Edgar Wallace
Unter Buschniggern
Edgar Wallace

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Der Teufelswald

Vier Tage von M'Sakidanga entfernt – wenn man den Angaben der Eingeborenen Glauben schenken darf – fließt ein Strom, der sich vom N'Gombiland herunterschlängelt. Nach den Eingeborenenberichten soll dieser sogar in der trockenen Jahreszeit schiffbar sein.

Die Missionare in Bonginda belächeln dieses Gerücht; und Arburt, der junge Missionsvorsteher der Station, lauschte eines Tages mit einem leisen Lachen in seinen blauen Augen dem Bericht Elebis, dem er nicht glaubte, über ein Fabelland am Ende dieses Flusses.

»Wenn sich wirklich Elfenbein an diesem Platze aufgehäuft vorfinden sollte«, sagte er in der Landessprache, »oder ein großer Schatz des Hebens wartet, so gehe zu Sandi, denn dieses Elfenbein gehört dann der Regierung. Aber du, Elebi, richte lieber deinen Sinn auf himmlische Schätze und deine Gedanken auf deine Unwürdigkeit, einen Platz im himmlischen Königreich zu verdienen, und laß das Elfenbein fahren.«

Elebi war Sanders als ein eingeborener Prediger von etwas stürmischem Typ bekannt, als ein losdonnernder, redseliger Unterprediger der Kirche.

Er hatte in seinen ekstatischen Augenblicken viele bekehrt. Aber es gab auch Tage voller Rückschläge, an denen Elebi in seiner Lehmhütte murrte und das Christentum kritisch betrachtete.

Diese neue Religion war ja ein dauerndes Dienen. Man konnte sich nicht einmal in Eifer hineinarbeiten und das Ding dann wieder für eine Weile – für eine Woche liegenlassen. Man mußte damit fortfahren, durfte niemals ermüden, niemals vom geraden Pfade abweichen: man mußte ermüdende Selbstüberwachung üben und durfte das nicht tun, was man gern tun wollte.

»Religion ist Gefangenschaft!« murrte Elebi nach seiner Unterredung und zuckte die breiten schwarzen Schultern.

In seiner Hütte pflegte er den Europäerrock mit Hüftentuch und Decke zu vertauschen, denn Elebi war ein Wilder – ein nachgemachter Wilder, aber dennoch Barbar. Einmal, als er am Teufelsfluß predigte, hatte er sich in ein solches Feuer von Leidenschaft hineingearbeitet, daß er einen Spötter züchtigte, indem er ihm den Arm zerbrach, und Sanders, hierüber wütend, ließ ihn verhaften, peitschen und tausend Messingstangen Strafe zahlen. Danach hatte Elebi in gewissen englischen Missionarkreisen als ein Märtyrer des Christentums gegolten, weil er es verstand, vortrefflich zu lügen und seine Bestrafung als eine Art wilder Christenverfolgung hinzustellen.

Aber das Elfenbein lag drei Tagereisen hinter dem Geheimen Fluß begraben! Darüber grübelte Elebi bei dem Holzklotze nach, der Tag und Nacht in seiner Hütte glomm. Drei Tage jenseits des Flusses, der sich an einem Platze, wo zwei Gräber lagen, gabelte, war das Land, wie man sich erzählte, voll von Teufeln, und Elebi schauderte bei dem Gedanken daran: aber als Missionar und Laienprediger und überdies als der stolze Besitzer eines Druckes des Briefes an die Römer (der mühevoll in die Eingeborenensprache übersetzt war) hatte er wenig zu fürchten. Mehr zu fürchten hatte er von einem gewissen weißen Teufel, der weit entfernt von hier, am Sitz der Regierung hauste, und von dem man erwarten mußte, daß er die Länder und den Geheimen Fluß unsicher machte, sobald die Regenzeit vorüber war.

Man dachte, Elebi hätte nach der Sitte der Weißen nur ein Weib; aber das Mädchen, das mit einem dampfenden Napf voll Fische in die Hütte trat, war nicht die Frau, die die Missionare als Elebis rechtmäßig angetrautes Ehegespons kannten.

»Sikini«. sagte er, »ich gehe mit dem Kanu auf eine Reise.«

»Im heiligen Dienst?« fragte Sikini, die erst in der stolzeren Periode dieses Mannes unter seinen Einfluß geraten war.

»Das Knistern des Feuers ist wie eine Weiberzunge«, zitierte Elebi, »und es ist leichter, einen Deckel auf einen kochenden Topf zu halten als ein Geheimnis im Herzen eines Weibes.«

Elebi führte die Redensarten der Flußbewohner stets im Munde, und das Mädel lachte, denn sie war sein Lieblingsweib und wußte, daß er ihr im Laufe der Zeit schon weitere Mitteilungen machen würde.

»Sikini«, sagte der Mann plötzlich, »du weißt, daß ich dich behalten habe, als der Blutzapfer wollte, daß ich dich verstoßen sollte.«

(Arburt hatte ein Mikroskop und benutzte seine Abende, um das Blut seiner Herde nach Anzeichen von Schlafkrankheit zu untersuchen.)

»Du weißt, daß ich um deinetwillen den, der mein Vater und Beschützer ist, beschwindelt habe, indem ich ihm sagte, daß da nur ein Weib in meinem Hause, und daß dieses Tombolo, das Weib von der Küste, sein solle.«

Das Mädchen nickte und sah ihn dumm an.

»Deshalb sage ich dir, daß ich jenseits des Geheimen Flusses gehe, das sind drei Tagereisen, und daß ich das Kanu an der Stelle verlassen werde, wo sich die beiden Gräber befinden.«

»Was suchst du?« fragte sie.

»In jenem Lande gibt es eine Menge Elfenbeinzähne; totes Elfenbein, das das Volk aus einem fernliegenden Lande mitgebracht und dort verborgen hat, da es das Gouvernement vom Kongo fürchtete. Ich werde reich zurückkommen und werde viele Weiber kaufen, die dir aufwarten und dich bedienen sollen, und dann will ich nicht länger Christ sein, sondern werde den roten Fetisch anbeten, wie es mein Vater und mein Großvater getan haben.«

»Geh!« sagte sie, gedankenvoll nickend.

Er erzählte ihr viele Dinge, die er Arburt nicht enthüllt hatte: wie das Elfenbein dorthin gekommen sei, von dem Volke, das das Elfenbein bewachte, und von den Mitteln, die er anwenden wollte, um sich seiner zu bemächtigen.

Am nächsten Morgen, ehe die Missionstrommel rief, war er in seinem Kanu weggeglitten, und als Arburt die Neuigkeit, erfuhr, seufzte, er und nannte ihn einen hoffnungslosen Lumpen – denn Arburt war schließlich nur ein Mensch. Und Sanders, der auch nur ein Mensch war, sandte seine schnellen Boten aus, die Elebi gefangennehmen sollten, denn es ist nicht gut, daß schätzesuchende Eingeborene ein fremdes Land durchwandern, denn solche Spaziergänge führten zum Krieg, und Krieg brachte ernste dienstliche Korrespondenz, die Sanders in innerster Seele haßte.

Wer Elebi folgen wollte, mußte in seinem Fahrwasser bis Okau paddeln, wo die Barina in den Lapoi mündet, mußte dann den Pfad an der linken Seite des Flusses verfolgen, an dem schweigenden »Weißen Teufelssee« vorbei, und dem sich wendenden Stromlauf folgen, bis der Tummelplatz der Elefanten erreicht ist. Hier ist der Urwald dem Sport der Ungeheuer zum Opfer gefallen; das Ufer ist mit Baumstümpfen besät, die durch die herumtollenden Mammute entwurzelt und spielend beiseite geworfen wurden. Der Erdboden dort ist jedes Busches und Krautes bar; es ist alles ein Schlamm, der die Spuren der Elefanten zeigt.

Elebi zog sein Kanu an Land, hob sorgfältig seinen Kochtopf heraus, in dem er halb brennendes Feuer unterhielt, schüttete ihn aus und legte frische Zweige und Reste trocknen Holzes darauf. Dann bereitete er sich selbst ein leckeres Mahl und legte sich schlafen.

Ein herumirrender Leopard kam schnüffelnd und heulend während der Nacht in die Nähe, und Elebi stand auf und fachte das Feuer an. Am Morgen suchte er nach dem Wasserarm, der zum Geheimen Fluß führte, und fand ihn unter Elefantengras verborgen.

Elebi hatte viele Freunde im N'Gombilande; sie waren am Dorfe Tambango versammelt – zum endlosen Verdruß des Häuptlings dieses Dorfes, denn Elebis Freunde waren fremd im Dorf; wohlbewaffnet und an Zahl den Dörflern gegenüber wie drei zu eins, legten sie einfach Hand auf alles, was sie gut dünkte. Einer von diesen, O'Sako, hielt den Häuptling in größter Furcht, denn er sprach sehr wenig, stolzierte aber in theatralischer Pose durch die schmutzige Straße von Tambango und trug ein blitzendes gekrümmtes Henkermesser über seinem linken Arm. O'Sako war schlank und hübsch; seine breiten Schultern glänzten in ihrer Nacktheit, und seine muskulösen Arme waren ohne jeden Schmuck. Das dichte Haar war derart mit Lehm zusammengekleistert, daß es europäischem Frauenhaar ähnlich sah, und sein Körper war eingerieben mit Ingolapulver.

Nur einmal ließ er sich herab, seinen Wirt anzureden.

»Du wirst mir ungefähr um die Zeit, wenn Herr Elebi ankommt, drei junge Männer stellen, die uns nach dem Lande des Geheimen Flusses bringen sollen.«

»Aber, Herr«, wandte der Häuptling ein, »kein Mann wagt sich, zum Geheimen Flusse zu gehen, schon wegen der Teufel.«

»Drei Leute«, sagte O'Sako leise, »drei junge Männer, schnellfüßig, und mit Augen, scharf wie die der N'Gombi, und mit einem Mund, der schweigen kann wie der Tod.«

»Wegen der Teufel«, wiederholte der Häuptling matt; aber O'Sako starrte geradeaus und ging weiter.

Als die Sonne, bevor sie unterging, in einem letzten Versuch auf den Rand der Welt herniederglühte und der breite Strom eine Masse flüssigen Feuers war und lange Schatten durch die Lichtung liefen, kam Elebi ins Dorf. Er kam allein, ohne jede Begleitung, vom Süden, und trug keine sichtbaren Zeichen seines vorübergehenden Aufenthaltes in den Gefilden der Zivilisation. Außer einem Hüftentuch und einem über die Schulter geworfenen Leopardenfell war er nackt.

Am Ende des Dorfes lag das Palaverhaus, eine strohgedeckte kleine Wattleholzhütte, die sich an einen kleinen Hügel lehnte. Dort versammelte Herr Elebi seine Häuptlinge und den Häuptling des Dorfes. Er hielt eine Rede.

»Cala, Cala«, begann er, und das bedeutet »vor langer Zeit« und ist eine famose Einleitung für eine Rede, »ehe der Weiße kam, und als die Araber aus den nördlich liegenden Ländern kamen, um Elfenbein und Weiber zu stehlen, vergruben die Leute um den Geheimen Fluß ihre Schätze an einem ›Teufelsplatz‹; ihre Weiber konnten sie nicht vergraben, daher verloren sie sie. Nun ist das gesamte Volk um den Geheimen Fluß tot. Die Araber töteten welche, die Kongoregierung tötete andere, aber Krankheiten töteten die meisten. Wo ihre Dörfer gestanden hatten, ist hohes Gras gewachsen, und in ihren Gärten spricht nur der Webervogel. Dennoch kenne ich diesen Platz, denn ich habe eine Erscheinung gehabt, ein Gesicht, und eine Stimme, die sprach – –«

Der Rest der Rede war reine Gotteslästerung, vom Europäerstandpunkt aus betrachtet und mit Berücksichtigung des Umstandes, daß Ebeli zum Laienprediger erzogen worden und im Vortrag gewandt war.

Als er geendet hatte, sprach der Dorfhäuptling von Tambango. Es war eine ganz ernsthafte Abhandlung über Teufel. Da sei nicht der geringste Zweifel, daß sich in dem Walde, wo der Schatz liege, ein richtiges Bollwerk des Satans befände. Einige von den Teufeln hätten böse Gesichter und wären so groß wie die Gummibäume – ja sogar größer, denn sie gebrauchten ganze Bäume als Keulen; andere von ihnen wären klein, so klein, daß sie auf den Flügeln der Bienen reisten; aber alle seien sehr mächtig, sehr schrecklich und vor allem der wirksamste Schutz des begrabenen Schatzes; ihre größte Fertigkeit bestände darin, daß sie den Wanderer in die Irre führten. Leute, seien auf der Suche nach Wild, Kopalharz oder Gummi in den Wald gegangen und niemals zurückgekehrt, weil wohl tausend Wege in den Wald, aber keiner aus dem Walde herausführe.

Elebi hörte in tiefem Ernst zu.

»Teufel! Natürlich gibt es die da«, sagte er. »Auch den Obersten der Teufel, den Alten, der der Feind von Gott ist. Ich habe viel mit Austreiben von Teufeln zu tun gehabt – in meinem heiligen Amt als Diener der Heiligen Schrift. Von den kleineren Teufeln weiß ich nichts, obwohl ich an ihrer Existenz nicht zweifele. Und darum halte ich es für besser, wir versenken uns ins Gebet.«

Auf seine Anweisung hin kniete die Gesellschaft angesichts des Dorfes nieder, und Elebi betete wie üblich, aber mit größtem Ernst, daß nicht die Mächte der Finsternis die Oberhand gewinnen, sondern daß das große Werk, das vor ihnen lag, triumphieren solle:

Danach opferte die Gesellschaft, um sich nach beiden Seiten zu sichern, einem vor des Häuptlings Hüttentür hockenden Tierfetisch zwei Hühner, und ein verrückter Zauberdoktor salbte Elebi mit Menschenfett.

»Wir werden über Ochori reisen«, sagte Elebi, der so was wie ein Stratege war. »Dieses Ochorivolk wird uns Nahrungsmittel und Führer stellen, denn es ist feige und sehr furchtsam.«

Er nahm Abschied von dem alten Häuptling und setzte seine Reise mit O'Sako und seinen Kriegern fort. So vergingen zwei Tage. Eine Stunde von der Ochoristadt entfernt rief er eine Versammlung zusammen.

»Da ich die Welt kenne«, begann er, »bin ich mit den Ochoris bekannt. Sie sind Sklaven! Ihr sollt sehen, wie der Ochorihäuptling meine Füße küßt. Da es sich gehört, daß so einer wie ich, der die Art der Weißen und ihren Zauber kennt, mit Ehren empfangen wird, laßt uns einen Boten voraussenden, der den Ochoris ankündet, daß Lord Elebi im Anzug ist und ihnen befiehlt, zur Zeit unserer Ankunft soundso viele Ziegen zu schlachten.«

»Das nenn' ich wohlgesprochen«, antwortete O'Sako, sein Leutnant, und ein Bote wurde vorausgesandt.

Elebi folgte langsam mit seiner Karawane.

Man erzählt sich, daß Elebis Botschaft an Bosambo aus Monrovia, den Häuptling der Ochoris, gerade zu einer Zeit eintraf, als sich dieser in einem kleinmütigen Zustand befand, wie er gerade Männer der Tat befällt, wenn sie finden, daß ihr Leben zu sanft dahinfließt.

Es war Bosambos Gewohnheit – und eine, vor der seine Leute ehrfürchtige Scheu empfanden – in allen Augenblicken einer Krisis oder bei solchen Gelegenheiten, wo es nicht wünschenswert war, daß seine Gedanken bekannt würden, laut Englisch zu sprechen.

Er saß vor seiner Hütte, rauchte eine kurze Holzpfeife und hörte schweigend zu, während der Bote die Eigenschaften des ankommenden Besuchs und die unvergleichliche Ehre pries, die den Ochoris damit zuteil würde.

Am Schlusse der Aufzählung sagte Bosambo englisch: »Verdammter Nigger!«

Der Bote war von den fremden Lauten wie vor den Kopf geschlagen.

»Herr und Häuptling!« sagte er. »Mein Herr ist ein Großer, er kennt die Weißen und ihre Gepflogenheiten.«

»Auch ich kenne etwas von den Weißen«, erwiderte Bosambo nun ruhig im Dialekt des Flusses. »Ich habe viele Freunde darunter; so Sandi, der meines Bruders Weibes Schwester geheiratet hat und hierdurch mit mir verwandt ist.

Auch habe ich mit dem Großen Weißen König, der über dem Großen Wasser wohnt, Händedrücke gewechselt«, fügte Bosambo kühn hinzu, »und er hat mir viele Geschenke gegeben.«

Mit diesem Bericht ging der Bote zu der langsam anrückenden Karawane zurück, und Elebi war ein wenig betroffen.

»Sonderbar!« sagte er. »Kein Mensch hat jemals einen Ochorihäuptling gekannt, der etwas anderes gewesen wäre als ein Hund und ein Hundesohn. – Laßt uns diesen Bosambo näher betrachten! Hast du ihm gesagt, daß er herauskommen und mich treffen soll?«

»Nein«, bekannte der Bote offen, »denn er war ein so Großer und so hochmütig wegen Sandi, der seines Bruders Weibes Schwester geheiratet hat, und so aufgeblasen, daß ich es nicht wagte, ihm das zu sagen.«

Am Saume der Ochoristadt, wo Sanders früher einmal die Errichtung einer Warnungstafel veranlaßt hatte, fand Elebi den Häuptling wartend, und Elebi war sehr geschmeichelt. Es gab eine lange und ernste Unterredung in dem kleinen Palaverhaus des Ortes, und hier erzählte Elebi so viel von seiner Geschichte, wie notwendig war, und Bosambo glaubte so viel davon, als ihm glaubwürdig schien.

»Und was benötigst du von mir und meinen Leuten?« sagte Bosambo zu guter Letzt.

»Herr und Häuptling!« antwortete Elebi. »Ich gehe auf eine lange Reise, gestärkt vom Heiligen Geist, von dem du nichts weißt, denn das ist ein ganz besonderes Geheimnis der Weißen.«

»Es gibt kein Geheimnis, das ich nicht kenne«, erwiderte Bosambo aufgeblasen, »und wenn du von Geistern sprichst, dann will ich mal von gewissen Heiligen reden und von einer gewissen Jungfrau, die von den weißen Männern sehr verehrt wird.«

»Wenn du von dem gesegneten Paul – –« begann Elebi etwas ungewiß.

»Nicht nur von Paul, sondern auch von Peter, Johannes, Lukas, Matthäus, Antonius und Thomas«, zählte Bosambo schnell auf. Er war nicht umsonst ein guter Schüler der Missionsstation gewesen.

Elebi war in die Enge getrieben.

»Lassen wir diese Zauberdinge ruhen!« sagte er vorsichtig. »Es ist augenscheinlich, daß du ein gelehrter Mann bist. Nun gehe ich, um einen wundervollen Schatz zu heben. Alles, was ich dir früher gesagt habe, war eine Lüge. Laß uns zueinander als Brüder sprechen! Ich gehe zum Teufelswald, wo seit Jahren kein Mensch gewesen ist. Darum bitte ich dich, gib mir Proviant und zehn Träger!«

»Proviant kannst du haben, aber Träger nicht«, antwortete Bosambo, »denn ich habe Sandi mein Wort verpfändet, der, wie du weißt, meines Bruders Weibes Schwester Mann ist, daß keiner meiner Leute dieses Land verläßt.«

Damit hatte sich Elebi zufrieden zu geben, denn ein neuer Geist war über die Ochoris gekommen, seit er sie das letztemal gesehen; und da war eine Herausforderung in den furchtsamen Augen dieser Sklaven von ehemals, die beunruhigte; außerdem schienen sie sehr gut bewaffnet.

Alle hundert Yards machte der Zug halt, und Elebi band einen Streifen an einen Baumzweig.

»Auf diese Weise«, belehrte er seinen Stellvertreter, »werden wir unabhängig von den Göttern und ohne Furcht vor den Teufeln sein, denn wenn wir das Elfenbein nicht finden, werden wir wenigstens unseren Weg zurückfinden können.«

(Missionare hatten auf die gleiche Weise das Land zwischen Bonguidga und dem Großen Fluß durchquert, aber in jenem Lande gab es keine Teufel.)

Nach zwei Tagen gelangten sie an einen Begräbnisplatz. Dort hatte ehemals ein Dorf gestanden, denn Isisipalmen wuchsen da prächtig; als sie das Gras beiseitebogen, stießen sie auf ein verwittertes Dach. Und in den Ölpalmen hausten Millionen von Webervögeln, und ein überwucherter Bananenhain war auch da.

Elebi fand die mit zerbrochenen Kochtöpfen bedeckten Gräber und war darüber zufrieden.

Im Walde selbst, eine Meile hinter dem Totendorf, stießen sie auf einen alten Mann; so alt in der Tat, daß man ihn mit einem Finger und dem Daumen hätte in die Höhe heben können.

»Wohin gehen die jungen Männer in ihrer Kraft?« mummelte er kindisch. »In das Land der kleinen Teufel? Wer wird sie wieder zu ihren Weibern zurückführen? Keiner, denn die Teufel werden sie irreführen, indem sie ihnen neue Wege öffnen und die alten Wege verschließen werden. Oh, ko, ko!«

Er winselte erbärmlich.

»Vater«, sagte Elebi, indem er rote Flanellstreifen von seiner Hand baumeln ließ, »dieses ist des weißen Mannes Zauber; wir kommen auf demselben Wege zurück, auf dem wir gekommen sind.«

Da verfiel der Alte in einen wahnsinnigen Anfall von Fluchen und bedrohte sie mit tausend Toden, und Elebis Gefolge drängte, von Furcht übermannt, zurück.

»Du hast zu lange gelebt«, sagte Elebi leise und jagte seinen Speer durch das Genick des Alten.

*

Zwei Tagereisen hinter der Mordstätte stießen sie auf das Elfenbein. Es war unter einem Hügel vergraben, der wild mit Pflanzen überwuchert war. Nach europäischer Schätzung betrug der Wert ungefähr fünfzigtausend englische Pfund Sterling.

An dem Morgen, als die Karawane Bosambo verließ, sah dieser sie abmarschieren. Er bemerkte, daß zwei Körbe, bis an den Rand mit schmalen Streifen roten Zeuges gefüllt, einen Teil der Ausrüstung der kleinen Karawane bildeten.

»Das ist mein Zauber«, sagte Elebi geheimnisvoll, als er darum befragt wurde. »Es gehört sich, daß du seine Macht kennenlernst.«

Bosambo gähnte dem anderen mit großer Unverschämtheit ins Gesicht.

Eine Tagereise hinter Ochori erreichte die Karawane die ersten zerstreuten Vorposten des Großen Waldes. Dichte Haufen von Gummibäumen bildeten den Eintritt zum Dickicht, und hier wurde der Zauber von Elebis Körben mit den Zeugstreifen enthüllt.

»Wir wollen zurückgehen und Träger holen«, bestimmte Elebi. »Dabei nehmen wir so viele Elefantenzähne mit uns, wie wir zu tragen vermögen.«

Zwei Stunden später begann die Gesellschaft ihren Rückmarsch, indem sie den Pfad verfolgte, wo in Zwischenräumen von einer halben englischen Meile ein Streifen von rotem Flanell von einem Zweig hing.

Da waren viele Pfade, die sie hätten einschlagen können; Pfade, die aussahen, als ob sie von Menschenhänden angelegt worden seien, und Elebi war froh, daß er den Weg zur Rettung gekennzeichnet hatte.

Acht Stunden lang bewegte sich die Karawane schnell vorwärts, da sie die Richtung ohne Schwierigkeit fand; dann machten sie Rast für die Nacht.

Elebi erwachte in der Nacht durch die Schreie eines Mannes; er sprang auf und fachte das Feuer zu einer lichten Flamme an.

»Es ist der Bruder von Olambo aus Kinshassa, und er hat die Schlafkrankheit Mongo«, sagte eine Stimme, der man die Angst anhörte. Elebi rief zur Beratung.

»Es gibt viele Arten, nach denen die Weißen diese Krankheit behandeln«, erklärte er gescheit. »Entweder sie geben gewisse Pulver ein, oder sie stechen mit Nadeln in den Arm; aber Arznei zu geben, sobald das Stadium des Wahnsinns eingesetzt hat, ist nutzlos – so habe ich von den Missionaren auf der Station sagen hören –, denn die Tollheit setzt nur kurz vor dem Tode ein.«

»Er war aber letzte Nacht noch gesund«, sagte eine gedämpfte Stimme. »Hier im Walde gibt es viele Teufel, laßt uns ihn fragen, was er gesehen hat.«

So ging eine Abordnung zu dem schreienden, zuckenden Menschen,, der gefesselt und geknebelt am Boden lag, und sprach mit ihm. Sie fanden es etwas schwierig, mit ihm ins Gespräch zu kommen, denn er plapperte und schimpfte und lachte und schrie in einem fort.

»Wegen der Teufel –« sagte Elebi schließlich.

»Teufel!« gellte der Verrückte. »Yi! Ich habe sechs Teufel gesehen, mit Flammen in ihren Rachen! Tod über dich, Elebi! Hund – – –!«

Er schrie andere peinliche Dinge hinaus.

»Wenn wir Wasser hier hätten«, grübelte Elebi, »dann könnten wir ihn ersäufen; aber da wir nur Wald und Erde hier haben, tragt ihn vom Lager fort, und ich will ihn zum Schweigen bringen.«

So trugen sie den Wahnsinnigen weg; acht starke Männer schwankten durch den Wald, und sie kamen zurück und ließen Elebi mit seinem Patienten allein. Die Schreie hörten plötzlich auf, und Elebi kehrte zurück und wischte seine Hände an seinem Leopardenfell ab.

»Nun laßt uns schlafen!« sagte Elebi und legte sich nieder.

Schon vor Tagesanbruch war die Gesellschaft auf den Beinen.

Sie waren kaum eine Meile von ihrer Lagerstätte wegmarschiert, als sie zögerten und haltmachten.

»Ich finde kein Zeichen, Herr«, berichtete der Führer. Elebi nannte ihn einen Dummkopf und ging selbst, um nachzusehen.

Aber da war kein roter Flanell, nicht eine Spur davon. Sie marschierten eine weitere Meile, aber ohne Erfolg.

»Wir haben den falschen Weg eingeschlagen, laßt uns zurückkehren!« befahl Elebi, und die Gesellschaft kehrte auf ihren Spuren zu dem von ihnen verlassenen Lagerplatz zurück.

Dieser Tag wurde benutzt, um das Land drei Meilen weit auf jeder Seite zu erforschen; aber nirgends fand sich das willkommene Zeichen, das ihnen den einzuschlagenden Weg zeigen sollte!

»Wir sind alle N'Gombileute«, sagte Elebi. »Laßt uns morgen vorwärts marschieren und die Sonne immer in unserem Rücken behalten. Der Urwald hat keine Schrecken für den N'Gombimann. Dennoch kann ich nicht verstehen, warum der Zauber des weißen Mannes versagte.«

»Teufel«, murmelte sein Stellvertreter düster.

Elebi betrachtete ihn nachdenklich.

»Teufel fordern bisweilen Opfer!« antwortete er mit Nachdruck. »Eine kluge Ziege meckert nicht, wenn sich der Priester der Herde nähert.«

Am nächsten Morgen wurde eine wichtige Entdeckung gemacht; ein zerknülltes Stück Flanell wurde an der äußeren Seite des Lagers gefunden. Es lag gerade in der Mitte eines Pfades, und Elebi schrie vor Freude laut auf.

Wieder begab sich die Karawane auf diesen Pfad. Eine Meile weiterhin fesselte ein anderes rotes Fetzchen das Auge und eine halbe Meile weiter noch eins.

Aber keines von diesen war dort, wo Elebi sie hingehängt hatte, und sie alle trugen die Spuren roher Behandlung, was den Laienbruder arg beunruhigte. Manchmal fehlten die kleinen Fetzen auch gänzlich, aber dann stieß eine Patrouille wieder auf welche in einiger Entfernung abseits vom Wege, und der Marsch wurde fortgesetzt.

Gegen Sonnenuntergang machte Elebi plötzlich halt und grübelte. Vor ihm lief sein eigener langer Schatten. Die Sonne war hinter ihm, wo sie doch jetzt hätte vor ihm sein müssen.

»Wir gehen in verkehrter Richtung«, sagte er, und die Männer warfen ihre Lasten nieder und starrten ihn an.

»Zweifellos ist das das Werk des Teufels!« erklärte Elebi nach einer Pause. »Laßt uns beten!«

Er betete inbrünstig etwa zwanzig Minuten lang, und die Nacht kam, ehe er damit endete.

Sie lagerten in dieser Nacht auf dem Fleck, wo sie den letzten roten Fetzen gefunden hatten, und am Morgen darauf gingen sie auf dem Wege zurück, den sie gekommen waren. An Nahrungsmitteln fehlte es ihnen nicht, aber es mangelte an Wasser. Sie waren weniger als eine englische Meile marschiert, als die roten Fetzen gänzlich aufhörten, und nun wanderten sie hilflos im Kreise umher.

»Das ist augenscheinlich keine Gebets-, sondern eine Opferfrage«, schloß Elebi, und sie erschlugen einen der Führer.

Drei Nächte später kroch O'Sako, der Freund Elebis, heimlich zu der Stelle, wo Elebi schlief, und regelte den Streit, der tagsüber deshalb aufgetaucht war, wer von ihnen beiden den Oberbefehl über die Expedition haben sollte.

*

»Herr«, sagte Bosambo aus Monrovia, »alles, was du mir aufgetragen hast, habe ich getan.«

Sanders saß vor des Häuptlings Hütte auf seinem Feldstuhl und nickte.

»Als dein Befehl kam, ich solle Elebi auffinden, der ein Feind der Regierung sei und deinem Befehl nicht gehorcht, nahm ich fünfzig meiner jungen Leute und folgte ihm auf seinen Spuren. Zuerst war der Weg leicht, denn er hatte Zeugstreifen an die Bäume gebunden, um den Rückweg zu finden; aber nachher wurde die Sache schwierig, wegen der N'Kema, die im Urwald sind – –«

»Affen?« Sanders' Augenbrauen hoben sich.

»Affen, Herr!« Bosambo nickte. »Die kleinen schwarzen Buschaffen, die grelle Farben so sehr lieben, waren von ihren Bäumen heruntergeklettert, hatten die Zeugstreifen abgerissen und sie zu ihren Nestern genommen nach der Manier des Affenvolkes. Auf diese Weise verirrte sich Elebi und mit ihm seine Leute, denn ich habe ihre Gebeine gefunden; ich kenne den Urwald!«

»Und was hast du sonst gefunden?« fragte Sanders.

»Nichts, Herr!« sagte Bosambo und sah Sanders gerade in die Augen.

»Das ist wahrscheinlich eine Lüge!« bemerkte Sanders.

Bosambo dachte an das Elfenbein, das unter dem Fußboden seiner Hütte vergraben lag, und widersprach Sanders nicht.


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