheint, das Datum 27. Nov. 1782; zum mindesten hat mir Dr. Walter, der auf meine Bitte die Güte hatte, in das Trinklesche Manuskript der Ausschußprotokolle neuestens wieder Einsicht zu nehmen, bestätigt, daß der Kopist bei der fraglichen Sitzung das Datum beizufügen vergessen hat. (Vgl. auch Nr. 15.)

Nr. 11 (zu S. 79). Daß die Anzahlung nicht mehr als 10 Louisd'or betrug (nach heutigem Geld rund 193 Goldmark), geht aus Schillers Brief an Streicher vom 8. Dez. 1782, wie auch aus seinem Brief an Reinwald vom 12. April 1783 hervor. Der Schwansche Druck der ersten Fiesko-Ausgabe hält 4 Bl. und 184 Seiten Text, Schwan hatte also zum mindesten noch 1½ Louisd'or nachzuzahlen; Schiller selbst spricht von »einigen Carolinen«. (1 Louisd'or seit 1785 = 24 Fr. 15 Cent., 1 Caroline = 7 Tlr. 1 Silbergr. 8 Pf.). Die Angaben in Karl Bergers Schillerbiographie I, S. 270 oben sind nicht genau.

Nr. 12 (zu S. 80). Schon Schlönbach (Dresdener Schillerbuch, S. 123) hat aus dem Wortlaut des Ifflandschen Gutachtens den Schluß gezogen, daß im Schillerschen Fiesko-Manuskript »Szenen standen, die in keiner der Ausgaben des Fiesko enthalten sind«; des näheren läßt er sich auf die Frage nicht ein. Minor (Schiller II, 28 u. 597) gibt, obwohl nicht gänzlich überzeugt, der Vermutung Raum, daß die »Komödie«, zu der die Gäste Fieskos geladen sind, in der von Iffland beurteilten Fassung des Stückes nach dem Muster des Shakespeareschen Hamlet als »Schauspiel im Schauspiel« wirklich vorgeführt worden sei und Ifflands Ausdruck »Spektakel« sich hierauf beziehe. In der Tat passen die Ifflandschen Vorhalte, daß das im Stück angebrachte Spektakel nicht aus der Handlung selbst folge, für das Theater sehr beunruhigend sei und gleichwohl des Zuschauers Aufmerksamkeit von der Hauptsache ablenke, gerade auf ein derartiges Einschiebsel, und ich halte es für möglich, daß Schiller schon am 16. Nov. an eine Ausschaltung desselben gedacht hat, als er an Dalberg schrieb, er zweifle keineswegs, daß sein »Fiesko« der Theaterdirektion, dem Schauspieler und dem Zuschauer ein ziemliches zumuten werde, sobald er (der Dichter) aber freie Macht bekäme, das Stück nach seinem Sinne zu gestalten, »sollte es durch Herausnahme einer einzigen Episode in ein simpleres Theaterstück schmelzen«. Man hat bei Ifflands Ausdruck »Spektakel« auch an die Kampfszenen oder die tumultuarischen Szenen des Stückes überhaupt gedacht, und der Theaterdirektor Großmann wünschte ja vom Dichter des »Fiesko« (vgl. seinen Brief an Schwan vom 26. Aug. 1783 bei Urlichs, Briefe an Schiller S. 7) die Abänderung »einiger geräuschvoller Auftritte«; aber um solches zu meinen, hätte Iffland wohl »der«, nicht »das« Spektakel schreiben müssen, und überdies »folgen« ja tumultuarische Szenen gerade recht aus dieser Sache, aus einer Verschwörung und Staatsumwälzung. Freilich fehlt uns jeder Anhaltspunkt, von welcher Beschaffenheit eine in das Fieskodrama ursprünglich eingefügte »Komödie« oder Schauspielszene gewesen sei, und wenn Schiller eine solche wirklich wieder ausschaltete, so ging das ohne mancherlei Änderungen des Gefüges des vierten Aktes nicht ab. Ob er in den drangvollen zwei letzten Wochen seines Oggersheimer Aufenthaltes dafür die Muße fand, darf man bezweifeln und wird somit die Möglichkeit offen lassen müssen, daß er erst von Bauerbach aus, etwa durch Einschluß in dem Brief an Streicher vom 14. Jan. 1783, die letzten textlichen Anordnungen gegeben hat. Für sicher möchte ich bei der ganzen Sachlage nur halten, daß Schiller die »Plünderung des Leichnams« des Gianettino durch Leonore nachträglich abgeändert hat. (Letzteres nimmt auch Petersen, Schiller und die Bühne, S. 171, Anm. 2, als Faktum.)

Nr. 13 (zu S. 83). Über die Zusammenkunft in Bretten hat Streicher brieflich von Christophine Auskunft erbeten und in 2 Briefen, mit dem Datum Meiningen 16. Febr. 1828 und 8. April 1828, erhalten. Aus diesen Briefen sind bis jetzt nur ein paar Stellen gedruckt worden, bei Palleske und nach ihm bei Minor II, 22, aber ohne Wahrung des ursprünglichen Zusammenhangs. Mir ist durch gütige Vermittlung Erich Schmidts aus dem handschriftlichen Nachlaß Streichers der volle Text beider Briefe, soweit sie sich auf Mannheim und Bretten beziehen, mitgeteilt worden, und ich lasse, was zur Ergänzung dient, (in Christophinens elendem Deutsch) hier folgen. Der Hauptabsatz im Brief vom 16. Februar 1828 lautet nach den S. 83 bereits angeführten Eingangsworten (... »Theaterwesen widmete«): »und in der Hinsicht (?) mit Personen in näherer Verbindung seie (?) deren lockere Sitten seinem Carakter schädlich seyn könnten. Ich lege Ihnen einen Brief aus der damalgen Zeit von meinem Bruder bey der Ihnen vielleicht in mehreren Dingen Aufschluß geben wird und bitte Sie mir ihn nebst den zwey (?) anderen gelenglich wieder zurück zu senden aus denen Zeiten wo Sie vorzüglich Nachrichten wünschten besitze ich keinen mehr; Er schrieb sehr wenig. Von seiner Flucht habe ich noch einige gehabt, da ich sie aber immer bey mir trug sind sie ganz zerrissen und ich weiß nur noch so viel, daß er sie« [die Flucht nämlich!] »mir vertraute und die Eltern damit verschonnen wolte, sein Entschluß war so fest, daß alle meine Erinnerungen durch seine Gründe überstimmt wurden. Er hatte auch ganz recht. Er mußte fort ich sah es wohl ein, und sein Gott verließ ihn nie. Daß Erste mal daß meine Mutter und ich ihn wieder sah war ungefehr 1 Jahr nach seiner Entfernung. Er schrieb uns« (am Rand: »v. Manheim«) »daß er eine so grose Sehnsucht die Seinigen wieder zu sehen habe es aber doch nicht wagen möchte uns zu besuchen wegen den Herzog, der zwar alles mit Stillschweigen behandelte, aber mann durfte doch nicht trauen, besonders wenn man die Geschichte von seinem Einstigen Liebling dem Obrist v. Rieger wußte. Daher schlug uns mein Bruder eine Zusammenkunft in Breten einem Würtebg Gränzort an Baaden vor, und es wurde berathet daß meine Mutter und ich dahin reisen solle« (unten: »den Abend des bestellten Tages kam er daher geritten und war sehr froh, blieb 3 Tage wo dan jedes wieder zurük mußte doch von unserer Seite mit dem Wunsch des Vaters daß er sich eine bleibendere Existenz wählen möchte«). »Der Vater selbst wagte es nicht weil wie Sie noch wißen werden es immer Spione genug gab die dem Herzog alles raportirten und mein Vater ohne hin auf seinem Posten den er mit der gewißenhaftesten Redlichkeit verwaltede sich eben deßwegen von den schlechten Umgebungen seiner Untergeordneten (?) immer wie verrathen betrachten mußte.«

Dem bereits oben (S. 82) mitgeteilten Texte des Briefes vom 8. April habe ich nur noch den Satz beizufügen: »Die Zusammenkunft mit meinem Bruder in Bretten war so viel ich mich erinnere, um Weynachtszeit.« Hierauf folgt: »als wir abreißten« u. s. w.

Daß die Zusammenkunft in Bretten im November 1782 und nicht erst, wie Streicher S. 177 erzählt, im Frühjahr 1784 stattfand, bezeugt schon der Brief, durch den Schiller selbst seine Eltern nach Bretten bestellte. Dieses heute im Marbacher Schillermuseum befindliche Schriftstück trägt deutlich das Datum Mannheim d. 19. Nov. 1782, deckt sich auch im Inhalt hinsichtlich mehrerer Einzelheiten der Verabredung mit dem Bericht, den Christophine später an Streicher gegeben hat. Die Zusammenkunft habe ungefähr ein Jahr nach Schillers Entweichen aus Stuttgart stattgefunden, sagt sie im Briefe vom 16. Febr. Damit stimmte Streichers Erinnerung nicht überein; weil er sich aber nicht ganz sicher fühlte, schreibt er unter dem 26. März 1828 an Christophine: »Die Zusammenkunft des Bruders mit Ihnen und Mama, konnte doch nur im Frühjahr 1784 geschehen, nachdem Fiesco und Kabale und Liebe aufgeführt war. Ist es nicht so?« (Auch dieser Brief ist heute im Marbacher Schillermuseum. Bei Speidel-Wittmann sind nur einige der in ihm enthaltenen Fragen abgedruckt.) Nun geht Christophinens Antwort vom 9. April auf die Frage wieder ein, doch so, daß sie nicht vom Jahr, sondern von der Jahreszeit spricht. Um die Weihnachtszeit, meint sie jetzt, habe die Zusammenkunft stattgefunden. Dabei schildert sie die Witterung: diese sei bei ihrer Abreise von Stuttgart »noch sehr schön« gewesen, so daß sie sich ganz leicht angezogen habe, nur die vorsichtigere »Mama« habe ihren Pelz mitgenommen; während des Zusammenseins in Bretten aber sei die Kälte heftig gestiegen. Diese Äußerungen sind außerordentlich charakteristisch. Daß die Witterung »noch« sehr schön sei, sagt man, wenn es auf den Winter, der schlechtes Wetter erwarten läßt, zugeht, nicht aber im Frühjahr; wäre die Reise wenige Tage nach der ersten Mannheimer Aufführung der »Räuber«, im April also, wie Streicher will, unternommen worden, so hätte Christophine nicht »noch«, sondern »schon sehr schön« geschrieben. Sinnliche Eindrücke, wie sie mit der Witterung und der von ihr bedingten Kleidung verknüpft sind, haften im Gedächtnis, zumal dem eines Frauenzimmers, in der Regel viel besser als eine Jahreszahl oder eine nur mittelst des Wissens erfaßte Ordnung von Begebenheiten; soweit Christophine also die Zusammenkunft in spätherbstlicher Jahreszeit erfolgt sein läßt, hat sie gewiß Recht. Dagegen irrt sie, wenn sie die Brettener Zusammenkunft ungefähr 1 Jahr nach Schillers Flucht aus Stuttgart anstatt ungefähr 8 Wochen nach dieser stattfinden läßt. Dabei ist nichts Überraschendes. In welche mitunter geradezu klägliche Verworrenheit für die Dichterschwester die Lebensgeschichte ihres Bruders allmählich geriet, setzt ein anderer Fall in helles Licht. Seinem vom 30. August 1826 datierten, jetzt gleichfalls im Marbacher Museum befindlichen Briefe an Christophine hat Streicher 32 biographische Fragen beigefügt, zu denen die Empfängerin die erbetenen Antworten (in arger Sudelschrift) an den Rand oder zwischen die Zeilen schrieb. Eine dieser Fragen lautete: »Wohin begab sich Schiller zu Anfang 1783, als ihm Frau von Wolzogen den ferneren Aufenthalt auf ihrem Gute Bauerbach versagte?« Hiezu setzte Christophine die Auskunft: »Nach Dresden zu Körner!« (Der Brief abgedruckt, doch ohne die Fragen, bei Speidel-Wittmann, S. 22 ff.) – Streicher verharrte trotz Christophinens abweichenden Angaben bei seinem »Frühjahr 1784«. Daß er damit an einem Irrtum festhielt, läßt sich des weiteren erweisen. Es liegt eine lange Reihe Schillerscher Briefe aus dem Jahr 1784 vor, und keiner sagt von einer Zusammenkunft in Bretten ein Wort; wohl aber kam Christophine im Sommer 1784 zu ihrem Bruder zu Besuch nach Mannheim. Des Herzogs von Württemberg wegen hätte man schon im Jahr 1783 eine geheime Zusammenkunft außerhalb Mannheims nicht mehr nötig gehabt. Schon im Sept. 1783 schreibt Schiller an Henriette von Wolzogen, daß er in einigen Wochen seine Schwestern in Mannheim erwarte; seine Mama und eine Schwester werde kommen, fügt er am 12. Sept. bei. Vgl. die Briefe Christophinens an Schiller v. 9. Sept. 1783 und den der Mutter vom gleichen Tag. (Schillers Beziehungen S. 161, 211 ff.).

Nr. 14 (zu S. 84). Streicher S. 128 erzählt, Madame Curioni habe die erschreckten Flüchtlinge »im Palais des Prinzen von Baden« untergebracht, und sämtliche Schillerbiographen, auch noch der neueste, Karl Berger, wiederholen diese Angabe; wie aber ein Artikel Dr. Friedrich Walters schon im »General-Anzeiger der Stadt Mannheim« vom 13. Jan. 1895 ausgeführt hat, gab es ein solches Palais in Mannheim damals nicht, wogegen die in kurpfälzischen Diensten stehende Familie der Freiherrn von Baaden, Herren zu Liel am Kaiserstuhl, daselbst ein Haus hatte. Vgl. die Walterschen Forschungen in der Schillernummer der »Mannheimer Geschichtsblätter«, Nr. 5 vom Mai 1905, nebst dem Nachwort in Nr. 6 vom Juni 1905.

Nr. 15 (zu S. 88). Die zeitliche Reihenfolge der Begebenheiten, die der Abreise Schillers nach Bauerbach unmittelbar vorausgingen oder, bestimmter gesagt, die zweite Hälfte des Monats November 1782 ausfüllten, macht Schwierigkeiten, und eine jeden Zweifel ausschließende Anordnung läßt sich kaum mehr herstellen; die Dürftigkeit und Ungenauigkeit der urkundlichen oder zeitgenössischen Zeugnisse, über die eine wirklich gewissenhafte Darstellung der Jugend Schillers so häufig zu klagen hat, ist hier wiederum im Wege. Leider hat Streicher seine Aufzeichnungen viel zu spät niedergeschrieben, und leider schöpfte Christophine Reinwald, an die er sich zu diesem Zweck um Auskunft wandte, aus einem wenig sicheren Gedächtnis, nahm ihre Aufgabe auch viel zu oberflächlich; was Karoline von Wolzogen in »Schillers Leben« über den Mannheimer Aufenthalt sagt, ist von grober Flüchtigkeit und voller Lücken, und auch Körners biographischer Aufsatz ist hier verschwommen. Nach Streichers Schilderung fand der den Dichter ängstigende Besuch des württembergischen Offiziers »gegen die Mitte Novembers« statt. In unmittelbarem Anschluß daran erzählt er, daß Schiller mit Zustimmung der Freunde beschlossen habe, Mannheim zu verlassen, sobald über die Annahme seines »Fiesko« entschieden sei. »Gegen Ende November« läßt Streicher sodann die ablehnende Entscheidung Dalbergs erfolgen, worauf noch der Verkauf des »Fiesko« an Schwan erwähnt wird. Mit Hilfe des Honorars für den Druck bewerkstelligt Schiller am 30. Nov. seine Abreise von Oggersheim. Diese Anordnung der Begebenheiten hat man bisher wiederholt, und nur in den Anmerkungen zur Ausgabe der Briefe Schillers von Jonas I, 471 findet sich (jedoch auf Grund eines Umstandes, den ich nicht für beweiskräftig halte) die Vermutung ausgesprochen, daß der Besuch des württembergischen Offiziers zwischen den 25. und 27. Nov. gefallen sei. Was mich bestimmte, die Begebenheiten anders anzuordnen, als meine biographischen Vorgänger es taten, ist folgendes:

In Bausch und Bogen übernehmen läßt sich der Bericht Streichers schon darum nicht, weil dieser, wie wir sahen, die Zusammenkunft Schillers mit den Seinigen in Bretten aus dem Jahr 1782 ausschaltet; sie ist aber außer Schillers Brief an Dalberg vom 16. Nov. gerade die einzige mit einem bestimmten Datum überlieferte Begebenheit jener Wochen, und auch was wir im Zusammenhang mit ihr erfahren, gibt einen Anhaltspunkt. Streichers Angabe, daß der württembergische Offizier »gegen die Mitte Novembers«, d. h. also noch vor dem 15. Nov., in Mannheim erschienen sei, kann schon darum nicht strenge richtig sein, weil Schiller noch am 16. Nov. an Dalberg einen Brief schreibt, dessen Inhalt in nichts verrät, daß ihm damals etwas Beängstigendes, zu rascher Abreise, zur Verheimlichung seines Aufenthaltes Drängendes begegnet war. Erst 3 Tage später, am 19. Nov., schreibt er an seine Eltern, daß er in 5 Tagen für immer von Mannheim weggehe. Was hat nun diesen plötzlichen Entschluß hervorgerufen? Man könnte meinen, eben die Ankunft des württembergischen Offiziers. Aber dagegen spricht sehr vieles. Zunächst der Umstand, daß Schiller, der ja erst in Bauerbach volle Gewißheit über die Ungefährlichkeit dieses Besuchers erhielt, nicht noch den ganzen Rest des Monats in der Mannheimer Gegend geblieben wäre, wenn ihn schon um den 17. oder 18. Nov. die Nachfrage des Offiziers erschreckt hätte; und ferner, daß Schiller, der ja trotz der beim Sekretär des Ministers Oberndorff erholten Auskunft in dem Fremden noch immer einen Agenten des Herzogs von Württemberg vermuten konnte und vermutete, zweifelsohne in diesen Tagen sich nicht zur Reise nach Bretten, d. h. nach einem nächst der württembergischen Grenze gelegenen Ort entschlossen hätte. Noch am 27. Nov. schreibt Schiller aus Mannheim an seinen Vater und erkundigt sich, wer der fremde Offizier gewesen sei; dieser Brief gehört leider zu denen, die die Familie des Dichters verschleudert hat; in vollem Wortlaut aber (faksimiliert bei Götz, Geliebte Schatten) liegt der Brief des alten Schiller an Schwan vom 8. Dez. vor, und in ihm lesen wir, daß der Dichter durch die Nachfrage des Offiziers »sehr in Angst gesetzt worden« war und daß er die Befürchtung hegte, es handle sich bei diesem Besuch um eine vom Herzog von Württemberg angeordnete Verfolgung. Wenn nun nicht das Auftauchen des rätselhaften Offiziers jenen am 19. Nov. ausgesprochenen Entschluß Schillers, in 5 Tagen von Mannheim für immer wegzugehen, veranlaßt hat, was war denn die wirkliche Ursache? Nach meiner Meinung nichts anderes als die endgültige Ablehnung des »Fiesko« durch Dalberg. Mit ihr war Schillers Aufenthalt in oder bei Mannheim gänzlich zwecklos geworden. Gegen meine Annahme, daß Schillers Brief vom 16. Nov. den Intendanten zu einer Kundgebung bewogen habe und sein ablehnender Bescheid dem Dichter um den 18. Nov. zugekommen sei, läßt sich nichts ins Feld führen als die Aufreihung Streichers; aber sehr bestimmt lautet ja auch sein »gegen Ende Novembers« nicht, und eine Erwägung aller in Betracht kommenden Umstände macht die Irrigkeit der Streicherschen Datierung wahrscheinlich. Für die dritte Theaterausschuß-Sitzung, in der Ifflands Gutachten über den »Fiesko« verlesen oder zu den Akten genommen wurde, fehlt uns, wie S. 226 f. bemerkt, das Datum; wenn es aber, da Ausschußsitzungen alle 2–3 Wochen stattfanden und die Data für die 2. und die 4. Sitzung der 7. Nov. und der 16. Dez. 1782 sind, wahrscheinlich ist, daß sie erst im letzten Drittel des Novembers stattfand, so spricht meines Erachtens der Ifflandsche Antrag, den Dichter des »Fiesko« durch eine Geldbewilligung zu entschädigen, schon als solcher dafür, daß die Ablehnung des Stückes durch Dalberg vorausgegangen war. Die Hauptsache aber ist, daß sich der gesamte Verlauf der Dinge am ungezwungensten erklärt, wenn man annimmt, daß das Eintreffen des württembergischen Offiziers der Ablehnung des »Fiesko« nicht voranging, sondern nachfolgte und daß Schillers am 19. Nov. ausgesprochenes Vorhaben, Mannheim »für immer« zu verlassen, durch Dalbergs ablehnenden Bescheid verursacht worden war. Denn sobald der Dichter hierüber Gewißheit hatte, mußte er ja zum Wanderstabe greifen, und jetzt drängte ihn verständlichermaßen auch sein Herz, bevor er in die weite Welt ging, seine Angehörigen noch einmal zu sehen. »In fünf Tagen« will er von Mannheim weggehen: das war genau die Zeit, die er für Bretten rechnete und brauchte. Das Geld aber, das er dafür aufwenden mußte, woher sonst konnte er es haben als durch das Honorar, das er von Schwan erhielt, dem er nach Dalbergs Ablehnen (vgl. Streicher S. 132) »sogleich« den Druck des »Fiesko« anbot? Zuvor war ja seine wie auch Streichers Börse leer gewesen, und schon auf Borg mußte er in Oggersheim leben; wie hätte er jetzt die Kosten für den Ritt und den Brettener Aufenthalt bestreiten, ja seiner Mutter »eine Carolin Reisegeld«, die er ihr in Bretten geben wolle, versprechen können, wenn er nicht schon um den 19. Nov. im Besitz des Honorars war? In der Nacht vom 22. auf den 23. also kam Schiller nach Bretten, und 3 volle Tage, wenn Christophine sich recht erinnert, blieb er dort mit den Seinigen zusammen; am 26. könnte er demnach in Mannheim wieder eingetroffen sein. Und nun muß sich sogleich, wohl am 27., der württembergische Offizier gezeigt haben. Schiller erkundigt sich nach ihm noch am gleichen Tag bei seinem Vater; die Nacht vom 27. auf den 28. bringt er mit Streicher zusammen im Hause des Freiherrn v. Baaden zu. Daß Streicher, der nach Angabe seiner Schrift (S. 134) während der letzten 8 oder 10 Tage des November nicht mehr in Oggersheim, sondern in Mannheim wohnte, den Dichter nicht auf sein eigenes Zimmer mitnahm, könnte auffallen; aber ein sicheres Versteck schien ja dem bestürzten Freundeskreis kaum irgendwo mehr zu sein, und alleinlassen wollte Streicher Schillern wohl auch nicht. Am Vormittag des 28. erfuhr man, daß der fremde Offizier schon abgereist sei, Schiller wagte sich aus dem Baadenschen Hause hervor, und nun reichte ihm bis zum letzten November die Zeit gerade noch, um mit Meyer die Abreise nach Bauerbach zu besprechen und in Oggersheim seine Angelegenheiten zu ordnen. Mit welcher Hast und Überstürzung diese Abreise aber ausgeführt wurde, das verraten uns die zwei ersten Briefe, die Schiller aus Bauerbach an seine Mannheimer Freunde gerichtet hat, der vom 8. Dez. an Streicher und der vom gleichen Tage an Schwan. In jenem lesen wir: »Bei dem neulichen schnellen Aufbruch von Oggersheim haben wir beide vergessen, die Zeche im Viehhof zu bezahlen«; im Brief an Schwan aber schreibt Schiller: »Bei meiner neulichen schnellen und heimlichen Abreise war es mir nicht mehr möglich, persönlich von Ihnen mein bester Freund Abschied zu nehmen.« Das alles erklärt sich nur daraus, daß die Abreise zufolge des Erscheinens des fremden Offiziers aufs äußerste beschleunigt wurde, daß sie noch vollständig unter dem Eindruck dieses Ereignisses stand. Hätten die Dinge sich so zugetragen, wie Streicher sie schildert, so wäre Schillers briefliche Äußerung, er habe von Schwan keinen Abschied nehmen können, gar nicht möglich; denn nach Streicher besprach und empfing ja Schiller in den allerletzten Tagen vor seinem Aufbruch aus Oggersheim von Schwan das Fiesko-Honorar. Aber auch jener Brief vom 8. Dez., den Schiller aus Bauerbach an Streicher schrieb, läßt erkennen, daß die Frage, wer der fremde Offizier gewesen sein möge, die Mannheimer Freunde noch frisch beschäftigte: »Schreiben Sie mir,« bittet Schiller, »was sich von dem Officier, der mich aufsuchte, bestätigt hat.« Es ist ein hübsches Zusammentreffen, daß am nämlichen Tag, an welchem Schiller diese Frage nach Mannheim richtete, sein Vater auf der Solitude an Schwan schrieb und durch ihn den Sohn über die Harmlosigkeit des zum Schreckensgespenst gewordenen Offiziers aufklären ließ. Viele Jahre nachher, am 14. Juli 1811, schickte Schwan diesen Brief des alten Schiller an Körner und schrieb ihm dabei: »Durch einen Würtembergischen Offizier, der sich in Mannheim sehen ließ, in Furcht gesetzt, entfernte er [Schiller] sich, wie Ew. W. von ihm selbst gehört« (vgl. den Abdruck des Briefes bei Minor, Aus dem Schillerarchiv, S. 14 f.). Also wußte auch Schwan nicht anders, als daß die Ankunft des Offiziers der Abreise Schillers unmittelbar vorausgegangen war.

Nr. 16 (zu S. 88). Im Cotta'schen »Morgenblatt«, Nr. 57 v. J. 1808, findet sich ein mit »Julius« unterzeichneter Artikel, der als »Berichtigung« mehrerer von Petersen im Jahre zuvor in der nämlichen Zeitschrift gemachten Angaben dienen will. Dabei erwähnt der Verfasser, daß Schiller in der Militärakademie 4 Preise erhalten habe (vgl. Schillerbiographie, Band I S. 146 und 282) und daß die Patente zu diesen Preisen auf Pergament ausgefertigt und mit dem Siegel der herzogl. Akademie und der Unterschrift Seegers versehen gewesen seien; das Patent zum Preise aus der griechischen Sprache v. J. 1773 habe außerdem die Unterschrift Prof. Jahns getragen, während die 3 medizinischen Preise v. J. 1779 Prof. Consbruch mitunterzeichnet habe. Weiterhin wird bemerkt: Als Schiller »von Mannheim abging, ließ er die genannten Patente bey einem seiner in Oggersheim wohnenden Bekannten in Verwahrung, ohne sich jemals wieder darnach zu erkundigen. Derselbe besitzt solche noch und hat sie dem Einsender der gegenwärtigen Bemerkung, als einem warmen Verehrer der Schillerschen Muse, mitgeteilt.« Hiemit halte man zusammen, was der in Lambsheim (bei Oggersheim) lebende pfälzische Schriftsteller Karl Geib in Seebodes Neuem Archiv für Philologie und Pädagogik v. J. 1830 (Sp. 40) veröffentlichte (wiederabgedruckt in Beckers Schiller und die Pfalz, Anhang VII): als Schiller, heißt es bei Geib, die Oggersheimer »Gegend verließ, gab er einem dortigen Bekannten, dem jetzt verlebten Hn. Derheim, einige Diplome, die er als Zögling der Stuttgarter Militärakademie erhalten hatte, in Verwahrung, ohne sich jemals wieder danach zu erkundigen. Nach Schiller's Tode sah der Unterzeichnete diese Aktenstücke bei genanntem Hn. D., dem Freunde seines Vaters, u. der gute Mann überließ sie ihm, als einem warmen Verehrer der Schiller'schen Muse, zum Geschenk, welches er nunmehr als eine köstliche, zur Lebensgeschichte des unsterblichen Dichters gehörige, Reliquie bewahrt.« Es folgt sodann die Aufzählung und kurze Beschreibung der 4 Preispatente. Die mehrfache Übereinstimmung des Ausdrucks in diesen beiden Bekanntmachungen macht es mir zweifellos, daß hinter dem »Julius« des »Morgenblatts« kein anderer verborgen ist als der Mitarbeiter des Seebodeschen Archivs Karl Geib, der mit letzterem Namen Unterzeichnende läßt selbst einfließen, daß er »bereits vor mehreren Jahren« über den nämlichen Gegenstand »in dem Morgenblatte« geschrieben habe, und wenn im Schlußsatz die beiden Artikel ihre Bewunderung äußern, daß Schiller, der doch für Poesie und Kunst Geschaffene, »wenn er gewollt«, auch im Reiche so »ganz heterogener Wissenschaften wie Chirurgie« u. s. w. sich habe auszeichnen können, so ist das zwar eine nicht sehr verständige Bemerkung, aber die Identität der Autoren »Julius« und »Karl Geib« beweist auch sie. Geib, der von 1777 bis 1852 lebte, gab über den Oggersheimer Aufenthalt Schillers noch in seinem 1841 erschienenen pfälzischen Reisehandbuch Nachrichten; die in seinem Besitz befindlichen Preispatente aber gelangten nach seinem Tode nach Tübingen und zwar in die Hände des dortigen Professors Dr. Geib. Bei diesem sah sie Adelbert von Keller, der sie ihrem vollen Wortlaut nach in seiner »Nachlese zur Schillerlitteratur« (1860) veröffentlichte mit der Bemerkung: »die Blätter stammen nachweislich aus Oggersheim, wo Schiller sie bei der Abreise in einer Schublade seines Zimmers nebst anderem, was ihm überflüßige Last dünken mochte, zurückgelassen hat«. Keller hatte die auf Pergament geschriebenen Originale vor sich. Die Vermutung Boxbergers (in Kürschners Deutscher National-Litteratur, Bd. 120, S. XXXVIII), daß auch ausgeschaltete Blätter aus Schillers ursprünglichem Fiesko-Manuskript und aus seinem Entwurfe zu »Louise Millerin« durch Derain in die Hände des Schriftstellers Karl Geib gelangt seien, teile ich nicht; denn Geib, der ausgesprochenermaßen den Wert von Schillerreliquien zu schätzen wußte und schon von jenen Schulpreisen viel Aufhebens machte, hätte Manuskripte des Dichters, wenn er solche besessen hätte, weder zu Verlust gehen lassen, noch von ihnen geschwiegen. Die Verschleuderung dieser und anderer Papiere, vielleicht auch des »Teufel Amor«, dürfte eher in Mannheim (durch Derain und das Steinsche Haus) geschehen sein. Die »Schulzeugnisse «, von denen Minor II, 23 neben Preispatenten spricht, sind nichts anderes als eben diese. Sie befinden sich heute im kgl. Staatsarchiv zu Stuttgart, bei einem ist (durch den Sohn Karl Geibs) das Siegel herausgeschnitten.

Nr. 17 (zu S. 90). Bei der »wandernden Truppe«, die nach Streicher S. 135 die »Ariadne auf Naxos« gab, drängt sich die Frage auf, ob es nicht die Böhmsche Schauspielergesellschaft gewesen sein könne, die nämliche also, die kurz vorher in Mainz und in Frankfurt »Die Räuber« zur Aufführung gebracht hatte (vgl. oben S. 55). Die mit der rheinischen Theatergeschichte jener Zeit wohlvertraute Frau Elisabeth Mentzel, mit der ich mich brieflich ins Benehmen setzte, gibt die Wahrscheinlichkeit zu, wenn sich auch beim Mangel von Wormser Theaterforschungen ein Beweis nicht erbringen lasse. In der Tat kämen für die Gegenden des unteren Mains und das angrenzende Rheinland nur 2 Schauspielertruppen in Betracht, die Großmannsche und die Böhmsche; Großmann aber sei damals in Bonn gewesen, wogegen die Böhmsche Gesellschaft im Nov. 1782 ihr Standquartier in Mainz hatte. »Ariadne auf Naxos« habe zu Böhms Repertoire gehört, ja die Titelheldin sei eine Glanzrolle der Madame Böhm gewesen. Daß Böhm, der damals (am 18. und 26. Nov. und 3. Dez. – vgl. E. Mentzel im Archiv für Frankfurts Geschichte und Kunst III, 3,287) in Frankfurt spielte, am 30. Nov. mit seiner Truppe im nahen Worms war, ist an sich wohl möglich. Ob Schiller, während er in Oggersheim und Mannheim verweilte, von der Böhmschen Aufführung seiner Räuber im benachbarten Mainz gar nichts gehört hat? Rätselhaft genug erscheint dies. Streicher schweigt gänzlich; nimmt man an, Schiller habe gleichwohl darum gewußt und die »wandernde Truppe«, der er in Worms begegnete, sei die Böhmsche gewesen, so hätte man für die von Streicher hervorgehobene ernste, gespannte Aufmerksamkeit, mit der der Dichter der Ariadne-Aufführung folgte, erst die volle Erklärung. Daß er sein Inkognito aufrecht hielt, dürfte dabei nicht wunder nehmen; glaubte er sich doch beim Verlassen Oggersheims zu doppelter Vorsicht genötigt. Auch der Spott, den die Mannheimer Schauspieler über die Wormser Ariadne-Aufführung ergossen, spräche noch nicht dagegen, daß man die Böhmsche Truppe vor sich hatte; denn gegen das kurfürstliche Theater konnten die szenischen Mittel Böhms begreiflicherweise nicht aufkommen, und hochmütige Überlegenheit trug das Personal Dalbergs nachher auch gegenüber der Großmannschen Gesellschaft zur Schau.

Nr. 18 (zu S. 92 ff.). Die Hauptquelle sind Schillers Briefe aus der Bauerbacher Zeit, insbesondere die in 23 Nummern erhaltenen an Reinwald. Indem sie flüchtig auf vieles zu sprechen kommen, lassen sie freilich auch manches ungeklärt, und dies um so mehr, als von Antwortbriefen Reinwalds nur ein einziger vorliegt, von Schillers gleichzeitigen Briefen an andere Freunde aber mehrere fehlen und die aus Bauerbach an sein Elternhaus gerichteten sämtlich verloren sind. Aus der Schillerliteratur kommt als Quelle zweiten Ranges hauptsächlich die von dem Meininger Realschulprofessor und späteren Geheimen Hofrat G. Brückner verfaßte kleine Schrift »Schiller in Bauerbach« in Betracht, als Sonderabdruck seiner »Denkwürdigkeiten für Thüringen und Franken«, II. Teils, in Meiningen 1856 herausgegeben; in einem warmen und ziemlich unkritischen Enthusiasmus geschrieben, bringt sie neben einigem Irrigen vieles Sachdienliche. Auch das Buch des Meininger Oberbibliothekars Ludwig Bechstein »Mittheilungen aus dem Leben der Herzoge zu Sachsen-Meiningen« (Halle 1856) enthält ein paar brauchbare Abschnitte. Eine Schrift mit dem Titel »Schillers Leben und Streben in Bauerbach« plante der Meininger Archidiakonus A. W. Müller; nach seiner Angabe »stellte« sie in 16-18 Bogen alles »zusammen«, was sich über die Bauerbacher Periode Schillers hatte finden lassen. Im Juni 1860 schickte er einige Bogen dieser Arbeit als Proben an Schillers Tochter Emilie von Gleichen, in der Hoffnung, daß Cotta das Ganze verlege, indem er zugleich auf Nr. 15 der »Gartenlaube«, die eine Abbildung des Bauerbacher Schillerhauses gebracht hatte, verwies und die Absicht aussprach, dort weiteres zu veröffentlichen. Cotta übernahm den Verlag nicht, und Müllers Schrift ist ungedruckt geblieben. Die Handschrift enthielt 10 Stücke oder Abschnitte, worunter »Bauerbach und die Umgegend«, »Die geheimnisvolle Ankunft«, »Freunde«, »Freundinnen«, »Das Reinwaldsche Gartenhaus«, »Der Abschied« u. a.; nur die beiden zuletzt genannten Stücke befinden sich heute im Weimarischen Goethe- und Schillerarchiv, und Minor hat vom »Abschied« (von Bibra) in seiner Schrift »Aus dem Schiller-Archiv« S. 28 f. einen Auszug gegeben; [das übrige ist neuerdings aus dem Besitz von Müllers Sohn zugänglich geworden. Vgl. 25. Jahresbericht d. Schwäb. Schiller-Vereins 1921 und Anhang Nr. 20]. Der Inhalt, soweit er vorliegt, ist nicht ohne Fragwürdigkeit; wenn aber Minor zu der Erzählung des Abschieds bemerkt, sie nehme sich »etwas theatralisch« aus, so darf man wohl mit Julius Petersen (Schillers Persönlichkeit II, S. 314) entgegenhalten, daß eine Liebhaberei Schillers für solche Erkennungsszenen auch an anderen Orten hervortrete. Müller führt gelegentlich an, daß Schiller im Walldorfer Pfarrhaus mit dem Kantor und Gerichtsaktuar Hölbe zusammengetroffen sei, dessen durch mündliche Überlieferung erhaltenen Mitteilungen er manchen Zug verdanke. – Im Marbacher Schillermuseum befindet sich ein handschriftlicher Aufsatz, den Ludwig Köhler unter dem Pseudonym Arthur Raimund Und mit dem Titel »Schillers Aufenthalt in Bauerbach bei Meiningen. Literärisch-biographisches Gemälde« im November 1837 aus Meiningen an den Stuttgarter Redakteur Hauff einschickte; von dem gleichen Verfasser stammt die in der »Abendzeitung« 1839, Nr. 229 veröffentlichte, von Minor II, 599 zitierte »Idylle von Bauerbach«. Als Sammler von Überlieferungen stand Köhler den Bauerbacher Tagen Schillers noch am nächsten; sein Aufsatz zeigt aber unsicheres Wissen und mengt sogar grob Falsches bei. Im Text der vorliegenden Biographie geht lediglich die Erwähnung von Schillers Kegeln mit den Bauern auf Köhler zurück. Der Meininger Lokalpatriotismus unterlag der Versuchung, die an sich spärliche echte Überlieferung erfinderisch und unkritisch zu ergänzen, nur allzuleicht, und die Begier nach romantischer Zutat hat in Zeitungsartikeln neuerer Zeit die Wahrheit mitunter bis zum Ungeheuerlichen entstellt.

Nr. 19 (zu S. 94). Daß Schiller am 30. Nov. von Oggersheim wegging, um am 1. Dezember von Worms aus weiterzufahren, ist Streichers bestimmte Angabe in »Schillers Flucht« S. 134 f., und auch sein heute im Marbacher Schillermuseum befindlicher, noch ungedruckter Brief an Christophine Reinwald v. 28. Jan. 1828 nennt »Ende des November« als die Zeit der Abreise Schillers aus der Pfalz. Andrerseits wird durch des Dichters Brief an Reinwald vom 9. Dez. 1782 bezeugt, daß er »vorgestern«, also am 7. Dezember, in Bauerbach angekommen war, und daß dies Abends der Fall war, ergänzt sein Brief an Streicher vom 8. Dezember in den Worten: »Ich kam Abends hierher ... zeigte meine Briefe auf und wurde feierlich in die Wohnung der Herrschaft abgeholt«.

Nr. 20 (zu S. 99). [Über die Geschichte des Bauerbacher Schillerhauses sind den Aufzeichnungen des Meininger Archidiakonus A. W. Müller folgende Feststellungen zu entnehmen: Henriette v. Wolzogen richtete das 1774 erworbene Bauernhaus zum Wohnhaus her, während sie das alte baufällig und unbequem gewordene Gutsgebäude anfangs mietweise an einzelne Judenfamilien abgab und später verkaufte. Nach ihrem Tode 1790 wurde eine durchgreifende Reparatur vorgenommen, die vieles von der ursprünglichen Einrichtung im Innern veränderte. Im Jahre 1825 wurde der General Ludw. v. Wolzogen der Alleinbesitzer des Familienstammgutes; ihm gelang es, den Kirchenbau, um den sich schon Schiller bemüht hatte, 1839 zustande zu bringen. Nach seinem 1845 erfolgten Tode kam sein zweiter Sohn Hermann infolge eines Vertrages mit seinen Brüdern Alfred und Eduard in den Besitz Bauerbachs. Er wollte 1852 das Haus seiner Baufälligkeit halber wegreißen oder wenigstens in der Mitte voneinander schneiden und die baufälligere Hälfte abtragen lassen. Der Pfarrer Freißlich in Bibra, Enkel jenes alten ehrwürdigen Pfarrherrn der Asylzeit, widerriet mit siegreichen Gründen und rettete damals das Schillerhaus. Bald nachher, im Jahre 1853 verkaufte Herm. v. Wolzogen Bauerbach an die drei Söhne des verstorbenen Konsistorialpräsidenten von Türcke, in Meiningen. Der jüngste derselben, Regierungsrat August v. Türcke übernahm es dann allein, und er ist es, dem man nicht bloß die fernere Rettung, sondern auch die Wiederherstellung des Schillerhauses verdankt. Im Jahre 1855 ließ er mit sorglichster Pietät eine gründliche Reparatur vornehmen und dabei die ursprüngliche Einrichtung wiederherstellen. Es genügte ihm nicht, den Arbeitern desfalls die genauste Instruktion zu geben und die größte Sorgfalt zu empfehlen, sondern er war, so oft nur irgend möglich, selbst anwesend, um vor allem dahin zu wirken, daß das Schillerzimmer den Ausdruck der Asylzeit möglichst vollständig, selbst bis auf die zwei altertümlichen, niedrigen bleidurchzogenen Fenster und die rundbogigen Türen wieder gewinne. Nicht mehr erhalten ist der Maulbeerbaum im Garten am Vorderhof, unter dem sich Schiller oft aufgehalten haben soll. Dagegen hat 1859 noch die von vier herrlichen Linden gebildete »Schillerlaube« im nördlichsten Teil des Herrengartens bestanden.]

Nr. 21 (zu S. 120). Über Charlotte Marschalk von Ostheim, Vermählte von Kalb, hat das Werk des bayrischen Oberstleutnants Johann Ludwig Klarmann »Geschichte der Familie von Kalb auf Kalbsrieth« (Erlangen 1902) in einer Unzahl von Punkten, im Kleinen wie im Großen, neue Aufschlüsse gegeben.

Nr. 22 (zu S. 127). Den Vierzeiler samt den zu ihm gehörigen Versbildungsversuchen hat nach der in Weimar befindlichen Abschrift, welche Emilie von Gleichen von einem durch Dr. Wenzel in Krimmitschau ihr zur Ansicht übergebenen Manuskript genommen hat, Minor in »Aus dem Schiller-Archiv« S. 25 ff. veröffentlicht: »Schillers erste Berührung mit Charlotte von Kalb«. In der Überschrift des Vierzeilers steht hinter »Als 4 Fräuleins« das abgekürzte Wort »neml.« wohl für »neulich«. Die Versuche zur Versbildung sehen sich höchst kläglich an, und nur ein von den Musen geflohenes Menschenkind konnte in solcher Weise sich abquälen. Einer der ersten Anläufe hat folgende Beschaffenheit (das hier in Klammern Eingeschlossene ist Ausgestrichenes):

                 »senden mir den Kranz!
Vier Mädchen [Flochten diesen Kranz]
Wer sind sie – sag es Dichterkönig –
Sind's Grazien? – sie wären dir zu viel
Sind's Musen? Nein [sie] so wären sies zu wenig?
[vier.]

                 [Doch ich besinne mich)
Ich
Sind's Grazien? – Die wären?
Nein. Die vierte war zu viel.
[Eine]
[Wer mag die Vierte seyn –
Doch nein! Die Grazien
Sie haben ja die]
[Doch nein! Die Grazien]
hab ich [wie ich] von Wieland einst vernommen.«

U. s. w. Man sieht, der Reimschmied wollte die 4 Spenderinnen des Lorbeerkranzes bald mit den Musen, bald mit den Grazien vergleichen, hier aber stört ihn die Neunzahl, dort die Dreizahl dieser Göttinnen. Da rettet ihn schließlich – mit Ach und Krach – der Gedanke:

»Doch [nein] [Wie] hab ich nicht von Wieland [einst] jüngst vernommen
Daß Psyche zu den Grazien gekommen.«

So hatte er denn die Grazien gewissermaßen in Vierzahl zu Gunsten der Verherrlichung der 4 irdischen Damen; schließlich, im zu Ende geführten Vers, im Vierzeiler, griff er aber doch wieder auf die Musen zurück und suchte sich mit der Erklärung, daß Deutschland »noch wenig« Musen habe, zu helfen. Das wäre nun alles höchst gleichgültig, wenn nicht auch in den von Charlotte berichteten prosaischen Huldigungszeilen unter dem Hinweis auf Wieland gesagt wäre, daß sich zu den 3 Grazien ein viertes göttliches Wesen, Psyche, gesellt habe: Schiller half sich der Vierzahl der Kranzspenderinnen gegenüber also ebenso, wie sich der Verfasser des Vierzeilers im letzten seiner Versanläufe hatte helfen wollen. Diese embryonischen Gestaltungen aber stammen wie der fertig gewordene Vers von keinem andern als Reinwald. Minor hat aus dem von Emilie von Gleichen dem Vierzeiler beigeschriebenen Vermerk »Reinwalds Hand« den Schluß gezogen, daß Schiller ihn dem Bibliothekarius Reinwald »in die Feder diktirt« habe; augenscheinlich aber bekennt sich mit den unter die Zeilen gesetzten Buchstaben »R. d.« Reinwald selbst zur Autorschaft, und daß Schiller der Verfasser nicht ist, läßt sich mit Hilfe der vorausgegangenen Stümperei erweisen. Denn indem da die Wendungen »sag es Dichterkönig« und »sie wären dir zu viel« vorkommen, ist doch offenbar, daß Schiller der Angeredete und nicht der Sprechende ist, während zugleich der Umstand, daß im Vierzeiler Gedankenreste der Versbildungsversuche wiederkehren, erkennen läßt, daß der Urheber von beiden der gleiche ist. Nur zur dichterischen Impotenz und Unbeholfenheit Reinwalds paßt dieses Versgestammel, und ihm zu Gesicht steht auch die schulmeisterliche Art, mit der hinter Minerva und Apoll ein a und ein b auf die in Anmerkung genannten Personen verweist. Reinwald war mit Pfrangers befreundet, die zu den teilnehmend gesinnten Bekannten Charlottens gehörten (vgl. Palleske, Charlotte S. 92); er kannte aber auch Charlotte schon, als sie noch bei Frau von Türck in Meiningen wohnte, und hatte schon damals in Nachahmung der Ode des Horaz » Sic te diva« ein Gedicht verfaßt, das in steifgelehrtem Scherze die Marschalkschen Fräuleins vor den Gefahren einer Wagenfahrt warnen wollte und die Überschrift trug: »An die Kutsche, die die Fräuleins von M*** ins Oberland brachte« (Gedruckt bei v. Maltzahn, Schillers Briefwechsel mit Christophine u. s. w. S. 285 f.). Wie es scheint, hatte man jetzt seine Vermittlung in Anspruch genommen, hatte den Lorbeerkranz, der dem Dichter der »Räuber« übergeben werden sollte, zunächst an ihn geschickt (im Versgehäcksel heißt es an einer Stelle:

»Den Lorbeer übersandten mir
»Von Teutschlands schönsten Mädchen vier«,

wobei »mir« für das ausgestrichene »dir« gesetzt ist); Reinwald hatte sich abgemüht, zur Übergabe einen Begleitvers zu machen, gab aber schließlich diese Absicht auf und versuchte, wie der Dichter selbst zu den Kranzspenderinnen etwa sprechen könnte. Es ist begreiflich, daß Schiller an diesem Produkt, das einen schiefen Gedanken mit Plattheiten verbindet, keinen Geschmack fand; wohl aber behielt er, indem ihm Reinwald den Entstehungsprozeß seines Verschens kundgab, die Reminiszenz an Wieland zu eigener Verwertung bei. [Oder, was ebenso möglich ist, Reinwald hat die Schillersche Prosa zu versifizieren versucht.] Fällt so jeglicher Grund weg, den albernen Vierzeiler auf Rechnung Schillers zu setzen, so ergibt sich zugleich, daß die von Charlotte überlieferten prosaischen Zeilen echt sind; denn hätte sie den Vers erhalten, wie sollten ihr die Grazien, Psyche und Wieland in die Feder gekommen sein? Von diesen dreien steht im Vierzeiler nichts. Minors Behauptung tut ihr also Unrecht; sie hat die empfangenen Zeilen, die erste Huldigung Schillers, vielmehr treu bewahrt, wie ja auch ihre Mitteilung derselben eine wörtliche sein will. Ein paar kleinere Unrichtigkeiten in Minors Ausführungen mögen nebenbei bemerkt sein: Zur Zeit der Kranzsendung lebte keine der Schwestern Charlottens »in Weimar«, und Charlottens traurige Schicksale waren nicht der Gegenstand »ihrer« Unterhaltung mit Doktor Ritter, sondern der der Unterhaltung der Frau Henriette von Wolzogen mit ihm. Daß in Wielands Dichtung »Die Grazien« Psyche mit den Grazien als Vierte im Bunde wandelt, kann ich nicht eigentlich finden, wenn auch, die französische Übersetzung Junckers » Les grâces et Psyché entre les grâces« diesen Gedanken hervorhebt.

Nr. 23 (zu S. 131). Vgl. in den von Charlotte von Kalb hinterlassenen Gedenkblättern »Das Mahl« S. 220 ff. Minor II, S. 600 hält ihre Erzählung für »unmöglich«, weil Lotte von Wolzogen im Winter 1782 auf 1783 mit ihrer Mutter »zum ersten Mal« nach Stuttgart gegangen sei; aber dies ist meines Wissens weder bezeugt, noch wahrscheinlich – Frau von Wolzogen wechselte mit dem Aufenthalt zwischen Stuttgart und Bauerbach ja häufig und wird ihre Tochter, auch wenn diese in der Pension in Hildburghausen erzogen wurde, doch zeitweise, etwa in Ferienwochen, bei sich in Stuttgart gehabt haben. Zu einer Verstimmung der Herzogin von Gotha kam es erst, als Lotte 1783 nicht mehr nach Hildburghausen zurückkehrte. Über anderes und weit mehr Anfechtbares, was Charlotte von Kalb in diesem Zusammenhang mitteilt, vgl. weiter unten.

Nr. 24 (zu S.134 ). Daß die französische Adresse nicht von Schillers Hand, aber gleichzeitig geschrieben ist, bemerkt Vollmer in Goedekes Histor.-krit. Schillerausgabe III, S. 168. Die Namen Henriette Sturm und Verwalter Schmidt nannte Viehoff in seinen Erläuterungen zu Schillers Gedichten I, S. 170 (Stuttgart 1876). Von der »verwilderten Hintersiedlerfamilie« spricht Brückner S. 52; Archidiakonus Müller erwähnt handschriftlich, daß Henriette in Walldorf lebte und starb. [In dem Nachlaß des Archidiakonus Müller finden sich folgende, mit Hilfe des Pfarrers Kinau in Rohr ermittelte Feststellungen über Henriette Sturm. »Ihre Mutter, die Frau eines Feldscherers Sturm in Sangerhausen, kam im Frühjahr 1752 ohne ihren Mann, scheinbar ganz verlassen, nach dem jetzt preußischen, damals noch kursächsischen Orte Rohr bei Meiningen, wo sie am 23. Juni jenes Jahres ein Töchterlein gebar, welches von dem Freifräulein Marschalk von Ostheim in Walldorf, der späteren Frau von Wolzogen, aus der Taufe gehoben wurde und ihr zu Ehren den Namen Henriette erhielt. Als die Mutter in immer traurigere Verhältnisse kam, nahm Frau von Wolzogen das Kind zu sich und erzog es aufs sorgfältigste. Am 2. Februar 1783 wurde Henriette mit dem Freiherrlich von Marschalkischen Verwalter Johann Nikolaus Schmidt in Walldorf getraut. Die Wünsche des Schillerschen Hochzeitsgedichtes haben sich nicht erfüllt. Statt der ›goldnen Jahre‹ hat sie eiserne Jahre der Not und des Kummers durchzumachen gehabt. Schmidt verlor seine Stelle als Verwalter und suchte sich kümmerlich von einem kleinen Kramladen zu nähren. Er starb schon drei Jahre nachher. Der jüngere, erst nach dem Tod des Vaters geborene Sohn fiel unter die Werber und wurde nur mit Mühe von einem dänischen Kriegsschiffe wieder losgekauft. Henriette selbst kam ganz verarmt in das von dem Herrn von Marschalk gestiftete Hospital und starb daselbst am 3. Februar 1816 an einem sehr schmerzhaften, unerklärt gebliebenen Übel im 65. Lebensjahre.«]

Nr. 25 (zu S. 137). Irrig spricht Minor II, 86 vom Herzog »von Gotha«. Das Herzogtum Gotha war im 18. Jahrhundert noch nicht mit Koburg vereinigt, sondern hatte seinen besonderen Regenten.

Nr. 26 (zu S. 145). Jonas, Schillers Briefe I, S. 470, meint, der Rufname werde wohl Hermann sein, Julius Brauns Witwe in ihrem Büchlein »Christophine, Schillers Lieblingsschwester« (Berlin 1901) setzt dafür Wilhelm. Reinwald selbst schreibt in der Unterschrift seiner Briefe die drei Vornamen Wilhelm Friedrich Hermann stets in der nämlichen Reihenfolge aus, zumeist aber gebraucht er mir deren Anfangsbuchstaben, beschränkt sich zuweilen auch auf den Familiennamen; auf seinen Büchertiteln pflegt »W. F. H. Reinwald« zu stehen. Auch aus Christophinens Briefen und Mitteilungen wird nichts Bestimmtes ersichtlich. Da nach deutscher Unsitte beim Vorhandensein mehrerer Vornamen der Ruf- oder Hauptvorname willkürlich gestellt wird (vgl. Schillerbiographie, Band I, S. 735 f.), bleibt der letztere ungewiß und hat man sich wie in so vielen andern Fällen sehr unnötig mit dem Vornamenhaufen zu schleppen. – Zu den Angaben über Reinwalds Lebensgang vgl. L. Bechstein, Mitteilungen aus dem Leben der Herzoge zu Sachsen-Meiningen (Halle 1856) S. 66, 69 ff. und 182 ff., den Artikel von Max Löwisch in der Allgem. deutsch. Biographie (1889) und Braun, Christophine, S. 75, 78, 86.

Nr. 27 (zu S. 158). Die Vermutung, daß unter den am 11. Mai in Meiningen zurückgelassenen Sachen Schillers der Brief Christophinens war, hat zuerst Boxberger im Archiv für Literaturgesch. V, S. 266 aufgestellt. Die das Vorkommnis begleitenden Umstände werden jedoch nicht ganz übereinstimmend berichtet. Nach Christophinens Erzählung (bei v. Maltzahn S. 345) hatte Schiller Reinwald in Meiningen besuchen wollen, ihn aber nicht zu Hause getroffen, da er »über Land«, nämlich nach Walldorf, gegangen war, um Herrn Dietrich Marschalk von Ostheim zu besuchen; Schiller habe bis gegen Abend auf Reinwalds Zimmer gewartet. »Endlich«, fährt sie fort, »zog er seine Brieftasche heraus und las die darinn enthaltenen Briefe, unter diesen war auch einer von mir in dem ich ihm, im Auftrag der Eltern schreiben mußte daß er auch mehr achtsam auf seine Wäsche seyn solte, und dergl. – Als R. immer noch nicht kam, so ging er verdrüßlich fort und ließ seine Brieftasche liegen – endlich kam R. und seine Haußleute sagten ihm daß der Herr von Bauerbach lange auf ihn gewartet hätte – er fand den also auch die Brieftasche und las die darinn enthaltenen Briefe – Wahrscheinlich mochten die Grundsäze der Sparsamkeit die mein Brief enthielt, ihn bewogen haben an mich zu schreiben – genug ich erhielt einen Brief von ihm wo er mir die Geschichte erzählt« u. s. w. Dieser Darstellung gegenüber muß man aus dem Briefe Schillers vom 11. Mai schließen, daß der Dichter bei seinem Besuche in Meiningen Reinwald angetroffen hatte, wenn er sich auch nachher ohne dessen Wissen verabschiedete; denn Schiller beginnt ja mit den Worten: »Warum ich heute ohne Sie noch einmal zu sehen verschwunden bin ist der Sonntag schuld« u. s. w. Vielleicht war Schiller am Abend des 10. Mai (Samstags) nach Meiningen gekommen, hatte bei Reinwald übernachtet und war, ohne die Zurückkunft des am folgenden Vormittag Walldorf aufsuchenden Freundes abzuwarten, nach Bauerbach zurückgekehrt. Von dort schrieb er spät Abends (»Ich bin voll Schlafes«) seine Zeilen an Reinwald, welche dieser mit dem Empfangsdatum »Erhalten d. 12. Mai 1783« versah.

Nr. 28 (zu S. 165). Schon Brückner möchte die Erklärung des von Schiller empfundenen »ahnungsvollen Schauers« in seiner Seelenstimmung, d. h. in seiner durch die Liebe zu Lotte von Wolzogen hervorgerufenen und »bis an die Grenze des dem schwäbischen Charakter so eigenthümlichen Visionären« gesteigerten Gemütserregung suchen, und die Biographen, vorab Palleske, sind ihm darin gefolgt. Aber dieses Mystisch-Visionäre lag eben nicht in Schillers Natur, und seine Liebe zu Lotte von Wolzogen war, wenn auch stürmisch, doch nicht von solcher Art und Tiefe, daß er, um mit Palleske zu reden, in »gefährlicher« Weise ihr hingegeben, »immer anhaltender, immer versinkender in das nächtliche Antlitz der Natur blickte«. Das ist romantische Zutat. Und das Erlebnis im Walde mit der Schillerschen Liebesgeschichte in Zusammenhang zu bringen, ist schon darum willkürlich, weil wir zwar wissen, daß die Neigung des Dichters zu Lotte von Wolzogen, als diese im Mai 1783 zum zweiten Mal Bauerbach besuchte, eine leidenschaftliche Färbung annahm, jede Angabe aber, daß der Spaziergang um diese Zeit stattgefunden habe, fehlt. Schillers Witwe fährt nach ihrer Erzählung unmittelbar fort: »So in den Nebel des Winters verhüllt und ohne Reiz erblickte er mit einer inneren Kraft doch die Natur« – sie dachte also an winterliche Monate. Nebenbei bemerkt ist die Art, wie Charlotte v. Schiller und Charlotte v. Marschalk-Kalb ihre Erzählung schließen, für beide Frauen charakteristisch: erstere sagt mit dem eben angeführten Satz – in diesem Zusammenhang – eine schönklingende leere Phrase, Charlotte v. Marschalk-Kalb aber bleibt bei der Sache und folgt der ihr eigenen Art des Empfindens und Denkens mit dem Schlußwort: »Wer kann sagen: es sei nur Wahn, sich von Geistern umgeben zu fühlen!«

Nr. 29 (zu S. 205). Jonas, Schillers Briefe I, S. 479, nimmt als Abfassungszeit des von Schiller mit einer Nachschrift versehenen (undatierten) Briefes der Frau Henriette von Wolzogen an ihren Sohn Wilhelm, worin sie über die Bauerbacher Pfingsttage u. a. berichtet, die Tage zwischen dem 10. und 14. Juni an; da aber Schiller einfließen läßt, daß Wilhelms Schwester »beinahe 14 Tage« in Bauerbach gewesen sei und ihre Ankunft kaum vor den 7. Juni, den Pfingstsamstag zu setzen sein wird, so ist der Brief wohl erst in der zweiten Hälfte des Juni geschrieben. Jonas meint freilich, Lotte scheine mit der Mutter am 1. Juni in Bauerbach eingetroffen zu sein; Schillers Brief vom 30. Mai spricht aber eher dafür, daß diese damals noch bei der Amtmannsfrau in Maßfeld verweilte.

Nr. 30 (zu S. 207). Veröffentlicht wurde der Brief, wenn auch mit willkürlichen Abänderungen, zuerst von Karoline von Wolzogen in »Schillers Leben« (1. Aufl. S. 75 ff.), wobei als Adressat Wilhelm von Wolzogen genannt ist. Jonas, Schillers Briefe I, S. 479, möchte die Richtigkeit letzterer Angabe bezweifeln und als Adressaten etwa Schillers Akdademiefreund Lempp vermuten; sein Einwurf, daß der Empfänger des Briefes mit Du angeredet ist, während noch Schillers Nachschrift zum Briefe der Frau von Wolzogen an ihren Sohn das Sie gebraucht, dürfte jedoch nicht stichhaltig sein. Der Brief vom 19. Juni ist seinem ganzen Inhalt nach auf Täuschung berechnet und mußte, indem darin das Du angewendet war, um so mehr den Anschein einer vertraulichen und wahrheitsgemäßen Mitteilung gewinnen. Auch Alfred von Wolzogen in »Schillers Beziehungen zu Eltern« u. s. w. nahm beim Wiederabdruck S. 471 Wilhelm von Wolzogen als Adressaten, und wie sollte aus dem Nachlaß Lempps der Brief zur Kenntnis Karolinens gelangt sein? Daß sie ihn im Nachlaß Wilhelms, ihres Gatten, vorfand, scheint doch auf der Hand zu liegen. Zu diesem allen kommt noch, daß schon im Brief der Frau Henriette von Wolzogen an Wilhelm davon die Rede ist, daß Schiller »von Frankfurt« aus an den Herzog von Württemberg schreiben wolle, womit sie ihren Sohn wohl darauf vorbereiten wollte, daß er mit eben dieser Ortsnennung von Schiller einen (fingierten) Brief erhalten werde.

Nr. 31 (zu S.210). [Ein langer Exkurs zu Johann Friedrich Schillers späterem Lebensgang und Schicksalen ist hier weggelassen, da er nur die Feststellungen wiedergibt, die Alfred Börckel auf Grund von Mainzer und Darmstädter Archivakten in zwei Feuilleton-Artikeln der »Frankfurter Zeitung« vom 28. und 29. Juni 1903, betitelt »Der Buchdrucker und Sprachmeister Johann Friedrich Schiller«, vorgelegt hat. Dazu wären weiter zu vergleichen Börckel in der Zeitschr. f. Bücherfreunde, 1904/05 VIII, S. 58 ff. – Bergers Schillerbiographie Bd. 1, S. 614–17. – D. Friedrich Schneider, Johann Friedrich Schiller, Buchdrucker und Verleger in Mainz 1784-94. Mainz 1905.]

Nr. 32 (zu S. 214). In der Erzählung der Charlotte von Kalb »Das Mahl« (Palleske, Charlotte S. 220 ff., vgl. Anhang Nr. 23) wird man eine Durchmengung von Wirklichkeitsbericht mit Gestaltungen der eigenen Phantasie zu suchen haben; daß Schiller das »Gedenkbuch« oder Tagebuch des Mädchens (»Dorotheens«, d. h. Lottens), wenn ihm Frau von Wolzogen wirklich diese Bekenntnisse ihrer Tochter zu lesen gab, nach Mannheim mitnehmen konnte, ist schon wenig wahrscheinlich, die aus ihm von Friedrich (d. h. Schiller) vorgelesene Stelle ist die Sprache der Frau von Kalb, nicht aber die Lottens, und wie frei die Erinnerung der Verfasserin des »Mahls« mit der Ordnung der Begebenheiten schaltet, ist schon daraus zu entnehmen, daß ein Besuch Winklers (d. h. Winckelmanns) in Bauerbach in die Zeit vor Schillers Abreise gesetzt ist, während er vermutlich erst nach derselben stattfand. Immerhin scheint mir die Annahme einer völlig freien, d. h. eines Kernes von geschichtlicher Wahrheit entbehrenden Erfindung hier wie bei andern Teilen des »Mahls« nicht statthaft.


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