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Zweiter Aufzug

Erste Szene

(Die Bühne stellt im Vordergrund eine Straße im Längendurchschnitt dar, welche in der Mitte von einer schmalen Gasse, nach dem Hintergrunde zu krumm abbiegend, durchschnitten wird, so daß sich in Front zwei Eckhäuser darbieten, von denen das eine reichere – rechts – das Haus Pogners, das andere einfachere – links – das des Hans Sachs ist. – Vor Pogners Haus eine Linde; vor dem Sachsens ein Fliederbaum.

Heiterer Sommerabend, im Verlaufe der ersten Auftritte allmählich einbrechende Nacht.

David ist darüber her, die Fensterläden nach der Gasse zu von außen zu schließen. Andere Lehrbuben tun das gleiche bei anderen Häusern.)

Lehrbuben (während der Arbeit): Johannistag! Johannistag!
Blumen und Bänder, so viel man mag!

David (leise für sich):
Das Blumenkränzlein von Seiden fein
möcht' es mir balde beschieden sein!

Magdalene (ist mit einem Korbe am Arm aus Pogners Haus gekommen und sucht David unbemerkt sich zu nähern):
Pst, David!

David (nach der Gasse zu sich umwendend, heftig):
Ruft ihr schon wieder?
Singt allein eure dummen Lieder! (Er wendet sich unwillig zur Seite.)

Lehrbuben (zuerst Magdalenes Stimme nachahmend):
David, was soll's? Wärst nicht so stolz,
schaut'st besser um, wärst nicht so dumm!
Johannistag! Johannistag!
Wie der nur die Jungfer Lene nicht kennen mag!

Magdalene: David, hör' doch! Kehr' dich zu mir!

David: Ach, Jungfer Lene! Ihr seid hier?

Magdalene (auf ihren Korb deutend):
Bring' dir was Gut's; schau nur hinein!
Das soll für mein lieb' Schätzel sein.
Erst aber schnell, wie ging's mit dem Ritter?
Du rietest ihm gut? Er gewann den Kranz?

David: Ach, Jungfer Lene! Da steht's bitter; der hat versungen und ganz vertan!

Magdalene (erschrocken):
Versungen? Vertan?

David: Was geht's Euch nur an?

Magdalene (den Korb, nach welchem David die Hand ausstreckt, heftig zurückziehend):
Hand von der Taschen! Nichts zu naschen!
Hilf Gott! Unser Junker vertan!
(Sie geht mit Gebärden der Trostlosigkeit ins Haus zurück. David sieht verblüfft nach.)

Die Lehrbuben (welche unbemerkt nähergeschlichen waren und gelauscht hatten, präsentieren sich jetzt, wie glückwünschend, David):
Heil, Heil zur Eh' dem jungen Mann!
Wie glücklich hat er gefreit!
Wir hörten's all' und sahen's an:
der er sein Herz geweiht,
für die er läßt sein Leben,
die hat ihm den Korb nicht gegeben.

David (auffahrend):
Was steht ihr hier faul?
Gleich haltet das Maul!

Die Lehrbuben (schließen einen Ring um David und tanzen um ihn):
Johannistag! Johannistag!
Da freit ein jeder, wie er mag.
Der Meister freit, der Bursche freit!
Da gibt's Geschlamb und Geschlumbfer.
Der Alte freit die junge Maid,
der Bursche die alte Jumbfer!
Juchhei! Juchhei! Johannistag!

(David ist im Begriff wütend dreinzuschlagen, als Sachs, der aus der Gasse hervorgekommen, dazwischentritt. Die Lehrbuben fahren auseinander.)

Sachs (zu David):
Was gibt's? Treff' ich dich wieder am Schlag?

David: Nicht ich! Schandlieder singen die.

Sachs: Hör' nicht drauf! Lern's besser wie sie!
Zur Ruh'! Ins Haus! Schließ und mach Licht!

(Die Lehrbuben zerstreuen sich.)

David: Hab ich heut Singstund'?

Sachs: Nein, singst nicht
zur Straf' für dein heutig frech' Erdreisten.
Die neuen Schuh' steck mir auf den Leisten!

(David und Sachs sind in die Werkstatt eingetreten und gehen durch eine innere Tür ab.)

Zweite Szene

(Pogner und Eva, vom Spaziergang heimkehrend, die Tochter leicht am Arme des Vaters eingehängt, sind schweigsam die Gasse heraufgekommen.)

Pogner (noch auf der Gasse, durch eine Klinze im Fensterladen von Sachs' Werkstatt spähend):
Laß seh'n, ob Nachbar Sachs zu Haus?
Gern spräch' ich ihn. Trät' ich wohl ein?

(David kommt mit Licht aus der Kammer, setzt sich damit an den Werktisch am Fenster und macht sich über die Arbeit her.)

Eva (spähend):
Er scheint daheim:
kommt Licht heraus.

Pogner: Tu ich's? Zu was doch? – Besser, nein!
(Er wendet sich ab.)
Will einer Selt'nes wagen,
was ließ' er sich dann sagen? – –
(Er sinnt nach.)
War er's nicht, der meint', ich ging' zu weit?
Und blieb ich nicht im Geleise,
war's nicht auf seine Weise?
Doch war's vielleicht auch – Eitelkeit?
(Er wendet sich zu Eva.)
Und du, mein Kind, du sagst mir nichts?

Eva: Ein folgsam Kind, gefragt nur spricht's.

Pogner: Wie klug! Wie gut! – Komm, setz' dich hier
ein Weil' noch auf die Bank zu mir.

(Er setzt sich auf die Steinbank unter der Linde.)

Eva: Wird's nicht zu kühl?
‘s war heut' gar schwül.

Pogner: Nicht doch, ‘s ist mild und labend; gar lieblich lind der Abend.

(Eva setzt sich zögernd und beklommen Pogner zur Seite.)

Das deutet auf den schönsten Tag,
der morgen soll erscheinen.
o Kind, sagt dir kein Herzensschlag,
welch Glück dich morgen treffen mag,
wenn Nüremberg, die ganze Stadt
mit Bürgern und Gemeinen,
mit Zünften, Volk und hohem Rat,
vor dir sich soll vereinen, d
aß du den Preis, das edle Reis,
erteilest als Gemahl
dem Meister deiner Wahl?

Eva: Lieb' Vater, muß es ein Meister sein?

Pogner: Hör' wohl:
ein Meister deiner Wahl.

(Magdalene erscheint an der Tür und winkt Eva.)

Eva (zerstreut):
Ja – meiner Wahl! Doch tritt nur ein –
(Laut zu Magdalene gewandt.)
Gleich, Lene, gleich! –zum Abendmahl.
(Sie steht auf.)

Pogner (ärgerlich aufstehend):
‘s gibt doch keinen Gast?

Eva (wie zuvor):
Wohl den Junker?

Pogner (verwirrt):
Wieso?

Eva: Sahst ihn heut' nicht?

Pogner (halb für sich nachdenklich zerstreut):
Ward sein nicht froh. –
(Sich zusammennehmend.) Nicht doch! Was denn?
(Sich vor die Stirn klopfend.) Ei, werd ich dumm?

Eva: Lieb' Väterchen, komm! Geh', kleid' dich um!

Pogner (während er ins Haus vorangeht):
Hm! – Was geht mir im Kopf doch ,rum?

Magdalene (heimlich zu Eva):
Hast was heraus?

Eva (ebenso):
Blieb still und stumm.

Magdalene: Sprach David:
meint', er habe vertan.

Eva (erschrocken):
Der Ritter! Hilf Gott, was fing' ich an?
Ach, Lene, die Angst! Wo was erfahren?

Magdalene: Vielleicht vom Sachs?

Eva (heiter):
Ach, der hat mich lieb! Gewiß, ich geh' hin.

Magdalene: Laß drin nichts gewahren!
Der Vater merkt' es, wenn man jetzt blieb'.
Nach dem Mahl:
dann hab ich dir noch was zu sagen,
(im Abgehen auf der Treppe)
was jemand geheim mir aufgetragen.

Eva (sich umwendend):
Wer denn? Der Junker?

Magdalene: Nichts da! Nein, Beckmesser!

Eva: Das mag was Rechtes sein!

(Sie geht in das Haus, Magdalene folgt ihr.)

Dritte Szene

(Sachs ist, in leichter Hauskleidung, von innen in die Werkstatt zurückgekommen. Er wendet sich zu David, der an seinem Werktische verblieben ist.)

Sachs: Zeig her! – ‘s ist gut. – Dort an die Tür
rück' mir Tisch und Schemel herfür! –
Leg' dich zu Bett! Steh' auf beizeit'
verschlaf die Dummheit, sei morgen gescheit!

David (während er den Tisch und Schemel richtet):
Schafft Ihr noch Arbeit?

Sachs: Kümmert dich das?

David (für sich):
Was war nur der Lene? Gott weiß, was! –
Warum wohl der Meister heute wacht?

Sachs: Was stehst noch?

David: Schlaft wohl, Meister!

Sachs: Gut' Nacht!

(David geht in die der Gasse zu gelegene Kammer ab.)

Sachs (legt sich die Arbeit zurecht, setzt sich an der Tür auf den Schemel, läßt aber die Arbeit wieder liegen und lehnt, mit dem Arm auf den geschlossenen Unterteil des Türladens gestützt, sich zurück):
Was duftet doch der Flieder
so mild, so stark und voll!
Mir löst es weich die Glieder,
will, daß ich was sagen soll.
Was gilt's, was ich dir sagen kann?
Bin gar ein arm einfältig Mann!
Soll mir die Arbeit nicht schmecken,
gäbst, Freund, lieber mich frei;
tät' besser, das Leder zu strecken,
und ließ alle Poeterei.

(Er nimmt heftig und geräuschvoll die Schusterarbeit vor. Läßt wieder ab, lehnt sich von neuem zurück und sinnt nach.)

Und doch, ‘s will halt nicht geh'n.
Ich fühl's – und kann's nicht versteh'n –
kann's nicht behalten – doch auch nicht vergessen;
und faß ich es ganz – kann ich's nicht messen!
Doch wie wollt' ich auch messen,
was unermeßlich mir schien?
Kein' Regel wollte da passen
und war doch kein Fehler drin.
Es klang so alt und war doch so neu
wie Vogelsang im süßen Mai!
Wer ihn hört
und wahnbetört
sänge dem Vogel nach,
dem brächt' es Spott und Schmach. –
Lenzes Gebot, die süße Not,
die legt' es ihm in die Brust:
nun sang er, wie er mußt'!
Und wie er mußt' – so konnt' er's;
das merkt' ich ganz besonders.
Dem Vogel, der heut' sang,
dem war der Schnabel hold gewachsen:
macht' er den Meistern bang,
gar wohl gefiel' er doch Hans Sachsen.
(Er nimmt mit heiterer Gelassenheit seine Arbeit vor.)

Vierte Szene

(Eva ist auf die Straße getreten, hat sich schüchtern der Werkstatt genähert und steht jetzt unbemerkt an der Tür bei Sachs.)

Eva: Gut'n Abend, Meister! Noch so fleißig?

Sachs (fährt angenehm überrascht auf):
Ei, Kind!
Lieb Evchen! Noch so spät?
Und doch, warum so spät noch, weiß ich:
die neuen Schuh'?

Eva: Wie fehl er rät!
Die Schuh' hab ich noch gar nicht probiert;
sie sind so schön und reich geziert,
daß ich sie noch nicht an die Füß' mir getraut.
(Sie setzt sich dicht neben Sachs auf den Steinsitz.)

Sachs: Doch sollst sie morgen tragen als Braut?

Eva: Wer wäre denn Bräutigam?

Sachs: Weiß ich das?

Eva: Wie wißt Ihr dann, daß ich Braut?

Sachs: Ei was! – Das weiß die Stadt.

Eva: Ja, weiß es die Stadt,
Freund Sachs gute Gewähr dann hat.
Ich dacht', er wüßt' mehr.

Sachs: Was sollt' ich wissen?

Eva: Ei seht doch! Werd ich's ihm sagen müssen?
Ich bin wohl recht dumm?

Sachs: Das sag ich nicht.

Eva: Dann wärt Ihr wohl klug?

Sachs: Das weiß ich nicht.

Eva: Ihr wißt nichts? Ihr sagt nichts? Ei, Freund Sachs,
jetzt merk' ich wahrlich, Pech ist kein Wachs.
Ich hätt' Euch für feiner gehalten.

Sachs: Kind,
beid', Wachs und Pech, vertraut mir sind.
Mit Wachs strich ich die seid'nen Fäden,
damit ich dir die zieren Schuh' gefaßt:
heut faß ich die Schuh' mit dicht'ren Drähten,
da gilt's mit Pech für den derb'ren Gast.

Eva: Wer ist denn der? Wohl was Recht's?

Sachs: Das mein' ich!
Ein Meister, stolz auf Freiers Fuß,
denkt morgen zu siegen ganz alleinig:
Herrn Beckmessers Schuh' ich richten muß.

Eva: So nehmt nur tüchtig Pech dazu:
da kleb' er drin und lass' mir Ruh'!

Sachs: Er hofft dich sicher zu ersingen.

Eva: Wieso denn der?

Sachs: Ein Junggesell:
‘s gibt deren wenig dort zur Stell'.

Eva: Könnt's einem Witwer nicht gelingen?

Sachs: Mein Kind, der wär' zu alt für dich.

Eva: Ei, was! Zu alt? Hier gilt's der Kunst,
wer sie versteht, der werb' um mich!

Sachs: Lieb' Evchen! Machst mir blauen Dunst?

Eva: Nicht ich! Ihr seid's; Ihr macht mir Flausen!
Gesteht nur, daß Ihr wandelbar;
Gott weiß, wer Euch jetzt im Herzen mag hausen,
glaubt' ich mich doch drin so manches Jahr.

Sachs: Wohl, da ich dich gern auf den Armen trug?

Eva: Ich seh', ‘s war nur, weil Ihr kinderlos.

Sachs: Hatt' einst ein Weib und Kinder genug.

Eva: Doch starb Eure Frau, so wuchs ich groß.

Sachs: Gar groß und schön!

Eva: Da dacht' ich aus,
Ihr nähmt mich für Weib und Kind ins Haus.

Sachs: Da hätt' ich ein Kind und auch ein Weib!
‘s wär ein lieber Zeitvertreib!
Ja, ja! Das hast du dir schön erdacht.

Eva: Ich glaub', der Meister mich gar verlacht?
Am End' auch ließ' er sich gar gefallen,
daß unter der Nas' ihm weg vor allen
der Beckmesser morgen mich ersäng'?

Sachs: Wer sollt's ihm wehren, wenn's ihm geläng'?
Dem wüßt' allein dein Vater Rat.

Eva: Wo so ein Meister den Kopf nur hat!
Käm' ich zu Euch wohl, fänd' ich's zu Haus?

Sachs (trocken):
Ach ja! Hast recht! ‘s ist im Kopf mir kraus.
Hab heut manch' Sorg' und Wirr' erlebt:
da mag's dann sein, daß was drin klebt.

Eva (wieder näher rückend):
Wohl in der Singschul'? ‘s war heut Gebot.

Sachs: Ja, Kind! Eine Freiung machte mir Not.

Eva: Ja, Sachs! Das hättet Ihr gleich soll'n sagen;
quält Euch dann nicht mit unnützen Fragen.
Nun sagt, wer war's, der Freiung begehrt?

Sachs: Ein Junker, Kind, gar unbelehrt.

Eva (wie heimlich):
Ein Ritter? Mein, sagt!
Und ward er gefreit?

Sachs: Nichts da, mein Kind! ‘s gab gar viel Streit.

Eva: So sagt! Erzählt, wie ging es zu?
Macht's Euch Sorg', wie ließ' mir es Ruh'?
So bestand er übel und hat vertan?

Sachs: Ohne Gnad' versang der Herr Rittersmann.

Magdalene (kommt zum Hause heraus und ruft leise):
Pst! Evchen! Pst!

Eva (eifrig zu Sachs gewandt):
Ohne Gnade? Wie?
Kein Mittel gäb's, das ihm gedieh?
Sang er so schlecht, so fehlervoll,
daß nichts mehr zum Meister ihm helfen soll?

Sachs: Mein Kind, für den ist alles verloren,
und Meister wird der in keinem Land;
denn wer als Meister geboren,
der hat unter Meistern den schlimmsten Stand.

Magdalene (vernehmlicher rufend):
Der Vater verlangt.

Eva (immer dringender zu Sachs):
So sagt mir noch an,
ob keinen der Meister zum Freund er gewann?

Sachs: Das wär' nicht übel! Freund ihm noch sein!
Ihm, vor dem sich alle fühlten so klein?
Den Junker Hochmut, laßt ihn laufen,
mag er durch die Welt sich raufen;
was wir erlernt mit Not und Müh',
dabei laßt uns in Ruh' verschnaufen:
hier renn' er uns nichts über'n Haufen,
sein Glück ihm anderswo erblüh'!

Eva (erhebt sich zornig):
Ja, anderswo soll's ihm erblühn
als bei euch garst'gen, neid'schen Mannsen;
wo warm die Herzen noch erglühen,
trotz allen tück'schen Meister Hansen! –
(Zu Magdalene.)
Gleich, Lene, gleich! Ich komme schon!
Was trüg' ich hier für Trost davon?
Da riecht's nach Pech, daß Gott erbarm'!
Brennt' er's lieber, da würd' er doch warm!

(Sie geht sehr aufgeregt mit Magdalene über die Straße hinüber und verweilt in großer Unruhe unter der Tür des Hauses.)

Sachs (sieht ihr mit bedeutungsvollem Kopfnicken nach):
Das dacht' ich wohl. Nun heißt's: schaff Rat!

(Er ist während des Folgenden damit beschäftigt, auch die obere Ladentüre so weit zu schießen daß sie nur ein wenig Licht noch durchläßt er selbst verschwindet so fast gänzlich.)

Magdalene: Hilf Gott! Wo bliebst du nur so spat? Der Vater rief.

Eva: Geh zu ihm ein:
ich sei zu Bett im Kämmerlein.

Magdalene: Nicht doch! Hör mich! Komm ich dazu?
Beckmesser fand mich, er läßt nicht Ruh',
zur Nacht sollst du dich ans Fenster neigen,
er will dir was Schönes singen und geigen,
mit dem er dich hofft zu gewinnen, das Lied,
ob das dir nach Gefallen geriet.

Eva: Das fehlte auch noch! – Käme nur er!

Magdalene: Hast David gesehn?

Eva: Was soll mir der? (Sie späht aus.)

Magdalene (für sich):
Ich war zu streng; er wird sich grämen.

Eva: Siehst du noch nichts?

Magdalene (tut, als spähe sie):
‘s ist, als ob Leut' dort kämen.

Eva: Wär' er's?

Magdalene: Mach und komm jetzt hinan!

Eva: Nicht eh'r, bis ich sah den teuersten Mann!

Magdalene: Ich täuschte mich dort, er war es nicht.
Jetzt komm, sonst merkt der Vater die Geschicht'!

Eva: Ach, meine Angst!

Magdalene: Auch laß uns beraten, wie wir des Beckmessers uns entladen.

Eva: Zum Fenster gehst du für mich. (Sie lauscht.)

Magdalene: Wie, ich? – (Für sich.) Das machte wohl David eiferlich?
Er schläft nach der Gassen! Hihi, ‘s wär' fein!

Eva: Da hör' ich Schritte.

Magdalene (zu Eva):
Jetzt komm, es muß sein!

Eva: Jetzt näher!

Magdalene: Du irrst! ‘s ist nichts, ich wett'.
Ei, komm! Du mußt, bis der Vater zu Bett.

Pogners Stimme (von innen):
He! Lene! Eva!

Magdalene: ‘s ist höchste Zeit!
Hörst du's? Komm! Dein Ritter ist weit.

(Sie zieht die sich sträubende Eva am Arm die Stufen zur Tür hinauf)

Fünfte Szene

(Walther ist die Gasse heraufgekommen; jetzt biegt er um die Ecke herum:

Eva erblickt ihn, reißt sich von Magdalene los und stürzt Walther auf die Straße entgegen.)

Eva: Da ist er!

Magdalene: Da haben wir's! Nun heißt's: gescheit!
(Sie geht eilig in das Haus.)

Eva (außer sich):
Ja, Ihr seid es! Nein, du bist es!
Alles sag' ich, denn Ihr wißt es;
alles klag' ich, denn ich weiß es;
Ihr seid beides, Held des Preises
und mein einz'ger Freund!

Walther (leidenschaftlich):
Ach, du irrst! Bin nur dein Freund, doch des Preises
noch nicht würdig, nicht den Meistern ebenbürtig.
Mein Begeistern fand Verachten,
und, ich weiß es, darf nicht trachten
nach der Freundin Hand!

Eva: Wie du irrst! Der Freundin Hand,
erteilt nur sie den Preis,
wie deinen Mut ihr Herz erfand,
reicht sie nur dir das Reis.

Walther: Ach nein, du irrst! Der Freundin Hand,
wär' keinem sie erkoren;
wie sie des Vaters Wille band,
mir war sie doch verloren.
»Ein Meistersinger muß er sein,
nur wen Ihr krönt, den darf sie frein!«
So sprach er festlich zu den Herr'n,
kann nicht zurück, möcht' er auch gern!
Das eben gab mir Mut;
wie ungewohnt mir alles schien,
ich sang voll Lieb' und Glut,
daß ich den Meisterschlag verdien'.
Doch diese Meister! (Wütend.) Ha, diese Meister!
Dieser Reim-Gesetze Leimen und Kleister!
Mir schwillt die Galle,
das Herz mir stockt,
denk' ich der Falle,
darein ich gelockt!
Fort in die Freiheit!
Da hin gehör' ich,
da, wo ich Meister im Haus!
Soll ich dich frei'n heut,
dich nun beschwör' ich,
komm und folg mir hinaus!
Nichts steht zu hoffen;
keine Wahl ist offen!
Überall Meister,
wie böse Geister
seh' ich sich rotten,
mich zu verspotten:
mit den Gewerken,
aus den Gemerken,
aus allen Ecken,
auf allen Flecken
seh' ich zu Haufen
Meister nur laufen,
mit höhnendem Nicken
frech auf dich blicken,
in Kreisen und Ringeln
dich umzingeln,
näselnd und kreischend
zur Braut dich heischend,
als Meisterbuhle
auf dem Singestuhle,
zitternd und bebend,
hoch dich erhebend!
Und ich ertrüg' es, sollt' es nicht wagen,
gradaus tüchtig d'rein zu schlagen?
(Man hört den starken Ruf eines Nachtwächterhorns.)
Ha! ...

(Er hat mit emphatischer Gebärde die Hand an das Schwert gelegt und starrt wild vor sich hin.)

Eva (faßt ihn besänftigend bei der Hand):
Geliebter, spare den Zorn!
‘s war nur des Nachtwächters Horn.
Unter der Linde birg dich geschwinde;
hier kommt der Wächter vorbei.

Magdalene (ruft leise unter der Tür):
Evchen! ‘s ist Zeit:
mach dich frei!

Walther: Du fliehst?

Eva (lächelnd):
Muß ich denn nicht?

Walther: Entweichst?

Eva (mit zarter Bestimmtheit):
Dem Meistergericht.

(Sie verschwindet mit Magdalene im Hause.)

Der Nachtwächter (ist währenddem in der Gasse erschienen, kommt singend nach vorn, biegt um die Ecke von Pogners Haus und geht nach links ab):
Hört, ihr Leut', und laßt euch sagen,
die Glock' hat zehn geschlagen:
bewahrt das Feuer und auch das Licht,
damit niemand kein Schad' geschicht!
Lobet Gott den Herrn!

Sachs (welcher hinter der Ladentür dem Gespräche gelauscht, öffnet jetzt, bei eingezogenem Lampenlicht, ein wenig mehr):
Üble Dinge, die ich da merk':
eine Entführung gar im Werk!
Aufgepaßt! Das darf nicht sein!

Walther (hinter der Linde):
Käm' sie nicht wieder? o der Pein! –
(Eva kommt in Magdalenes Kleidung aus dem Hause; die Gestalt gewahrend.)
Doch ja, sie kommt dort! –
Weh mir, nein! Die Alte ist's! –
(Eva erblickt Walther und eilt auf ihn zu.)
Doch aber – ja!

Eva: Das tör'ge Kind:
da hast du's! Da!
(Sie wirft sich ihm heiter an die Brust.)

Walther (hingerissen):
O Himmel! Ja, nun wohl ich weiß,
daß ich gewann den Meisterpreis!

Eva: Doch nun kein Besinnen! Von hinnen! Von hinnen!
o wären wir schon fort!

Walther: Hier durch die Gasse: dort
finden wir vor dem Tor Knecht und Rosse vor.

(Nachtwächterhorn entfernt. Als sich beide wenden, um in die Gasse einzubiegen, läßt Sachs, nachdem er die Lampe hinter eine Glaskugel gestellt, durch die ganz wieder geöffnete Ladentür einen grellen Lichtschein quer über die Straße fallen, so daß Eva und Walther sich plötzlich hell beleuchtet sehen.)

Eva (Walther hastig zurückziehend):
O weh, der Schuster!
Wenn er uns säh'!
Birg dich! Komm ihm nicht in die Näh'!

Walther: Welch and'rer Weg führt uns hinaus?

Eva: Dort durch die Straße:
doch der ist kraus,
ich kenn' ihn nicht gut;
auch stießen wir dort auf den Wächter.

Walther: Nun denn:
durch die Gasse!

Eva: Der Schuster muß erst vom Fenster fort.

Walther: Ich zwing' ihn, daß er's verlasse.

Eva: Zeig dich ihm nicht:

er kennt dich!

Walther: Der Schuster?

Eva: ‘s ist Sachs!

Walther: Hans Sachs? Mein Freund!

Eva: Glaub's nicht! Von dir Übles zu sagen nur wußt' er.

Walther: Wie, Sachs? Auch er? Ich lösch' ihm das Licht.

Sechste Szene

(Beckmesser ist, dem Nachtwächter nachschleichend, die Gasse heraufgekommen, hat nach den Fenstern von Pogners Haus gespäht und, an Sachsens Haus gelehnt, stimmt er jetzt seine mitgebrachte Laute.)

Eva (Walther zurückhaltend):
Tu's nicht! – Doch horch!

Walther: Einer Laute Klang.

(Als Sachs den ersten Ton der Laute vernommen, hat er, von einem plötzlichen Einfall erfaßt, das Licht wieder etwas eingezogen und öffnet leise den unteren Teil des Ladens.)

Eva: Ach, meine Not!

Walther: Wie, wird dir bang'?
Der Schuster, sieh, zog ein das Licht. So sei's gewagt!

Eva: Weh! Siehst du denn nicht? Ein and'rer kam und nahm dort Stand.

(Sachs hat unvermerkt seinen Werktisch ganz unter die Tür gestellt Jetzt erlauscht er Evas Ausruf)

Walther: Ich hör's und seh's:

ein Musikant. Was will der hier so spät des Nachts?

Eva (in Verzweiflung):
‘s ist Beckmesser schon!

Sachs: Aha, ich dacht's! (Er setzt sich leise zur Arbeit zurecht.)

Walther: Der Merker? Er in meiner Gewalt?
Drauf zu! Den Lung'rer mach' ich kalt!

Eva: Um Gott! So hör! Willst den Vater wecken?
Er singt ein Lied, dann zieht er ab.
Laß dort uns im Gebüsch verstecken. –
Was mit den Männern ich Müh' doch hab!

(Sie zieht Walther hinter das Gebüsch auf die Bank unter der Linde.)

(Beckmesser, eifrig nach. dem Fenster lugend, klimpert voll Ungeduld heftig auf der Laute. Als er sich endlich auch zum Singen rüstet, schlägt Sachs sehr stark mit dem Hammer auf den Leisten, nachdem er soeben das Licht wieder hell auf die Straße hat fallen lassen.)

Sachs: Jerum! Jerum! Hallo hallo he!
O ho! Trallalei! Trallalei! O ho!

Beckmesser (springt ärgerlich von dem Steinsitz auf und gewahrt Sachs bei der Arbeit):
Was soll das sein?
Verdammtes Schrein!

Sachs: Als Eva aus dem Paradies
von Gott dem Herrn verstoßen,
gar schuf ihr Schmerz der harte Kies
an ihrem Fuß, dem bloßen.

Beckmesser: Was fällt dem groben Schuster ein?

Sachs: Das jammerte den Herrn,

Walther (flüsternd zu Eva):
Was heißt das Lied? Wie nennt er dich?

Sachs: ihr Füßchen hatt' er gern,

Eva (flüsternd zu Walther):
Ich hört' es schon:
‘s geht nicht auf mich.

Sachs: und seinem Engel rief er zu:

Eva: Doch eine Bosheit steckt darin.

Sachs: »Da, mach der armen Sünd'rin Schuh'!
Und da der Adam, wie ich seh',
an Steinen dort sich stößt die Zeh',
daß recht fortan er wandeln kann,
so miß dem auch Stiefeln an!«

Walther: Welch Zögernis! Die Zeit geht hin!

Beckmesser (tritt zu Sachs heran):
Wie, Meister? Auf? Noch so spät zur Nacht?

Sachs: Herr Stadtschreiber! Was, Ihr wacht?
Die Schuh' machen Euch große Sorgen?
Ihr seht, ich bin dran:
Ihr habt sie morgen. (Er arbeitet.)

Beckmesser (zornig):
Hol' der Teufel die Schuh'! Hier will ich Ruh'!

Sachs: Jerum! Jerum!
Hallo hallo he!
Oho! Trallalei! Trallalei! O he!
O Eva, Eva! Schlimmes Weib,
das hast du am Gewissen,

Walther (zu Eva):
Uns oder dem Merker? Wem spielt er den Streich?

Sachs: daß ob der Füß' am Menschenleib

Eva (zu Walther):
Ich fürcht', uns dreien
gilt er gleich.

Sachs: jetzt Engel schustern müssen.

Eva: O weh der Pein.
Mir ahnt nichts Gutes!

Sachs: Blieb'st du im Paradies, da gab es keinen Kies.

Walther: Mein süßer Engel, sei guten Mutes!

Sachs: Um deiner jungen Missetat
hantier' ich jetzt mit Ahl' und Draht

Eva: Mich betrübt das Lied!

Walther: Ich hör' es kaum!
Du bist bei mir,
welch holder Traum!
(Er zieht sie zärtlich an sich.)

Sachs: und ob Herrn Adams übler Schwäch' versohl' ich Schuh' und streiche Pech.
Wär' ich nicht fein ein Engel rein, Teufel möchte Schuster sein!

(Beckmesser drohend auf Sachs zufahrend.)

Sachs: Je – (Er unterbricht sich.)

Beckmesser: Gleich höret auf!
Spielt Ihr mir Streich'?
Bleibt Ihr tags und nachts Euch gleich?

Sachs: Wenn ich hier sing', was kümmert's Euch?
Die Schuhe sollen doch fertig werden?

Beckmesser: So schließt Euch ein und schweigt dazu still!

Sachs: Des Nachts arbeiten macht Beschwerden;
wenn ich da munter bleiben will,
so brauch' ich Luft und frischen Gesang;
drum hört, wie der dritte Vers gelang!
(Er wichst den Draht ersichtlich.)

Beckmesser: Er macht mich rasend!

Sachs (fortarbeitend):
Jerum! Jerum!
Hallo hallo he!

Beckmesser: Das grobe Geschrei!

Sachs: O ho! Trallalei! Trallalei! O he!

Beckmesser: Am End' denkt sie gar, daß ich das sei!

(Er hält sich die Ohren zu und geht verzweiflungsvoll, sich mit sich beratend, die Gasse vor dem Fenster auf und ab.)

Sachs: O Eva! Hör mein' Klageruf,
mein' Not und schwer Verdrüssen!
Die Kunstwerk', die ein Schuster schuf,
sie tritt die Welt mit Füßen!
Gäb' nicht ein Engel Trost,
der gleiches Werk erlost,
und rief' mich oft ins Paradies,
wie ich da Schuh' und Stiefel ließ'!
Doch wenn mich der im Himmel hält,
dann liegt zu Füßen mir die Welt,
und bin in Ruh'
Hans Sachs ein Schuh-
macher und Poet dazu.

Beckmesser: Das Fenster geht auf!

(Er späht nach dem Fenster, welches jetzt leise geöffnet wird und an welchem vorsichtig Magdalene in Evas Kleidung sich zeigt.)

Eva (mit großer Aufgeregtheit):
Mich schmerzt das Lied, ich weiß nicht wie!
O fort, laß uns fliehen!

Walther (auffahrend):
Nun denn:
mit dem Schwert!

Eva: Nicht doch! Ach, halt!

Beckmesser: Herrgott, ‘s ist sie!

Walther (die Hand vom Schwert nehmend):
Kaum wär' er's wert!

Eva: Ja, besser Geduld!

Beckmesser (der, während Sachs fortfährt zu arbeiten und zu singen, in großer Aufregung mit sich beraten hat):
Jetzt bin ich verloren, singt der noch fort!

Eva: O bester Mann,
daß ich so Not dir machen kann!

Beckmesser (tritt zu Sachs an den Laden heran und klimpert, während des Folgenden mit dem Rücken der Gasse zugewandt, seitwärts auf der Laute, um Magdalene am Fenster festzuhalten):
Freund Sachs! So hört doch nur ein Wort!

Walther (leise zu Eva):
Wer ist am Fenster?

Beckmesser: Wie seid Ihr auf die Schuh' versessen!

Eva: ‘s ist Magdalene.

Beckmesser: Ich hatt' sie wahrlich schon vergessen.

Walther: Das heiß' ich vergelten!

Beckmesser: Als Schuster seid Ihr mir wohl wert,

Walther: Fast muß ich lachen.

Beckmesser: als Kunstfreund doch weit mehr verehrt.

Eva: Wie ich ein End' und Flucht mir ersehne!

Walther: Ich wünscht', er möchte den Anfang machen.

(Walther und Eva, auf der Bank sanft aneinandergelehnt, erfolgen des weiteren Sachs und Beckmesser mit wachsender Teilnahme.)

Beckmesser: Eu'r Urteil, glaubt, das halt' ich hoch;
drum bitt' ich:
hört das Liedlein doch,
mit dem ich morgen möcht' gewinnen,
ob das auch recht nach Euren Sinnen.
(Er klimpert wiederholt seitwärts nach dem Fenster gewandt.)

Sachs: Oha! Wollt mich beim Wahne fassen?
Mag mich nicht wieder schelten lassen.
»Seit sich der Schuster dünkt Poet,
gar übel es um Eu'r Schuhwerk steht.«
Ich seh', wie's schlappt und überall klappt:
drum laß ich Vers und Reim'
gar billig nun daheim,
Verstand und Witz und Kenntnis dazu,
mach' Euch für morgen die neuen Schuh'.

Beckmesser (kreischend):
Laßt das doch sein! Das war ja nur Scherz.
Vernehmt besser, wie's mir ums Herz!
Vom Volk seid Ihr geehrt,
auch der Pognerin seid Ihr wert.
Will ich vor aller Welt
nun morgen um die werben,
sagt, könnt's mich nicht verderben,
wenn mein Lied ihr nicht gefällt?
Drum hört mich ruhig an;
und sang ich, sagt mir dann,
was Euch gefällt, was nicht,
daß ich mich danach richt'. (Er klimpert wieder.)

Sachs: Ei, laßt mich doch in Ruh'!
Wie käme solche Ehr' mir zu?
Nur Gassenhauer dicht' ich zum meisten,
drum sing' ich zur Gassen und han' auf den Leisten.
Jerum! Jerum!
Hallo hallo he!

Beckmesser: Verfluchter Kerl! Den Verstand verlier' ich
mit seinem Lied voll Pech und Schmierich! –

Sachs: O ho! Trallalei! Trallalei! O he!

Beckmesser: Schweigt doch! Weckt Ihr die Nachbarn auf?

Sachs: Die sind's gewohnt:
‘s hört keiner drauf. –
»O Eva, Eva!« –

Beckmesser (in höchste Wut ausbrechend):
O Ihr boshafter Geselle!
Ihr spielt mir heut' den letzten Streich!
Schweigt Ihr jetzt nicht auf der Stelle,
so denkt Ihr dran, das schwör' ich Euch. (Er klimpert wütend.)
Neidisch seid Ihr, nichts weiter,
dünkt Ihr Euch auch gleich gescheiter.
Daß andre auch was sind, ärgert Euch schändlich!
Glaubt, ich kenne Euch aus- und inwendlich!
Daß man Euch noch nicht zum Merker gewählt,
das ist's, was den gallichten Schuster quält.
Nun gut! Solang' als Beckmesser lebt
und ihm noch ein Reim an den Lippen klebt,
solang' ich noch bei den Meistern was gelt',
ob Nürnberg »blüh' und wachs'«,
das schwör' ich Herrn Hans Sachs:
nie wird er je zum Merker bestellt!
(Er klimpert in höchster Wut.)

Sachs (der ihm ruhig und aufmerksam zugehört hat):
War das Eu'r Lied?

Beckmesser: Der Teufel hol's!

Sachs: Zwar wenig Regel:
doch klang's recht stolz!

Beckmesser: Wollt Ihr mich hören?

Sachs: In Gottes Namen
singt zu:
ich schlag' auf die Sohl' die Rahmen.

Beckmesser: Doch schweigt Ihr still?

Sachs: Ei, singet Ihr,
die Arbeit, schaut, fördert's auch mir.

Beckmesser: Das verfluchte Klopfen wollt Ihr doch lassen?

Sachs: Wie sollt' ich die Sohl' Euch richtig fassen?

Beckmesser: Was? Ihr wollt klopfen, und ich soll singen?

Sachs: Euch muß das Lied, mir der Schuh gelingen.

Beckmesser: Ich mag keine Schuh'!

Sachs: Das sagt Ihr jetzt;
in der Singschul' Ihr mir's dann wieder versetzt.
Doch hört! Vielleicht sich's richten läßt:
zwei-einig geht der Mensch am best.
Darf ich die Arbeit nicht entfernen,
die Kunst des Merkers möcht' ich erlernen.
Darin kommt Euch nun keiner gleich;
ich lern' sie nie, wenn nicht von Euch.
Drum singt Ihr nun, ich acht' und merk'
und fördr' auch wohl dabei mein Werk.

Beckmesser: Merkt immer zu; und was nicht gewann,
nehmt Eure Kreide und streicht mir‘s an.

Sachs: Nein, Herr! Da fleckten die Schuh' mir nicht,
mit dem Hammer auf den Leisten halt' ich Gericht.

Beckmesser: Verdammte Bosheit! – Gott, und ‘s wird spät:
am End' mir die Jungfer vom Fenster geht!
(Er klimpert eifrig.)

Sachs (aufschlagend):
Fanget an! ‘s pressiert! Sonst sing' ich für mich!

Beckmesser: Haltet ein! Nur das nicht! – Teufel, wie ärgerlich! –
Wollt Ihr Euch denn als Merker erdreisten,
nun gut, so merkt mit dem Hammer auf den Leisten;
nur mit dem Beding, nach den Regeln scharf,
aber nichts, was nach den Regeln ich darf.

Sachs: Nach den Regeln, wie sie der Schuster kennt,
dem die Arbeit unter den Händen brennt.

Beckmesser: Auf Meisterehr'?

Sachs: Und Schustermut!

Beckmesser: Nicht einen Fehler:
glatt und gut!

(Nachtwächterhorn sehr entfernt)

Sachs: Dann gingt Ihr morgen unbeschuht.

Walther (leise zu Eva):
Welch toller Spuk!
Mich dünkt's ein Traum.

Sachs (auf den Steinsitz vor der Ladentür deutend):
Setzt Euch denn hier!

Beckmesser (zieht sich nach der Ecke des Hauses zurück):
Laßt hier mich stehen!

Walther: den Singstuhl, scheint's, verließ ich kaum!

Sachs: Warum so weit?

Beckmesser: Euch nicht zu seh'n,
wie's Brauch der Schul' vor dem Gemerk'.

Eva (sanft an Walthers Brust gelehnt):
Die Schläf' umwebt mir's wie ein Wahn:
ob's Heil, ob Unheil, was ich ahn'?

Sachs: Da hör' ich Euch schlecht.

Beckmesser: Der Stimme Stärk'
ich so gar lieblich dämpfen kann.

(Er stellt sich ganz um die Ecke, dem Fenster gegenüber, auf)

Sachs: Wie fein! Nun gut denn! – Fanget an!

(Beckmesser stimmt die in der Wut unversehens heraufgeschraubte D-Saite wieder herunter. Sachs holt mit dem Hammer aus.)

Beckmesser (zur Laute):
»Den Tag seh' ich erscheinen,
der mir wohlgefall'n tut.....
(Sachs schlägt auf Beckmesser schüttelt sich.)
»Da faßt mein Herz sich einen
(Sachs schlägt auf Beckmesser setzt heftig ab, singt aber weiter.)
guten und frischen –
(Sachs hat aufgeschlagen, Beckmesser wendet sich wütend um die Ecke herum.)
Treibt Ihr hier Scherz? Was wär' nicht gelungen?

Sachs: Besser gesungen:
»Da faßt mein Herz sich einen guten,frischen –«

Beckmesser: Wie sollt' sich das reimen
auf »Seh ich erscheinen«?

Sachs: Ist Euch an der Weise nichts gelegen?
Mich dünkt, sollt' passen Ton und Wort.

Beckmesser: Mit Euch zu streiten?
Laßt von den Schlägen,
sonst denkt Ihr mir dran!

Sachs: Jetzt fahret fort!

Beckmesser: Bin ganz verwirrt!

Sachs: So fangt noch mal an:
drei Schläg' ich jetzt pausieren kann.

Beckmesser (für sich):
Am besten, wenn ich ihn gar nicht beacht'.
Wenn's nur die Jungfer nicht irre macht!
Den Tag seh' ich erscheinen,
der mir wohl gefall'n tut;
da faßt mein Herz sich einen
guten und frischen Mut.
Da denk' ich nicht an Sterben, (Sachs schlägt.)
lieber an Werben
um jung' Mägdeleins Hand. (Sachs schlägt.)
Warum wohl aller Tage
schönster mag dieser sein? (Schlag. Ärgerlich.)
Allen hier ich es sage: (Schlag)
weil ein schönes Fräulein (zwei Schläge)
von ihrem lieb'n Herrn Vater,
(Sachs schlägt und nickt ironisch beifällig.)
wie gelobt hat er, (viele kleine Schläge)
ist bestimmt zum Eh'stand.
(Fünf Schläge. Sehr ärgerlich.)
Wer sich getrau', (Schlag)
der komm' und schau',
da steh'n die hold lieblich' Jungfrau, (drei Schläge)
auf die ich all mein' Hoffnung bau': (Schlag)
darum ist der Tag so schön blau, (viele Schläge)
als ich anfänglich fand.«

(Er bricht wütend um die Ecke auf Sachs los.)

Beckmesser: Sachs! Seht, Ihr bringt mich um!
Wollt Ihr jetzt schweigen?

Sachs: Ich bin ja stumm!
Die Zeichen merkt' ich; wir sprechen dann:
derweil lassen die Sohlen sich an.

Beckmesser (gewahrt, daß Magdalene sich vom Fenster entfernen will):
Sie entweicht? Pst, pst! – Herrgott! Ich muß!
(Um die Ecke herum die Faust gegen Sachs ballend.)
Sachs, Euch gedenk' ich die Ärgernuß!
(Er macht sich zum zweiten Vers fertig.)

Sachs (mit dem Hammer nach dem Leisten ausholend):
Merker am Ort! – Fahret fort!

Beckmesser (immer stärker und atemloser):
»Will heut' mir das Herz hüpfen, (Schlag)
werben um Fräulein jung, (drei Schläge)
doch tät' der Vater knüpfen (Schlag)
daran ein' Bedingung (drei Schläge)
für den, wer ihn beerben
will und auch werben (zwei Schläge)
um sein Kindelein fein. (Viele Schläge.)
Der Zunft ein bied'rer Meister
wohl sein' Tochter er liebt, (drei Schläge)
doch zugleich auch beweist er, (zwei Schläge)
was er auf die Kunst gibt:
(ununterbrochene Schläge)
zum Preise muß es bringen
im Meistersingen,
wer sein Eidam will sein.
(Er stampft wütend mit den Füßen.)
Nun gilt es Kunst, daß mit Vergunst,
ohn' all schädlich gemeinen Dunst,
(fortwährende Schläge)
ihm glücke des Preises Gewunst,
war begehrt mit wahrer Inbrunst,

(Sachs, welcher kopfschüttelnd es aufgibt, die einzelnen Fehler anzumerken, arbeitet hämmernd fort, um den Keil aus dem Leisten zu schlagen.)

um die Jungfrau zu frei'n.«

Sachs (über den Laden weit herausgelehnt):
Seid Ihr nun fertig?

Beckmesser (in höchster Angst):
Wie fraget Ihr?

Sachs (hält die fertigen Schuhe triumphierend heraus):
Mit den Schuhen ward ich fertig schier!
(Während er die Schuhe an den Bändern hoch in der Luft tanzen läßt.)
Das heiß' ich mir echte Merkerschuh'!
Mein Merkersprüchlein hört dazu! (Sehr kräftig.)

Beckmesser (der sich ganz in die Gasse zurückgezogen hat und an die Mauer mit dem Rücken sich anlehnt, singt, um Sachs zu übertäuben, mit größter Anstrengung, schreiend und atemlos hastig, während er die Laute wütend nach Sachs zu schwingt):
»Darf ich mich Meister nennen,
das bewähr ich heut' gern,
weil ich nach dem Preis brennen
muß, dursten und hungern.

Sachs: Mit lang' und kurzen Hieben
steht's auf der Sohl' geschrieben:

David (hat den Fensterladen, dicht hinter Beckmesser, ein wenig geöffnet und lugt daraus hervor):
Wer, Teufel, hier? (Er wird Magdalene gewahr.)
Und drüben gar?

Beckmesser: Nun ruf ich die neun Musen,
daß an sie blusen
mein dicht'rischen Verstand.

Sachs: da lest es klar und nehmt es wahr
und merkt's Euch immerdar:

David: Die Lene ist's – ich seh' es klar!

(Nachbarn öffnen in der Gasse die Fenster und gucken heraus.)

Kothner: Wer heult denn da?

Beckmesser: Wohl kenn' ich alle Regeln,
halte gut Maß und Zahl;
doch Sprung und Überkegeln
wohl passiert je einmal,
wann der Kopf, ganz voll Zagen,
zu frei'n will wagen
um jung' Mägdeleins Hand. (Er verschnauft sich.)

Sachs: Gut Lied will Takt, wer den verzwackt,
dem Schreiber mit der Feder
haut ihn der Schuster aufs Leder.

David: Herrje! Der war's, den hat sie bestellt;
der ist's, der ihr besser als ich gefällt!

Nachtigall Wer kreischt mit Macht?

Vogelgesang: Ist das erlaubt so spät zur Nacht?

Kothner, Foltz, Vogelgesang, Zorn: Gebt Ruhe hier!

Ortel, Vogelgesang, Zorn, Nachtigall, Kothner: ‘s ist Schlafenszeit.

David: Nun warte! Du kriegst's! Dir streich' ich das Fell! (Er entfernt sich nach innen.)

Beckmesser: Ein Junggesell, trug ich mein Fell,
mein Ehr', Amt, Würd' und Brot zur Stell',

Sachs: Nun lauft in Ruh', habt gute Schuh';
der Fuß Euch drin nicht knackt;

Ortel: Ist das erlaubt so spät zur Nacht?

Vogelgesang, Foltz, Kothner, Zorn: Mein, hört nur, wie der Esel schreit!

(David ist, mit einem Knüppel bewaffnet, zurückgekommen. Magdalene winkt, da sie David wiederkommen sieht, diesem heftig zurück, was Beckmesser, als ein Zeichen des Mißfallens deutend, zur äußersten Verzweiflung im Gesangsausdruck bringt.)

Beckmesser: daß Euch mein Gesang wohlgefäll'
und mich das Jungfräulein erwähl',
wenn sie mein Lied gut fand.«

Sachs: ihn hält die Sohl' im Takt!

Vogelgesang, Zorn: Ihr da, seid still!

Vogelgesang, Ortel, Nachtigall, Foltz: Heult, kreischt und schreit an andrem Ort!

Kothner: Seid still und schert euch fort!

(David steigt aus dem Fenster und wirft sich auf Beckmesser.)

David: Zum Teufel mit dir, verdammter Kerl.

(Beckmesser wehrt sich, will fliehen; David hält ihn am Kragen.)

Siebente Szene

Magdalene (am Fenster, schreiend):
Ach, Himmel! David! Gott, welche Not!
Zu Hilfe! Zu Hilfe! Sie schlagen sich tot!

(Sachs beobachtet noch eine Zeitlang den wachsenden Tumult, löscht aber alsbald sein Licht aus und schließt den Laden so weit, daß er, ungesehen, stets durch eine kleine Öffnung den Platz unter der Linde beobachten kann. –

Walther und Eva sehen mit wachsender Sorge dem anschwellenden Auflauf zu; er schließt sie in seinen Mantel fest an sich und birgt sich hart an der Linde im Gebüsch, so daß beide fast ungesehen bleiben. Die Nachbarn verlassen die Fenster und kommen nach und nach in Nachtkleidern einzeln auf die Straße herab.)

Beckmesser: Verfluchter Bursch! Läßt du mich los?

David: Gewiß! Die Glieder brech' ich dir bloß!

(Sie balgen sich fortwährend; bald verschwinden sie gänzlich, bald kommen sie wieder in den Vordergrund, immer Beckmesser auf der Flucht, David ihn einholend, festhaltend und prügelnd.)

Nachtigall, Kothner, Ortel, Foltz: Seht nach! Springt zu! Da würgen sich zwei!

(Lehrbuben einzeln, dann mehr, kommen von allen Seiten dazu.)

Ortel: Seht nach, ‘s gibt Schlägerei!

(Sie kommen herab.)

Einzelne Lehrbuben: Herbei, herbei!
‘s gibt Keilerei!

Vogelgesang, Zorn, Moser, Eißlinger, Kothner, Ortel, Nachtigall, Foltz (auf die Gasse heraustretend):
Heda!
Herbei! ‘s gibt Schlägerei!
Ihr da! Laßt los! Gebt freien Lauf!
Laßt Ihr nicht los, wir schlagen drauf!

Magdalene: Ach, Himmel, welche Not!
Zu Hilfe, David! Sie schlagen sich tot!

David, bist du toll?

(Gesellen – mit Knitteln bewaffnet – kommen von allen Seiten dazu.)

Einige Lehrbuben: ‘s sind die Schuster!

Andere: Nein, ‘s sind die Schneider!

Die Ersteren: Die Trunkenbolde!

Die anderen: Die Hungerleider!

Moser, Eißlinger: Gleich auseinander da, Ihr Leut'!

Gesellen: Heda! Gesellen ran!
Dort wird mit Streit und Zank getan.
Da gibt's gewiß gleich Schlägerei;
Gesellen, haltet Euch dabei!

Die Nachbarinnen (haben die Fenster geöffnet und gucken heraus):
Was ist denn da für Zanken und Streit?
Da gibt's gewiß noch Schlägerei!

Lehrbuben: Kennt man die Schlosser nicht?
Die haben's sicher angericht'! –
Ich glaub', die Schmiede werden's sein. –
Nein, sind die Schlosser dort, ich wett'!
Ich kenn' die Schreiner dort!
Gewiß die Metzger sind's!
Hei! Schau die Schäffier dort beim Tanz. –
Dort seh' die Bader ich im Glanz. –
Herbei, herbei! Jetzt geht's zum Tanz!

Zorn: Ei seht! Auch Ihr hier?

Vogelgesang: Was sucht Ihr hier?

Zorn: Geht's Euch was an?

Vogelgesang: Hat man Euch was getan?

Zorn: Euch kennt man gut!

Vogelgesang: Euch noch viel besser!

Zorn: Wieso denn?

Vogelgesang: Ei, so! (Er schlägt zu.)

Zorn: Esel! (Er schlägt wieder.)

Vogelgesang: Dummrian!

Die Nachbarinnen: Wär' nur der Vater nicht dabei!
Da ist mein Mann gewiß dabei!
Ach welche Not. Nein, seht nur dort/hier!
Der Zank und Lärm. Der Lärm und Streit!
‘s wird einem wahrlich angst und bang!

Meister (und ältere Bürger, von verschiedenen Seiten dazukommend):
Was gibt's denn da für Zank und Streit?
Das tost ja weit und breit!

Gesellen: ‘s sind die Weber! ‘s sind die Gerber!
Die Preisverderber!
Dacht' ich mir's doch gleich!
Spielen immer Streich'! –
Wischt's ihnen aus. Gebt's denen scharf.
Immer mehr, die Keilerei wird groß!
Dort den Metzger Klaus kenn' ich heraus! –

Die Nachbarn (darunter zunächst Kothner, Nachtigall, Moser, Eißlinger, dann Ortel, Foltz, zuletzt Vogelgesang,Zorn und Schwarz):
Euch gönnt' ich's schon lange! –
Wird Euch wohl bange?
Das für die Klage! –
Seht Euch vor, wenn ich schlage!
Hat Euch die Frau gehetzt? –
Schaut, wie es Prügel setzt! –
Lümmel! – Grobian!
Seid Ihr noch nicht gewitzt? –
Nun, schlagt doch! – Das sitzt! –
Daß dich Halunken gleich ein Donnerwetter träf'! –

Magdalene (mit größter Anstrengung):
Hör doch nur, David!
So laß doch nur den Herrn dort los!
Er hat mir nichts getan.
So hör mich doch nur an!

Die Nachbarinnen: Heda! Ihr dort unten,
so seid doch nur gescheit!
Ei, hört, was will die Alte da!
Seid Ihr denn alle gleich
zu Streit und Zank bereit?

Lehrbuben: Krämer finden sich zur Hand
mit Gerstenstang' und Zuckerkand;
mit Pfeffer, Zimt, Muskatnuß,
sie riechen schön,
doch machen viel Verdruß.
Sie riechen schön
und bleiben gern vom Schuß. –

Gesellen: ‘s ist morgen der fünfte!
‘s brennt manchem da im Haus!
Zünfte heraus! Hie setzt's Prügel!
Schneider mit dem Bügel!

Meister: Gebt Ruh' und scher' sich jeder gleich nach Hause heim,
sonst schlag' ein Hageldonnerwetter drein!

Die Nachbarinnen: Mein! Dort schlägt sich mein Mann!
Ach Gott, säh ich nur meinen Hans!
Säh die Not ich wohl an?
Seid Ihr denn alle blind und toll?
Sind Euch vom Wein die Köpfe voll?

Die Nachbarn: Wartet, ihr Racker! – Maßabzwacker! –
Packt Euch jetzt heim, sonst kriegt Ihr's von der Frau! –

Lehrbuben: Seht nur, der Has' hat überall die Nas'! –
Meinst du damit etwa mich?
Mein' ich etwa dich? Immer mehr, heran!
Lustig! Wacker! Jetzt geht's erst recht an.

Magdalene (hinabspähend):
Herrgott, er hält ihn noch!

Die Nachbarinnen: Der Vater! Ach, sie hau'n ihn tot!
Hört keines mehr sein Wort? Gott, welche Höllennot!
Seht dort den Christian, er walkt den Peter ab!
Gott, wie sie walken!
Mein! Dort den Michel seht,
der haut dem Steffen eins!
Jesus, sie schlagen meinen Jungen tot.
Der Hans hat einen Hieb am Kopf.
PeterI Hans! Ei, so höre doch!
Gott, steh uns bei, geht das so weiter fort.
Hei, mein Mann schlägt wacker auf sie drein.

Lehrbuben: Nur immer mehr heran zu uns!
Hei, nun geht's! Plautz, hast du nicht gesehn?
Hast's auf der Schnauz'! –
Ha! nun geht's:
Krach! Hagelwetterschlag! Pardautz!

Die Nachbarinnen: Wollt Ihr noch mehr?
Was geht's Euch an, wenn ich nun grad hier bleiben will?
Schickt die Gesellen heim! –
So gut wie Ihr bin Meister ich! – Dummer Kerl! –
Schert Euch heim! – Macht Euch fort! –
Schert doch Ihr Euch selber fort.

Gesellen: Zünfte heraus, nur tüchtig drauf und dran,
wir schlagen los!
Ihr da, macht! Packt Euch fort.
Wir sind hier grad' am Ort.
Wolltet Ihr etwa den Weg uns hier verwehren?
Macht Platz, wir schlagen drein!
Gürtler! Spengler! Zinngießer!
Leimsieder! Lichtgießer!
Schert Euch selber fort und macht Euch heim!

Magdalene: Mein, David, ist er toll?

Nachbarinnen: Die Köpf und Zöpfe wackeln hin und her!
Franz, sei doch nur gescheit.
Ach, wie soll das enden?
Welches Toben! Welches Krachen!

Lehrbuben: Wo es sitzt, da wächst nichts so bald nach!
Wo es sitzt, da fleckt's, da wächst kein Gras so bald
nicht wieder nach –
Der hat's gekriegt.
Bald setzt es blut'ge Köpf', Arm und Bein.

Die Nachbarn: Haltet's Maul! – Wir weichen nicht! –
Tuchscherer! Leinweber! Keiner weiche!
Schlagt sie nieder! – Immer ran! –
Wacker zu! – Immer drauf! –
Stemmt Euch hier nicht mehr zuhauf!
oder sonst, wir schlagen drein!

Gesellen: Nicht gewichen! Schlagt sie nieder!
Keiner weiche!
Tuchscherer! Leinweber!
Immer ran wer's wagt! Immer drauf!
Schlagt's ihn hin!

Magdalene (mit größter Anstrengung):
Ach, David hör' ‘s ist Herr Beckmesser!

Die Nachbarinnen: Auf, schaffet Wasser her! Wasser her,
Wasser ist das allerbest' für ihre Wut
Schafft's nur her!
die Köpf hinab!
Auf, schreit um Hilfe. Mord und Zeter!
Schreit laut!

Lehrbuben: Dort der Pfister, denkt daran.
Hei, der hat's. Der hat genug.
Scher sich jeder heim, wer nicht mit keilt!
Tüchtig gekeilt, immer lustig! Heissa!
Keiner weiche!
Keilt euch wacker,
haltet selbst Gesellen mutig stand.
Wer wich', ‘s wär' wahrlich eine Schand'!

Pogner (ist im Nachtgewand oben an das Fenster getreten):
Um Gott! Eva, schließ zu!
Ich seh', ob unt' im Hause Ruh'!

(Er zieht Magdalene, welche jammernd die Hände nach der Gasse hin ab gerungen, herein und schließt das Fenster.)

Lehrbuben: Hei juchhe!
Wacker drauf und dran! Wie ein Mann
steh'n wir alle fest zur Keilerei!

Die Meister und Nachbarn: Gebt Ruh und scher sich jeder heim!
Sonst schlagen wir Meister selbst noch drein!

Gesellen: Immer drauf und dran!
Jetzt gilt's, keiner weiche hier!
Zünfte! Zünfte! Heraus!

(Walther faßt Eva dicht in den linken Arm und zieht mit der rechten Hand das Schwert.)

Die Nachbarinnen: Immer toller, wie sie lärmen, toben, schlagen!
Hier hilft einzig Wasser noch.
Hier an die Fenster her, bringt Wasser nur,
sonst schlagen sie sich tot!
Krug und Kanne, Topf und Hafen!
Alles voll, und gießt's ihnen auf den Kopf!

Walther: Jetzt gilt's zu wagen, sich durchzuschlagen!

(Er dringt mit geschwungenem Schwerte bis in die Mitte der Bühne vor, um sich mit Eva durchzuhauen. Da springt Sachs mit einem kräftigen Satze aus dem Laden, bahnt sich mit geschwungenem Knieriemen den Weg zu Walther und packt diesen beim Arm.

Im gleichen Augenblicke hört man, rechts zur Seite im Vordergrunde, einen besonders starken Hornruf des Nachtwächters. Gleichzeitig haben die Frauen aus allen Fenstern starke Güsse von Wasser aus Kannen, Krügen und Becken auf die Streitenden hinabstürzen lassen; dieses, mit den besonders starken Tönen des Hornes zugleich, wirkt auf alle mit einem panischen Schrecken. Nachbarn, Lehrbuben, Gesellen und Meister suchen in eiliger Flucht nach allen Seiten hin das Weite, so daß die Bühne bald gänzlich leer wird. Die Haustüren werden hastig geschlossen, und auch die Nachbarinnen verschwinden von den Fenstern, welche sie zuschlagen.)

Pogner (auf der Treppe):
He, Lene! Wo bist du?

Sachs (die halb ohnmächtige Eva die Treppe hinaufstoßend):
Ins Haus, Jungfer Lene!

(Pogner empfängt Eva und zieht sie am Arm in das Haus. Sachs, mit dem Knieriemen David eins überhauend und mit einem Fußtritt ihn voran in den Laden stoßend, zieht Walther, den er mit der andern Hand fest gefaßt hält, gewaltsam schnell ebenfalls mit sich hinein und schließt sogleich fest hinter sich zu. Beckmesser, durch Sachs von David befreit, sucht sich, jämmerlich zerschlagen, eilig durch die Menge zu flüchten.

Als die Straße und Gasse leer geworden und alle Häuser geschlossen sind, betritt der Nachtwächter im Vordergrunde rechts die Bühne, reibt sich die Augen, sieht sich verwundert um, schüttelt den Kopf und stimmt mit leiser bebender Stimme den Ruf an):

Nachtwächter: Hört, ihr Leut', und laßt euch sagen:
die Glock' hat eilfe geschlagen.
Bewahrt euch vor Gespenstern und Spuk,
daß kein böser Geist eur' Seel' beruck'!
Lobet Gott den Herrn.

(Hornruf.)

(Der Vollmond tritt hervor und scheint hell in die Gasse hinein. Der Nachtwächter schreitet langsam dieselbe hinab. Als er um die Ecke biegt, fällt der Vorhang schnell mit dem letzten Takt)


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