Julius Verne
Die großen Seefahrer des 18. Jahrhunderts - Erster Band
Julius Verne

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Zweites Capitel.
Die Vorläufer des Kapitän Cook.

I.

Roggeween. – Dürftige Nachrichten über ihn. – Unbestimmtheit seiner Entdeckungen. – Die Oster-Insel. – Die Verderblichen Inseln. – Die Baumans-Gruppe. – Neu-Britannien. – Ankunft in Batavia. – Byron. – Aufenthalt in Rio de Janeiro und im Hafen Désiré. – Eintritt in die Magelhaens-Straße. – Die Falklands-Inseln und der Egmont-Hafen. – Die Fuegiens. – Mas-a-Fuero. – Die Trostlosen Inseln. – Die Inseln der Gefahr. – Tinian. – Rückkehr nach Europa.

Schon im Jahre 1669 hatte Pater Roggeween der holländisch-westindischen Handelsgesellschaft eine Denkschrift eingereicht, in der er die Ausrüstung dreier Schiffe befürwortete, um damit nach dem Stillen Ocean auf Entdeckung auszuziehen. Sein Plan fand zwar günstige Aufnahme, der Eintritt einer Erkaltung der Beziehungen zwischen Spanien und Holland zwang jedoch die batavische Statthalterschaft, vorläufig von einer solchen Expedition abzusehen. Noch auf dem Sterbebette nahm Roggeween seinem Sohne Jakob das Versprechen ab, den von ihm aufgestellten Plan auszuführen.

Mannigfache und von seinem Willen völlig unabhängige Umstände hinderten Letzteren lange Zeit an der Erfüllung seines Versprechens. Erst nachdem er wiederholt die Meere Indiens durchsegelt und eine Stelle als Rath bei dem Justizhofe von Batavia bekleidet, sehen wir Jakob Roggeween bei der holländisch-westindischen Compagnie neue Schritte thun. Wie alt er im Jahre 1721 wohl sein mochte und mit welchem Rechte er Ansprüche auf Uebernahme der Oberleitung einer Entdeckungs-Expedition erhob, ist nicht bekannt geworden. Die biographischen Lexika widmen ihm meist nur wenige Zeilen, und Fleurieu, der in einem schönen und gelehrten Schriftchen die Entdeckungen des holländischen Seefahrers sicherer zu bestimmen suchen wollte, gelangte in dieser Beziehung zu keinem nennenswerthen Resultat.

Auch den Bericht über seine Reise hat er nicht einmal selbst abgefaßt, sondern ein Deutscher, Namens Behrens. Vielleicht ist für die mancherlei dunklen Stellen, die Widersprüche und den Mangel an Genauigkeit der Erzähler mehr verantwortlich zu machen als der Seemann. Wiederholt scheint es, so wenig das doch vorauszusetzen ist, daß Roggeween von den Reisen und Entdeckungen seiner Vorgänger und Zeitgenossen kaum hinlängliche Kenntniß gehabt habe.

Am 21. August liefen unter seinem Commando von Texel drei Schiffe aus: die »Aigle« mit 36 Kanonen und 111 Mann Besatzung, die »Tienhoven«, 28 Kanonen und 100 Mann, Kapitän Jakob Bauman, und die Galeere die »Afrikanerin«, 14 Kanonen und 60 Mann, Kapitän Heinrich Rosenthall. Die Fahrt über den Atlantischen Ocean bot kein besonderes Interesse. Nachdem er Rio kurz berührt, suchte Roggeween eine Insel aufzufinden, welche er Auke's Magdeland nennt, das wäre das heutige Maidenland, die Falklands-Inseln oder Malouinen, wenn darunter nicht Georgia australis zu verstehen ist. Obwohl diese Inseln damals genügend bekannt waren, drängt sich doch die Annahme auf, daß die Holländer über deren Lage nicht sicher unterrichtet waren, da sie nach Aufgabe der Untersuchung Falklands sich nach den Inseln St. Louis des Français wenden wollten, ohne zu wissen, daß diese zu dem nämlichen Archipel gehörten.

Uebrigens giebt es wenige Länder, welche mehr Namen geführt haben als diese, wie z. B. auch den der Pepys- oder Conti-Inseln, nebst noch manchen anderen. Es wäre leicht, ein ganzes Dutzend Bezeichnungen zusammenzustellen.

Nachdem er unter der Breite der Magelhaens-Straße und etwa achtzig Meilen von der Küste Amerikas eine Insel von zweihundert Meilen Umfang entdeckt oder doch erblickt hatte, die er »Ost-Belgien« taufte, drang Roggeween in die Lemaire-Straße ein, wo ihn heftige Strömungen bis 62° 30' südlicher Breite hinabführten; dann erreichte er wieder im Norden das Gestade von Chile, warf an der Insel Moha, die er unbewohnt fand, Anker und kam hierauf nach Juan Fernandez, wo er sich mit der »Tienhoven«, von der er seit dem 21. December getrennt war, wieder vereinigte.

Die drei Schiffe verließen ihren Ankerplatz noch vor Ende März und steuerten nach Westnordwesten in der Richtung, wo sich zwischen dem 27. und 28. Grade das von Davis entdeckte Land befinden sollte. Nach mehrtägiger Kreuzfahrt kam Roggeween am 6. April 1722 in Sicht einer Insel, welche er Oster-Insel nannte.

Wir erwähnen hier nicht der übertriebenen Größenangaben, welche der holländische Seefahrer bezüglich dieses Landes macht, noch seiner Beobachtungen über Sitten und Gebräuche der Eingeborenen, da uns Gelegenheit geboten wird, das aus den weit verläßlicheren und eingehenderen Berichten Cook's und La Pérouse's besser kennen zu lernen.

»Was man in diesen Berichten aber vermissen wird,« sagt Fleurieu, »ist jener Beweis gründlicher Bildung eines Roggeween'schen Sergeantmajors, der uns, nach Beschreibung des Bananenblattes, welches sechs bis acht Fuß lang und zwei bis drei breit sein soll, belehrt, daß die Stammeltern des Menschengeschlechtes nach dem Sündenfalle damit ihre Blöße bedeckt haben sollen«; und er fügt zur weiteren Erläuterung hinzu, daß »Diejenigen, welche diese Behauptung aufstellen, sich darauf stützen, das genannte Blatt für das größte aller Pflanzen des Morgen- und Abendlandes halten«.

Diese Bemerkung zeugt für die hohe Vorstellung, welche Behrens sich von der Körpergröße unserer Urahnen machte.

Furchtlos kam ein Eingeborener an Bord der »Aigle«. Er ergötzte Alle durch seinen guten Muth, seine frohe Laune und durch seine nicht mißzudeutenden Freundschaftsbezeugungen.

Am folgenden Tage bemerkte Roggeween auf dem mit einer Art Bildsäulen übersäeten Strande eine Menge Eingeborne, welche die Ankunft der Fremdlinge mit neugieriger Ungeduld zu erwarten schien. Da fiel, man weiß nicht wie das zuging, ein Schuß, einer der Insulaner bricht zusammen und die entsetzte Menge stäubt nach allen Richtungen auseinander. Bald kehrt sie in gedrängten Gliedern wieder. Jetzt läßt Roggeween an der Spitze von etwa 100 Mann eine allgemeine Salve auf Jene abgeben, welche eine große Zahl von Opfern zu Boden streckt. Erschreckt beeilen sich die Eingeborenen, um die fürchterlichen Gäste zu besänftigen, diesen all' ihr Hab und Gut zu Füßen zu legen.

Fleurieu glaubt nicht, daß die Oster-Insel mit Davis-Land identisch sei; trotz der von ihm für diese Behauptung aufgeführten Gründe muß man, mangels durchgreifender Unterschiede seiner Beschreibung und in der Lage beider Länder, die Entdeckung Davis' und die Roggeween's schon deshalb für identisch halten, weil in jenen Meerestheilen bis auf den heutigen Tag keine weitere Insel bekannt geworden ist.

Durch einen heftigen Sturm von seinem Ankerplatze an der Ostküste der Oster-Insel vertrieben, steuerte Roggeween weiter nach Westnordwesten, durchsegelte Schouten's »Böses Meer« und entdeckte in einer Entfernung von 100 Meilen von der Oster-Insel ein anderes Eiland, das er für Schouten's Insel der Hunde hielt und auf den ihm später verbliebenen Namen Carlshoff taufte.

Das Geschwader passirte diese Insel, ohne sie zu besuchen, und wurde während der folgenden Nacht durch Winde und Strömungen mitten in eine Gruppe niedriger Inseln verschlagen, deren Vorhandensein man nicht erwartete. Die Galeere »Die Afrikanerin« stieß dabei gegen eine Klippe, und die beiden anderen Schiffe hätte beinahe derselbe Unfall ereilt. Erst nach fünftägiger Anstrengung, Unruhe und Gefahr gelang es ihnen, sich wieder herauszufinden und klares Fahrwasser zu gewinnen.

Die Bewohner jenes Archipels waren groß, ihre Haare schlicht und lang und ihr Körper mit bunten Farben bemalt. Heut' ist man ganz einig darüber, in der von Roggeween hinterlassenen Beschreibung der »Verderblichen Inseln« den Archipel zu erkennen, den Cook später die Palliser-Inseln nannte.

Frühmorgens an dem Tage, nachdem Roggeween den Gefahren der Verderblichen Inseln entschlüpft war, entdeckte er eine Insel, der er den Namen »Aurora« gab. Sie erhob sich kaum über die Wasserfläche, und wenn die Sonne nicht eben aufging, wäre die »Tienhoven« in Gefahr gekommen, an derselben zu Grunde zu gehen.

Bei einbrechender Nacht bemerkte man noch eine Insel, die den Namen »Vesper« erhielt und welche heute schwer zu bestimmen ist, wenn sie nicht der Palliser-Gruppe selbst angehört.

Roggeween eilte zwischen dem 15. und 16. Breitengrade mit vollen Segeln weiter nach Westen und befand sich »plötzlich« inmitten vieler halb überflutheter Inseln.

»Bei unserer Annäherung,« sagt Behrens, »sahen wir eine Menge Canots längs der Küste hingleiten und kamen zu der Ueberzeugung, daß das Land hier dicht bevölkert sein müsse. Bei noch geringerem Abstande erkannten wir eine Anhäufung einzelner, aber dicht bei einander gelegener Eilande; endlich gelangten wir unbemerkt so zwischen dieselben, daß wir für einen Aus- oder Rückweg besorgt wurden, und der Admiral einen Steuermann nach dem Top des Mastes beorderte, um sich über den einzuschlagenden Kurs zu unterrichten. Unsere Rettung verdankten wir damals nur der eben herrschenden Windstille; die geringste Luftbewegung hätte unsere Schiffe auf die Riffe treiben müssen, ohne daß eine Hilfe möglich gewesen wäre. Zum Glück kamen wir ohne Unfall heraus. Diese Inseln, sechs an der Zahl, bieten einen lachenden Anblick und mögen zusammen eine Ausdehnung von dreißig Meilen haben. Sie liegen fünfundzwanzig Meilen westlich von den Verderblichen Inseln. Wir gaben ihnen den Namen ›das Labyrinth‹, weil es vieler Umwege bedurfte, um aus denselben herauszukommen.«

Mehrere Schriftsteller erklären diese Gruppe für übereinstimmend mit Byron's Prince de Galles-Inseln. Fleurieu theilte diese Ansicht nicht. Dumont d'Arville glaubt, es handle sich hier um die schon von Schouten und Lemaire gesehene Vliegen-Gruppe.

Nach dreitägiger Fahrt gen Westen erblickten die Holländer eine Insel von schönem Aussehen. Cocos und andere Palmen neben üppigem Grün bezeugten ihre Fruchtbarkeit. Da man in der Nähe des Ufers keinen Ankergrund fand, mußte man sich begnügen, dieselbe nur durch wohlbewaffnete Abtheilungen untersuchen zu lassen.

Noch einmal vergossen die Holländer das Blut einer keineswegs feindselig auftretenden Bevölkerung, die sie am Ufer erwartete und nur den einen Fehler beging, in zu großer Anzahl herzugelaufen zu sein. Nach einer solchen, eher von Barbaren als von civilisirten Menschen zu erwartenden Handlungsweise versuchte man die Eingeborenen durch Geschenke an deren Häuptlinge und ziemlich trügerische Freundschaftszeichen zwar wieder anzulocken, aber diese legten darauf offenbar keinen Werth. Als die Matrosen dagegen weiter in's Innere vordrangen, fielen sie mit einem Hagel von Steinen über dieselben her. Obgleich das Gewehrfeuer der Letzteren viele derselben zu Boden streckte, widerstanden sie den Fremdlingen doch mit Tapferkeit und zwangen diese, sich unter Mitnahme ihrer Verwundeten und Todten bald wieder einzuschiffen.

Natürlich schrieen die Holländer nun über Verrath und wußten kaum, mit welchen Schmähungen sie die Hinterlist ihrer Gegner brandmarken sollten. Wer that aber zuerst Unrecht? Wer war der angreifende Theil? Selbst zugegeben, daß einige Diebstähle vorgekommen wären, was ja wohl möglich ist, mußte man den Fehler einiger Individuen, welche von der Heiligkeit des Eigentumsrechtes gewiß keine rechte Vorstellung hatten, in so strenger Weise und an einer ganzen Bevölkerung bestrafen?

Trotz der hier erlittenen Verluste gaben die Holländer dem Lande, eingedenk der Erfrischungen, die sie ebenda gefunden, den Namen »Recreations-Insel«. Roggeween verlegte sie unter den 16. Breitengrad; ihre geographische Länge ist aber so mangelhaft bezeichnet, daß die Wiedererkennung noch nicht gelang.

Sollte Roggeween nun weiter im Westen die Insel Espiritu Santo de Quiros aufsuchen? Oder sollte er nach Norden segeln, um mit Hilfe des eben günstig wehenden Monsune Ostindien zu erreichen? Der Kriegsrath, dem er hierüber die Entscheidung überließ, entschloß sich für das letztere.

Am dritten Reisetage wurden gleichzeitig drei Inseln entdeckt, welche den Namen Baumann's, des Kapitäns der »Tinhoven«, erhielten, weil dieser sie zuerst gesehen hatte. Die Insulaner ruderten zwischen den Schiffen umher, um Tauschhandel zu treiben, während den Strand eine große Menge mit Bogen und Lanzen bewaffneter Eingeborener bedeckte. Sie waren von weißer Hautfarbe und unterschieden sich von Europäern höchstens dadurch, daß sie von der Sonne etwas intensiver gebräunt erschienen. Ihr Körper war auch durch keine Malereien entstellt. Ein Stück kunstreich gewebter und mit Fransen besetzter Stoff verhüllte sie von der Hüfte bis zu den Fersen. Auf dem Kopfe trugen sie einen Hut von gleichem Material und um den Hals eine Art von Kränzen von wohlriechenden Blumen.

»Ich muß gestehen,« sagt Behrens, »daß das die gesittetste und rechtschaffenste Völkerschaft war, die wir auf den Inseln der Südsee kennen lernten; erfreut über unsere Ankunft, empfingen sie uns mit göttlichen Ehren, und als wir Anstalt trafen, wieder abzureisen, zeigten sie ihr lebhaftes Bedauern auf jede mögliche Weise.«

Aller Wahrscheinlichkeit nach ist hier die Rede von den Bewohnern der Schiffer-Inseln.

Nachdem es einige Inseln angelaufen, die Roggeween für die schon von Schouten und Lemaire besuchten Cocos- und Verräther-Inseln ansah, während Fleurieu gerade diese als eine neue holländische Entdeckung betrachtet und sie Roggeween-Archipel benennt, nachdem es ferner die Inseln Tienhoven und Gröningen, welche Pingré für Santa-Cruz de Mendana hält, zu Gesicht bekommen, erreichte das Geschwader endlich die Küsten von Neu-Irland, wo es sich durch wiederholte Blutbäder bemerklich machte. Von da ging es nach Neu-Guinea ab und warf zuletzt, nach Passirung der Molukken, vor Batavia Anker.

Hier nahmen die eigenen Landsleute – weniger menschlich gesinnt als irgend eine wilde Völkerschaft, die Roggeween je besucht hatte – die beiden noch übrigen Schiffe – die »Afrikanerin« war in Folge des bei den Verderblichen Inseln erlittenen Stoßes zu Grunde gegangen – in Beschlag, Matrosen und Officiere ohne Ansehen des Ranges gefangen und schickten sie zur Aburtheilung nach Europa. Ihr unverzeihliches Verbrechen bestand nämlich darin, daß sie den Fuß auf ein Gebiet gesetzt hatten, welches der holländisch-ostindischen Handelsgesellschaft gehörte, während sie unter der Oberhoheit der westindischen Gesellschaft standen! Daraus entspann sich ein Proceß, durch dessen Endurtheil der ostindischen Kompagnie auferlegt wurde, alles Beschlagnahmte herauszugeben und sehr beträchtlichen Schadenersatz zu leisten.

Von der Zeit seiner Rückkehr nach Texel, am 11. Juli 1723, verlieren wir Roggeween völlig aus den Augen und besitzen von den letzten Jahren seines Lebens keinerlei Kenntniß. Immerhin gebührt Fleurieu der wärmste Dank für seine Bemühung, die chaotischen Nachrichten dieser langen Seefahrt, welche in weiteren Kreisen bekannt zu werden verdiente, nach Möglichkeit entwirrt zu haben. –

Am 17. Juni 1764 erhielt Commodore Byron eine vom Lord der Admiralität unterzeichnete Ordre zugestellt, deren Eingang also lautete:

»Da nichts im Stande ist, den Ruhm dieser Nation als Seemacht, den Glanz der Krone Großbritanniens und die Ausbreitung ihres Handels- und Schiffsverkehres mehr zu befördern, als Entdeckungen in bisher unbekannten Gegenden zu machen, und da man Grund hat zu glauben, daß sich im Atlantischen Ocean zwischen dem Cap der Guten Hoffnung und der Magelhaensstraße noch weitere, den europäischen Mächten bisher unbekannt gebliebene Länder oder beträchtliche Inseln vorfinden dürften, welche ebenso in einer für die Schifffahrt bequemen Breite liegen, wie sie durch ihr Klima die Erzeugung handelswichtiger Rohprodukte begünstigen müßten; endlich da die unter dem Namen Pepys- oder Falklands-Inseln bekannten Territorien Sr. Majestät, welche ebenfalls unter der bezeichneten Breite liegen, noch nicht so eingehend erforscht sind, um eine genaue Vorstellung von ihren Küsten und Bodenerzeugnissen zu gestatten, obwohl sie von englischen Seefahrern entdeckt und besucht wurden – hat Se. Majestät in Erwägung dieser Umstände und unter Berücksichtigung, daß keine Conjunctur einem derartigen Unternehmen günstiger sein kann als der tiefe Friede, dessen sich alle seine Reiche eben erfreuen, geruht, dasselbe jetzt zur Ausführung zu bringen . . .«

Wer war aber der erprobte Seemann, auf den sich die Wahl der englischen Regierung lenkte? Das war der am 8. November 1723 geborene Commodore Byron. Seit seiner Kindheit hatte er die lebhafteste Neigung zur Seemannslaufbahn zu erkennen gegeben und sich mit siebzehn Jahren auf dem Geschwader des Admiral Anson mit eingeschifft, das damals, wie wir wissen, mit dem Auftrag der Zerstörung der spanischen Niederlassungen an der Küste des Pacifischen Oceans ausgeschickt wurde.

Wir haben im vorhergehenden Capitel die zahlreichen Unfälle dieser Expedition und die unerwartete Glückswendung während des letzten Theiles derselben geschildert.

Das Schiff, auf welchem sich Byron damals befand, der »Wager«, litt beim Eingange zur Magelhaensstraße Schiffbruch, und die von den Spaniern gefangen genommene Mannschaft desselben wurde nach Chiloë (das Südende von Chile) abgeführt. Nach einer Gefangenschaft von nicht weniger als drei Jahren gelang es Byron zu entkommen und auf ein Schiff aus St. Malo zu gelangen, das ihn nach Europa zurückbeförderte. Er trat hier sofort wieder in Dienst, zeichnete sich bei mehreren Treffen im Kriege gegen Frankreich aus, und unzweifelhaft war es die Erinnerung an seine so unglücklich unterbrochene erste Reise um die Erde, welche ihm die Aufmerksamkeit der Admiralität zuwandte.

Die ihm anzuvertrauenden Fahrzeuge erhielten die sorgsamste Ausrüstung. Die »Dauphin« war ein Kriegsschiff 6. Ranges, mit 24 Kanonen, 150 Matrosen, 3 Lieutenants und 37 Unterofficieren. Die »Tamar« war eine Yacht mit 16 Kanonen, auf der sich unter dem Commando des Kapitäns Muat 99 Matrosen, 3 Lieutenants und 27 Unterofficiere einschifften.

Der Anfang gestaltete sich nicht glücklich. Am 21. Juni verließ die Expedition die Londoner Werft; beim Hinabsegeln auf der Themse stieß die »Dauphin« aber auf Grund und mußte in Plymouth einlaufen, um daselbst gekielholt zu werden.

Am 3. Juli ward hierauf der Anker wiederum gelichtet, und zehn Tage später lief Byron Funchal auf Madeira an, um noch einigen Proviant einzunehmen. Ebenso sah er sich genöthigt, an den Inseln des Grünen Vorgebirges beizulegen, um Wasser zu fassen, da das mitgenommene sehr schnell verdorben war.

Bis zum Cap Frio hemmte nichts die Fahrt der beiden Schiffe. Nur machte Byron die später wiederholt bestätigte Beobachtung, daß der Kupferbeschlag seiner Schiffe die Fische zu vertreiben schien, die er in diesen Meerestheilen sonst in Ueberfluß hätte antreffen müssen. Drückende Hitze und unaufhörliche Regengüsse hatten einen großen Theil der Besatzungen auf's Lager geworfen, und das Verlangen nach einem Hafen und nach frischen Nahrungsmitteln trat sehr fühlbar zu Tage.

Beides sollte Rio de Janeiro bieten, wo man am 12. December eintraf. Byron erhielt hier eine dringende Einladung seitens des Vicekönigs und schildert seine erste Zusammenkunft mit diesem folgendermaßen:

»Als ich meinen Besuch abstattete, wurde ich mit größter Feierlichkeit empfangen; gegen sechzig Officiere hatten allein vor dem Palaste Aufstellung genommen. Die Leibgarde stand unter Waffen. Das waren sehr schöne Leute von straffer Haltung. Seine Excellenz empfing mich, umgeben von allen hohen Würdenträgern, schon an der Treppe, wobei ich von einem benachbarten Fort mit fünfzehn Kanonenschüssen begrüßt wurde. Wir betraten sodann den Audienzsaal, von wo ich mich nach einer viertelstündigen Unterhaltung wieder empfahl und mit dem nämlichen Ceremoniel zurückbegleitet wurde . . .«

Wir werden bald Gelegenheit haben, den Unterschied bezüglich des Empfanges hervorzuheben, den Cook nur wenige Jahre nach Byron erfahren sollte.

Der Commodore erhielt ohne Mühe die Erlaubniß, seine Kranken an's Land zu bringen, und man gewährte ihm jede Erleichterung bei der Anschaffung von Nahrungs- und Stärkungsmitteln. Er hatte sich überhaupt über nichts zu beklagen als über die wiederholten Versuche der Portugiesen, seine Matrosen zur Desertion zu verleiten. Die in Rio herrschende unerträgliche Hitze verkürzte die Dauer des Aufenthaltes. Am 16. October wurden die Anker gelichtet, die Schiffe mußten am Eingang der Bai aber noch vier oder fünf Tage lang still halten, bevor ein Landwind es ihnen ermöglichte, die hohe See zu gewinnen.

Bis jetzt war die eigentliche Bestimmung des kleinen Geschwaders geheim gehalten worden. Nun berief Byron aber den Kommandanten der »Tamar« zu sich an Bord und las, in Gegenwart der versammelten Matrosen, seine Instructionen vor, welche ihm vorschrieben, nicht wie man bisher allgemein angenommen, nach Ostindien zu segeln, sondern im südlichen Ocean zu kreuzen und daselbst auf Entdeckungen auszugehen, welche für England von hohem Werthe sein könnten. Mit Rücksicht hierauf bewilligten die Lords der Admiralität den Mannschaften doppelten Sold, ohne von der Aussicht auf Avancement und besondere Gratificationen zu sprechen, wenn man mit ihnen zufrieden sei. Von dieser kurzen Ansprache gefiel den Matrosen vorzüglich der zweite Theil, den sie mit freudigem Hurrah begrüßten.

Bis zum 29. October steuerte man ohne Unfall nach Süden zu. Da stellten sich häufige Schloßenwetter und heftige Windstöße ein, die zu einem wahren Sturme ausarteten und den Commodore veranlaßten, vier Geschütze über Bord zu werfen, um nicht im vollen Segeln zu kentern. Am nächsten Tage gestaltete sich die Witterung etwas erträglicher, es herrschte aber eine Kälte wie zu jener Jahreszeit in England, obwohl der November hier dem Mai der nördlichen Halbkugel entspricht. Da der steife Wind die Schiffe immer nach Osten hin ablenkte, fing Byron an zu fürchten, daß es sehr schwer halten würde, längs der Küste Patagoniens hinabzusegeln.

Am 12. December erscholl da plötzlich, ohne daß auf den Karten eine Küste verzeichnet stand, der Ruf: »Land! Land nach vorn!« Dicke Wolken verdunkelten eben den ganzen Horizont und der Donner folgte den Blitzen fast ohne Unterbrechung.

»Ich glaubte zu bemerken,« schreibt Byron, »daß das Land, was uns auf den ersten Anblick als eine Insel erschien, nur zwei große schroffe Berge zeigte; beim Auslugen auf der Windseite schien es mir dagegen, als ob das jene Bergspitzen verbindende Land sich weit nach Südosten hin erstreckte; wir steuerten in Folge dessen Südwest. Ich ließ einige Officiere auf die Masten steigen, um sich von der Richtigkeit dieser Wahrnehmung zu überzeugen; Alle versicherten, eine große Strecke Land zu sehen . . . Wir liefen von nun ab nach Ostsüdost. Das Land bot scheinbar immer denselben Anblick. Die Berge erschienen bläulich, wie das bei trübem und regnerischem Wetter immer der Fall ist, wenn man sie aus geringerer Entfernung beobachtet. . . . Bald darauf glaubten Einige, das Meer sich an einem sandigen Ufer brechen zu hören und zu sehen; nachdem wir aber noch ungefähr eine Stunde mit möglichster Vorsicht dahin gesegelt waren, verschwand plötzlich Alles, was wir für ein Land gehalten hatten, vor unseren Augen, und wir überzeugten uns, daß es nur ein Dunstgebilde gewesen sei . . . Ich bin siebenundzwanzig Jahre hindurch,« fährt Byron fort, »fast unausgesetzt auf dem Meere gewesen, aber ich hatte keine Ahnung von der Möglichkeit einer so vollkommenen Gesichtstäuschung. . . . Es unterliegt keinem Zweifel, daß, wenn die Witterung sich nicht so schnell geklärt hätte, um die Erscheinung vor unseren erstaunten Blicken zerfließen zu lassen, jeder Mann an Bord einen Eid darauf abgelegt hätte, an dieser Stelle Land gesehen zu haben. Wir befanden uns zur Zeit übrigens unter 43° 46' südl. Breite und 60° 5' östl. Länge.«

Am folgenden Tage erhob sich wieder, von dem Geschrei Tausender fliehender Vögel angekündigt, ein ganz entsetzlicher Wind, der nicht länger als zwanzig Minuten anhielt. Er reichte aber hin, das Schiff auf die Seite zu legen, bevor man die Taue der großen Halsen kappen konnte, welche dabei in Stücke gingen. Gleichzeitig schlug die Schote des Großsegels den ersten Lieutenant zu Boden, der besinnungslos weit wegrollte, und der nicht genügend gehaltene Fockmast brach entzwei.

Die folgenden Tage waren nicht viel günstiger. Außerdem erlitt das Fahrzeug in Folge seines geringen Tiefgangs eine bedeutende Abweichung, sobald der Wind etwas frischer wehte.

Nach ziemlich stürmischer Reise erreichte Byron am 24. November – mit welcher Befriedigung wird man leicht begreifen – die Pinguin-Inseln und den Hafen Désiré. Leider sollten die Annehmlichkeiten dieser Station die Ungeduld, mit der die Mannschaft sie herbeigesehnt hatte, keineswegs rechtfertigen.

Als sie das Land betraten, fanden die englischen Seeleute auf dem Wege nach dem Innern nur eine wüste Gegend mit sandigen und völlig baumlosen Hügeln. Von Jagdwild gewahrte man einige Guanacos, aber in zu weiter Entfernung, um auf dieselben schießen zu können. Dagegen gelang es ohne besondere Mühe, einige Exemplare großer Hasen einzufangen. Die Jagd auf Seekälber und Wasservögel endlich lieferte einen so reichen Ertrag, daß man damit hätte »eine ganze Flotte tractiren« können.

Der schlecht in Stand gehaltene und wenig geschützte Hafen Désiré hatte auch den großen Fehler, daß man hier nur sogenanntes Brackwasser (eine Mischung aus Süß- und Salzwasser) vorfand. Von Einwohnern bemerkte man keine Spur. Ein längerer Aufenthalt schien nicht nur unnütz, sondern auch gefährlich. Byron ging also schon am 25. zur Aufsuchung der Pepysinsel ab.

Ueber die geographische Lage der letzteren herrschte noch ziemliche Ungewißheit. Halley verlegte sie 80 Grade östlich vom Festlande. Cowley, der Einzige, der sie selbst gesehen zu haben versichert, behauptet, sie liege unter 47° südlicher Breite, giebt aber deren geographische Länge nicht an. Hier war also ein interessantes Räthsel zu lösen.

Nachdem Byron im Norden, Süden und Osten umhergekreuzt, kam er zu der Ueberzeugung, daß jene gar nicht existire, und steuerte nun nach den Sebaldinen, um sobald als möglich einen Hafen anzutreffen, in dem er Holz und Wasser, dessen er dringend bedurfte, finden könnte. Unterwegs überfiel ihn ein Sturm mit so gewaltigem Wogengange, daß sich Byron eines gleichen nicht entsinnen konnte, selbst nicht von seiner Umsegelung des Cap Horn mit Admiral Anson her. Als die Luft sich beruhigt, befand er sich in Sicht des Caps der Jungfrauen am nördlichen Eingang der Magelhaens-Straße.

Sobald das Schiff sich der Küste hinlänglich genähert hatte, erkannten die Matrosen am Strande eine Gruppe Berittener, welche eine weiße Fahne schwenkten und durch Zeichen zu verstehen gaben, daß jene an's Land kommen sollten. Neugierig, diese Patagonier, welche von früheren Reisenden so abweichend beschrieben waren, näher zu betrachten, ging Byron mit einer starken Abtheilung wohlbewaffneter Soldaten an's Ufer.

Hier fand er gegen fünfhundert Männer, fast alle zu Pferde, von riesigem Wuchse, aber wahrhafte Ungeheuer in Menschengestalt. Ihr Körper war ganz abscheulich bemalt, das Gesicht durch Linien in verschiedenen Farben gestreift, und die Augen von blauen, schwarzen und rothen Ringen umgeben, so daß es aussah, als trügen sie gewaltige Brillen. Fast Alle gingen nackt, bis auf ein über die Schultern geworfenes, mit der Haarseite nach außen getragenes Fell, wozu Einige noch Halbstiefeln trugen. Wahrlich, ein sehr primitives und billiges Kostüm!

In der Gesellschaft dieser Leute schwärmte eine Menge Hunde umher und, scheinbar recht häßliche, aber doch sehr flüchtige Pferde. Die Frauen ritten übrigens so wie die Männer ohne Steigbügel und galoppirten pfeilschnell am Meeresstrande hin, obgleich dieser mit großen, sehr schlüpfrigen Steinen bedeckt war.

Das Zusammentreffen verlief ganz friedlich. Byron beschenkte das Riesengeschlecht mit einer Menge Kleinigkeiten, Bändern, Glaswaaren und Tabak.

Sobald er die »Dauphin« wieder betreten, lief Byron mit der Fluth in die Magelhaens-Straße ein, nicht in der Absicht diese zu durchsegeln, sondern nur um einen sicheren und bequemen Hafen aufzusuchen, wo er Holz und Wasser finden könnte, bevor er nach den Falklands-Inseln steuerte.

Nachdem er die zweite enge Wasserstraße passirt, bekam Byron die Inseln St. Elisabeth, St. Barthelemy, St. Georges und die Sandy-Spitze in Sicht. Neben der letzteren breitete sich ein herrliches Stück Erde aus, mit vielen Bächen, Gehölzen und blumenübersäten Wiesen, die einen köstlichen Wohlgeruch ausströmten. Hunderte von Vögeln, deren eine Art wegen ihres mit leuchtenden Farben geschmückten Gefieders den Namen »Maler-Gänse« erhielt, belebten die Landschaft. Nirgends fand sich aber eine Stelle, wo ein Boot gefahrlos hätte landen können. Ueberall war nur seichtes Wasser mit schäumender Brandung. Fische, darunter vorzüglich ausgezeichnete Seebarben, Gänse, Becassinen und andere schmackhafte Vögel wurden von der Mannschaft dagegen in großer Menge gefangen oder erlegt.

Byron sah sich also gezwungen, bis nach Port Famine vorzudringen, wo er am 27. December anlangte.

»Hier lagen wir,« sagt er, »geschützt gegen alle Winde, mit Ausnahme des nur selten wehenden Südost, doch selbst wenn ein Schiff durch diesen nach dem Grunde der Bai an das Land getrieben würde, dürfte es bei dem klaren, weichen Meeresboden kaum viel Schaden leiden. Längs der Küste treibt übrigens stets so viel Holz hin, daß man tausend Schiffe damit versorgen könnte und wir der Mühe überhoben blieben, unseren Bedarf in den Wäldern zu fällen.«

Im Grunde der Bai mündet ein Fluß mit sehr gutem Wasser, die »Sedger«. Seine Ufer sind mit großen, prächtigen Bäumen besetzt, welche sich zu Schiffsmasten vorzüglich eignen würden. Auf den Zweigen wiegten sich unzählige Papageien und andere Vögel mit glänzendem Gefieder. Während Byron's Aufenthalt in Port Famine herrschte stets Überfluß an Allem.

Am 5. Januar, als sich die Besatzung vollkommen erholt und man die Schiffe mit allem Nothwendigen reichlich versehen hatte, segelte der Commodore zur Aufsuchung der Falklands-Inseln wieder ab. Sieben Tage darauf entdeckte er ein Land, in dem er die Insel Sebald de Wret's zu erkennen glaubte; bei weiterer Annäherung dagegen überzeugte er sich, daß das, was er für drei Inseln gehalten hatte, nur eine einzige mit weiter Verlängerung nach Süden bildete. Er zweifelte nun nicht länger daran, hier den, auf den damaligen Karten als New-Island bezeichneten, unter 51° südlicher Breite und 63° 32' westlicher Länge gelegenen Archipel vor sich zu haben.

Zunächst hielt sich Byron auf offener See, um nicht von der Strömung nach einer unbekannten Küste geführt zu werden. Nach dieser summarischen Besichtigung wurde ein Boot abgeschickt, das so nahe als möglich längs des Landes hinsegeln sollte, um einen sicheren und bequemen Hafen zu suchen, den dasselbe auch bald auffand. Er erhielt, zu Ehren des damaligen ersten Lords der Admiralität, den Namen Port Egmont.

»Ich glaube kaum, sagt Byron, daß man einen schöneren Hafen finden kann; der Ankergrund ist daselbst vorzüglich, Trinkwasser leicht zu beschaffen, und alle Schiffe ganz Englands könnten hier vor allen Winden sicher liegen. Gänse, Enten und anderes Geflügel gab es in so großer Menge, daß die Matrosen dieser Speisen ganz überdrüssig wurden. Leider herrschte nur etwas Mangel an Holz, bis auf einige Stämme, welche am Strande hinschwammen und wahrscheinlich durch die Magelhaens-Straße hierher gelangt waren.«

Wilder Sauerampfer und Sellerie, diese wirksamsten Antiscorbutica, wuchsen hier allerorten. Seewölfe und Seelöwen, ebenso wie Pinguine traf man in so großer Menge an, daß man keinen Schritt am Strande thun konnte, ohne jene in zahlreichen Heerden entfliehen zu sehen. Andere, bis auf die Größe und den Schweif Füchsen ähnliche, sonst aber unseren Wölfen gleichende Thiere griffen wiederholt die Matrosen an, welche jene nur mit Mühe abzuwehren vermochten. Es wäre schwer zu sagen, wie jene in diese vom Festlande wenigstens hundert Meilen entfernte Gegend gekommen sind, noch wo sie hier Zuflucht finden, denn an Pflanzen erzeugen diese Inseln nur Binsen und Schwertlilien, doch keinen einzigen Baum.

Der Bericht über diesen Theil der Reise Byron's bildet in Didot's Biographie nur ein Gewebe unlösbarer Irrthümer. »Die Flottille,« sagt Alfred de Lacaze, »drang am 17. Februar in die Magelhaens-Straße ein, sah sich aber gezwungen, nahe bei Port Famine in einer Bucht vor Anker zu gehen, welche den Namen Port Egmont erhielt.« . . . Wahrlich eine merkwürdige Entstellung der Thatsachen, welche den Leichtsinn beweist, mit dem einzelne Theile dieser umfassenden Sammlung bearbeitet sind.

Byron nahm im Namen des Königs von England von Port Egmont und den benachbarten Inseln, dem Falklands-Archipel, feierlich Besitz. Coley hatte dieselben Pepys-Inseln benannt; der Erste, der jene entdeckte, dürfte wohl der Kapitän Davis im Jahre 1592 gewesen sein. Zwei Jahre später sah Sir Richard Hawkins ein Land, welches man für identisch mit jenem hält, und dem er zu Ehren seiner Souveränin, der Königin Elisabeth den Namen Virginien gab. Endlich besuchten den Archipel ja auch Fahrzeuge aus St. Malo, zweifelsohne für Frezier die Ursache, die Inseln als »Malouinen« zu bezeichnen.

Nachdem er eine Anzahl Felsenberge, Eilande und Caps getauft, verließ Byron Port Egmont am 27. Januar und segelte nach dem Hafen Désiré, den er neun Tage später erreichte. Hier fand er die »Florida«, ein Transportschiff, das ihm von England Lebensmittel und den bei einer so weiten Reise allemal nöthig werdenden Ersatz an Ausrüstungs-Gegenständen zuführte. Der Ankerplatz erwies sich aber zu gefährlich, und die »Florida« wie die »Tamar« waren in zu schlechtem Zustande, um hier eine so langwierige Arbeit, wie die Umfrachtung der Ladung, vorzunehmen. Byron beorderte auf die »Florida« also einen seiner niederen Offiziere, der mit der Magelhaens-Straße hinlänglich bekannt war, und ging mit den beiden Begleitschiffen nach Port Famine unter Segel.

In der Meerenge begegnete er wiederholt einem französischen Fahrzeuge, das mit ihm gleichen Kurs einzuhalten schien. Nach seiner Ankunft in England hörte er, daß jenes die von Bougainville befehligte »Aigle« gewesen war, der auf der patagonischen Küste für die neue französische Kolonie auf den Falklands-Inseln Holz einnahm.

Bei ihren wiederholten Landungen in der Meerenge erhielt die englische Expedition auch den Besuch mehrerer Horden von Feuerländern. »Niemals habe ich,« äußert sich Byron, »so elende Geschöpfe gesehen. Sie gingen nackt bis auf eine über die Schultern geworfene stinkende Haut von Meerwölfen, und trugen als Waffen Bogen und Pfeile, die sie mir für einige Halsperlen und andere Kleinigkeiten zum Tausch anboten. Die über zwei Fuß langen Pfeile waren aus Schilfrohr hergestellt und an der Spitze mit einem grünlichen Steine versehen; die Bogen, deren Sehne aus zusammengedrehten Thierdärmen bestand, gegen drei Fuß lang. Einige Früchte, Muscheln und vom Sturm auf den Strand geworfene halbverfaulte Fische bildeten ihre Nahrung. Ihre gewöhnliche Speise hätte wohl kaum ein Schwein berührt; diese bestand nämlich aus einem schon ganz fauligen, die Luft entsetzlich verpestenden Stücke Walfischfleisch. Einer der Leute zerriß das Aas mit den Zähnen und vertheilte es an die Uebrigen, die es mit der Gier wilder Thiere verschlangen. Einige dieser elenden Wilden entschlossen sich, an Bord zu kommen. Um ihnen eine Belustigung zu bereiten, spielte einer meiner niederen Offiziere Violine und mehrere Matrosen tanzten dazu. Jene schienen von dem Anblick ganz entzückt. Ungeduldig, ihre Dankbarkeit zu beweisen, eilte Einer wieder in seine Pirogue hinunter und holte von da einen kleinen Sack aus Meerwolfshaut, gefüllt mit röthlichem Fette, mit dem er das Gesicht des Violinspielers einsalbte. Er hatte nicht üble Lust, mir dieselbe Ehre zu erweisen, gegen die ich mich natürlich verwahrte; dafür bemühte sich jener desto mehr, meine Bescheidenheit zu besiegen, und ich hatte die größte Mühe, mich gegen das mir zugedachte Ehrenzeichen zu vertheidigen.«

Es dürfte hier nicht unnütz erscheinen, die Ansicht Byron's, eines gründlich erfahrenen Seemannes, über die Vortheile und Nachtheile der Schifffahrt durch die Magelhaens-Enge mitzutheilen, vorzüglich, da er mit den meisten anderen Seeleuten, welche diese Meerestheile besuchten, nicht übereinstimmt.

»Die Gefahren und Schwierigkeiten, welche wir zu überwinden hatten, sagt er, könnten zu dem Glauben verleiten, daß es unklug sei, den in Rede stehenden Weg einzuschlagen, und daß die von Europa nach der Südsee steuernden Schiffe besser thäten, das Cap Horn zu umschiffen. Diese Anschauung theile ich, obwohl ich das Cap Horn selbst zweimal doublirte, jedoch keineswegs. Es giebt nämlich eine Zeit im Jahre, wo nicht nur ein einzelnes Schiff, sondern auch eine ganze Flotte die Meerenge binnen drei Wochen bequem passiren kann, und muß man, um die günstigste Zeit zu benützen, im Monat December in dieselbe einfahren. Ein unschätzbarer Vorzug dieses Weges, der für die Seeleute schon allein entscheidend sein müßte, liegt darin, daß man längs desselben viel Sellerie, Löffelkraut, Früchte und andere antiscorbutische Pflanzen antrifft.

Die Hindernisse, welche wir zu überwältigen hatten und die uns vom 17. Februar bis zum 8. April in der Meerenge aufhielten, sind nur auf Rechnung der Aequinoctien zu setzen, einer gewöhnlich stürmischen Jahreszeit, welche unsere Geduld allerdings mehr als einmal hart auf die Probe stellte.«

Bis zum 26. April, wo er in Sicht von Mas-a-fuero, eine der Inseln der Juan Fernandez-Gruppe, kam, hatte Byron einen nordwestlichen Kurs eingehalten. Hier setzte er sofort einige Matrosen an's Land, welche, nachdem sie Holz und Wasser besorgt, wilde Ziegen jagten, deren Geschmack sie vortrefflicher fanden, als den des besten Wildes in England.

Während des Aufenthaltes an dieser Küste ereignete sich noch ein merkwürdiger Fall. Am Ufer brach sich nämlich plötzlich eine so schwere Brandung, daß die Boote den Strand unmöglich erreichen konnten. Einer der ausgeschifften Matrosen, der freilich des Schwimmens unkundig war, wollte sich trotz des Rettungsgürtels, den er um den Leib trug, nicht in's Wasser wagen, um nach der nächsten Schaluppe zu gelangen. Selbst als man drohte, ihn allein zurückzulassen, konnte er sich nicht zu dem Wagniß entschließen. Da warf ihm einer seiner Kameraden ein Seil mit laufender Schlinge so geschickt über den Körper, daß man jenen nun mit Gewalt heranziehen konnte. Als er in das Boot gehoben wurde, heißt es in einem Berichte Hawkesworth's, hatte der arme Teufel so viel Wasser geschluckt, daß man ihn wohl für todt halten konnte. Er wurde nun an den Füßen aufgehängt, kam bald wieder zu sich und war am nächsten Tage frisch und wohlauf. Trotz dieser wahrhaft wunderbaren Cur möchten wir dieselbe den Rettungsgesellschaften doch nicht anempfehlen.

Von Mas-a-fuero aus wechselte Byron die bisher eingehaltene Richtung, um Davis-Land, die heutige Oster-Insel, aufzusuchen, welche die Geographen unter 27° 30' und etwa hundert Meilen westlich von der amerikanischen Küste verlegten. Acht Tage wurden auf die Nachsuchung verwendet.

Byron schlug nun, da er bei dieser Kreuzfahrt nichts entdecken und sie, wegen seiner Absicht den Salomons-Archipel zu besuchen, nicht länger fortsetzen konnte, einen nordwestlichen Kurs ein. Am 22. Mai trat der Scorbut auf den Schiffen auf und machte bald beunruhigende Fortschritte. Glücklicher Weise entdeckte man am 7. Juni von den Top der Masten Land unter 14° 58' westlicher Länge.

Am anderen Tage lag die kleine Flottille vor zwei Inseln, welche einen recht lachenden Anblick boten. Da standen große, dichtbelaubte Bäume zwischen Sträuchen und Gebüschen, unter denen sich einige Eingeborne umhertummelten, welche eiligst nach dem Strand herabliefen und dort Feuer anzündeten.

Byron schickte sofort ein Boot ab, um einen Ankerplatz zu suchen. Dasselbe kehrte zurück, ohne bis auf eine Kabellänge vom Ufer geeigneten Grund gefunden zu haben. Mit schmerzlichem Verlangen blickten die armen Scorbutkranken, die sich bis an die Schanzkleidung geschleppt hatten, nach der fruchtbaren Insel, auf der die Heilmittel für ihr Leiden wucherten und die zu betreten die Natur ihnen doch verwehrte.

»Sie sahen, so meldet der Bericht, Cocosbäume in Menge und mit Früchten beladen, deren Milchsaft vielleicht das mächtigste Antiscorbuticum der Welt darstellt; sie nahmen mit Recht an, daß sich hier auch Bananen, Limonien und andere Tropenfrüchte finden würden, und um ihrem Mißvergnügen die Krone aufzusetzen, bemerkten sie gar noch Schildkröten am Strande. Alle diese Labungsmittel aber konnten sie jetzt ebenso wenig erlangen, als wären sie durch die halbe Erde davon getrennt gewesen, nur ließ der verlockende Anblick derselben sie ihre Leiden um so schmerzlicher empfinden.«

Byron wollte die Tantalusqualen, denen seine armen Matrosen ausgesetzt waren, nicht unnöthig verlängern, er ging vielmehr, nachdem er der Inselgruppe den Namen der »Inseln der Enttäuschung« beigelegt, schon am 8. Juni wieder unter Segel. Am folgenden Tage erblickte er ein anderes langes, niedriges, mit Cocosbäumen bedecktes Land, in dessen Mitte eine Lagune mit einer kleinen Insel lag. Schon diese Erscheinung bewies den madreporischen Ursprung des Landes und kennzeichnete es als einfaches »Atoll«, das zwar noch keine Insel ist, doch eine solche werden soll. Ein zur Sondirung ausgesendetes Boot fand überall eine steile, mehr einer gekrönten Mauer ähnliche Küste.

Die Urbewohner des Landes ergingen sich inzwischen in zweifellos feindseligen Kundgebungen. Zwei derselben kletterten sogar in das Boot. Der Eine stahl einem Matrosen die Weste, der Andere griff nach der Hutspitze des Hochbootsmannes; da er aber nicht wußte, wie er den Hut erlangen sollte, zog er dessen Besitzer mit zu sich heran, so daß der Hochbootsmann Gelegenheit fand, sich gegen die Diebesgelüste des Wilden zu wehren. Zwei große, mit je dreißig Ruderern bemannte Piroguen machten Miene, die Schaluppen anzugreifen. Diese kamen ihnen indeß zuvor, doch entspann sich, als sie an's Land stießen, noch ein Scharmützel, bei dem die, durch die große Uebermacht bedrängten Engländer selbst von ihren Feuerwaffen Gebrauch machen mußten. Drei oder vier der Insulaner blieben auf dem Platze.

Am nächsten Tage gingen einige Matrosen und von den Scorbutkranken Die, welche die Hängematten zu verlassen vermochten, an's Land. Erschreckt durch die am Tage vorher erhaltene Lection, hielten sich die Eingeborenen verborgen, während die Engländer Cocosnüsse pflückten und andere antiscorbutische Pflanzen einsammelten. Diese Stärkungsmittel gewährten der erschöpften Mannschaft eine so prompte Hilfe, daß nach wenig Tagen kein einziger Kranker mehr an Bord war. Papageien, sehr schöne und äußerst zahme Tauben bildeten nebst wenig anderen Vogelarten die ganze Fauna der Insel, die den Namen »König Georg's-Land« erhielt. Eine bald darauf entdeckte Insel taufte man »Prince de Gallas«. Alle diese Eilande gehörten zu dem Pomotu-Archipel und werden auch »die niedrigen Inseln« genannt, ein Name, den sie mit Recht verdienen.

Am 21. zeigte sich eine neue Inselkette, mit einem Gürtel von schäumender Brandung. Byron verzichtete darauf, von derselben eingehendere Kenntniß zu nehmen, da die Landung mehr Gefahr bot, als sie Vortheil versprach. Er nannte sie »die Inseln der Gefahr«.

Sechs Tage später wurde die Herzog Yorks-Insel entdeckt. Die Engländer fanden hier keine Bewohner, sammelten aber zweihundert Cocosnüsse, die ihnen von unschätzbarem Werthe schienen.

Weiterhin unter 1° 18' südlicher Breite und 173° 46' westlicher Länge erhielt eine isolirte, östlich vom Gilbert-Archipel gelegene Insel den Namen Byron's. Die Hitze wurde hier wahrhaft unausstehlich, und fast alle, von der weiten Fahrt erschöpften Matrosen, welche nur unzureichende, ungesunde Nahrung hatten und halbverdorbenes Wasser trinken mußten, erlagen bald einer leichten Dysenterie.

Am 28. Juli endlich hatte Byron die Freude, die Inseln Saypan und Tinian aufzufinden, welche zu dem Archipel der Mariannen oder Ladronen gehören, und er warf an derselben Stelle Anker, wo vor ihm Lord Anson mit der »Centurion« gelegen hatte.

Sofort wurden Zelte für die Scorbutkranken errichtet. Fast alle Matrosen waren von dieser schrecklichen Krankheit befallen und einige nahe dem Ende ihrer Kräfte. Der Befehlshaber unternahm es gleich anfangs, in die dichten, bis zum Strande herabreichenden Wälder einzudringen, um die herrlichen Gefilde aufzusuchen, von denen man im Berichte von Lord Anson's Capellan so entzückende Schilderungen liest. Wie weit entfernt aber blieben sie von der Wirklichkeit, diese enthusiastischen Beschreibungen! Nach allen Seiten erstreckten sich nur undurchdringliche Gehölze, verworrene Pflanzendickichte oder Brombeer- und andere stachelichte Sträucher, welche man nicht durchdringen konnte, ohne sich bei jedem Schritte die Kleider zu zerreißen. Gleichzeitig fielen ganze Wolken von Mosquitos über die Leute her und zerstachen sie jämmerlich. Eßbares Wild war selten, schwer zu erlangen, das Wasser abscheulich und die Rhede endlich in dieser Jahreszeit so gefährlich, wie nur eine sein kann.

Der beabsichtigte Aufenthalt begann also unter schlechten Aussichten. Doch entdeckte man zuletzt noch Limonien, bittere Orangen, Goyaven, Cocosnüsse, Brot- und andere Früchte. Lieferten diese Bodenerzeugnisse einerseits die erwünschtesten Heilmittel für die Scorbutkranken, so erzeugte doch die, mit sumpfigen Ausdünstungen geschwängerte Luft so verderbliche Fieber, daß zwei Matrosen daran zu Grunde gingen. Dabei strömte ein unablässiger Regen herab und die Hitze wurde unerträglich. »Ich war auf der Küste von Guinea,« sagt Byron, »in Ostindien, auf der unter dem Aequator liegenden Insel St. Thomas, aber nirgends habe ich eine so entsetzliche Hitze angetroffen.«

Wenigstens konnte man sich hier aber leicht mit Geflügel und wilden Schweinen im durchschnittlichen Gewicht von 200 Pfund reichlich versorgen, doch mußte das Fleisch an Ort und Stelle verzehrt werden, da es schon nach einer Stunde zu faulen begann. Die Fische endlich, welche man hier an der Küste fing, waren so ungesund, daß Alle, die davon, selbst nur mäßig aßen, sehr ernstlich erkrankten und wirklich in Lebensgefahr kamen.

Nach neunwöchentlichem Aufenthalte verließen die beiden Schiffe am 1. October, reichlich versehen mit Stärkungs- und Nahrungsmitteln, die Rhede von Tinian wieder. Byron gelangte nach der schon von Anson gesehenen Insel Anatacan und steuerte immer weiter nach Norden, um womöglich den Nordost-Monsun zu erreichen, bevor er nach den Bashers kam, einen Archipel im äußersten Norden der Philippinen. Am 22. bekam er die Insel Grafton, die nördlichste jener Gruppe in Sicht, und erreichte am 3. November die Insel Timoan, welche Dampier schon als eine Oertlichkeit bezeichnet hatte, wo man sich leicht mit allerlei Nahrungs- und Erfrischungsmitteln versorgen könne. Die der malayischen Race angehörigen Einwohner aber wiesen die Aexte, Messer und eisernen Instrumente, welche man ihnen als Tauschobjecte für Geflügel anbot, mit Nichtachtung zurück. Sie wollten Rupien haben. Zuletzt begnügten sie sich indessen doch noch mit einigen Taschentüchern, als Preis für ein Dutzend Stück Federvieh, eine Ziege und deren Zicklein. Zum Glück erwies sich der Fischfang sehr ergiebig, denn es war fast unmöglich, sich stets frische Nahrungsmittel zu beschaffen.

Byron ging also am 7. November wieder unter Segel, passirte Poulo-Contor in weiter Entfernung und ankerte einmal bei Poulo-Toya, wo er eine Schaluppe mit holländischer Flagge, aber rein malayischer Besatzung antraf. Dann erreichte er Sumatra, hielt sich längs dessen Küste und warf am 28. November Anker vor Batavia, dem Hauptsitz der holländischen Herrschaft in Ostindien.

Auf der Rhede lagen hier noch mehr als hundert große und kleine Schiffe, so sehr stand jener Zeit der Handel der Indischen Compagnie in Blüthe. Die Stadt selbst erfreute sich damals des höchsten Glanzes. Ihre breiten, wohl angelegten Straßen, die sehr gut unterhaltenen und mit prächtigen Bäumen besetzten Kanäle und die gleichmäßigen Häuser verliehen ihr einen Anblick, der sehr lebhaft an die Städte der Niederlande erinnerte. Portugiesen, Chinesen, Engländer, Holländer, Perser und Malayen belebten die Promenaden und die Geschäftsgegenden der Stadt; Feste, Empfangsfeierlichkeiten und Vergnügungen jeder Art erweckten in jedem Fremden eine hohe Vorstellung von ihrem Wohlstande und erhöhten den Reiz des Aufenthaltes hierselbst. Der einzige Uebelstand – für Seeleute, welche eine so lange Reise hinter sich hatten, freilich nicht der kleinste – war die Ungesundheit des Ortes, wo die Fieber nie aufhören. Da Byron diese Verhältnisse kannte, beeilte er sich, neuen Proviant zu erhalten, und lichtete schon nach zwölftägigem Aufenthalte wieder die Anker.

Trotz der Kürze dieser Rast hatte sie doch schon zu lange gewährt. Kaum waren die Fahrzeuge durch die Sunda-Straße gekommen, als ein heftiges putrides Fieber die Hälfte der Mannschaft auf das Lager warf und drei Matrosen sogar tödtete.

Nach achtundvierzigtägiger Reise bekam Byron die Küste Afrikas in Sicht und ging drei Tage später in der Tafelbai vor Anker.

Die Capstadt lieferte Alles, was er brauchte, Lebensmittel, Wasser, Arzneien, Alles wurde mit einer Eile verladen, welche sich nur durch die Sehnsucht nach der Heimkehr erklärt, und endlich richtete man nun die Schiffsschnäbel nach den Gestaden der Heimat.

Nur zwei Ereignisse unterbrachen die eintönige Fahrt über den Atlantischen Ocean.

»Auf der Höhe von St. Helena,« sagt Byron, »erhielt das Schiff plötzlich bei schönstem Wetter, günstigem Winde und in weiter Entfernung vom Lande einen so harten Stoß, als sei es auf eine Bank aufgefahren. Die Heftigkeit der Bewegung brachte uns Alle auf die Beine und wir eilten schleunigst auf Deck. Da sahen wir das Meer sich im weiten Umkreise blutig färben, was unsere Befürchtungen bald zerstreute. Wir schlossen daraus, daß wir auf einen Walfisch oder ein ähnliches Seesäugethier gestoßen wären und unser Schiff wahrscheinlich ohne Beschädigung davon gekommen sei, was sich auch bestätigte.«

Einige Tage später befand sich die »Tamar« in einem so schlechten Zustande und hatte vorzüglich am Steuerruder so schwere Havarien erlitten, daß man eine Maschinerie erfinden mußte, dasselbe einstweilen zu ersetzen, und sich genöthigt sah, die Antillen anzulaufen, da es gefährlich erschien, die Reise noch weiter fortzusetzen.

Am 9. Mai 1766 warf die »Dauphin« bei Dunes Anker, nach einer Reise um die Erde, welche nahezu dreiundzwanzig Monate gedauert hatte.

Von allen Erdumsegelungen der Engländer war diese die glücklichste gewesen. Bis zu dieser Zeit hatte man auch noch keine solche, in ausschließlich wissenschaftlichem Interesse ausgeführt. Wenn die Ergebnisse derselben nicht so reichlich ausfielen, wie man erwartet haben mochte, so ist dafür weniger der Befehlshaber, der ja hinreichende Proben seiner Befähigung ablegte, verantwortlich zu machen, als das Gremium der Lords der Admiralität, deren Instructionen nicht bestimmt genug lauteten, und welche nicht dafür Sorge getragen hatten, wie es später üblich wurde, der Expedition Special-Gelehrte für die verschiedenen Fächer der Wissenschaft beizugeben.

Uebrigens ließ man Byron alle Gerechtigkeit widerfahren. Man belohnte ihn mit dem Admiralstitel und übertrug ihm ein wichtiges Kommando in Ostindien. Der letzte Theil seines Lebens, das im Jahre 1786 endigte, bietet keine für unser Thema geeigneten Anhaltepunkte, wir beschäftigen uns mit demselben hier also nicht weiter.

II.

Wallis und Carteret. – Vorbereitungen. – Beschwerliche Fahrt durch die Magelhaens-Straße. – Trennung der »Dauphin« und der »Swallow«. – Die Insel Whitsunday. – Die Königin Charlotte-Insel. – Cumberland, Henry u. a. m. – Tahiti. – Die Inseln Howe, Voskaven und Keppel. – Insel Wallis. – Batavia. – Das Cap. – Entdeckung der Inseln Pitcairn, Osnabrugh und Glocester durch Carteret. – Der Archipel Santa-Cruz. – Die Salomons-Inseln. – Der Kanal St. Georg und Neu-Irland. – Die Portland- und Admiralitäts-Inseln. – Macassar und Batavia. – Begegnung mit Bougainville im Atlantischen Ocean.

Nachdem einmal der Anstoß gegeben war, betrat England den Weg jener großartigen wissenschaftlichen Expeditionen, welche für dessen Marine so fruchtbringend sein und ihr ein so großes Ansehen verleihen sollten. Welch' unschätzbare Ausbildung gewähren auch solche Erdumsegelungen, bei denen die Mannschaften, Officiere wie Soldaten, stets auf unerwartete Vorkommnisse gefaßt sein mußten und die Eigenschaften des Seemannes, des Soldaten, ja, des Menschen überhaupt jeden Augenblick auf die Probe gestellt werden konnten. Wenn die englische Seemacht Frankreich während der Kriege der Revolutionszeit und des Kaiserthums stets durch ihre Überlegenheit erdrückte, so ist das wohl ebenso gut den Matrosen und Seeleuten zuzuschreiben, die sich im harten Dienste ausbildeten, wie der Zerrissenheit des Landes selbst, welche dasselbe jeder Oberleitung der Marine beraubt hatte.

Die englische Admiralität organisirte also, sofort nach Byron's Heimkehr, eine neue Expedition, doch scheint es, als ob dieselbe gar zu eilig vorbereitet worden sei. Anfang Mai war die »Dauphin« nach Dunes zurückgekommen und schon sechs Wochen später, am 19. Juni, übernahm Kapitän Samuel Wallis das Commando derselben.

Dieser Officier hatte, nachdem er alle Grade eines Marinesoldaten durchlaufen, in Canada ein wichtiges Commando geführt und zur Einnahme von Louisbourg wesentlich beigetragen. Wir wissen nicht, warum die Admiralität gerade ihn unter so vielen Seeofficieren, die ihr zur Verfügung standen, auserwählte; doch hatten die edlen Lords keine Ursache, ihre getroffene Entscheidung zu bereuen.

Wallis ging sofort daran, die »Dauphin« wieder in seetüchtigen Zustand zu versetzen, und am 21. August, also kaum zwei Monate nach Uebernahme seines Auftrags, vereinigte er sich auf der Rhede von Portsmouth mit der Schaluppe »Swallow« und der Flute »Prince Frederic«. Das zweite dieser Fahrzeuge stand unter dem Befehl des Lieutenants Brine; das erstere hatte als Kapitän Philipp Carteret, einen ausgezeichneten Officier, der mit Byron eben die Reise um die Erde gemacht und dessen zweite Fahrt sein schon erworbenes Ansehen noch wesentlich steigern sollte. Leider schien die »Swallow« wenig geeignet, den Anforderungen zu entsprechen, die man an sie stellen mußte. Schon seit dreißig Jahren im Dienst, war dieses Schiff nur leicht bekleidet, sein Kiel in Ermangelung einer Metallbedeckung, nicht einmal mit Nieten beschlagen, die ihn hätten vor Würmern schützen können; endlich waren die Lebensmittel und Tauschwaaren so eigentümlich vertheilt, daß die »Swallow« nur eine weit geringere Menge davon erhielt als die »Dauphin«. Vergebens reclamirte Carteret Kabelgarn, eine Schmiedezange und verschiedene andere Gegenstände, deren Unentbehrlichkeit ihm aus Erfahrung bekannt war. Die Admiralität erwiderte darauf nur, Schiff und Ausrüstung entsprächen vollkommen den zu stellenden Anforderungen. Diese Antwort bestätigte noch mehr Carteret's Glauben, daß man nicht weiter als bis zu den Falklands-Inseln segeln werde. Nichtsdestoweniger traf er alle nothwendigen Maßnahmen, welche seine Erfahrung ihm eingaben.

Sofort nach vollendeter Ausrüstung, d. h. am 22. August 1766, gingen die Schiffe unter Segel. Wallis machte sehr bald die Bemerkung, daß die »Swallow« ein möglichst schlechter Segler war und ihm während der Reise noch oftmals hinderlich sein werde. Die Fahrt bis zur Insel Madeira ging jedoch ganz glücklich von statten; hier hielten die Schiffe zum ersten Male an, um den schon verbrauchten Proviant zu ersetzen.

Beim Verlassen dieses Hafens händigte der Commandant an Carteret eine Abschrift seiner Instructionen aus und bezeichnete ihm Port Famine in der Magelhaens-Straße als Stelldichein, im Fall sie unterwegs von einander getrennt würden. Der Aufenthalt in Port Praya, auf der Insel Santiago, wurde abgekürzt, weil daselbst eben eine Pockenseuche heftig wüthete, und Wallis ließ seine Leute nicht einmal an das Land gehen. Kaum hatte das kleine Geschwader die Linie passirt, als die »Prince Frederic« eine erlittene Havarie meldete, so daß man ihr den Schiffszimmermann senden mußte, um ein Leck an Backbord zu verschließen. Dieses Fahrzeug, dessen Lebensmittel schon recht verdorben waren, hatte übrigens schon viele Kranke.

Am 19. November, Abends gegen acht Uhr, beobachteten die Mannschaften ein außergewöhnliches Meteor, das von Nordost nach Südwest und in scheinbar gleichbleibender Höhe mit rasender Schnelligkeit dahinglitt. Es blieb eine Minute lang sichtbar und ließ einen lebhaft glänzenden Feuerstreifen zurück, der das Oberdeck taghell beleuchtete.

Am 8. December bekam man endlich die Küste Patagoniens in Sicht. Wallis segelte längs derselben hin bis zum Cap der Heiligen Jungfrau, wo er mit einigen bewaffneten Abtheilungen von der »Swallow« und der »Prince Frederic« an's Land ging. Eine Gesellschaft Eingeborner, welche die Europäer am Strande erwartete, nahm mit den Zeichen höchster Befriedigung die Messer, Scheeren und andere Kleinigkeiten an, welche man bei einem derartigen Zusammentreffen auszutheilen pflegt; um keinen Preis wollten sie aber die in ihrem Besitze befindlichen Guanako's (Lamas), Strauße und anderes Wild abgeben.

»Wir maßen, sagt Wallis, die größten der Leute. Einer hatte 6 Fuß 6 Zoll, Einzelne 5 Fuß 5 Zoll, die Länge der Meisten erreichte aber 5 Fuß 6 Zoll bis 6 Fuß.«

Man beachte, daß hier von englischen Fußen die Rede ist, welche nur 305 Millimeter enthalten. Entsprach die Gestalt dieser Eingebornen auch nicht der der Riesen, von der die ersten Reisenden erzählten, so hatten doch weitaus die Meisten eine außergewöhnliche Größe.

»Ein Jeder trug,« so meldete der Bericht, »im Gürtel eine eigenthümliche Waffe; dieselbe bestand aus zwei runden, lederüberzogenen Steinen, im Gewichte von etwa je ein Pfund, welche an den Enden eines ungefähr acht Fuß langen Strickes befestigt waren. Sie bedienten sich derselben wie einer Schleuder, indem sie einen Stein in der Hand haltend, den anderen um den Kopf schwingen, bis er eine hinreichende Schnelligkeit erlangt hat, und ihn dann gegen das Ziel schleudern. Hierin zeigen sie eine solche Geschicklichkeit, daß sie auf die Entfernung von fünfzehn Ruthen einen Gegenstand in der Größe eines Schillings mit beiden Steinen treffen. Doch benutzen sie z. B. diese Waffe nicht bei der Jagd auf Guanako's oder Strauße.«

Wallis nahm acht jener Patagonier mit an Bord. Die Wilden zeigten sich beim Anblick so vieler außergewöhnlicher und für sie neuer Gegenstände nicht so erstaunt, wie man hätte glauben sollen. Nur ein Spiegel erregte ihre höchste Bewunderung. Sie traten vor denselben hin, gingen zurück, spielten tausend Possen und sprachen lebhaft untereinander. Auch die lebenden Schweine interessirten sie kurze Zeit; am meisten schienen sie sich aber über die Guineahühner und Truthähne zu amüsiren. Man hatte zuletzt viele Mühe, sie vom Schiffe wieder wegzubringen. Doch gingen sie endlich an's Ufer, sangen lustig und gaben den sie am Strande erwartenden Landsleuten durch allerlei Zeichen ihre Freude zu erkennen.

Am 17. December gab Wallis der »Swallow« das Signal, als erstes Schiff des kleinen Geschwaders in die Magelhaens-Straße einzulaufen. Bei Port Famine ließ der Commandant dann zwei große Zelte für die Kranken, die Holzfäller und die Segelmeister errichten. Fische in hinreichender Menge, um davon die tägliche Mahlzeit zu bereiten, viel Sellerie, nebst säuerlichen, den Moosbeeren und Berberitzen ähnlichen Früchten, das waren etwa die Naturerzeugnisse der Umgebung, welche die zahlreichen Scorbutkranken der Schiffe in weniger als vierzehn Tagen vollständig wieder herstellten. Die Schiffe selbst wurden ausgebessert, zum Theil frisch kalfatert, die Segel, das laufende und stehende Gut (d. i. Tauwerk), welches stark angestrengt worden war, sorgfältig nachgesehen, und bald war man wieder im Stande, auf das Meer zu gehen.

Vorher ließ Wallis jedoch eine große Menge Holz fällen, das man auf die »Prince Frederic« verlud, um nach den Falklands-Inseln, wo bekanntlich keines wuchs, geschafft zu werden. Gleichzeitig ließ er auch mehrere Tausend junger Bäume sehr vorsichtig und in der Weise ausheben, daß ihre Wurzeln von einem Ballen Erde umhüllt blieben, um deren Verpflanzung nach Port Egmont zu erleichtern, wo sie, im Fall des zu erhoffenden Gedeihens dieser von der Natur stiefmütterlich bedachten Gegend einst zu großem Nutzen gereichen mußten. Endlich ward der Proviant der Flute auf die »Dauphin« und die »Swallow« vertheilt. Die erstere nahm davon für ein Jahr, die andere für zehn Monate ein.

Wir wollen hier nicht ausführlicher auf die Vorfälle eingehen, welche die Schiffe während der Fahrt in der Meerenge trafen, z. B. unerwartete Windstöße, Schneewehen und Stürme, unbekannte, reißende Strömungen, Springfluthen und Nebel, welche beide Fahrzeuge mehr als einmal an den Rand des Verderbens brachten. Vorzüglich die »Swallow« befand sich in so traurigem Zustande, daß Kapitän Carteret Wallis vorstellte, wie sein Schiff der Expedition nichts mehr zu nützen im Stande sei, und ihn um solche Vorschriften bat, die er für die zweckmäßigsten hielt.

»Die Befehle der Admiralität lassen keine willkürliche Deutung zu,« antwortete Wallis, »Sie haben sich denselben unterzuordnen und die ›Dauphin‹ zu begleiten, so lange das irgend ausführbar ist. Ich weiß, daß die ›Swallow‹ ein schlechter Segler ist, werde mich also nach ihr richten und deren Bewegungen folgen, denn es ist für den Fall eines, dem einen der beiden Schiffe zustoßenden Unglücks von Wichtigkeit, daß das andere in der Nähe sei, um jenem den möglichsten Beistand zu leisten!«

Carteret konnte hierauf nichts erwidern; er schwieg, doch ihm ahnte nichts Gutes.

Als die Schiffe sich der Mündung der Meerenge an der Seite des Pacifischen Oceans näherten, gestaltete sich die Witterung ganz abscheulich. Dichte Dunstmassen, Schneewirbel und Regenböen, Strömungen, welche die Schiffe in die Brandung trieben, und schwerer Seegang hielten die Seefahrer bis zum 10. April in der Meerenge zurück. Am genannten Tage wurden die »Dauphin« und die »Swallow« auf der Höhe des Cap Pilar von einander getrennt und fanden sich auch nicht wieder, da es Wallis unterlassen hatte, einen neuen Punkt für eine Wiedervereinigung zu bestimmen.

Bevor wir Wallis auf seiner Reise über den Stillen Ocean folgen, flechten wir hier eine von ihm herrührende Schilderung der Bewohner von Feuerland und des allgemeinen Aussehens des Landes ein. So roh und armselig wie möglich, ernähren sich die Eingebornen meist mit dem rohen Fleische der Seekälber und Pinguine.

»Einer unserer Leute,« erzählt Wallis, »der mit der Angel fischte, schenkte einem dieser Amerikaner einen eben gefangenen, noch lebenden Fisch, der etwas größer als ein Häring sein mochte. Der Amerikaner ergriff ihn mit der Begierde eines Hundes, dem man einen Knochen vorwirft. Er tödtete ihn durch einen Biß in der Nähe der Kiemen und ging daran ihn zu verzehren, wobei er am Kopfe anfing und mit der Schwanzflosse aufhörte, und Gräten, Schuppen und Eingeweide mitverschlang.«

Die Eingebornen vertilgen überhaupt Alles, was man ihnen anbietet, es mag roh oder gekocht, frisch oder gesalzen sein, doch verschmähen sie, etwas Anderes als Wasser zu trinken. Zur Bedeckung ihres Körpers benutzten sie nur eine schlechte Robbenhaut, die ihnen bis auf die Kniee herabfiel. Ihre Waffen bestanden in kurzen Wurfspießen mit einem Fischknochen an der Spitze. Alle hatten entzündete Augen, was die Engländer ihrer Gewohnheit zuschrieben, im Rauche zu sitzen, um sich der Mosquitos zu erwehren. Endlich strömten sie einen unausstehlichen, dem der Füchse ähnlichen Geruch aus, der ohne Zweifel von ihrer entsetzlichen Unsauberkeit herrührte.

Wenn dieses Bild nicht anziehend erscheint, so ist es dafür um so treffender, wie auch alle späteren Reisenden bestätigt haben. Für diese, mit den Thieren fast auf gleicher Stufe stehenden Wilden scheint die Welt still gestanden zu haben. Die Fortschritte der Civilisation sind für sie ein todter Buchstabe geblieben, und sie führen ihr elendes Leben ganz so fort wie ihre Väter, ohne an die Verbesserung ihrer Existenz zu denken oder das Bedürfniß nach größerer Annehmlichkeit des Lebens auch nur zu empfinden.

»Wir verließen also, sagt Wallis, diese wilde, ungastliche Gegend, wo wir fast vier Monate lang in fortwährender Gefahr schwebten, Schiffbruch zu leiden, wo das Wetter auch im Hochsommer nebelig, kalt und stürmisch ist, wo die Thäler ohne Grün, die Berge ohne Wald sind, und das Land endlich vielmehr den Anblick von Ruinen einer Welt, als den einer Wohnstätte lebendiger Wesen bietet.«

Kaum aus der Meerenge herausgekommen, schlug Wallis einen westlichen Weg ein, unter stürmischen Winden, dichtem Nebel und so schwerem Seegange, daß mehrere Wochen hindurch auf dem ganzen Schiffe kein trockenes Fleckchen zu finden war. Diese andauernde Feuchtigkeit erzeugte viele Katarrhe und ernstlichere Fieber, denen sich bald der Scorbut anschloß. Als er den 32. Grad südlicher Breite unter 100 Grad westlicher Länge erreicht hatte, steuerte der Befehlshaber direct nach Norden.

Am 6. Juni entdeckte man zur allgemeinen Freude zwei Inseln. Zwei sofort klar gemachte und bemannte Boote fuhren unter Leitung des Lieutenants Furneaux an's Ufer.

Hier wurden einige Cocosnüsse und eine Menge antiscorbutischer Pflanzen eingesammelt, auch fanden die Engländer zwar Hütten und Hängematten, aber keinen einzigen Bewohner. Diese Insel, welche man am Pfingstvorabende entdeckte – weshalb sie den Namen »Whitsunday« erhielt – liegt unter 19° 26' südlicher Breite und 137° 56' westlicher Länge und gehört, ebenso wie die folgenden, zum Pomotu-Archipel.

Am nächsten Tage versuchten die Engländer mit den Bewohnern einer Nachbarinsel in Verbindung zu treten, die Eingebornen benahmen sich aber so feindselig und das Ufer war so steil, daß man unmöglich an derselben landen konnte. Wallis kreuzte nun die ganze Nacht über in der Nähe und sandte dann die Boote zurück mit dem Befehl, den Eingebornen kein Leid zuzufügen, außer wenn sie durch die Nothwendigkeit dazu gezwungen würden. Als sich Lieutenant Furneaux dem Lande näherte, war er erstaunt, sieben große, zweimastige Piroguen zu sehen, in welchen sich alle Eingebornen einschifften. Nach ihrer Abfahrt betraten die Engländer den Strand und durchstreiften die Insel nach allen Seiten. Sie fanden hier mehrere Cisternen voll recht gutem Wasser. Der Boden war eben, sandig, mit Bäumen, vorzüglich mit Cocos- und anderen Palmen bedeckt und da und dort mit antiscorbutischen Pflanzen bestanden.

»Die Bewohner dieser Insel,« so lautet der Bericht, »waren von mittlerer Größe und dunkler Hautfarbe und hatten lange schwarze, auf die Schultern herabfallende Haare. Die Männer erschienen wohlgebaut und die Frauen recht hübsch. Ihre Kleidung bestand aus groben Stoffen, die sie mit einer Art Gürtel zusammenhielten, die aber dazu eingerichtet schien, über die Schultern geworfen zu werden.«

Im Laufe des Nachmittags sendete Wallis seinen Lieutenant noch einmal nach dem Lande, um Wasser zu holen und von der Insel, welche zu Ehren der Herrscherin von England den Namen »Königin Charlotte« erhielt, im Namen Georg's III. Besitz zu ergreifen.

Nachdem er sie selbst in Augenschein genommen, beschloß Wallis hier eine Woche lang zu verweilen, weil man sich alles Nothwendige mit Leichtigkeit beschaffen konnte.

Bei ihren Streifzügen fanden die englischen Seeleute verschiedene Werkzeuge und Geräthe aus Muschelschalen und zugespitzten Steinen, letztere in Form von gestielten Aexten, Messern und Pfriemen. Sie sahen auch mehrere Canots aus regelrecht zusammengefügten Planken. Am meisten erregten ihre Verwunderung aber die Gräber, in denen die Leichen, unter einem Dache sitzend, in der freien Luft verwesten. Für den Schaden, den sie den Eingebornen durch Mitnahme der obenerwähnten Gegenstände zufügten, ließen sie ihnen Hacken, Nägel und andere Objecte zurück.

Wenn das 18. Jahrhundert strenge philantropische Grundsätze aufstellte, so erkennt man aus den Berichten der Reisenden jener Zeit, daß diese damals sehr landläufigen Theorien wirklich auch häufig zur Wahrheit gemacht wurden. Die Menschlichkeit hatte eben große Fortschritte gemacht. Die Verschiedenheit der Hautfarbe bildete fernerhin kein Hinderniß mehr, in jedem Menschen einen Bruder zu erkennen, und schon gegen Ende des Jahrhunderts brach sich der wohlwollende Gedanke Bahn, allen Negern die Freiheit zu gewähren, und fand derselbe auch bald zahlreiche Anhänger.

An dem nämlichen Tage ward im Westen der Königin Charlotten-Insel ein neues Land entdeckt, längs dessen Küste die »Dauphin« hinsegelte, ohne Ankergrund finden zu können. Niedrig, bedeckt mit Bäumen, außer Cocospalmen, und ohne Spuren von Bewohntsein, schien dieselbe nur ein Jagdplatz für die Bewohner der Nachbarinseln zu sein. Wallis sah auch keinen Grund, hier zu verweilen. Er gab ihr nur den Namen »Egmont«, zu Ehren des Grafen Egmont, des damaligen ersten Lords der Admiralität.

An den folgenden Tagen machte man neue Entdeckungen; man fand nämlich nach und nach die Inseln Glocester, Cumberland, William Henri und Osnabrugh. Lieutenant Furneaux konnte sich hier, ohne auf letztere an's Land zu gehen, einige Erfrischungen verschaffen, die er von mehreren am Strande liegenden beladenen Piroguen entnahm, aus deren Vorhandensein er auch den Schluß zog, daß größere Inseln in der Nähe liegen möchten, wo man sich mit reichlichem Proviant werde versorgen können und welche gewiß bequemer anzulaufen sein würden.

Diese Prophezeiungen sollten bald in Erfüllung gehen. Am 19. mit Sonnenaufgang sahen sich die englischen Seeleute zu ihrem größten Erstaunen von mehreren Hunderten größerer und kleinerer Piroguen umringt, in welchen mehr als 800 Individuen saßen. Nachdem jene sich eine Zeit lang in respectvoller Entfernung gehalten hatten, ruderten einige Eingeborne näher heran und hielten dann Bananenzweige in die Höhe. Sie kamen darauf an Bord, wo sich eben ein lebhafter Tauschhandel entwickelte, als ein höchst lächerlicher Zufall die freundschaftlichen Beziehungen zu stören drohte.

Einer der Eingebornen, der an den Laufplanken lehnte, wurde nämlich von einer Ziege gestoßen. Er dreht sich um, sieht das ihm unbekannte auf den Hinterfüßen emporgerichtete Thier, das ihn eben von Neuem angreifen will, und stürzt sich, vom Schrecken erfaßt, kopfüber in das Meer. Die Anderen folgen seinem Beispiele. Sie beruhigten sich jedoch später über den gehabten Schreck, kamen wieder an Bord und verwandten alle ihre Geschicklichkeit darauf, einige Gegenstände zu entführen, doch wurde dabei nur der Hut eines Officiers gestohlen. Inzwischen fuhr das Schiff langsam an der Küste hin, um einen sicheren, geschützten Hafen zu suchen, während die Boote sich, um zu sondiren, näher am Lande hielten.

Niemals auf ihrer Reise hatten die Engländer ein so pittoreskes, anziehendes Land gesehen. Am Strande des Meeres überschatteten dichtbelaubte Baumgruppen, aus welchen wieder einzelne Cocospalmen ihr schlankes Haupt erhoben, die Hütten der Eingebornen. Weiter im Innern stieg eine Hügelkette mit bewaldeten Gipfeln etagenförmig empor, und inmitten des grünen Teppichs erkannte man die Silberstreifen einer Menge Bäche, welche zum Meere hinabeilten.

Nahe der Einfahrt in eine geräumige Bucht sahen sich die von dem Schiffe eben etwas weiter entfernten Schaluppen plötzlich von einer großen Anzahl Boote umringt. Um eine Collision zu vermeiden, ließ Wallis neun Steinböllerschüsse über die Köpfe der Eingebornen abfeuern; trotz des Schreckens, den ihnen der Donner der Geschütze einflößte, drangen sie jedoch noch weiter vor. Der Kapitän beorderte seine Boote also nach dem Schiffe zurück. Da fingen einzelne in ziemlicher Nähe befindliche Wilde an, mit Steinen zu werfen und verwundeten mehrere Matrosen. Der Führer der Schaluppe beantwortete diesen Angriff nun durch einen scharfen Schuß, der einen der Feinde zu Boden streckte und die anderen verjagte.

Am nächsten Tage konnte die »Dauphin« vor der Mündung eines prächtigen Flusses bei zwanzig Faden Wasser vor Anker gehen. Unter den Matrosen herrschte allgemeiner Jubel. Sofort umschwärmten das Fahrzeug wieder viele Piroguen, welche Schweine, Geflügel und eine Menge Früchte zuführten, die bald gegen leichte Schmuckwaren und Nägel ausgetauscht wurden. Da sah sich eines der zum Sondiren in die Nähe des Ufers entsendeten Boote plötzlich mit Wurfspießen und Stöcken angegriffen, so daß die Matrosen von ihren Waffen Gebrauch machen mußten. Einer der Eingebornen ward getödtet, ein anderer schwer verwundet, die übrigen sprangen in's Wasser. Da die Wilden sahen, daß sie Niemand verfolgte und sich gestanden, daß sie diese Strafe reichlich verdient hatten, so begannen sie ihren Tauschhandel bei der »Dauphin« wieder, als ob gar nichts vorgefallen wäre.

An Bord zurückgekehrt, berichteten die Officiere, daß die Eingebornen sie fast genöthigt hätten, an das Land zu kommen, wobei sich vorzüglich die Frauen durch lebhafte, aber nicht unanständige Einladungen hervorthaten. In Schußweite von dem Wasserplatze fand sich übrigens dicht am Strande ein vortrefflicher Ankergrund, nur, daß hier die See ziemlich hohl ging. Die »Dauphin« lichtete also die Anker und ging auf die See hinaus, um unter Wind zu kommen; da gewahrte man aber in der Entfernung von sieben bis acht Meilen eine Bai, in der Wallis zu landen beschloß. Ein Sprichwort sagt, daß das Bessere der Feind des Guten ist. Auch der Kapitän sollte die Richtigkeit desselben erfahren.

Obgleich die Schaluppen vorausgingen, um zu sondiren, stieß die »Dauphin« doch auf ein Riff und fuhr sich mit dem Vordertheile fest. Man ergriff zwar sofort die unter solchen Umständen gebotenen Maßregeln, fand aber außerhalb der madreporischen Felsenkette keinen Grund. Es war demnach unmöglich, die Anker zu versenken und sich mittelst um das Gangspill gelegter Taue wieder loszuwinden. Was war in dieser kritischen Lage nun zu beginnen? Der Schiffsrumpf stieß heftig gegen die Klippen und mehrere Hundert Piroguen schienen nur auf den sicher bevorstehenden Untergang des Fahrzeuges zu warten, um sich auf die ersehnte Beute zu stürzen. Nach einer Stunde sprang glücklicher Weise eine frische Brise vom Lande auf und machte die »Dauphin« flott, welche nun ohne Unfall einen guten Ankerplatz auffand. Die Havarien waren nicht schwer. Sie wurden ebenso schnell vergessen, als sie ausgebessert waren.

Wallis theilte, durch die wiederholten Versuche der Eingebornen zur Vorsicht ermahnt, seine Leute in vier Abtheilungen, deren eine immer unter Waffen blieb, und ließ auch die Geschütze laden. Nach Abwickelung einiger Tauschgeschäfte vermehrte sich wirklich die Zahl der Piroguen, doch schienen sie statt Geflügel, Schweine und Früchte zu bringen, jetzt nur mit Steinen beladen. Die meisten waren auch stark bemannt.

Plötzlich fiel, offenbar auf ein gegebenes Signal, ein ganzer Hagel von Strandsteinen auf das Fahrzeug nieder, Wallis befahl nun, eine Salve zu geben, und ließ auch zwei Kartätschenladungen abfeuern. Diese richteten zwar einige Unordnung an, doch stürmten die Angreifer noch zweimal muthig vorwärts. Da der Kapitän die Zahl der letzteren stetig wachsen sah, wurde er über den möglichen Ausgang des Kampfes schon etwas unruhig, als ein unerwarteter Fall diesem ein Ziel steckte.

Unter den Piroguen, welche die »Dauphin« am hitzigsten bedrängten, befand sich auch eine, die den Anführer zu tragen schien, denn von dieser war das erste Signal zum Kampfe ausgegangen. Ein wohlgezielter Kanonenschuß sprengte dieselbe in zwei Stücke. Mehr bedurfte es nicht, um die Eingebornen in die Flucht zu treiben. Sie verschwanden nun so über Hals und über Kopf, daß nach einer halben Stunde kein einziges Boot mehr zu sehen war. An der Spitze einer starken Abtheilung Matrosen und Marinesoldaten pflanzte nun Lieutenant Furneaux die englische Flagge auf und ergriff im Namen des Königs von England Besitz von der Insel, welche diesem zu Ehren Georg's III. Insel genannt wurde. Es war das die Insel Tahiti der Eingebornen.

Nachdem jene sich so gedemüthigt sahen, schienen sie das Vorgefallene zu bereuen und mit den Fremdlingen wieder einen freundschaftlichen Handelsverkehr beginnen zu wollen, als Wallis, den ein lästiges Unwohlsein an Bord zurückhielt, bemerkte, daß sie damit nur einen zu Wasser und zu Lande auszuführenden Angriff auf seine mit dem Einnehmen von Wasser beschäftigten Leute zu bemänteln suchten. Der Kampf sollte nur kurz, doch um so mörderischer werden. Sobald er die Eingebornen in Schußweite seiner Kanonen sah, ließ er einige Breitseiten auf dieselben abgeben, welche auch hinreichten, ihre Flottille zu zerstreuen.

Um der Wiederkehr solcher feindlichen Unternehmungen ein- für allemal vorzubeugen, mußte er ein Exempel statuiren. Wallis entschloß sich dazu nur mit Widerstreben. Er sendete sofort eine bewaffnete Schaar mit seinen Zimmerleuten an das Land, um die auf das Ufer gezogenen Piroguen zu zerstören. Mehr als fünfzig, deren einige bis sechzig Fuß maßen, wurden vernichtet. Diese Maßregel bestimmte die Tahitier endlich zur Unterwerfung. Sie schafften Schweine, Hunde, Stoffe und Früchte an den Strand und zogen sich selbst dann wieder zurück. Man legte ihnen dafür Aexte und verschiedene Kleinigkeiten dahin, die sie mit dem Ausdrucke der lebhaftesten Freude mit in die Wälder nahmen. Nach geschlossenem Frieden entwickelte sich am folgenden Tage ein lebhafter Handel, durch welchen die Mannschaft überreichlich mit frischem Proviant versorgt wurde.

Es war nun zu erwarten, daß das freundschaftliche Einverständniß während der ganzen Dauer des Aufenthaltes der Engländer von Bestand sein werde. Wallis ließ also in der Nähe des Wasserplatzes ein Zelt aufschlagen, unter dem er seine zahlreichen Scorbutkranken unterbrachte, während die noch gesunden Leute sich mit der Ausbesserung der Takelage und der Segel beschäftigten oder das Schiff kalfaterten und mit neuem Anstrich versahen, um es in Stand zu setzen, die weite Rückfahrt nach England aushalten zu können.

Gerade zu dieser Zeit nahm Wallis' Krankheit einen ernsthafteren Charakter an. Auch der erste Deckofficier befand sich nicht viel besser. Alle Verantwortung ruhte nun also auf Lieutenant Furneaux, der sich seiner Aufgabe auch vollkommen gewachsen zeigte.

Nach vierzehn Tagen, während welcher der Frieden keine Störung erlitt, hatte Wallis die Freude, seine gesammte Mannschaft wieder auf den Füßen und kerngesund zu sehen.

Inzwischen gingen die Lebensmittel wieder zu Ende. Die Eingebornen, denen man schon zu viele Hacken und Nägel gegeben, stellten jetzt höhere Forderungen. Am 15. Juli kam eine hochgewachsene Frau im Alter von etwa vierzig Jahren und von majestätischer Haltung, der die Eingebornen mit großer Ehrfurcht begegneten, an Bord der »Dauphin«. Wallis erkannte an der Würde ihrer Haltung, wie an der Sicherheit des Auftretens, welche Personen kennzeichnet, die zu befehlen gewohnt sind, daß sie eine hohe Stellung einnehmen möge. Er beschenkte sie mit einem blauen Mantel, einem Spiegel und mehreren Kleinigkeiten, die sie mit großer Befriedigung annahm. Als sie das Fahrzeug verließ, lud sie den Commandanten ein, an's Land zu kommen und ihr einen Besuch abzustatten. Wallis entsprach dieser Aufforderung schon am nächsten Tage, obwohl er sich noch sehr schwach fühlte. Er wurde in eine große Hütte geführt, welche einen Raum von 327 Fuß Länge und 42 Fuß Breite einnahm; sie war mit einem Dache von Palmenblättern versehen und ruhte auf 53 Pfeilern. Eine beträchtliche zu diesem Zwecke zusammengerufene Menschenmenge bildete an Wallis' Wege Spalier und begrüßte ihn erfurchtsvoll. Dieser Besuch erhielt durch einen komischen Zwischenfall einen recht heiteren Anstrich. Der Schiffschirurg, den der Weg in Schweiß gebracht hatte lüftete nämlich seine Perrücke, um sich zu erfrischen.

»Der bei diesem Anblick erschallende plötzliche Aufschrei eines Indianers erregte auch die Aufmerksamkeit der übrigen. Die Wundererscheinung zog Aller Augen auf sich. Bewegungslos blieb die ganze Menge eine Zeitlang stehen, und stumm vor Schrecken, der nicht größer hätte sein können, wenn unser Begleiter auch ein anderes Glied von seinem Körper abgenommen hätte.«

Am folgenden Tage traf ein Bote, der der Königin Oberoa für ihren gastlichen Empfang einige Geschenke als Beweise des Dankes überbringen sollte, diese an, als sie wenigstens tausend Personen ein Fest bereitete.

Ihre Diener brachten die Speisen fertig zubereitet herbei, das Fleisch in hohlen Cocosnüssen und Muscheln in einer Art Holztrögen, ähnlich denen, welche unsere Fleischer gebrauchen; sie verteilte dieselben eigenhändig an ihre Gäste, welche ringsum in dem großen Raume saßen. Als das geschehen war, ließ sie sich selbst auf einer Art Estrade nieder und zwei an ihrer Seite stehende Frauen reichten ihr zu essen. Diese präsentirten ihr die Speisen mit den Fingern, so daß sie nur den Mund zu öffnen brauchte.«

Die Nachwirkung dieses freundschaftlichen Verkehres blieb nicht lange aus, und der Markt wurde noch einmal reichlich versorgt, ohne daß die Preise jedoch wieder so weit herabgingen wie bei der Ankunft der Engländer.

Lieutenant Furneaux unternahm auch eine Recognoscirung längs der westlichen Küste, um sich nähere Kenntniß von der Insel zu verschaffen und auszukundschaften, was man etwa von derselben beziehen könne. Ueberall fanden die Engländer eine gute Aufnahme. Sie sahen ein schönes, dichtbevölkertes Land, dessen Einwohner gar nicht so dringend daran gelegen schien, ihre Bodenproducte auszutauschen. Alle Werkzeuge bestanden aus Stein oder Knochen, woraus Lieutenant Furneaux den Schluß zog, daß den Tahitiern noch kein Metall bekannt sein möge. Auch irdene Gefäße besaßen sie nicht und eben deshalb keine Kenntniß davon, daß Wasser auch erhitzt werden könne. Den Beweis dafür erhielt man, als die Königin eines Tages an Bord speiste. Einer der ersten Personen ihres Gefolges nämlich, der den Chirurgen hatte Wasser aus dem Siedekessel in die Theekanne gießen sehen, drehte an dem Hahne der letzteren und bekam die fast noch kochende Flüssigkeit auf die Hand. Er stieß vor brennendem Schmerze ein jämmerliches Geheul aus und lief unter entsetzlichen Verrenkungen in der Cajüte umher. Seine Begleiter konnten gar nicht begreifen, was geschehen sei, und starrten ihn halb erstaunt und halb erschrocken an. Der Chirurg sprang zwar sofort zu Hilfe, aber es dauerte doch ziemlich lange, bis er dem armen Tahitier Erleichterung verschaffen konnte.

Einige Tage später bemerkte Wallis, daß sich seine Matrosen Nägel aneigneten, wo sie solche fanden, um sie den Frauen zu schenken. Sie entfernten sogar einzelne Planken von dem Schiffe, nur um die Schrauben aus denselben und die Zapfen und Eisenstücke, welche jene an den Rippen festhielten, zu erlangen. Fruchtlos ergriff Wallis selbst sehr strenge Maßregeln; aber obgleich er Niemanden ununtersucht an's Land gehen ließ, wiederholten sich diese Vorkommnisse doch noch mehrere Male.

Eine in das Innere der Insel gesendete Expedition fand daselbst ein breites, von einem schönen Flusse bewässertes Thal. Ueberall war der Boden sorgfältig bearbeitet und hatte man Abzugsgräben angelegt, um die Garten- und Obstbaum-Anlagen zu bewässern. Je weiter man vordrang, desto launenhafter wurden die Windungen des Flusses; das Thal verengte sich, die Hügel wuchsen zu Bergen an und der Weg wurde schwieriger. Man erstieg einen von dem Landeplatze gegen sechs Meilen entfernten spitzen Gipfel, in der Hoffnung, von demselben aus die Insel bis in alle Einzelheiten übersehen zu können. Hier zeigte sich die Aussicht aber durch noch höhere Berge verdeckt. Nur nach der Seeseite zu lag das ganze herrliche Bild des Landes frei vor Augen; überall mit prächtigen Wäldern geschmückte Anhöhen, zwischen deren saftigem Grün die Hütten der Eingebornen hervorleuchteten, während die Thäler mit ihren vielen Ansiedelungen und den von lebenden Hecken umschlossenen Gärten einen fast noch schöneren Anblick boten. Außer den Cocosbäumen bestand die Flora des Landes vorzüglich aus Zuckerrohr, Ingwer, Tamarinden und Baumfarren.

Wallis, der das Land mit einigen Erzeugnissen unserer Klimate bereichern wollte, ließ Pfirsich-, Kirsch- und Pflaumenkerne, auch solche von Citronen, Limonen und Orangen stecken, sowie einige Gemüse aussäen. Der Königin schenkte er eine tragende Katze, zwei Hähne, Hühner, Gänse und andere Thiere, von denen er voraussetzen durfte, daß sie gedeihen und sich leicht vermehren würden.

Nun drängte aber die Zeit, und Wallis mußte an die Abfahrt denken. Als er der Königin hiervon Nachricht gab, sank diese in einen Lehnstuhl und begann so bitterlich zu weinen, daß man sie nur mit Mühe beruhigen konnte. Bis zum letzten Augenblicke blieb sie auf dem Schiffe, und als dieses die Segel entfaltete, »umarmte sie uns,« sagt Wallis, »so zärtlich und unsere tahitischen Freunde sagten uns so traurig und rührend Lebewohl, daß es mir wirklich selbst an's Herz ging und meine Augen sich mit Thränen füllten«.

Der erste, wenig entgegenkommende Empfang der Engländer, wie die wiederholten feindlichen Versuche der Eingebornen ließen einen so peinlichen Abschied gewiß nicht voraussehen; doch: Ende gut, Alles gut! sagt ja schon ein altes Sprichwort.

Die Bemerkungen, welche Wallis über die Sitten und Gebräuche der Tahitier einflicht, geben wir hier nur kurz wieder, da wir Gelegenheit haben werden, bei der Erzählung der Reisen Bougainville's und Cooke's darauf zurückzukommen.

Groß, wohlgebaut, rasch in ihren Bewegungen und ziemlich sonnverbrannt, bekleiden sich die Einwohner mit einem weißen Gewebe, das aus der Rinde eines bestimmten Baumes gewonnen wird. Von den zwei, das ganze Kostüm bildenden Stücken ist das eine viereckig und gleicht fast einer Bettdecke. Mit einer Oeffnung zum Durchstecken des Kopfes versehen, erinnert es an die »Zarape« der Mexikaner und den »Poncho« der Eingebornen in Südamerika. Das andere Stück wird um den Körper gewickelt, aber nicht festgebunden. Fast Alle, Männer sowohl wie Frauen, pflegen sich mit sehr engen Linien, welche Figuren bilden, zu tätowiren. Das Verfahren dabei ist folgendes: Die Haut wird vielfach durchstochen und die kleinen Stichöffnungen werden mit einer aus Oel und Seife bestehenden Paste angefüllt, welche sich unvertilgbar festsetzt.

Die Civilisation steht auf sehr niedriger Stufe. Wir erwähnten schon, daß die Tahitier irdene Gefäße nicht kennen. So schenkte Wallis der Königin unter Anderem einen Fleischtopf, den alle Welt mit der größten Neugier in Augenschein nahm.

Von der Religion der Urbewohner erwähnt der Commandant kein Wort. Es schien ihm nur, daß sie manchmal nach gewissen Orten gingen, die er für Begräbnißplätze hielt, wo sie mit dem Ausdrucke des Schmerzes eine Zeit lang verweilten.

Einer der Tahitier, der mehr als die anderen beanlagt schien, die Sitten der Engländer nachzuahmen und sich zu eigen zu machen, erhielt einen vollständigen Anzug, der ihn recht gut kleidete. Jonathan – so hatte man ihn genannt – zeigte sich sehr stolz über seine äußere Erscheinung. Um seiner neuen Lebensart die Krone aufzusetzen, wollte er auch noch lernen, mit der Gabel zu essen, was ihm freilich nicht gelang. Verleitet von der Macht der Gewohnheit, führte er stets nur die Hand zum Munde, das an den Gabelzinken sitzende Stück aber an der Seite der Ohren vorbei.

Am 27. Juli verließ Wallis die Insel Georg's III. Nachdem er am Ufer der Insel des Herzogs von York hingesegelt, entdeckte er verschiedene Inseln und Eilande, die er nicht anlief. Das waren die Inseln Charles-Saunders, Lord Howe, Scilly, Boscaven und Keppel, wo das feindselige Auftreten der Einwohner und die Schwierigkeit an's Ufer zu gehen, ihn zu landen hinderte.

Nun begann auf der südlichen Halbkugel allgemach der Winter. Das Fahrzeug leckte auf allen Seiten und vorzüglich dessen Hintertheil war durch das Steuerruder sehr arg mitgenommen.

Empfahl es sich nun mehr um das Cap Horn oder durch die Magelhaens-Straße zu gehen? Drohte auf diesem Wege nicht der unvermeidliche Schiffbruch? Sollte Wallis nicht vielmehr Tinian oder Batavia zu erreichen suchen, wo alle Havarien bequem ausgebessert werden konnten, um über das Cap der Guten Hoffnung nach Europa zu gelangen? Er entschied sich für letzteres, steuerte also nach Nordwesten und warf am 19. September, nach höchst günstiger Fahrt, über welche weiter nichts zu sagen ist, im Hafen von Tinian Anker.

Alles, was Byron an diesem Orte erlebt hatte, wiederholte sich auch jetzt. Wallis beklagte sich ebenso wie sein Vorgänger über die Schwierigkeit, Proviant zu erhalten, und über unausstehliche Hitze. Dagegen genasen die Scorbutkranken binnen wenig Tagen, die Segel wurden wieder in Stand gesetzt, das Schiff ausgebessert und frisch kalfatert und auch die Mannschaft blieb von Fieberanfällen glücklich verschont.

Am 16. October 1767 stach die »Dauphin« wieder in See; jetzt wurde sie aber von den schwersten Stürmen überfallen, die die Segel zerrissen und das Leck wieder öffneten, das Steuer zum Theil zerstörten und die Cajüte auf dem Hinterdeck, sowie Alles, was sich auf dem Vorderkastell befand, wegspülten.

Dabei umschiffte man die Baschees und segelte durch die Meerenge von Formosa. Später passirte das Schiff die Inseln Sandy, Small-Key, Long-Island, New-Island, hierauf Condor, Timor, Aros und Pisang, Pulo-Taya, Pulo-Tote und Sumatra und kam am 30. November in Batavia an.

Bei dem letzten Theile der Reise wurden nur Punkte berührt, von denen zu sprechen wir schon wiederholt Gelegenheit hatten. Es bleibt also nur der Vollständigkeit wegen noch anzuführen übrig, daß Wallis von Batavia, wo die Mannschaft von Fieberanfällen litt, erst das Cap, dann St. Helena anlief und nach einer Abwesenheit von sechshundertsiebenunddreißig Tagen wieder bei Dunes ankam.

Bedauernswerth ist es immerhin, daß Hawkesworth nicht die, Wallis von der Admiralität mitgegebenen Ordres mittheilt. So vermag man nicht zu beurtheilen, ob der kühne Seemann denselben streng nachgekommen ist. Man sieht nur, daß er die von seinen Vorgängern gewählte Route ziemlich genau eingehalten hat. Fast Alle steuerten nach dem Gefährlichen Archipel und ließen gerade den inselreichsten Theil Oceaniens beiseite, in dem Cook so viele und wichtige Entdeckungen machen sollte. Als erfahrener Seemann wußte er trotz der so eilig betriebenen und deshalb etwas lückenhaften Ausrüstung seines Schiffes, sich doch in allen schwierigen Lagen zu helfen und das etwas gewagte Unternehmen glücklich zu Ende zu führen. Gleiches Lob verdient er auch wegen seiner stets bewiesenen Menschlichkeit und wegen des Eifers, mit dem er verläßliche Kenntnisse über die von ihm besuchten Völker zu sammeln suchte. Hätte er Fachgelehrte als Beistand gehabt, so wäre die wissenschaftliche Ernte dieser Expedition gewiß noch weit reichlicher ausgefallen. Der Fehler liegt auch hier nur auf Seiten der Admiralität. –

Wir sagten früher, daß die »Dauphin«, als sie am 10. April mit der »Swallow« eben die Magelhaens-Straße verließ, bei frischem Segelwinde der letzteren, die ihr nicht zu folgen vermochte, vorauseilte und sich für immer von dem zweiten Schiffe trennte, was den Kapitän Carteret sehr peinlich berührte. Besser als irgend ein Anderer kannte er den erbärmlichen Zustand seines Schiffes und den unzulänglichen Vorrath an Proviant. Er wußte recht wohl, daß er die »Dauphin« erst in England wieder treffen würde, da keinerlei Verabredung getroffen und kein Sammelplatz bestimmt war – ein schweres Versehen des Kapitän Wallis, vorzüglich da er die Gebrechlichkeit seines Begleitschiffes kannte. Nichtsdestoweniger verbarg Carteret seine Besorgnisse vor der Mannschaft.

Uebrigens ließ das abscheuliche Wetter, das die »Swallow« im Stillen Ocean – der seinen Namen Lügen strafte – empfing, kaum Jemanden zum Ueberlegen kommen. Die augenblickliche Gefahr, welcher man Trotz bieten mußte, um nicht zu Grunde zu gehen, verhüllte diejenigen, welche die Zukunft bringen sollte.

Carteret steuerte längs der Küste von Chile nach Norden. Bei der Revision des an Bord befindlichen Vorrathes an Trinkwasser überzeugte er sich, daß dasselbe für die bevorstehende Ueberfahrt auf keinen Fall ausreichen könne. Bevor er also einen westlichen Kurs einschlug, beschloß er, sich auf Juan-Fernandez oder Mas-a-fuero frisch zu versorgen.

Das schlechte Wetter dauerte indessen fort. Am 27. gegen Abend erhob sich plötzlich ein sehr starker Wind, der das Schiff von der rechten Seite traf. Die Heftigkeit des Orcans hätte beinahe die Masten geknickt und das Schiff zum Versinken gebracht. Der Sturm wüthete in gleicher Stärke weiter und die durchnäßten Segel klebten so fest an Masten und Tauen, daß man dieselben kaum regieren konnte.

Am folgenden Tage zerbrach eine Sturzsee die Besanraa gerade da, wo das Segel gerefft war, und setzte das ganze Schiff einige Minuten lang unter Wasser. Das Unwetter ließ darauf nur so lange nach, daß die Mannschaft ein wenig ausruhen und die erlittenen Havarien ausbessern konnte; dann brach es wieder in gleicher Heftigkeit los und hielt, wenigstens mit schweren Böen, bis zum 7. Mai an. Nun wurde der Wind günstiger und drei Tage später kam die Insel Juan-Fernandez in Sicht.

Carteret wußte noch nichts von der Befestigung der Insel durch die Spanier. Er verwunderte sich deshalb nicht wenig, am Ufer eine Menge Leute und nahe am Strande eine Batterie von vier Geschützen zu sehen, während auf einem nahen Hügel ein Fort mit zwanzig Schießscharten lag, über dem die spanische Flagge wehte. Starke Windstöße hinderten ihn am Einlaufen in die Cumberland-Bai, und nachdem er hier einen Tag lang gekreuzt, mußte er sich entschließen, nach Mas-a-fuero weiterzusegeln. Hier traten ihm jedoch dieselben Hindernisse und die hohle See mit furchtbarer Brandung entgegen, so daß er nur mit größter Mühe einige Wassertonnen füllen lassen konnte. Mehrere seiner Leute, die das zu aufgeregte Meer am Lande zurückgehalten hatte, erlegten eine hinreichende Menge Perlhühner, um die ganze Mannschaft zu bewirthen. Außer daß noch zwei Seekälber getödtet und viele Fische gefangen wurden, bot dieser Aufenthalt keinerlei Vortheile, zeichnete sich aber im Gegentheil durch so stürmisches Wetter aus, daß das Schiff wiederholt in Gefahr kam, an der Küste zu scheitern. Mehrmals kam Carteret, wenn ihn auch ungestüme Winde hin- und hertrieben, nach Mas-a-fuero zurück und fand dadurch Gelegenheit, gewisse Irrthümer des Verfassers der Reise des Admiral Anson aufzuhellen, womit er sehr werthvolle Anhaltspunkte für Seefahrer lieferte.

Bei der Abreise von Mas-a-fuero steuerte Carteret nach Norden in der Hoffnung, den Südostpassat zu treffen; da er aber weiter als beabsichtigt hinauf getrieben wurde, beschloß er, die Inseln St. Ambroise und St. Felix oder St. Paul aufzusuchen. Jetzt, nach der Besitznahme und Befestigung der Insel Juan-Fernandez durch die Spanier konnten jene im Falle eines Krieges den Engländern von großem Nutzen sein. Green's Seekarten und Robertson's »Elemente der Schiffahrt« stimmten jedoch bezüglich deren Lage nicht überein. Carteret, der dem letzteren Werke mehr Vertrauen schenkte, suchte nach ihnen im Norden und – verfehlte sie. Nach Durchlesung der von Waser, dem Schiffsarzte Davis', verfaßten Beschreibung, glaubte er, diese beiden Inseln seien das von jenem Flibustier bei Gelegenheit seiner Fahrt im Süden der Galapagos-Inseln gefundene Land und Davis-Land existire überhaupt nicht. Hiermit beging er den doppelten Fehler, erstens die Inseln St. Felix mit Davis-Land zu identificiren und zweitens das Vorhandensein des letzteren, unter welchem nämlich die Osterinsel zu verstehen ist, zu leugnen.

»Wir beobachteten,« sagt Carteret, »unter diesem Breitengrade (18° westlich von seinem Abfahrtspunkte) wiederholt frischere Winde, eine nach Norden verlaufende Strömung und noch andere Anzeichen, daß wir uns in der Nähe des so eifrig gesuchten Davis-Landes befänden. Da sich aber von Neuem ein günstiger Wind erhob, steuerten wir ¼ Südwest und kamen bis 28° 30' südlicher Breite, woraus folgt, daß ich, wenn es dieses Land oder nur etwas dem Aehnliches gab, es unzweifelhaft hätte antreffen oder doch zu Gesicht bekommen müssen. Ich hielt mich auf 28° südlicher Breite, 40° westlich von der Stelle meiner Abfahrt und, meiner Schätzung nach, 121° westlich von London.«

Da alle Seefahrer noch immer an die Existenz eines südlichen Continents glaubten, so konnte sich Carteret natürlich gar nicht vorstellen, daß Davis-Land nichts sei, als eine kleine, in dem grenzenlosen Ocean verlorene Insel. Als er nun dieses vermeintliche Festland nicht entdeckte, schloß er auch auf das Nicht-Vorhandensein jenes Davis-Landes. Wir wissen jetzt, daß er sich auch hierin täuschte.

Bis zum 7. Juni setzte Carteret seine Nachforschungen fort. Er befand sich unter 28° der Breite und 112° westlicher Länge, d. h. ganz in der Nähe der Osterinsel. Es war jetzt Mitte des Winters. Der Seegang blieb unaufhörlich schwer, der Wind heftig und unbeständig, die Witterung trübe, nebelig und kalt, mit vielem Regen, Schnee und häufigem Donner. Offenbar verhinderten die außergewöhnliche Dunkelheit und der Nebel, hinter dem sich die Sonne mehrere Tage lang verbarg, Carteret die Osterinsel aufzufinden, denn verschiedene Anzeichen, wie Schaaren von Vögeln und schwimmende Algen, mußten ihm doch die Nachbarschaft eines Landes verrathen.

Jene atmosphärischen Störungen trugen nicht wenig dazu bei, die Fahrt zu verlangsamen. Die »Swallow« war nun überdies noch ein schlechter Segler, man kann sich also leicht den Mißmuth, die Sorge und Angst des Kapitäns vorstellen, der seine Mannschaft immer mit dem Hungertode bedroht sah. Jedenfalls setzte er aber die Fahrt nach Westen mit vollen Segeln, Tag und Nacht, bis zum 2. Juli fort.

An diesem Tage entdeckte man Land im Norden und am nächsten Tage segelte Carteret so nahe längs desselben hin, daß er es deutlicher vor Augen hatte. Es war nichts als ein großer Felsen, von fünf Meilen Umfang und mit Bäumen bedeckt, der unbewohnt schien, an dem man aber wegen der, bei der hohlen See überaus stürmischen Brandung nicht zu landen vermochte. Man nannte ihn Pitcairn, nach dem Namen Dessen, der ihn zuerst erblickte. Hier machten sich bei den Matrosen, die bisher wenigstens bei guter Gesundheit geblieben waren, die ersten Spuren des Scorbuts bemerkbar.

Am 11. kam unter 22° der Breite und 141° 34' westlicher Länge (von London) wiederum Land in Sicht, dem man zu Ehren des zweiten Sohnes des Königs den Namen Osnabrugh beilegte.

Am folgenden Tage entsendete Carteret eine Abtheilung seiner Leute nach zwei anderen Inseln, auf denen man aber weder eßbare Vegetabilien noch Wasser antraf. Dagegen wurden mehrere, so wenig scheue Vögel, daß sie sich bei der Annäherung eines Menschen nicht von der Stelle bewegten, mit der bloßen Hand gefangen.

Alle diese Länder gehörten zu dem Gefährlichen Archipel (auch »Inseln der Gefahr« genannt), einer langen, niedrigen Kette von Eilanden und Atolls, welche alle Seefahrer wegen der wenigen Hilfsquellen, die sie bieten, halb zur Verzweiflung brachten. Carteret glaubte das von Quiros gesehene Land vor sich zu haben; das letztere, nach der Urbezeichnung Tahiti, liegt jedoch weiter im Norden.

Leider machten die gewöhnlichen Krankheiten nun tägliche Fortschritte. Der häufige Wechsel des Windes und die Beschädigungen des Schiffes ließen dieses nur um so langsamer vorwärts kommen. Carteret hielt es deshalb für gerathen, eine Route zu wählen, auf der er eher hoffen durfte, Nahrungs- und Stärkungsmittel zu finden und die so höchst nothwendigen Reparaturen vornehmen zu können.

»Ich beabsichtigte,« sagt Carteret, »nach der Ausbesserung des Fahrzeuges und Wiedereintritt der besseren Jahreszeit meine Fahrt nach Süden fortzusetzen, um neue Entdeckungen in diesem Theile der Erde zu machen. Im Falle der Auffindung eines Festlandes, das mir hinreichenden Proviant sicherte, wollte ich dann längs dessen Südküste hinsegeln, bis die Sonne wieder den Aequator passirte, und in tieferer südlicher Breite entweder nach dem Cap der Guten Hoffnung oder auch nach Osten zurück gehen, wenn nöthig, die Falklands-Inseln anlaufen und von da aus geraden Weges nach Europa steuern.«

Leider vermochte Carteret diese löblichen Pläne, die ihn als wirklichen Entdeckungsfahrer kennzeichnen, den die Gefahr mehr reizt als sie ihn abschreckt, nicht vollständig durchzuführen.

Er traf nämlich den Passat erst unter 16° der Breite, doch blieb die Witterung trotzdem sehr ungünstig. So sah er auch, obwohl er in der Nähe der Insel der Gefahr war, die Byron schon 1765 entdeckte, weder diese noch ein anderes Land.

»Wir kamen wahrscheinlich,« sagt er, »bei einem oder dem anderen vorüber, das uns der Nebel verbarg, denn während dieser Fahrt flatterten oft sehr viele Vögel um das Schiff. Commodore Byron hatte bei seiner letzten Reise die nördlichste Grenze dieses Theiles des Oceans berührt, in dem die Salomons-Inseln liegen sollen; da ich nun viel weiter südlich gesegelt bin, habe ich alle Ursache zu glauben, daß die Lage derselben, wenn sie überhaupt existiren, auf allen Karten sehr unrichtig angegeben ist.«

Die letztere Voraussetzung traf in der That zu, doch existiren die genannten Inseln wirklich, und Carteret lief sie einige Tage später selbst an, freilich ohne dieselben zu erkennen.

Die vorräthigen Lebensmittel waren inzwischen entweder gänzlich aufgezehrt oder verdorben, Tauwerk und Segel von Sturm zerfetzt, das Reservegut erschöpft und die Hälfte der Mannschaft lag krank darnieder, als zu alledem noch ein neues Unglück hinzu kam. Es entstand nämlich ein Leck, und zwar unterhalb der Wasserlinie, so daß derselbe unmöglich geschlossen werden konnte, so lange man sich auf offenem Meer befand. Ganz unerwarteter Weise kam da am nächsten Tage schon Land in Sicht. Es ist wohl überflüssig zu sagen, mit welcher Freude, welchem Jubel dasselbe begrüßt wurde. Das Gefühl der Ueberraschung und der winkenden Rettung läßt sich, nach Carteret's eigenem Ausdruck, nur mit dem vergleichen, das der Verbrecher empfinden mag, wenn er auf dem Schaffot seine Begnadigung empfängt. Es war das übrigens die Insel Nitendit, welche schon Mendana gesehen hatte.

Kaum griff der Anker in den Grund, als man ein Boot aussendete, um einen Wasserplatz aufzusuchen. Auf dem Strande zeigten sich zuerst schwarze, wollköpfige, ganz nackte Eingeborne, welche indeß entflohen, bevor das Boot anlangte. Ein schöner Fluß mit gutem Trinkwasser inmitten eines undurchdringlichen Waldes voller Bäume und Sträuche, welche bis zum Strande herab wucherten, und eine wilde, bergige Landschaft – das war das Bild, welches der Führer des Bootes von dem Lande entwarf.

Am nächsten Tage wurde der Hochbootsmann noch einmal mit der Schaluppe ausgesandt, um einen bequemen Landungsplatz ausfindig zu machen, und erhielt den Auftrag, durch kleine Geschenke womöglich das Wohlwollen der Eingebornen zu erwerben. Es war ihm ausdrücklich vorgeschrieben, sich keinerlei Gefahr auszusetzen und unbedingt zum Schiffe zurückzukehren, wenn mehrere Piroguen auf ihn zukämen, ferner das Boot nie zu verlassen und nur je zwei Mann auf einmal an's Land zu schicken, während die Anderen sich zur Vertheidigung bereit halten sollten. Carteret sandte auch sein eigenes Boot an's Land, um Wasser zu holen. Einige Eingeborne schossen Pfeile auf dasselbe ab, ohne glücklicher Weise Jemand zu verletzen. Inzwischen kehrte auch die Schaluppe zu der »Swallow« zurück. Der Hochbootsmann hatte zwei Pfeile im Körper und die Hälfte der Leute war so schwer verwundet, daß jener und drei andere Matrosen wenige Tage später starben.

Der Vorgang war folgender gewesen: da er als der Fünfte an einer Stelle ausstieg, wo man mehrere Hütten bemerkte, hatte der Hochbootsmann mit den Eingebornen bald einen friedlichen Tauschhandel begonnen. Bald vermehrte sich die Anzahl der Wilden und er sah auch, daß mehrere Piroguen auf die Schaluppe zuruderten, konnte diese jedoch nicht eher wieder erreichen, als ihn ein ganz unerwarteter Angriff überraschte. Verfolgt von den Pfeilen der Eingebornen, welche selbst bis an die Schultern in's Wasser liefen, und von den Piroguen gejagt, konnte er nur entkommen, nachdem er mehrere getödtet und eines ihrer Boote in den Grund gebohrt hatte.

Dieser Versuch zur Auffindung einer geeigneten Stelle, wo man die »Swallow« hätte auf den Strand setzen können, war also so unglücklich ausgefallen, daß Carteret sein Schiff gleich wo es sich befand, auf die Seite legen ließ, um den Leck zu verschließen, so gut es anging. Wenn es dem Zimmermann, übrigens dem Einzigen, der noch bei leidlicher Gesundheit war, nicht gelang, denselben gänzlich zu verstopfen, so verkleinerte er ihn doch bedeutend. Während nun nochmals ein Boot nach dem Wasserplatz abfuhr, säuberte man vorher den Wald durch Kanonenschüsse vom Schiffe und durch Gewehrfeuer von der Schaluppe aus. Schon arbeiteten die Matrosen eine gute Viertelstunde, als sie plötzlich mit Pfeilen überschüttet wurden, von denen Einer von ihnen schwer an der Brust getroffen ward. So mußte man sich allemal zu denselben Maßregeln entschließen, wenn Wasser gefaßt werden sollte.

Wollte man der Krankheit Einhalt thun, so mußten um jeden Preis frische Nahrungs- und Stärkungsmittel beschafft werden, die an diesem Orte nicht zu erhalten waren. Carteret lichtete also am 17. August die Anker, nachdem er die Insel zu Ehren des Lords der Admiralität »Egmonts-Insel« und die Bai, in der er gelegen, die »Swallow-Bucht« getauft hatte. Obwohl er hier das von den Spaniern schon Santa-Cruz genannte Land vor sich zu haben glaubte, verfiel er doch der damals gerade im Schwange befindlichen Mode, jedem von ihm besuchten Orte einen neuen Namen beizulegen. Dann segelte er in geringer Entfernung von der Küste hin, überzeugte sich, daß die Bevölkerung der Insel eine dichte war, und daß unter derselben vielfache Streitigkeiten herrschten. Hierdurch und durch die Unmöglichkeit, Lebensmittel zu erhalten, sah sich Carteret behindert, die übrigen Inseln der Gruppe, welche er »Königin Charlotte-Inseln« nannte, zu besuchen.

»Die Bewohner der Insel Egmont,« sagt er, »sind sehr gewandt, stark und unternehmend. Sie schienen ebenso gut im Wasser wie auf dem Lande zu leben, denn sie springen aus ihren Piroguen fast jede Minute einmal in's Meer . . . Ein von denselben abgeschossener Pfeil drang sogar durch die Schanzkleidung des Schiffes und verwundete einen Officier auf dem Achterdeck gefährlich am Schenkel. Die Pfeile haben eine Spitze von Stein, niemals bemerkten wir aber daran irgend ein Metall. Das Land ist im Allgemeinen mit Wald bedeckt, von Bergen erfüllt und von vielen Thälern zerschnitten.«

Am 18. August 1767 verließ Carteret diesen Archipel in der Absicht, nach Neu-Britannien zu segeln. Vorher glaubte er wohl noch einige Inseln anzutreffen, wo er mehr Glück haben würde. Am 20. entdeckte er in der That ein niedriges Eiland, das er Gower nannte, und wo er sich einige Cocosnüsse verschaffen konnte. Am nächsten Tage fand er die Insel Simpson und Carteret, ferner eine Gruppe von neun Inseln, die er für das von Tasman entdeckte Ohang-Java hielt; später nach und nach Charles-Hardy, Winchelsea, welche er nicht als zu dem Salomons-Archipel gehörend ansah, Schouten's St. Jean und endlich Neu-Britannien, das er am 28. August erreichte.

Er fuhr zur Aufsuchung eines bequemen und sicheren Hafens längs der Küste desselben hin und machte in verschiedenen Baien Halt, wo er sich Holz, Cocos- und Muscatnüsse, Aloë, Zuckerrohr, Bambus und Palmenkohl verschaffen konnte.

»Dieser Kohl,« sagt er, »ist weiß, kraus von Blättern und hat einen zuckerhaltigen Saft; wenn man ihn roh genießt, schmeckt er fast wie Kastanien, gekocht aber besser als die besten Pastinaken. Wir schnitten denselben in kleine Stückchen und mischten ihn mit unserer Tafelbouillon, die uns mit etwas Hafergrütze vermengt, ein sehr gutes Essen lieferte.«

Die Wälder waren belebt von zahlreichen Schwärmen von Tauben, Papageien und verschiedenen unbekannten Vögeln. Die Engländer besuchten auch mehrere verlassene Wohnungen. Wenn man von letzteren auf die Civilisation eines Volkes schließen darf, so mußten die Insulaner hier auf der niedrigsten Stufe stehen, denn sie besaßen die ärmlichsten Hütten, die Carteret überhaupt zu Gesicht bekommen hatte.

Der Befehlshaber benutzte seinen hiesigen Aufenthalt, um die »Swallow« noch einmal umlegen und den Leck untersuchen zu lassen, den die Zimmerleute so gut wie möglich ausbesserten. Die Planken waren sehr abgenutzt, der Kiel von Würmern ganz zernagt; letzteren schützte man daher möglichst durch einen dicken Anstrich mit Pech und Theer.

Am 7. September nahm Carteret die lächerliche Ceremonie der Besitzergreifung des Landes im Namen Georg's III. vor; dann schickte er ein Boot auf Recognoscirung aus, das eine Menge Cocosnüsse und Palmenkohl, eine köstliche Labung für die Kranken an Bord, mitbrachte.

Obwohl der östliche Monsun noch lange Zeit wehen mußte, beschloß der Commandant doch, in Hinsicht auf den schlechten Zustand seines Schiffes, baldigst nach Batavia abzureisen, wo er seine Mannschaft wieder ausruhen und sich erholen, und die »Swallow« gründlich ausbessern lassen zu können hoffte. Er verließ also am 9. September den Carteret-Hafen, den besten, den er seit der Magelhaens-Straße gefunden hatte.

Bald drang er in den Golf ein, den Dampier früher St. Georgs-Bai nannte, und die er als eine Meerenge erkannte, welche Neu-Britannien von Neu-Irland trennte. Er nahm diesen Canal, dem er den Namen St. Georges ließ, in Augenschein und beschrieb ihn in seinem Bericht mit einer Genauigkeit, welche für die Seefahrer seiner Zeit von hohem Werthe sein mußte. Dann folgte er der Küste Neu-Irlands bis an ihr westliches Ende. In der Nähe einer kleinen Insel, die er »Sandwich« nannte, trat er auch mit den Eingebornen in nähere Beziehungen.

»Die Insulaner,« sagt er, »sind schwarz und haben Wolle auf dem Kopfe wie die Neger, aber nicht so eine platte Nase und so wulstige Lippen. Wir urtheilten, daß sie zu derselben Menschenrace gehören möchten wie die Bewohner der Insel Egmont. So wie diese, gehen sie vollkommen nackt, mit Ausnahme einiger Ketten von Muscheln, die sie um Arme und Beine gebunden tragen. Gleichwohl huldigen sie einer Praxis, ohne welche auch unsere Damen und jungen Modeherren sich nicht für vollständig angekleidet halten würden. Sie bedecken nämlich die Haare, oder vielmehr die Wolle auf ihrem Kopfe mit weißem Puder; es scheint also, daß die Mode, sich zu pudern, schon sehr alt und viel weiter verbreitet ist, als man gewöhnlich annimmt . . . Sie sind mit Spießen und großen keulenförmigen Stöcken bewaffnet, doch sahen wir bei ihnen niemals Pfeile und Bogen.«

Nahe dem südwestlichen Ende von Neu-Irland, entdeckte er noch ein weiteres Land, dem er den Namen »Neu-Hannover« beilegte, und etwas entfernt davon den Herzog von Portland-Archipel.

Obgleich dieser Theil des Berichtes über seine Reise in bisher noch unbekannten Gegenden gerade eine Menge werthvoller Einzelheiten enthält, so entschuldigt sich Carteret, ein zuverlässigerer und eifrigerer Seefahrer als seine Vorgänger Byron und Wallis, doch noch ganz besonders, daß er nicht mehr zu sammeln im Stande gewesen sei.

»Die Beschreibung des Landes,« sagt er, »seiner Erzeugnisse und Bewohner wäre gewiß weit vollständiger und eingehender ausgefallen, wenn ich durch meine Krankheit nicht so geschwächt und erschöpft gewesen wäre, daß ich den Functionen, die mir aus Mangel an Officieren alle zufielen, fast erlag. Als ich mich kaum fortzuschleppen vermochte, mußte ich jede Wache anführen und mich in alle anderen Arbeiten mit meinem Lieutenant theilen, dessen Gesundheit ebenfalls nicht wenig zu wünschen übrig ließ.«

Von dem St. Georges-Kanal aus steuerte man nun nach Westen. Carteret entdeckte noch mehrere Inseln; da ihn seine Krankheit aber während einiger Tage daran hinderte, das Deck zu besteigen, so konnte er deren Lage nicht genau feststellen. Er gab ihnen den Namen »Admiralitäts-Inseln« und sah sich zweimal genöthigt, von den Feuerwaffen Gebrauch zu machen, um sich der Angriffe der Eingebornen zu erwehren. Er kam hierauf nach der Insel Durour, nach Matty und den Cueden, deren Bewohner höchst erfreut waren, einige Stücke eines eisernen Reifens zu erhalten. Carteret behauptet, er hätte wohl für einige metallene Geräthschaften alle Producte des Landes aufkaufen können. Lebten diese Völker auch in der Nachbarschaft von Neu-Guinea und den Archipelen, die er eben besucht hatte, so waren dieselben doch nicht schwarz, sondern kupferfarben. Sie hatten sehr lange, schwarze Haare, regelmäßige Züge und auffallend weiße Zähne. Mittelgroß, kräftig und beweglich, waren sie sehr heiter, zutraulich und kamen furchtlos an Bord des Schiffes. Einer von ihnen verlangte von Carteret sogar, ihn auf seiner Reise begleiten zu dürfen, und er weigerte sich, trotz aller Einreden seiner Landsleute und des Kapitäns standhaft, die »Swallow« zu verlassen. Einem so festen Willen gegenüber gab denn Carteret endlich nach; der arme Indianer aber, der den Namen Joseph Freewill erhalten hatte, erkrankte bald und starb schon auf Celebes.

Am 29. October erreichten die Engländer den nördlichsten Theil von Mindanao. Immer nach Wasser und frischen Früchten ausspähend, suchte Carteret hier vergeblich eine Bai, welche Dampier als sehr wildreich geschildert hatte. Etwas weiterhin traf er wohl auf einen Wasserplatz, das feindselige Auftreten der Eingebornen nöthigte ihn aber nochmals, auf das hohe Meer hinauszugehen.

Von Mindanao aus steuerte der Befehlshaber nach der Macassar-Straße, zwischen Borneo und Celebes, und fuhr am 14. November in dieselbe ein. Das Schiff kam hier aber so wenig vorwärts, daß es in vierzehn Tagen nur achtundzwanzig Meilen zurücklegte.

»Krank und geschwächt,« schreibt er, »halb todt, angesichts des Landes, das wir nicht erreichen konnten, und Stürmen ausgesetzt, die uns fast zu Grunde richteten, wurden wir nun gar noch von einem Seeräuber angefallen.«

Dieser griff, in der Hoffnung, die Engländer im Schlafe zu überraschen, die »Swallow« um Mitternacht an. Die Matrosen vertheidigten sich aber so muthig und geschickt, daß sie den malayischen Prao bald zum Sinken brachten.

Am 12. December sah Carteret zu seinem Leidwesen, daß der Westmonsun aufgesprungen war. Die »Swallow« befand sich nicht in dem Zustand, gegen denselben ankämpfend, noch dazu bei widriger Strömung, Batavia zu erreichen. Er mußte sich also begnügen, nach Macassar, damals die Hauptniederlassung der Holländer auf Celebes, zu segeln. Fünfunddreißig Wochen lang waren die Engländer von der Magelhaens-Straße aus unterwegs, als sie ankamen.

Kaum hatten sie vor dem Hafen Anker geworfen, als ein vom Gouverneur abgesandter Holländer an Bord der »Swallow« kam. Er schien sehr erregt, da er sah, daß das Schiff der englischen Kriegsmarine angehörte. Am folgenden Tage schickte Carteret seinen Lieutenant Gower, um die Erlaubniß zu erlangen, in den Hafen einzulaufen, daselbst Stärkungsmittel für seine fast mit dem Tode ringende Mannschaft einzukaufen, um das Schiff auszubessern und hier das Umspringen des Monsuns abzuwarten, aber man verweigerte ihm nicht nur an's Land zu gehen, sondern die Holländer beeilten sich auch, ihre Truppen zusammenzuziehen und ihre Schiffe klar zum Gefecht zu machen. Nach fünf Stunden traf endlich die Antwort des Gouverneurs an Bord ein, der Carteret's Wunsch ziemlich unhöflich und ohne jede Bemäntelung abschlug. Gleichzeitig verbot er den Engländern, an irgend einem, der holländischen Regierung unterworfenen Orte an's Land zu gehen.

Alle Gegenvorstellungen Carteret's, der die Unmenschlichkeit dieser Weigerung hervorhob, selbst seine Drohung mit der Gewalt erzielten kein anderes Resultat, als daß ihm zugestanden wurde, etwas Proviant einzukaufen und nach einer kleineren Bai in der Nähe zu segeln. Dort werde er, sagte man, gegen den Monsun hinreichend Schutz finden, er könne daselbst auch ein Hospital für seine Kranken errichten; endlich böten sich ihm dort mehr Heilmittel für diese, während man ihm alles sonst noch Nothwendige von Macassar aus senden werde. In Gefahr, Hungers zu sterben und unterzugehen, mußte sich Carteret diesen Anforderungen fügen und sich entschließen, nach der Rhede von Bouthain zu segeln.

Hier wurden die Kranken zwar in einem Hause am Strande untergebracht, durften sich aber nicht weiter als dreißig Ruthen von demselben entfernen. Sie waren stets beobachtet und kamen mit den Eingebornen nicht in Berührung. Endlich konnten sie nichts, außer durch Vermittlung der holländischen Soldaten kaufen, welche von diesem Vorrecht einen sehr ausgiebigen Gebrauch machten und oft nicht weniger als 1000 Percent Nutzen nahmen. Alle Klagen der Engländer verhallten nutzlos; sie mußten sich eben während des ganzen Aufenthaltes jener im höchsten Grade erniedrigenden Oberaufsicht unterwerfen.

Erst mit Rückkehr des Ostmonsuns konnte Kapitän Carteret am 22. Mai 1768 Bouthain verlassen, nach langen, unaufhörlichen Quälereien und Beunruhigungen, die wir hier nicht im Einzelnen wiedergeben können, die aber seine Geduld oft auf eine sehr harte Probe stellten.

»Celebes«, sagt er, »ist der Schlüssel der Molukken oder Gewürzinseln, welche nothwendiger Weise dem Volke unterthan sind, dem diese Insel gehört. Die Stadt Macassar ist auf einer Landspitze erbaut und wird von einem oder zwei Flüssen bewässert, welche durch dieselbe oder in ihrer nächsten Nachbarschaft strömen. Der im Allgemeinen ebene Boden bietet einen hübschen Anblick. Es finden sich daselbst viele Pflanzungen und Cocosbäume, mit einer großen Anzahl von Häusern dazu, was auf eine dichte Bevölkerung schließen läßt. . . . In Bouthain giebt es ausgezeichnetes Rindfleisch, aber zu wenig, um ein Geschwader damit zu versehen, dagegen konnte man Reis, Geflügel und Früchte in beliebiger Menge haben. In den Wäldern irren auch sehr viele Schweine umher, welche sehr billig zu kaufen sind, weil die Landbewohner als Mohammedaner dieselben nicht als Speise benutzen. . . .«

So unvollständig diese Bemerkungen auch sind, so hatten sie ihrer Zeit gewiß einen hohen Werth, und wir neigen zu der Annahme, daß sie auch heute nach gut hundert Jahren noch einen Kern von Wahrheit enthalten.

Die Fahrt nach Batavia verlief ohne Unfall. Nach verschiedenen Verzögerungen, welche daher rührten, daß die holländische Compagnie von dem Commandanten ein von dem Gouverneur von Macassar ausgestelltes Führungsattest verlangte, was Carteret stets verweigerte, erhielt er endlich die Erlaubniß, sein Schiff repariren zu dürfen.

Am 15. September ging die »Swallow«, wiederhergestellt, so gut es eben anging, auf's Neue unter Segel. Sie führte jetzt eine neue, zum Theil aus englischen Matrosen bestehende Besatzung, ohne welche es nicht möglich gewesen wäre, nach Europa zurück zu gelangen. Vierundzwanzig ihrer ersten Leute waren schon todt und gleichviel Andere in so traurigem Zustande, daß noch sieben derselben vor Erreichung des Caps den Geist aufgaben.

Nach einigem Aufenthalt in diesem Hafen, der seiner Mannschaft sehr zu statten kam und bis zum 6. Januar 1769 ausgedehnt wurde, stach Carteret wieder in See und begegnete auf der Höhe von Ascension, wo er angelegt hatte, einem französischen Schiffe. Es war das die Fregatte »Boudeuse«, mit welcher Bougainville eben eine Reise um die Erde ausgeführt hatte.

Am 20. März 1769 ging die »Swallow« auf der Rhede von Spithead, nach einer ebenso schwierigen wie gefahrvollen Fahrt von einunddreißig Monaten, wieder vor Anker.

Es bedurfte wirklich der ganzen seemännischen Erfahrung, des kalten Blutes und des nie erlahmenden Eifers eines Carteret, diese mit einem so wenig geeigneten Schiffe glücklich durchzuführen und dennoch so wichtige Entdeckungen zu machen. Wenn solche zu überwindende Hindernisse seinen Ruhm nur noch glänzender beleuchteten, so fällt die ganze Schmach der erbärmlichen Ausrüstung dagegen auf die englische Admiralität zurück, welche, trotz des Einspruchs eines erfahrenen Kapitäns, sowohl dessen Leben als auch das so vieler braver Seeleute auf's Spiel setzte.

III.

Bougainville. – Was aus dem Sohne eines Notars Alles werden kann. – Kolonisation der Malouinen. – Buenos-Ayres und Rio de Janeiro. – Rückgabe der Malouinen an die Spanier. – Hydrographie der Magelhaens-Straße. – Die Pescheräs. – Die vier Facardinen. – Tahiti. – Vorfälle während des Aufenthaltes daselbst. – Producte des Landes und Sitten der Eingebornen. – Die Samoa-Inseln. – St. Esprit-Land oder die Neuen Hebriden. – Die Louistade. – Die Inseln der Anachoreten. – Neu-Guinea. – Boutan. – Von Batavia nach St. Malo.

Während Wallis seine Reise um die Erde vollendete und Carteret seine lange und mühselige Reise fortsetzte, war eine französische Expedition zu dem Zwecke ausgerüstet worden, um in der Südsee auf Entdeckungen auszugehen.

Unter dem alten Regierungssystem, wo Alles von persönlicher Willkür abhing, wurden auch Titel, Grade und Stellungen vielfach je nach Gunst verliehen. Es war also gar nicht zu verwundern, daß ein Soldat, der vor kaum vier Jahren den Dienst in der Landarmee mit dem Grade eines Obersten quittirt hatte, mit dem eines Schiffskapitäns in die Marine übertrat und eine solche verantwortungsvolle Stelle übernahm.

Nur in außergewöhnlichen Fällen wurden diese auffallenden Maßregeln durch die Talente Desjenigen, der von ihnen Nutzen zog, entschuldigt.

Ludwig Anton de Bougainville erblickte das Licht der Welt in Paris am 13. November 1729. Als Sohn eines Notars sollte auch er zuerst die richterliche Laufbahn betreten und trat wirklich als Advocat auf. Ohne Neigung zu der väterlichen Beschäftigung, widmete er sich jedoch fast ausschließlich den Wissenschaften, gab ein »Lehrbuch der Integral-Rechnung« heraus und ließ sich nebenbei noch unter die schwarzen Jäger aufnehmen. Von den drei Carrièren, die er ergriffen hatte, verließ er die beiden ersten bald vollständig, blieb auch der dritten nicht lange treu, sondern wandte sich einer vierten, der Diplomatie zu, um diese endlich gegen eine fünfte, die des Seemannes zu vertauschen, zuletzt starb er, in der sechsten Lebensstellung, als – Senator.

Erst Adjutant Chevert's, dann Secretär bei der Gesandtschaft in London, wo er als Mitglied in die königliche Akademie der Wissenschaften eintrat, reiste er im Jahre 1756 mit dem Grade eines Kapitäns der Dragoner von Brest ab, um sich Montcalm in Canada anzuschließen. Als Adjutant dieses Generals zeichnete er sich bei mehreren Gelegenheiten so vortheilhaft aus, daß er sich das besondere Vertrauen seines Vorgesetzten gewann und nach Frankreich zurückgesendet wurde, um Verstärkung zu verlangen.

Frankreich hatte gerade damals so zahlreiche Unfälle in Europa erlitten, daß es aller seiner Kräfte bedurfte, sich hier seiner Feinde zu wehren. Als der junge Bougainville nun dem Herrn von Choiseul den Zweck seiner Mission auseinandersetzte, erwiderte der Minister schroff abweisend:

»Wenn das Feuer schon das Haus ergriffen hat, bekümmert man sich nicht um die Ställe.« – »Es wird wenigstens Niemand sagen können,« antwortete Bougainville schnell, »daß Sie, Herr Minister, wie – ein Pferd sprechen!«

Dieser Einfall war zu geistreich und zu beißend, als daß er ihm nicht das Wohlwollen des Ministers hätte verscherzen sollen. Zum Glück liebte Frau von Pompadour die schlagfertigen Leute; sie stellte Bougainville dem Könige vor, und wenn jener auch für seinen General nichts auszurichten vermochte, so gelang es ihm doch, sich zum Oberst und Ritter des heiligen Ludwig ernennen zu lassen, obgleich er erst sieben Dienstjahre zählte. Nach Canada zurückgekehrt, ließ er es sich angelegen sein, Ludwig's XV. Vertrauen zu rechtfertigen, und that sich bei mehreren Gefechten rühmlich hervor. Nach dem Verluste dieser Kolonie diente er in Deutschland unter Choiseuil-Stainville.

Der Friede von 1763 machte seiner militärischen Laufbahn ein Ende. Das Leben in der Garnison konnte einem so lebhaften Geiste, einem an Bewegung gewöhnten Manne wie Bougainville unmöglich genügen. Da entwarf er den sonderbaren Plan, die Falklands-Inseln im äußersten Süden Amerikas zu kolonisiren und dorthin die canadischen Ansiedler zu führen, welche kurz vorher nach Frankreich gegangen waren, um dem tyrannischen Joche Englands zu entfliehen. Begeistert für diese Idee, wandte er sich an mehrere Rheder in St. Malo, welche seit Anfang dieses Jahrhunderts den genannten Archipel besuchen ließen und ihm den Namen der Malouinen gegeben hatten.

Sobald er sich deren Zustimmung gesichert, entwickelte Bougainville in einer Eingabe an das Ministerium mit glänzender Darstellung die etwas problematischen Vortheile dieser Niederlassung, welche durch ihre glückliche Lage den nach der Südsee segelnden Schiffen sollte als erwünschter Zufluchtsort dienen können. Er erlangte wirklich die nachgesuchte Autorisation, gleichzeitig mit seiner Ernennung zum Schiffskapitän.

Es war im Jahre 1763. Man durfte zwar nicht erwarten, daß die Officiere, welche von der Pique auf gedient hatten, diese Ernennung, welche sich durch nichts rechtfertigen ließ, mit günstigen Augen ansehen würden. Das bekümmerte aber den Marine-Minister Choiseul-Stainville sehr wenig. Bougainville hatte unter seinem eigenen Oberbefehl gestanden, und er fühlte sich als viel zu großer Herr, um nicht die Nörgeleien des Officier-Corps der Marine unbeachtet zu lassen. Nachdem Bougainville die Herren de Nerville und d'Arboulin, seinen Vetter und seinen Onkel, für die eigenen Pläne gewonnen, ließ er sofort unter der Leitung Guyot-Duclos in St. Malo die »Aigle« von 20 Kanonen und die »Sphinx« von 12 Kanonen ausrüsten, auf denen er mehrere canadische Familien einschiffte. Am 15. September reiste er von St. Malo ab, ging vor der Insel St. Catherine, an der Küste Brasiliens vor Anker, später bei Montevideo, wo er viel Pferde und Rinder einkaufte, und landete an den Malouinen in einer großen Bai, die ihm seinen Zwecken gut zu entsprechen schien; bald mußte er sich freilich überzeugen, daß das, was alle Seefahrer für mäßig hohe Wälder gehalten hatten, nichts war als niedriges Schilf. Kein Baum, kein Strauch wuchs auf der ganzen Insel. Als Brennmaterial fand sich glücklicher Weise eine Menge ausgezeichneter Torf. Auch Fischfang und Jagd lieferten reichlichen Ertrag.

Zu Anfang bestand die Kolonie aus neunundzwanzig Personen, für welche man kleine Wohnhäuschen und ein Magazin für die Lebensmittel erbaute. Gleichzeitig entwarf und begann man die Anlage einer Befestigung, welche vierzehn Kanonen aufnehmen sollte. Herr de Nerville erbot sich zur Leitung der Niederlassung, während Bougainville am 5. April nach Frankreich zurückkehrte. Dort sammelte er neue Kolonisten und nahm eine reichliche Ladung Provisionen aller Art ein, mit denen er am 5. Januar 1765 wieder ankam. Bald darauf ging er nach der Magelhaens-Straße ab, um eine Ladung Holz einzunehmen, wobei er, wie wir oben erwähnten, die Schiffe des Commodore Byron traf, denen er bis zum Port Famine (Hungerhafen) folgte. Hier verschaffte er sich mehr als 10 000 Baumpflanzen verschiedenen Alters, die er nach den Malouinen überzuführen gedachte. Als er den Archipel am nächsten 27. April wieder verließ, zählte die Kolonie achtzig Einwohner unter einem vom Könige besoldeten Generalstabe. Gegen Ende des Jahres 1765 wurden die beiden Schiffe mit Lebensmitteln und neuen Ansiedlern zurückgeschickt.

Die Niederlassung nahm jetzt schon eine bestimmtere Gestalt an; da setzten sich die Engländer an dem von Byron entdeckten Port Egmont fest. Gleichzeitig versuchte der Kapitän Macbride die Oberhoheit über die Kolonie zu erlangen, indem er behauptete, daß diese Länder dem Könige von England gehörten, obgleich Byron die Malouinen erst zu Gesicht bekam, als die Franzosen schon seit zwei Jahren festen Fuß gefaßt hatten. Nun trat Spanien mit seinen, jedenfalls begründeteren Ansprüchen auf und erklärte die Kolonie für ein zum Gebiete Südamerikas gehöriges, also ihm untergebenes Land. Weder England noch Frankreich wollten wegen des Besitzes dieses für den Handel ziemlich unwichtigen Archipels Streitigkeiten beginnen, und so erhielt Bougainville den Befehl, seine Kolonie an Spanien unter der Bedingung zu übergeben, daß der Hof von Madrid für alle entstandenen Kosten aufkomme. Bald darauf veranlaßt die französische Regierung die regelrechte Auslieferung der Malouinen an die spanischen Emissäre.

Dieser etwas unüberlegte Kolonisationsversuch wurde übrigens doch zur Ursache und Quelle des Glücks für Bougainville, da ihn das französische Ministerium beauftragte, um die zuletzt ausgerüsteten Schiffe wenigstens zu benützen, durch die Südsee zurückzukehren und daselbst auf Entdeckungen auszugehen.

In den ersten Tagen des Monats November 1766 begab sich Bougainville nach Nantes, wo sein zweiter Officier, Duclos-Guyot, ein erfahrener Seemann, aber ergraut in unteren Stellungen, nur weil er nicht von Adel war, jetzt als Führer eines Branders, die Ausrüstung der Fregatte »Boudeuse« von 28 Kanonen überwachte.

Am 15. November segelte Bougainville von der Rhede von Mindin, an der Mündung der Loire, nach dem La Plata-Strom ab, wo er die beiden spanischen Fregatten »La Esmeralda« und »La Liebre« treffen sollte. Kaum gelangte aber die »Boudeuse« auf das hohe Meer, als sich ein entsetzlicher Sturm erhob. Die Fregatte erlitt trotz ihrer neuen Takelage namhafte Havarien und mußte zur Ausbesserung nach Brest zurückkehren, wo sie am 21. November eintraf. Schon die erste Probe überzeugte den Befehlshaber derselben, daß die »Boudeuse« für die von ihr erwarteten Dienste nicht besonders geeignet war. Er verminderte also die Höhe der Masten und vertauschte die Geschütze gegen solche von leichterem Kaliber; trotz alledem schien die Fregatte einem schweren Seegang und den Stürmen des Cap Horn nicht gewachsen. Da das Zusammentreffen mit den Spaniern einmal bestimmt war, mußte Bougainville wieder auf das Meer hinausgehen. Der Generalstab des Schiffes bestand der Zeit aus elf Officieren und drei Freiwilligen, unter Letzteren der Prinz von Nassau-Siegen. Die Mannschaft zählte dreihundert Matrosen, Schiffsjungen und Diener.

Bis zum La Plata blieb das Meer ziemlich ruhig und gestattete Bougainville vielerlei Beobachtungen über die Strömungen, welche schon zu vielen Irrthümern bei Abschätzung des zurückgelegten Weges Veranlassung geworden waren.

Am 31. Januar ankerte die »Boudeuse« vor Montevideo, wo sie die beiden spanischen Fregatten unter dem Commando Philippe Ruis Puentes, schon seit einem Monate erwarteten. Der Aufenthalt Bougainville's auf der Rhede und der darauf folgende vor Buenos-Ayres, wo er mit dem Gouverneur wegen seiner Mission in Unterhandlung trat, bot ihm Gelegenheit, über die Stadt und die Sitten ihrer Bewohner mancherlei merkwürdige Beobachtungen zu machen, die wir hier nicht unerwähnt lassen können. Buenos-Ayres erschien ihm für die Anzahl seiner Einwohner, welche 20.000 nicht überschreiten mochte, entschieden zu groß. Es erklärt sich das dadurch, daß die Häuser alle nur ein Stockwerk haben, daneben aber von großen Gärten und Höfen umgeben sind. Die Stadt hat nicht nur keinen Hafen, sondern auch nicht einmal einen Molo. Die Seeschiffe sind daher genöthigt, ihre Ladung auf Leichterschiffen zu löschen, welche dann in einen kleinen Fluß einfahren, wo die Ballen wiederum auf Wagen geladen werden, um in die Stadt zu gelangen. Was Buenos-Ayres einen originellen Charakter verleiht, das ist die große Menge von Mönchs- und Nonnenklöstern.

»Fast jeden Tag des Jahres«, sagt Bougainville, »feiert man hier Festtage gänzlich unbekannter Heiligen durch Processionen und Feuerwerke. Die Ceremonien beim Gottesdienst gleichen mehr einem Schauspiel. Die Jesuiten gaben hier den Frauen noch mehr Gelegenheit, ihre Frömmigkeit zu bethätigen, als ihre Vorgänger. Sie errichteten im Zusammenhang mit ihrem Kloster ein besonderes Haus unter dem Namen »Casa de los ejercicios de las mujeras«, d. h. Haus der Frauenandacht. Dahin kamen Frauen und Mädchen ohne Zustimmung ihrer Männer und Eltern, um sich durch zwölftägige Bußübungen zu reinigen. Hier wurden sie auf Kosten der Gesellschaft Jesu untergebracht und beköstigt, und in dieses Heiligthum hatte kein anderer Mann Zutritt außer den Brüdern des heiligen Ignaz (von Loyola); selbst weiblichen Dienerinnen blieb es verwehrt, ihre Herrinnen zu begleiten. Die Andachtsübungen bestanden in stiller Betrachtung, Gebet, Katechese, Wiederholung des Glaubensbekenntnisses und Geißelung. Man zeigte uns an den Mauern der Kapelle noch das Blut, das jene frommen Magdalenen bei ihren Bußübungen verspritzten.«

Die Umgebungen der Stadt erwiesen sich fleißig angebaut und mit vielen Landhäusern, sogenannten »Quintas«, übersäet. Schon in der Entfernung von zwei oder drei Meilen von Buenos-Ayres aber fand man nichts als endlose Ebenen, ohne jede Abwechslung und im unbestrittenen Besitz von Pferden und Büffeln, welche deren einzige Bewohner bildeten. »Diese Thiere weideten hier in solcher Menge,« sagt Bougainville, »daß die Reisenden, wenn sie Hunger hatten, einen Stier erlegten, davon verzehrten, was sie essen konnten, und das Uebrige für die wilden Hunde und die Tiger liegen ließen«.

Die zu beiden Seiten des La Plata hausenden Indianer konnten von den Spaniern noch nicht unterworfen werden. Man nannte sie »Indios bravos«.

»Sie sind von mittlerer Größe, sehr häßlich und fast Alle mit Aussatz behaftet. Ihre Hautfarbe zeigt ein tiefes Braun, das Fett aber, mit dem sie sich einzusalben pflegen, läßt sie noch dunkler erscheinen. Von Kleidungsstücken tragen sie nichts als einen mantelartigen Ueberwurf aus Ziegenfell, der ihnen bis zu den Füßen herabhängt und in den sie sich einhüllen . . . Diese Indianer verbringen ihr Leben meist zu Pferde, wenigstens in der Nachbarschaft der spanischen Niederlassungen. Dorthin kommen sie zuweilen mit ihren Frauen, um Branntwein einzukaufen, und trinken dann unablässig, bis sie regungslos liegen bleiben . . . Manchmal rotten sie sich auch zu Trupps von zwei- bis dreihundert Mann zusammen und rauben dann die Thiere von den spanischen Ländereien oder greifen selbst Karavanen von Reisenden an, die sie plündern, niedermetzeln oder in die Sklaverei abführen. Leider ist diesem Uebel nicht zu steuern: wie sollte man auch solche wilde Völkerschaften zügeln, welche in einem so großen und uncultivirten Lande umherschweifen, daß es schon schwer genug ist, sie nur aufzufinden?«

Der Handel lag hier gänzlich darnieder, seit das Verbot bestand, europäische Waaren auf dem Landwege nach Peru und Chile zu schaffen. Doch sah Bougainville noch ein Schiff mit einem Cargo, im Werthe von einer Million Piastern von Buenos-Ayres auslaufen, »und wenn alle Landbewohner«, fügt er hinzu, »Gelegenheit hätten, nur ihre Felle und Häute nach Europa abzusetzen, so würden sie davon allein reich werden.«

Der Ankerplatz von Montevideo ist recht sicher, obwohl man hier nicht selten von den »Pamperos«, d. s. Südweststürme mit furchtbaren Gewittern, überrascht wird. Die Stadt bietet nichts Merkwürdiges; ihre Umgebungen sind nicht bebaut und man muß hier Mehl, Brot und überhaupt Alles, was die Schiffe brauchen, erst von Buenos-Ayres kommen lassen. Dagegen findet man Früchte, wie Feigen, Pfirsiche, Aepfel und dergleichen in Menge, und ebenso viel eßbares Fleisch wie im ganzen übrigen Lande.

Es ist interessant, die Documente von vor hundert Jahren mit denen unserer jetzigen Reisenden, und vorzüglich mit Emil Daireaux' Buche über den La Plata zu vergleichen. In manchen Beziehungen stimmen die Bilder Beider noch heute überein, nach anderen Seiten freilich – z. B. bezüglich des Unterrichtswesens, von dem Bougainville noch kein Wort zu erwähnen fand – hat man hier auffallende Fortschritte gemacht.

Nach Einnahme der nöthigen Lebensmittel und Vorräthe an Wasser und lebendem Fleisch gingen die drei Schiffe am 28. Februar 1767 nach den Malouinen unter Segel. Die Ueberfahrt war nicht vom Glück begünstigt. Schnell wechselnde Winde, schwerer Seegang und stürmische Witterung verursachten manche Havarien der »Boudeuse«. Am 23. März ging sie in der Baie française vor Anker und traf daselbst am folgenden Tage auch die beiden spanischen Schiffe, welche vom Sturm ebenfalls viel zu leiden gehabt hatten.

Am 1. April fand die feierliche Uebergabe des Etablissements an die Spanier statt. Nur wenige Franzosen machten von der Erlaubniß des Königs Gebrauch, auf den Malouinen zu verbleiben, sondern fast Alle zogen es vor, auf den wieder nach Montevideo abgehenden spanischen Fregatten an Bord zu gehen, Bougainville selbst mußte die Flute »Etoile« abwarten, welche ihm Provisionen zuführen und ihn auf der Reise um die Erde begleiten sollte.

Inzwischen verfloß der März, April und Mai, ohne daß die »Etoile« anlangte, und doch erschien es unmöglich, über den Pacifischen Ocean mit dem für sechs Monate berechneten Vorrath an Lebensmitteln zu segeln, den die »Boudeuse« selbst mit sich führte. Bougainville beschloß also, am 2. Juni nach Rio de Janeiro zu gehen, das er Herrn de Giraudais, dem Befehlshaber der »Etoile«, als Ort des Zusammentreffens bezeichnet hatte, wenn diesen irgend welche Umstände hindern sollten, die Malouinen selbst anzulaufen.

Die Fahrt verlief unter so günstigem Wetter, daß er kaum achtzehn Tage brauchte, um die portugiesische Kolonie zu erreichen. Hier wartete die »Etoile« erst seit vier Tagen, weil sie Frankreich weit später, als man hoffte, verlassen hatte. Sie war Sturmes wegen gezwungen gewesen, in Montevideo Schutz zu suchen und von hier aus, entsprechend den hinterlassenen Instructionen, nach Rio abgesegelt.

Von dem Grafen d'Acunha, dem Vicekönig von Brasilien, sehr freundlich empfangen, fanden die Franzosen Gelegenheit, in der Oper die Komödie der Irrungen von einer Mulatten-Truppe dargestellt zu sehen und die Meisterwerke der großen italienischen Componisten von einem elenden Orchester ausgeführt zu hören, das ein bucklicher Abbé im Priester-Ornat dirigirte.

Das Wohlwollen des Grafen d'Acunha war aber leider nicht von langer Dauer. Bougainville, der mit Erlaubniß des Vicekönigs eine Schnaue gekauft hatte, sah plötzlich deren Auslieferung verweigert. Ebenso wurde ihm untersagt, von der königlichen Werft das nöthige Holz zu entnehmen, das er schon erhandelt, und endlich wehrte man ihm auch noch während der Reparatur der »Boudeuse« mit seinem Stabe in einem kleinen Hause in der Nähe der Stadt zu wohnen, das ihm ein Privatmann zur Verfügung gestellt hatte. Um allen Mißhelligkeiten zu entgehen, betrieb Bougainville seine Abreise so eilig als möglich.

Bevor er die Hauptstadt Brasiliens verließ, verbreitete sich der französische Commandant eingehend über die Schönheit des Hafens, seine romantischen Umgebungen und läßt sich auch ausführlich über die reichlichen Schätze des Landes aus, für welche der Hafen den Stapelplatz bildet.

»Die sogenannten ›Hauptminen‹«, sagt er, »liegen der Stadt am nächsten und höchstens fünfundsiebzig Meilen davon entfernt. Sie bringen dem Könige jedes Jahr an ›Fünften‹ mindestens hundertzwölf Aroben Gold ein; im Jahre 1762 ergaben sich sogar hundertneunzehn. Unter der Gruppe der Hauptminen verstand man die von Rio des Morts, von Sabara und von Sero-Frio. Die erstere liefert außer dem Gold, das man aus ihr gewinnt, alle die Diamanten, welche aus Brasilien kommen. Mit Ausnahme der Diamanten sind alle übrigen Edelsteine hier nicht als Contrebande anzusehen; sie gehören den Unternehmern, welche nur verpflichtet sind, über die gefundenen Diamanten genaue Rechenschaft abzulegen und sie dem vom Könige zu diesem Zwecke eingesetzten Intendanten abzuliefern. Der Intendant verwahrt sie in einer mit Eisen beschlagenen und mit drei Schlössern versehenen Cassette. Den einen Schlüssel zu dieser besitzt er selbst, den zweiten der Vicekönig und den dritten der Provedor de hacienda reale. Die erste Cassette wird alsdann in eine zweite eingeschlossen, auf der die drei genannten Personen ihre Siegel anbringen, und welche die drei Schlüssel der ersteren enthält. Der Vicekönig hat nicht das Recht, zu untersuchen, was sie enthält. Er sorgt nur dafür, daß Alles in einen dritten, starken Koffer kommt, den er, nach Versiegelung des Schlosses, nach Lissabon sendet.«

Trotz dieser Vorsichtsmaßregeln und der hohen Strafen, welche jeden Diamantendieb treffen, wird doch noch ein unglaublicher Betrug getrieben. Jene Diamanten bilden übrigens nicht die einzige Revenue des Königs von Portugal, sondern Bougainville rechnet, daß dessen gesammte Einnahmen nach Abzug der Unterhaltung der Truppen, des Gehaltes der Civilbeamten und aller Verwaltungskosten, aus Brasilien allein zehn Millionen Pfund erreichen dürften.

Von Rio nach Montevideo ereignete sich kein bemerkenswerther Zwischenfall; auf dem La Plata aber wurde die »Etoile« von einem spanischen Schiffe angesegelt, wobei sie das Bugsprit, die Gallion und verschiedenes Tauwerk einbüßte. Diese Havarien und die Heftigkeit des Stoßes, welcher das Schiff etwas leck gemacht hatte, nöthigten dasselbe, nach Encenada de Baragan zurückzukehren, wo es leichter war als in Montevideo, die nöthigen Reparaturen auszuführen. Doch konnte man den Strom nicht vor dem 14. November verlassen.

Dreizehn Tage später befanden sich die Schiffe in Sicht des Caps der Jungfrauen, am Eingange der Magelhaens-Straße, in welche sie sofort einfuhren. Die Possessions-Bai, die erste, der man begegnet, stellt eine große Einbuchtung dar, welche allen Winden ausgesetzt ist und nur schlechte Ankerplätze bietet. Vom Cap der Jungfrauen bis zum Cap Orange rechnet man etwa fünfzehn Meilen, während die Breite der Meerenge überall fünf bis sieben Meilen beträgt. Die erste enge Fahrstraße ward ohne Schwierigkeit überwunden und in der Boucault-Bai Anker geworfen, wo zehn Officiere und Matrosen an's Land gingen.

Diese machten bald Bekanntschaft mit den Patagoniern und tauschten verschiedene, für jene werthvolle Kleinigkeiten gegen Bigogne- und Guanacofelle aus. Die Einwohner waren zwar von großer Figur, doch nicht über sechs Fuß hoch.

»Wahrhaft riesig«, sagt Bougainville, »erschien mir an ihnen nur ihre ungeheure Schulterbreite, die Dicke ihres Kopfes und die Stärke der Gliedmaßen, Sie sahen kräftig und wohlgenährt aus; ihre Nerven schienen straff und das Fleisch fest und zäh; mit einem Worte, sie gleichen Menschen, welche im Naturzustande und bei vollsaftiger Nahrung sich frei entwickelt haben, soweit das eben möglich war.«

Von dem ersten nach dem zweiten Sunde, der ebenso glücklich passirt ward, mögen es sechs oder sieben Meilen sein. Derselbe ist nur eineinhalb Meile breit und etwa vier Meilen lang. In diesem Theile der Meerenge trafen die Schiffe auch auf die Inseln St. Barthelemy und Elisabeth. An der letzteren gingen die Franzosen an's Land, fanden aber weder Holz noch Wasser, sondern nur ein Stück gänzlich unfruchtbares Erdreich.

Von eben dieser engen Straße ab erscheint dagegen die amerikanische Küste reichlich mit Wald bestanden. Ueberwand Bougainville nun auch die ersten schwierigen Stellen mit großem Glücke, so sollte er dafür später Gelegenheit finden, seine Geduld zu beweisen. Es ist nämlich für das hiesige Klima charakteristisch, daß Veränderungen in der Atmosphäre so unerwartet und heftig auftreten, daß Niemand davon auch nur eine Ahnung haben kann. In Folge dessen kommt es zu Havarien, wo man am wenigsten daran denkt, und zu Verzögerungen der Fahrt, wenn die Schiffe nicht gar gezwungen werden, an der Küste Schutz zu suchen, um ihre Schäden auszubessern.

Die Bai Guyot-Duclos ist ein ausgezeichneter Ankerplatz, wo man bei sechs bis acht Faden Tiefe guten Grund findet. Bougainville hielt hier an, um seine Wassertonnen neu zu füllen und sich womöglich etwas frisches Fleisch zu verschaffen; er fand aber nur eine kleine Zahl wilder Thiere. Zunächst lief man nun die Landspitze St. Anna an. Hier hatte Sarmiento im Jahre 1581 die Kolonie Philippeville gegründet. In einem vorhergehenden Bande haben wir schon die schreckliche Katastrophe geschildert, in Folge welcher diese Stelle den Namen »Port Famine« erhielt.

Die Franzosen entdeckten bald verschiedene Baien, Caps und kleine Häfen, in welche sie einliefen. Es waren das die Bai Bougainville, wo die »Etoile« gekielholt wurde, der Hafen »Beau-Bassin«, die Cormandiere-Bai, an der Küste von Feuerland das Cap »Forward«, das die südlichste Spitze der Meerenge und Patagoniens bildet, die »Cascade-Bai« auf Feuerland, deren Sicherheit und guter Ankergrund, neben der Leichtigkeit, sich hier Holz und Wasser zu beschaffen, aus ihr ein Plätzchen machen, das dem Seefahrer nichts zu wünschen übrig läßt. Die Häfen, welche Bougainville entdeckte, haben auch noch den Vorzug, daß man von ihnen aus bequem laviren kann, um das Cap Forward, einen wegen seiner ungestümen und widrigen Winde, die man hier allzu häufig antrifft, allgemein gefürchteten Punkt zu umsegeln.

Den Anfang des Jahres 1768 verlebte man in der Fortescue-Bai, in deren Grunde sich der Hafen Galant öffnet, dessen Gestalt de Gaines schon früher sehr genau aufgenommen hat. Ein abscheuliches Wetter, von dem der schlechteste Winter in Paris keine Vorstellung aufkommen läßt, hielt die französische Expedition hier drei Wochen lang zurück. Sie wurde unterdessen von einer Gesellschaft »Pescherähs«, das sind Bewohner von Feuerland, besucht, welche auch die Schiffe bestiegen.

»Man ließ sie singen, tanzen,« sagt der Bericht, »Instrumente hören und vor Allem essen, was sie mit gutem Appetit thaten. Ihnen war Alles recht, Brot, Salzfleisch, Talg, sie verzehrten eben, was man ihnen vorsetzte . . . sie zeigten kein Erstaunen, weder über die Schiffe selbst, noch über andere Gegenstände, die man ihnen zeigte, was ohne Zweifel daher rührt, daß man schon einige elementare Vorstellungen haben muß, um die Werke der Menschenhand zu bewundern. Diese rohen Menschen betrachteten die Meisterwerke der Industrie wie die Naturerscheinungen als etwas selbstverständliches. Sie sind klein, behend, mager und verbreiten einen unausstehlichen Geruch um sich. Dabei gehen sie beinahe nackt, denn sie tragen nur schlechte Felle von Meerwölfen, welche noch dazu zu klein sind, um sie zu umhüllen . . . Die Frauen sind häßlich und ihre Männer scheinen sich blutwenig um sie zu bekümmern. . . . Diese Wilden wohnen, Männer, Frauen und Kinder bunt durcheinander, in niedrigen Hütten, in deren Mitte ein Feuer brennt. Sie nähren sich vorzüglich von Muschelthieren, doch benützen sie zur Jagd auch Hunde und Schlingen von Walfischbarten. . . . Uebrigens sind es gutmüthige Leute, freilich gleichzeitig so schwächlicher Natur, daß darauf nicht sehr viel zu geben ist. Von allen Wilden, die ich gesehen habe, trugen die Pescherähs die wenigste Kleidung.«

Der Aufenthalt an diesem Orte sollte noch durch einen traurigen Zwischenfall bezeichnet werden. Ein Kind von etwa zehn Jahren war an Bord gekommen und man hatte ihm einige Stückchen Glas und Spiegelscherben gegeben, ohne zu ahnen, welchen Gebrauch es davon machen würde. Diese Wilden haben, wie es scheint, die Gewohnheit, Talgstückchen als Talisman in die Kehle zu stecken. Der Knabe hatte es mit dem Glase offenbar ebenso machen wollen; als die Franzosen abfahren wollten, sahen sie, wie Jener sich schmerzhaft wand und Blut erbrach. Sein Rachen und Zahnfleisch waren tief zerschnitten. Trotz der Beschwörungen und Abreibungen eines Zauberers, oder vielleicht gar in Folge der gar zu energischen Behandlungsweise desselben, litt das Kind entsetzliche Qualen und gab auch bald darauf seinen Geist auf. Das war für die Pescherähs das Signal zur allgemeinen Flucht. Sie glaubten ohne Zweifel, die Franzosen hätten sie behext und sie müßten alle auf diese Weise umkommen.

Als die »Boudeuse« dann am 16. Januar die Insel Rupert zu erreichen suchte, wurde sie von der Strömung bis auf eine halbe Kabellänge in die Nähe des Ufers getrieben. Der schleunigst ausgeworfene Anker zerbrach und die Fregatte hätte, ohne einen zum Glück aufspringenden Landwind, unrettbar scheitern müssen. Man sah sich in Folge dessen genöthigt, nach dem Hafen Galant zurückzukehren. Das geschah übrigens gerade zur rechten Zeit, denn am anderen Tage wüthete ein entsetzlicher Sturm.

»Nachdem wir im Hafen Galant sechsundzwanzig Tage lang von unbeständigen und widrigen Winden heimgesucht worden waren, reichten sechsunddreißig Stunden einer so günstigen Brise, wie ich sie kaum je erlebt habe, hin, uns bis zum Pacifischen Ocean zu treiben, eine Segelfahrt, welche bezüglich der Schnelligkeit, mit der wir von genanntem Hafen bis nach der Mündung der Meerenge gelangten, wohl einzig dastehen dürfte. Ich schätze die Gesammtlänge der Meerenge vom Cap der Jungfrauen bis zu dem der Pfeiler auf etwa hundertvierzig Meilen. (Heute wissen wir, daß die Magelhaens-Straße 600 Kilometer lang ist.) Wir brauchten in Allem zweiundfünfzig Tage zur Fahrt durch dieselbe. . . . Trotz der Schwierigkeiten, die wir dabei zu überwinden hatten (und hier stimmt Byron auch mit Bougainville überein), würde ich doch diesen Weg stets dem um das Cap Horn herum vorziehen, wenigstens in der Zeit von Ende September bis Ende März, in den anderen Monaten des Jahres freilich lieber auf dem offenen Meere segeln. Widrige Winde und schwerer Seegang sind an sich keine Gefahren, während es unklug ist, nahe zwischen zwei Ländern im Finstern herumzutappen. Immer wird man in der Meerenge einige Zeit aufgehalten werden, doch ist diese Zeit nicht als gänzlich verloren zu betrachten. Man findet in derselben vieles und gutes Wasser, Holz, Muscheln, stellenweise auch schöne Fische, und ich bin überzeugt, daß der Scorbut einer Mannschaft viel mehr mitspielt, die um das Cap Horn gesegelt ist, als derjenigen, die durch die Magelhaens-Straße in das westliche Meer gelangte. Als wir aus derselben herauskamen, hatten wir keinen einzigen Kranken.«

Die Ansicht Bougainville's hat bis in die letzte Zeit viele Widersacher gefunden und die von ihm so warm empfohlene Route wurde von den Seefahrern fast vollständig vernachlässigt. Mit noch größerem Rechte geschieht das heutzutage, wo der Dampf das Seewesen vollkommen umgestaltet und alle Bedingungen der Nautik verändert hat.

Kaum war er in die Südsee gelangt, als Bougainville zu seinem Erstaunen südliche Winde antraf. Er mußte in Folge dessen darauf verzichten, die Insel Juan-Fernandez anzulaufen, was er von vornherein im Willen hatte.

Mit dem Befehlshaber der »Etoile« war Verabredung dahin getroffen worden, daß die beiden Schiffe, um einen größeren Theil des Meeres übersehen zu können, soweit von einander entfernt segeln sollten, als das möglich war, ohne einander aus den Augen zu verlieren, und daß die Flute jeden Abend bis auf eine halbe Meile in die Nähe der Fregatte zurückkehren sollte, so daß das kleine Schiff, wenn die »Boudeuse« eine Gefahr bemerkte, derselben entgehen konnte.

Bougainville suchte nach der Osterinsel eine Zeit lang vergeblich. Dann erreichte er im Monat März den Breitengrad der auf Bellin's Karte irrthümlicher Weise unter dem Namen Quiros-Inseln verzeichneten Länder und Inseln. Am 22. desselben Monats bekam er vier Eilande in Sicht, denen er den Namen »die vier Facardines« beilegte und welche einen Theil des gefährlichen Archipels bilden, jener Anhäufung niedriger, halb mit Wasser bedeckter Sternkorallen-Wucherungen, welche aufzufinden alle Seeleute, die durch die Magelhaens-Straße oder um das Cap Horn herum in die Südsee steuerten, sich das Wort gegeben zu haben scheinen. Etwas weiter hin wurde eine fruchtbare, von gänzlich nackt gehenden Wilden bewohnte Insel entdeckt, welch' Letztere lange Spieße mit drohenden Geberden schwangen, woher jene den Namen »Insel der Lanciers« erhielt.

Wir wollen hier nicht wiederholen, was wir über die Natur der Insel, über die Schwierigkeit der Landung an derselben und über die wilde und ungastliche Bevölkerung schon mehrfach zu sagen Gelegenheit hatten. Diese Insel der Lanciers z. B. ist dieselbe, welche Cook Thrum-Cap nannte und Bougainville's Insel de la Harpe, die er am 24. entdeckte, entsprach der Insel Bow desselben Seefahrers.

Da der Befehlshaber wußte, daß Roggeween bei der näheren Untersuchung dieser Gegend beinahe umgekommen wäre, und der Ansicht war, daß deren weitere Kenntnißnahme die damit verknüpften Gefahren in keiner Weise aufwöge, segelte er sofort nach Süden und verlor bald den ausgedehnten Archipel aus dem Auge, der sich auf eine Länge von 500 Meilen hin erstreckte und nicht weniger als sechzig Einzelinseln und Inselgruppen umfaßte.

Am 2. April sah Bougainville einen hohen und steilen Berg, dem er den Namen »Pic de la Boudeuse« gab. Es war die Insel Maitea, welche Quiros schon »la Dezana« getauft hatte. Am 4. befanden sich die Schiffe bei Sonnenaufgang in Sicht von Tahiti, einer langen Insel, die aus zwei, durch eine kaum eine Meile breite Landzunge verbundenen Halbinseln besteht.

Ueber hundert Piroguen mit Auslegern umschwärmten bald die beiden Schiffe; sie waren mit Cocosnüssen und anderen köstlichen Früchten beladen, welche man ohne Schwierigkeit gegen allerhand Kleinigkeiten eintauschte. Bei einbrechender Nacht erglänzte das Ufer von tausend Feuern, die man vom Bord durch einige Raketen beantwortete.

»Der Anblick dieser amphitheatralisch aufsteigenden Küste, sagt Bougainville, bot uns ein reizendes Bild. Obgleich die Berge sich hier zu beträchtlicher Höhe erheben, so zeigt sich doch nirgends das nackte Gestein; Alles ist dicht mit Holz bedeckt. Wir trauten kaum unseren Augen, als wir einen bis zum äußersten, isolirten Gipfel mit Bäumen bestandenen Spitzberg erblickten, der sich etwa in der Mitte der Insel über die anderen Berggruppen erhob; er schien nicht mehr als dreißig Toisen im Durchmesser zu haben und nahm weiter oben immer mehr an Dicke zu; aus der Ferne hätte man denselben wohl für eine ungeheure Pyramide halten können, welche die Hand eines gewandten Decorateurs mit Blätterguirlanden geschmückt hätte. Das weniger hoch gelegene Land enthält da und dort Wiesen und Buschwerk, und längs des ganzen Ufers zieht sich nahe dem Strande, am Fuße des Oberlandes, ein Streifen niedriger, dicht mit Pflanzenwuchs bedeckter Erde hin. Hier gewahrten wir auch inmitten der Bananen, Cocospalmen und anderer mit Früchten beladener Bäume die Wohnungen der Insulaner.«

Der ganze nächstfolgende Tag wurde mit dem Tauschhandel hingebracht. Außer den Früchten boten die Eingebornen auch Hühner, Tauben, Fischerei-Geräthschaften, Werkzeuge, Stoffe und Muscheln an, für welche sie Nägel und Ohrgehänge verlangten.

Am 6. Morgens, nachdem man drei Tage lang an der Küste hin gekreuzt, um eine sichere Rhede zu finden, entschloß sich Bougainville, in der Bai vor Anker zu bleiben, die er am Tage seiner Ankunft gesehen hatte.

»Der Zuzug von Piroguen, sagte er, war rings um die Schiffe so stark, daß wir viele Mühe hatten, uns inmitten der Menge und des Geräusches am Ufer festzulegen. Alle kamen mit dem Rufe: »Tayo!«, was Freunde bedeuten soll, und suchten ihre wohlwollende Gesinnung durch allerlei andere Zeichen auszudrücken. In den Booten befanden sich auch viele Frauen, welche an Gestalt den meisten Europäern kaum etwas nachgaben und an Körperschönheit wohl mit allen wetteifern könnten.«

Bougainville's Koch hatte trotz des ergangenen Verbotes es doch zu ermöglichen gewußt, zu entwischen und an's Land zu gehen. Kaum aber daselbst angekommen, wurde er von einer zahlreichen Menge umringt, die ihn vollständig auskleidete, um alle Theile seines Körpers in Augenschein zu nehmen. Er wußte natürlich nicht, was man mit ihm vornehmen würde, und hielt sich schon für verloren, als man ihm seine Kleider wieder zustellte und ihn die Eingebornen mehr todt als lebendig nach dem Schiffe zurückbrachten. Bougainville wollte ihn noch tadeln, der arme Kerl behauptete aber, er könne ihm drohen, mit was er nur wolle, so würde er ihm damit nicht so viel Angst einjagen, als er auf dem Lande schon ausgestanden habe.

Sobald das Schiff vertäut lag, ging auch Bougainville in Begleitung mehrerer Officiere an's Land, um einen Wasserplatz zu suchen. Schnell umringte ihn eine ungeheure Menschenmenge, die ihn mit größter Neugier betrachtete und immerfort »Tayo! Tayo!« schrie. Ein Eingeborner nöthigte ihn in sein Haus und setzte ihm Früchte, geröstete Fische und Wasser vor. Bei der Rückkehr nach dem Strande wurden die Franzosen von einem hübsch gewachsenen Insulaner aufgehalten, der unter einem Baume liegend ihnen anbot, den Rasen, der ihm als Lagerstatt diente, mit ihm zu theilen.

»Wir erfüllten seinen Wunsch,« sagt Bougainville. »Der Mann neigte sich dann zu uns und sang leise, in Begleitung einer Art Flöte, die ein Anderer mit der Nase blies, ein Lied von scheinbar anakreontischem Charakter; eine reizende und des Pinsels eines Boucher würdige Scene. Vertrauungsvoll gingen vier Insulaner mit an Bord, speisten mit Vergnügen und blieben daselbst über Nacht. Wir spielten ihnen Einiges auf der Flöte, der Baßgeige und auf der Violine vor und brannten zu ihrer Belustigung ein kleines Feuerwerk von Raketen und Schwärmern ab. Dieses Schauspiel erregte zwar ihr freudiges Erstaunen, aber erschreckte sie doch ein wenig.«

Bevor wir weiter gehen und andere Auszüge aus Bougainville's Bericht mittheilen, halten wir uns für verpflichtet, den Leser darauf aufmerksam zu machen, daß er diese, Virgil's Idyllen in den bukolischen Gesängen würdigen Bilder nicht etwa zu genau nimmt. Die fruchtbare Phantasie des Erzählers sucht offenbar Alles zu verschönern. Der reizende Anblick, den er vor Augen hat, die pittoreske Natur genügen ihm noch nicht, und er glaubt seiner Schilderung noch mehr Lichter aufsetzen zu müssen, während er sie damit nur überladet. Jedenfalls vollendete er seine Arbeit in gutem Glauben und gewiß halb unbewußt. Man darf eben allen diesen Beschreibungen nicht in allen Punkten trauen. Für diese damals zeitgemäße Richtung findet sich ein wahrhaft merkwürdiger Beweis in dem Bericht über die zweite Reise Cook's. Hodges, der die Expedition als Maler begleitete, führt uns auf einem Bilde, das die Landung der Engländer an der Insel Middelbourgh darstellt, Leute vor, welche kein Mensch für Bewohner der oceanischen Welt halten, sondern die Jedermann in Hinblick auf ihre Toga weit eher für Zeitgenossen des Cäsar oder Augustus ansehen würde. Und doch hatte der Maler die Originale vor Augen, also unschwer Gelegenheit, eine Scene, deren Zeuge er gewesen, in aller Treue wiederzugeben. Heutzutage trägt man der Wahrheit doch strenger Rechnung. Da sind die Berichte der Reisenden nicht durch unnützen Plunder oder falschen Schmuck entstellt. Verfallen sie dadurch auch in den Ton der trockenen Darstellung, der dem gewöhnlichen Leser nicht gefällt, so findet dafür der Gelehrte in ihnen doch eine verläßliche Quelle und die Bausteine zu einer für den Fortschritt der Wissenschaften nützlichen Arbeit.

Wir folgen nun unserem Erzähler weiter.

An dem Ufer des kleinen, im Hintergrunde der Bai mündenden Flusses ließ Bougainville seine Kranken unterbringen und stellte auch Wasserfässer mit einer Wache zu deren Sicherheit auf. Diese Anordnungen erregten doch einigermaßen das Mißtrauen und den Verdacht der Eingebornen. Letztere gestatteten den Fremdlingen zwar gern, an's Land zu gehen und während des Tages auf ihrer Insel umherzuschweifen, wünschten aber offenbar, daß diese sich wenigstens während der Nacht nach den Schiffen zurückbegäben. Bougainville bestand aber auf seinem Willen und bestimmte nur im Voraus die Dauer seines Aufenthaltes.

Von diesem Augenblick an war das beste Einvernehmen wieder hergestellt. Für die vierunddreißig Scorbutkranken und ihre dreißig Wärter und Wächter wurde ein großer Schuppen eingerichtet und auf allen Seiten verschlossen, so daß er nur einen einzigen Eingang behielt, vor dem die Eingebornen eine Menge Gegenstände aufstapelten, die sie austauschen wollten. Die einzige Unannehmlichkeit, die man hier zu erdulden hatte, bestand darin, daß man Alles, was an's Land gebracht worden war, stets im Auge behalten mußte, »denn in ganz Europa giebt es nicht so gewandte Spitzbuben, als diese Leute hier«. Einer löblichen Gewohnheit, welche nach und nach allgemeiner wurde, folgend, beschenkte Bougainville den Häuptling der Ansiedlung mit ein Paar Truthühnern, nebst männlichen und weiblichen Canarienvögeln, und ließ ein Stück Land in Stand setzen, das er mit Roggen, Gerste, Hafer, Reis, Mais, Zwiebeln und dergleichen besäete.

Am 10. ward ein Eingeborner durch einen Schuß getödtet, ohne daß Bougainville, trotz der strengsten Nachforschungen, den Urheber des abscheulichen Mordes ausfindig zu machen vermochte. Die Eingebornen glaubten offenbar, daß ihr Landsmann den Fremden zuerst Unrecht gethan haben werde und führten dem Markte ihre Erzeugnisse mit unerschüttertem Vertrauen nach wie vor zu.

Der Befehlshaber wußte recht wohl, daß die Rhede keinen guten Schutz gewährte und der Meeresgrund aus großen Korallen bestand. Am 12. fügte die »Boudeuse«, von der der Greling (kleinstes Kabeltau) eines Ankers sich an den Korallen zerschnitten hatte, der »Etoile« schwere Beschädigungen zu, indem sie auf letztere lostrieb. Während die Mannschaft an Bord noch mit Ausbesserung derselben beschäftigt und ein Boot ausgefahren war, um eine andere Durchfahrt zu suchen, welche es den beiden Schiffen dann gestattet hätte, bei jedem Winde auszulaufen, hörte Bougainville, daß drei Insulaner in ihren Hütten durch Bajonettstiche getödtet worden waren und daß die Eingebornen auf diese Schreckensnachricht hin Alle in das Innere entflohen seien.

Ohne Rücksicht auf die den Schiffen drohende Gefahr ging der Kapitän sofort an's Land und ließ die Urheber jenes Verbrechens in Ketten legen, das ja leicht ein ganzes Volk gegen die wenigen Franzosen hätte aufhetzen können. Dank dieser schnellen und strengen Maßregel, beruhigten sich die Einwohner und die Nacht verlief ohne Zwischenfall.

Uebrigens machten derlei Vorkommnisse Bougainville noch nicht die meiste Sorge. Er kehrte also so schnell als möglich nach seinem Schiffe zurück. Während eines starken Hagelschauers mit heftigen Windstößen, grobem Seegang und mächtigem Donner wären die beiden Fahrzeuge beinahe an die Küste geworfen worden, wenn sich nicht zur rechten Zeit ein frischer Wind vom Lande erhoben hätte. Die Anker-Grelinge rissen und es fehlte wenig, so wären die Schiffe auf die Klippen getrieben worden, wo sie natürlich bald in Stücke gehen mußten. Die »Etoile« konnte glücklicher Weise die hohe See gewinnen und bald gelang das auch der »Boudeuse«, wobei sie auf dieser Rhede nicht weniger als sechs Anker zurückließen, die ihnen auf der ferneren Reise gewiß von großem Nutzen gewesen wären.

Kaum wurden die Eingebornen die nahe bevorstehende Abfahrt der Franzosen gewahr, als sie mit Stärkungsmitteln aller Art in großer Menge herzuströmten. Gleichzeitig sprach ein Eingeborner, Namens Aoturu, den Wunsch aus, der ihm auch gewährt wurde, Bougainville auf seiner Reise zu begleiten. In Europa angelangt, wohnte Aoturu elf Monate über in Paris, wo er bei der besten Gesellschaft die wohlwollendste Aufnahme fand. Als er im Jahre 1770 nach seiner Heimat zurückkehren wollte, benutzte die Regierung eine sich bietende Gelegenheit, ihn zunächst nach Isle de France zu bringen. Von hier aus sollte er sich, sobald es die Jahreszeit erlaubte, nach Tahiti begeben; er starb aber auf dieser Insel, ohne nach seiner Heimat die reichliche Ladung an nützlichen Werkzeugen, Sämereien und Thieren überführen zu können, die ihm von Seite der französischen Regierung geschenkt worden war.

Tahiti, das wegen der Schönheit seiner Frauen von Bougainville den Namen »Neu-Kithere« erhielt, ist die größte Insel der Gruppe der Gesellschafts-Inseln. Obgleich von Wallis, wie wir früher erwähnten, schon besucht, fügen wir noch einige Nachrichten hinzu, die man Bougainville zu verdanken hat.

Die hauptsächlichsten Erzeugnisse waren damals Cocosnüsse, Bananen, Brotbäume, Yamswurzeln, Curasol, Zuckerrohr u. s. w. Der auf der »Etoile« eingeschiffte Naturforscher de Commerson fand hier die Flora Indiens wieder. An Vierfüßlern gab es nur Schweine, Hunde und Ratten, die letzteren in großer Menge.

»Das Klima ist so gesund,« sagt Bougainville, »daß trotz der hier vorgenommenen anstrengenden Arbeiten und trotzdem, daß unsere Leute hier beständig halb im Wasser und der brennenden Sonne ausgesetzt waren, auch auf der blanken Erde unter freiem Himmel schliefen, doch kein Mensch erkrankte. Die Scorbutkranken, die wir an's Land brachten und welche daselbst kaum eine völlig ruhige Nacht gehabt haben, erlangten ihre Kräfte wieder und erholten sich in ganz kurzer Zeit so weit, daß sie als geheilt an Bord zurückkehren konnten. Welche schlagenderen Beweise könnte man wohl verlangen für die Heilsamkeit der Luft und der Lebensweise der Urbewohner, als die Gesundheit und Kraftfülle derselben, obwohl sie in Häusern wohnen, welche allen Winden offen stehen und die Erde, die ihnen als Lagerstatt dient, kaum mit einigen Blättern bedecken; als das glückliche Alter, das sie ohne Beschwerde erreichen, die Feinheit ihrer Sinne und die auffallende Schönheit der Zähne, die man auch noch bei den Bejahrtesten beobachtet!«

Der Charakter dieser Völker erschien sanft und gutmüthig. Wenn eigentliche Bürgerkriege unter ihnen auch deshalb nicht vorkommen, weil das Land in kleine, unter je einem unabhängigen Häuptling stehende Districte zerfällt, so giebt es doch nicht selten Streitigkeiten mit den Bewohnern der benachbarten Inseln. Nicht zufrieden damit, die mit bewaffneter Hand gefangenen Männer und Knaben zu tödten, ziehen sie den ersteren auch noch die Kinnhaut mit dem Barte ab und heben diese gräßliche Trophäe sorgfältig auf. Ueber ihre Religion und sonstigen Gebräuche konnte Bougainville nur unbestimmte Nachrichten sammeln. Nur den Cultus, den sie den Verstorbenen widmen, vermochte er besser kennen zu lernen. Sie bewahren die Leichen nämlich sehr lange Zeit an der freien Luft auf einer Art Schaffot, das mit einer Art Hängematte überdeckt wird. Trotz des üblen Geruches, den die in Fäulniß übergehenden Cadaver ausströmen, wehklagen die Frauen doch jeden Tag eine Zeit lang neben diesen Monumenten und benetzen die widerwärtigen Ueberbleibsel ihrer Lieben mit Thränen und – mit Cocosöl.

Die Erzeugnisse des Bodens gedeihen hier so reichlich und verursachen so wenige Arbeit, daß Männer und Frauen sonst fast stets in süßem Nichtsthun hinleben. Dabei erscheint es gar nicht so auffallend, daß die Letzteren für die Todtenklagen so viel Zeit übrig haben. Tanz, Gesang, langdauernde Plaudereien voll ungezwungener Heiterkeit haben bei den Bewohnern von Tahiti eine so leichte Fassungsgabe und einen so beweglichen Geist entwickelt, daß es selbst die Franzosen Wunder nahm, welche man doch nicht für sehr ernsthaft hält, ein Vorwurf, der ihnen freilich meist von Denen gemacht wird, die nicht so lebhaft, heiter und geistreich sind wie sie. Es war fast unmöglich, die Aufmerksamkeit der Ureinwohner längere Zeit zu fesseln. Alles interessirte, aber nichts beschäftigte dieselben. Trotz dieses Mangels an Reflexion waren sie doch gewerbfleißig und ziemlich geschickt. Ihre Piroguen z. B. schienen ebenso zweckmäßig wie solid gebaut. Angeln und Fischereigeräthe waren sehr sorgfältig gearbeitet. Ihre Netze glichen ganz den unsrigen. Die aus der Rinde eines gewissen Baumes hergestellten Stoffe waren künstlich gewebt und mit glänzenden Farben geschmückt.

Wir glauben den Eindruck, den Bougainville von den Tahitiern mit hinwegnahm, dahin zusammenfassen zu können, daß wir sagen, sie sind ein Volk von »Lazzaronis«.

Am 16. April befand sich Bougainville um acht Uhr Morgens etwa zehn Meilen nördlich von Tahiti, als er unter dem Winde Land bemerkte. Obwohl dasselbe drei Inseln zu bilden schien, bestand es doch nur aus einer einzigen. Es hieß, nach Aoturu's Aussage, Omaitia. Der Befehlshaber, der sich hier nicht weiter aufhalten wollte, suchte auf seinem Wege nun vorzüglich die Inseln der Gefahr zu vermeiden, da ihm Roggeween's Unfälle bekannt waren. Während des ganzen Monats April blieb übrigens das Wetter sehr schön und der Wind mäßig.

Am 3. Mai steuerte Bougainville auf ein neues, eben entdecktes Land zu und gewahrte an anderen Stellen auch noch weitere Inseln. Die Küste der größten derselben erschien sehr steil; sie bestand in der That nur aus einem bis zum Gipfel mit Bäumen besetzten Berge, ohne Thäler und Strandgebiet. Man bemerkte auf derselben einige Feuer und vereinzelte im Schatten von Cocosbäumen errichtete Hütten, während etwa dreißig Männer am Ufer hin und her liefen.

Gegen Abend näherten sich den Schiffen einige Piroguen, und nach kurzem, sehr erklärlichem Zaudern begann der Tauschhandel. Für ihre Cocosnüsse, Goyaven und ziemlich schlechten Stoffe, welche wenigstens denen auf Tahiti nachstanden, verlangten die Eingebornen vorzüglich nach Stückchen von rothem Tuche, wiesen aber Eisen, Nägel und Ohrgehänge verächtlich zurück, die Gegenstände, welche auf dem Bourbonen-Archipel, mit welchem Namen Bougainville die Tahiti-Gruppe bezeichnet, so großen Anklang gefunden hatten. Brust und Oberschenkel bis zum Knie liebten die Eingebornen tief blau zu färben; Bart trugen sie nicht, das Haar dagegen in einem starken Bündel auf dem Scheitel befestigt.

Am nächsten Tage sah man noch mehrere zu demselben Archipel gehörige Inseln. Ihre scheinbar sehr wilden Bewohner wagten niemals in die Nähe der Schiffe zu kommen.

»Die Länge dieser Insel,« heißt es in dem Bericht, »ist ungefähr dieselbe, auf der Abel Tasman zu sein glaubte, als er die Inseln Amsterdam, Rotterdam und Prinz Wilhelm, sowie die Fleenskerk-Untiefen entdeckte. Es ist auch nahezu dieselbe wie die der Salomons-Inseln. Uebrigens deuteten die Piroguen, welche wir in der Richtung nach Süden auf die hohe See hinausfahren sahen, darauf hin, daß dort noch weitere Inseln liegen müssen. Diese Länder scheinen demnach eine, sich unter demselben Meridian hinstreckende Kette zu bilden. Die Inseln, welche man den Schiffer-Archipel nennt, liegen unter 14° südlicher Breite, und zwar 171° und 172° westlicher Länge von Paris.«

Nach dem Verbrauche der frischen Nahrungsmittel fing der Scorbut wieder an sich zu zeigen. Man mußte also daran denken, irgendwo an's Land zu gehen. Am 21. desselben Monats wurden die Inseln Pentecosta, Aurora und die Leprosen wahrgenommen, welche den von Quiros im Jahre 1606 entdeckten Archipel der Neuen Hebriden bilden. Da eine Landung bequem ausführbar erschien, beschloß der Commandant, eine Abtheilung an's Land zu senden, um Cocosnüsse und andere antiscorbutische Früchte zu holen. Im Laufe des Tages schloß sich auch Bougainville selbst jener an. Die Matrosen fällten Holz und die Eingebornen halfen jenen, es zu verladen. Trotz dieses scheinbar guten Verhältnisses entschlugen sich die Letzteren doch nicht gänzlich alles Mißtrauens und behielten ihre Waffen in Händen; selbst Diejenigen, welche keine solche bei sich führten, hatten große Steine neben sich, um diese zur Vertheidigung zu gebrauchen. Nach hinlänglicher Belastung der Boote mit Holz und Früchten schiffte Bougainville seine gesammte Mannschaft wieder ein. Da drängten die Eingebornen in dichter Menge heran und überschütteten die Abfahrenden mit einem Hagel von Pfeilen, Lanzen und Zagaien; Einzelne sprangen sogar in's Wasser, um die Franzosen besser angreifen zu können. Da mehrere in die Luft abgefeuerte Schüsse keine Wirkung auf die Wilden hervorbrachten, so vertrieb man dieselben mit einer wohlgezielten Gewehrsalve.

Wenige Tage später kam ein Boot, das an der Leprosen-Insel nach einer Ankerstelle suchte, in die Lage, angegriffen zu werden. Nachdem es zwei Pfeile erhalten, gaben die Leute Feuer und unterhielten dasselbe dann so lebhaft, daß Bougainville seine Mannschaft in ernstlicher Gefahr glaubte. Bei diesem Zusammentreffen fielen zahlreiche Opfer; die in die Wälder entflohenen Wilden stießen ein entsetzliches Geheul aus. Es war ein wirkliches Blutbad. Sehr beunruhigt über das andauernde Schießen, wollte der Commandant dem Boote schon noch ein zweites zu Hilfe schicken, als er das andere um die Ecke kommen sah. Er ließ dasselbe sofort zu sich rufen. »Ich ergriff darauf,« sagt er, »die strengsten Maßregeln, um uns nicht wieder durch einen solchen Mißbrauch unserer überlegenen Kräfte zu entehren.«

Welche traurige Erscheinung, die Seefahrer immer und immer wieder ihre Macht so leichtsinnig mißbrauchen zu sehen! Empört diese Wuth, zu zerstören, ohne jeden Grund, jede Notwendigkeit, ja, ohne nur dazu gereizt zu sein, nicht jedes bessere Gefühl? Welcher Nation die Entdeckungsreisenden auch immer angehören mögen, stets sehen wir sie dasselbe Verbrechen begehen. Man hat also gar keine Ursache, nur dem oder jenem Volke einen derartigen Vorwurf zu machen, er trifft leider die ganze Menschheit.

Nachdem sich Bougainville mit dem Nothwendigsten versorgt, stach er wieder in See.

Der Seefahrer scheint vorzüglich darauf ausgegangen zu sein, recht viel neue Entdeckungen zu machen, denn er nimmt alle Länder, die er antrifft, nur sehr oberflächlich, sozusagen im Fluge in Augenschein, und von allen seinem Berichte beigefügten, übrigens sehr zahlreichen Karten umfaßt nicht eine einzige weder einen ganzen Archipel, noch löst sie die Fragen, die man bei einer neuen Entdeckung wohl zu stellen berechtigt ist. Kapitän Cook verfuhr nicht auf dieselbe Weise. Seine sorgfältigen, mit großer Ausdauer durchgeführten Untersuchungen sichern ihm schon deshalb allein einen weit höheren Rang als dem französischen Seefahrer.

Die Länder, welche die Franzosen eben aufgefunden hatten, waren keine anderen als die Inseln des Heiligen Geistes, Malicolo nebst St. Barthelemy und die dazu gehörigen Eilande. Obwohl er nun die Identität dieser Gruppe mit Quiros Tierra del Espiritu-Santo erkannte, konnte Bougainville doch nicht umhin, ihr einen neuen Namen zu geben, und nannte er sie den Archipel der »Grünen Cycladen«, eine Benennung, für die man in späterer Zeit den Namen die »Neuen Hebriden« einführte.

»Ich glaube wohl,« sagt er, »daß das Land hier der nördlichste Punkt des schon von Roggeween unter dem 11. Breitengrade gesehenen ist, das er damals Tienhoven und Gröningen taufte. Uns schien, als wir hier landeten, Alles darauf hinzudeuten, daß wir uns im südlichen Theile der Tierra del Espiritu-Santo befanden. Unsere eigenen Beobachtungen stimmten mit Quiros' Bericht vollständig überein, und was wir zu Augen bekamen, reizte uns nur zu neuen Nachforschungen. Eigenthümlich ist es, daß wir, genau unter der nämlichen Breite und Länge, unter welcher Quiros seine große Bai St. Jaques und St. Philippe verlegt, und an einer Küste, die man auf den ersten Blick für die eines Festlandes halten könnte, eine Durchfahrt auffanden, genau von derselben Breite, die er der Oeffnung seiner Bai giebt. Sollte der spanische Seefahrer hier falsch gesehen haben? Sollte er über seine Entdeckungen absichtlich haben einige Unklarheit bestehen lassen? Sollten die Geographen durch eignes Hinzuthun das Land des Heiligen Geistes mit Neu-Guinea verwechselt haben? Um dieses Problem zu lösen, mußte man demselben Breitengrade etwa noch auf 350 Meilen folgen. Ich entschloß mich dazu, obwohl der Zustand und die Menge unserer Nahrungsmittel es rathsam erscheinen ließen, sobald als möglich eine europäische Niederlassung aufzusuchen. Man wird sehen, daß wir nahe daran waren, die Opfer unserer Ausdauer zu werden.«

Während sich Bougainville hier aufhielt, riefen ihn verschiedene dienstliche Angelegenheiten nach seinem Begleitschiffe der »Etoile«, wo er eine eigenthümliche Thatsache constatirte, welche doch schon längere Zeit der Gegenstand der Unterhaltung der Mannschaft gewesen war. Der Naturforscher de Commerson hatte als Diener einen gewissen Barré. Dieser, ein unermüdlicher, intelligenter Mensch und selbst schon geübter Botaniker nahm an allen Ausflügen seines Herrn Theil und trug stets die Kästen, Lebensmittel, Waffen und Pflanzenhefte, so daß er sich den Beinamen »das Saumthier« erworben hatte. Seit einiger Zeit hieß es nun plötzlich, Barré sei ein Weib. Sein glattes Gesicht, der Ton der Stimme, seine Zurückhaltung und einige andere Zeichen schienen diesen Verdacht zu bestätigen, als ein Vorkommniß auf Tahiti denselben zur Gewißheit erhob.

De Commerson war an's Land gegangen, um zu botanisiren, und Barré begleitete ihn wie gewöhnlich mit dem ganzen Geräthe, als Letzterer plötzlich von Eingebornen umringt wurde, welche mit dem Geschrei, er sei eine Frau, sich schon anschickten, ihre Behauptungen zu bestätigen. Ein Fähnrich, Herr von Bournand, hatte große Mühe, ihn den Händen derselben zu entreißen und nach dem Boote zurückzubringen.

Während seines Aufenthaltes auf der »Etoile« ließ sich Barré dem Befehlshaber gegenüber zu einem Geständniß herbei. In Thränen aufgelöst, bekannte der Gehilfe des Naturforschers die Wahrheit und entschuldigte sich, seinen Herrn getäuscht zu haben, indem er sich diesem bei der Abreise in Männerkleidern vorstellte. Ohne Angehörige und durch einen Proceß ruinirt, hatte das junge Mädchen jene Verkleidung gewählt, um sich selbst besser durchzuhelfen. Sie wußte übrigens, als man an Bord ging, daß es galt, eine Erdumsegelung auszuführen, aber diese Aussicht erschreckte sie viel weniger, sondern bestärkte sie nur in ihrem Entschlusse.

»Das dürfte also die erste Frau sein, welche eine Reise um die Welt mitgemacht hat,« sagt Bougainville, »und ich muß ihr das Zeugniß geben, daß sie sich an Bord stets untadelhaft betragen hat. Sie ist weder häßlich, noch hübsch und mag sechsundzwanzig bis siebenundzwanzig Jahre zählen. Man wird zugeben, daß die Barré, wenn die Schiffe an einer einsamen Insel verunglückt wären, gewiß die besten Aussichten für die Zukunft gehabt hätte.«

Am 29. Mai verlor die Expedition das Land aus dem Gesicht. Jetzt schlug man einen westlichen Kurs ein. Am 4. Juni zeigte sich unter 15° 50' der Breite und 148° 10' östlicher Länge eine gefährliche Klippe, welche so wenig über das Wasser emporragte, daß man sie in zwei Meilen Entfernung nicht einmal vom Top der Masten aus wahrnehmen konnte. Die Auffindung noch weiterer Riffe, eine Menge dahertreibender Stämme, Früchte und ganze Seeeichen, sowie die verhältnißmäßige Ruhe des Meeres, Alles deutete auf die Nähe eines großen Landes in Südosten hin. Es war das »Neu-Holland«.

Bougainville beschloß nun, sich aus diesem gefährlichen Fahrwasser zurückzuziehen, wo er nichts zu finden hoffen durfte als ein mit Klippen und Untiefen erfülltes Meer. Auch noch ein anderer Grund drängte ihn, einen anderen Weg einzuschlagen; sein Proviant ging zu Ende, das gesalzene Fleisch begann faulig zu werden und die Leute verzehrten lieber Ratten, wenn sie solche fangen konnten. Brot war nur noch für zwei Monate, Gemüse nur für vierzig Tage übrig. Alles wies darauf hin, nach Norden zurückzukehren.

Unglücklicher Weise legte sich der Wind von Süden, und als er wieder aufsprang, brachte er die ganze Expedition in die größte Gefahr. Am 10. Juni erblickte man Land im Norden, und zwar den Grund der Luisiaden-Bucht, welche den Namen »Orangerie-Sackgasse« erhalten hat. Das Land bot ein verlockendes Aussehen. Längs des Meeres hin dehnte sich ein niedriger Strand aus mit Bäumen und Gebüschen, deren balsamischer Duft bis zu den Schiffen herüberdrang, während sich der Erdboden allmälig amphitheatralisch nach den inneren Bergen hin erhob, die ihre hohen Wipfel in den Wolken verbargen.

Leider sollte es unmöglich werden, diesem reichen und fruchtbaren Gebiete einen Besuch abzustatten, ebenso wie im Westen eine nach dem Süden von Neu-Guinea führende Durchfahrt aufzusuchen, welche durch den Carpentaria-Golf auf dem kürzesten Wege nach den Molukken geführt hätte. Gab es überhaupt eine solche Straße? Es erschien das sehr zweifelhaft, denn man glaubte das Land sich ohne Ende nach Westen weiter erstrecken zu sehen. Jetzt galt es, so schnell als möglich wieder aus dem Golfe herauszukommen, in dem man sich unbesonnener Weise hineingewagt hatte.

Von einem Wunsche bis zu dessen Verwirklichung ist es aber immer weit. Vergeblich boten die beiden Schiffe bis zum 31. Juni Alles auf, um sich von dieser mit Klippen und Riffen übersäeten Küste nach Westen hin zu entfernen, da Wind und Strömungen sie an derselben festzuhalten gewillt schienen. Nebel und Regen trugen das ihrige dazu bei, daß man sich mit der begleitenden »Etoile« nur durch dann und wann gelöste Kanonenschüsse in Verbindung erhalten konnte. Sobald der Wind wechselte, wollte man sogleich auf das hohe Meer hinaussegeln; dieser wehte aber aus Ostsüdost, wobei man den etwa zurückgelegten Weg immer bald wieder verlor.

Während dieser bösen Kreuzfahrt mußten nun auch die Brot- und Gemüse-Rationen vermindert und ein strenges Verbot erlassen werden, altes Leder zu verzehren, während die letzte an Bord befindliche Ziege geopfert wurde.

Der Leser, welcher gemüthlich am Ofen sitzt, vermag sich kaum freilich eine Vorstellung davon zu machen, mit welcher Angst man in jenen unbekannten Meeren segelte, wo man an allen Seiten auf Riffe stoßen oder durch widrige Winde und unerwartete Strömungen in eine schwere Brandung getrieben werden konnte, während der Nebel diese Gefahren auch dem schärfsten Auge verhüllte.

Erst am 26. wurde das Cap de Délivrance umschifft; nun war auch die Möglichkeit gegeben, nach Nordost weiter vorzudringen.

Zwei Tage später hatte man etwa sechzig Meilen nach Norden zu zurückgelegt, als mehrere Stücke Land sichtbar wurden. Bougainville glaubte, sie gehörten zu den Louisiaden; gewöhnlich betrachtet man sie dagegen als zusammenhängend mit dem Salomons-Archipel, den Carteret, der einige Jahre vorher hier war, ebenso zuerst entdeckt zu haben glaubte wie der französische Seefahrer.

Bald schwärmten zahlreiche Piroguen ohne Ausleger um die beiden Schiffe herum. In denselben saßen Männer von ebenfalls so schwarzer Farbe wie die Afrikaner, und mit krausen, langen röthlichen Haaren. Sie trugen Zagaien, stießen ein lautes Geschrei aus und verriethen überhaupt nicht besonders freundliche Absichten. Uebrigens mußte man auch aus anderen Gründen auf eine Landung verzichten. Die Wellen brachen sich am Ufer nämlich mit einer solchen Heftigkeit und das Vorland war so schmal, daß man es kaum sah.

Rings von Inseln umgeben und von dichtem Nebel verhüllt, segelte Bougainville auf gut Glück in eine vier bis fünf Meilen breite Wasserstraße ein, wo der Seegang so stark war, daß die »Etoile« die Luken schließen mußte. An der östlichen Küste derselben zeigte sich eine hübsche Bai, welche einen guten Ankerplatz versprach. Sogleich wurden Boote ausgesendet, um den Grund zu untersuchen. Während diese noch mit ihrer Arbeit beschäftigt waren, näherten sich etwa zehn Piroguen mit gegen fünfzig, mit Lanzen, Bogen und Schildern bewaffneten Männern. Die Piroguen trennten sich bald in zwei Abtheilungen, um die französischen Boote zu umzingeln. Kaum in Schußweite angekommen, entsendeten sie über dieselben eine Wolke von Pfeilen und kleinen Wurfspießen; selbst eine Gewehrsalve hielt sie nicht auf, sondern es bedurfte einer zweiten, um sie in die Flucht zu treiben. Zwei Piroguen, deren Insassen in's Wasser sprangen, wurden dabei genommen. Lang und gut gearbeitet, erschienen sie an der Spitze mit einem ausgemeißelten Menschenkopf geschmückt, dessen Augen von Perlmutter, die Ohren von Schildkrot und die Lippen lebhaft roth gefärbt waren. Die Wasserstraße, wo dieser Angriff stattgefunden hatte, erhielt die Benennung »Straße der Krieger«, während man die Insel zu Ehren des französischen Marineministers »Choiseul« taufte.

Beim Verlassen derselben wurde wieder ein neues Land gefunden, nämlich die Insel Bougainville, deren nördlichste Spitze oder das Cap Lawerdy mit der Bouka-Insel zusammenzuhängen scheint. Die letztere von Carteret im Vorjahre gesehen und von ihm Winchelsea getauft, schien sehr dicht bevölkert, wenigstens nach der großen Anzahl von Hütten zu urtheilen, die sie bedeckte. Ihre Bewohner, von Bougainville als Neger bezeichnet, wahrscheinlich um sie von den Polynesiern und Malayen zu unterscheiden, sind Papuas und von derselben Abstammung wie die Eingebornen Neu-Guineas. Ihre kurzlockigen Haare waren roth gefärbt, die Zähne hatten von der Gewohnheit des unablässigen Betelkauens dieselbe Farbe angenommen. Die mit Cocospalmen und anderen Bäumen bestandene Küste versprach Stärkungsmittel in Ueberfluß; widrige Winde und heftige Strömungen führten die beiden Schiffe aber bald hinweg.

Am 6. Juli warf Bougainville an der von Schouten entdeckten Südküste von Neu-Irland Anker, und zwar an derselben Stelle, wo Carteret gelegen hatte.

»Wir beförderten unsere Wasserfässer an's Land,« meldet der Bericht, »errichteten einige Zelte und begannen Wasser zu fassen, Holz zu fällen und Kleidungsstücke zu waschen, was Alles höchst nöthig war.

»Unser Landungsplatz war prächtig und zeigte einen feinen sandigen Grund ohne Felsen oder starken Wellenschlag; das Innere des kleinen Hafens enthielt auf einer Strecke von kaum vierhundert Schritt vier schöne, klare Bäche, Drei derselben nahmen wir in Gebrauch; aus dem einen erhielt die »Boudeuse«, aus dem anderen die »Etoile« ihr Wasser, während der dritte zum Waschen benutzt wurde. Holz fand sich am Strande des Meeres, und zwar in mehreren Arten, welches sich alles gut als Brennholz, einiges auch für Zimmermannsarbeiten, für die gewöhnliche und selbst für Kunsttischlerei eignete. Die beiden Schiffe lagen eines von dem anderen und vom Ufer nur so weit entfernt, daß man einander anrufen konnte. Der Hafen und dessen Umgebungen erwiesen sich übrigens bis auf weite Strecken hinaus unbewohnt, was uns eine sehr erwünschte Sicherheit und Freiheit der Bewegung gewährleistete. Ebenso konnten wir weder einen sichereren Ankerplatz noch eine bequemere Stelle wünschen, um Wasser und Holz einzunehmen, an den Schiffen die so dringend notwendigen Reparaturen auszuführen und unsere Scorbutkranken nach Belieben in den schönen Wäldern umherspazieren zu lassen. Das waren die Vorzüge dieses Ruheplatzes; er hatte indessen auch einige Schattenseiten. Trotz aller Nachsuchungen fand man hier weder Cocosnüsse, noch Bananen oder irgend welche Naturerzeugnisse, die man mit Güte oder Gewalt in jedem bewohnten Land hätte erlangen können. Da sich auch der Fischfang nicht ergiebig erwies, so durfte man hier eben nur so lange verweilen, als unbedingt nöthig war. Man hatte ferner alle Ursache, zu fürchten, daß die Kranken hier nicht genesen würden. Wohl kamen keine heftigeren Anfälle vor, doch mußten sich noch Einzelne legen, und da sich auch die Anderen hier nicht besserten, so mußte man auf ein desto schnelleres Fortschreiten des Uebels rechnen.«

Kaum rasteten die Franzosen wenige Tage später an dieser Stelle, als ein Matrose eine Bleiplatte fand, auf der noch der Rest einer englischen Inschrift zu lesen war; man ersah aus derselben ohne Mühe, daß Carteret ein Jahr vorher eben hier gelegen hatte.

Auch den Jägern bot das Land nur geringe Beute. Wohl sahen diese einige Eber und wilde Schweine, doch kamen sie nicht zum Schuß. Dafür erlegten sie sehr schöne Tauben mit weißgrauem Hals und Bauche und grüngoldigem Gefieder, ferner Turteltauben, Paradiesammern, Papageien, eine Art Vögel mit einer Federkrone und Krähen, deren Geschrei dem Bellen eines Hundes zum Verwechseln ähnlich klang. Von Bäumen und Gesträuchen gedeihen hier der Betel, Arekanußbaum, der Kalmus, der Pfefferstrauch u. s. w.

Gefährliche Reptilien gab es in den Sumpfniederungen in Menge und in den Urwäldern viele Schlangen, Scorpione und andere giftige Thiere. Leider machten diese Feinde des Menschen nicht das Land allein unsicher. Ein Matrose, der nach Muschelthieren suchte, wurde von einer Art Schlange gestochen. Nach fünf- bis sechsstündigem schweren Leiden und schrecklichen Krämpfen ließen erst seine Schmerzen nach und endlich brachten ihn Theriak und Schußwasser, die man gleich nach seiner Verwundung angewendet hatte, wieder auf die Füße. Dieser Zwischenfall ließ den Eifer der Liebhaber der Conchyliologie merklich erkalten.

Am 22. machte sich, nach einem schweren Sturm, auf den Schiffen ein wiederholtes Erdbeben bemerkbar, bei dem das Meer sich mehrmals hintereinander hob und senkte, was die mit Fischen beschäftigten Matrosen nicht wenig erschreckte. Trotz des Regens und der fast unaufhörlichen Gewitter ging doch Tag für Tag eine Abtheilung aus, um Latanen, Palmenkohl und Schildkröten zu holen. Man versprach sich zwar Berge und Wunder, meist kehrten die Leute aber mit leeren Händen, nur bis auf die Knochen durchnäßt, von ihrem Ausfluge zurück. Eine Naturmerkwürdigkeit und eine tausendmal schönere, als was je ein Künstler zur Ausschmückung eines Königspalastes erdacht hat, zog jeden Tag nicht wenige Besucher an, welche nicht satt wurden, sie zu bewundern.

»Es war das ein Wasserfall. Ihn zu beschreiben wäre unmöglich. Man müßte, um eine Vorstellung von dessen Schönheit zu geben, mit dem Pinsel die Feuerfunken der von der Sonne vergoldeten Wasserwirbel malen, den feuchten Schatten der Tropenbäume, die aus dem Wasser selbst hervorragen, und das phantastische Spiel des Lichtes auf einer großartigen Landschaft, welche des Menschen Hand noch nicht berührt hat.«

Sobald der Wind umschlug, verließen die Schiffe den Hafen Praslin und folgten der Küste von Neu-Britannien weiter bis zum 3. August. Die »Etoile« unterwegs von einer Menge Piroguen angegriffen, mußte den auf sie abgeschossenen Pfeilen und geschleuderten Steinen mit Flintenschüssen antworten, welche die Angreifer schnell in die Flucht trieben. Am 4. bekam man die von Dampier als Mathias- und Stürmischen Inseln bezeichneten Länder in Sicht. Drei Tage später fand man die Insel der Anachoreten, so genannt von einer großen Menge mit dem Fischfang beschäftigter Piroguen, deren Insassen bei der Annäherung der »Boudeuse« und der »Etoile« sich nicht im Geringsten aus ihrer Ruhe stören und gar nicht in den Sinn kommen ließen, mit den Fremden in Verbindung zu treten.

Nach einer Reihe, halb unter dem Wasser stehender Eilande, an welchen die Fahrzeuge zu scheitern in Gefahr kamen und die Bougainville »l'Echiquier« (das Schachbrett) nannte, zeigte sich nun die Küste von Guinea, welche hoch und bergerfüllt nach Westnordwesten verlief. Am 12. entdeckte man eine ausgedehnte Bai; die bis jetzt widrigen Strömungen aber führten die Schiffe von derselben gegen zwanzig Meilen weit auf die hohe See hinaus, so daß nur zwei Berge am Eingange von jener, der »Cyklop« und »Bougainville«, sichtbar blieben.

Weiter sah man die Arimoa-Inseln, deren größte kaum vier Meilen in der Länge mißt; schlechtes Wetter und starke Strömungen nöthigten die Schiffe aber, sich auf dem hohen Meer zu halten und auf jede nähere Kenntnißnahme zu verzichten. Doch mußte man immer daran denken, bald wieder an's Land zu gehen, um nicht den Weg zu verlieren und die Fahrstraße nach dem indischen Meere zu verfehlen. So segelte man nur noch an den Inseln Mispulu und Waigiu, im äußersten Nordosten Neu-Guineas vorüber.

Der sogenannte Kanal der Franzosen, der die Schiffe endlich aus dieser Anhäufung kleiner Inseln und gefährlicher Klippen befreite, wurde glücklich passirt. Nun segelte Bougainville auf den Archipel der Molukken zu, wo er für die fünfundvierzig Scorbutkranken, die er an Bord hatte, die nöthigen Hilfsmittel zu finden hoffte.

Bei seiner vollständigen Unkenntniß der Vorgänge in Europa seit seiner Abreise, wollte sich Bougainville nicht nach einer Colonie begeben, wo er der Schwächere gewesen wäre. Die kleine Niederlassung der Holländer auf Boero oder Buru entsprach seinen Absichten vollkommen, vorzüglich weil dort auch leicht Stärkungsmittel zu haben sein mußten. Mit lebhafter Freude begrüßten die Mannschaften den Befehl, in den Golf von Cajeti einzufahren. An Bord gab es fast Niemand, der nicht mehr oder weniger vom Scorbut zu leiden gehabt hätte, und die Hälfte der Leute, sagt Bougainville, war absolut nicht im Stande, ihre Dienste zu thun.

»Die uns noch verbleibenden Nahrungsmittel waren so verfault und übelriechend geworden, daß die schlimmsten Augenblicke unserer traurigen Tage stets diejenigen waren, wenn die Glocke uns zum Verspeisen dieser ekelhaften und ungesunden Lebensmittel rief. Um wie viel verlockender erschien unseren Augen dann das liebliche Boero oder Buru! Mitten in der Nacht machte sich ein höchst angenehmer, von den aromatischen Pflanzen, mit denen die Molukken geradezu bedeckt sind, herrührender Geruch schon einige Meilen draußen im Meere bemerkbar, gleichsam der Vorbote, der das Ende unserer Leiden anmeldete. Der Anblick des ziemlich großen Städtchens, das im Hintergrunde des Golfes lag, die verankerten Schiffe, die in den umgebenden Wiesenplänen umherschweifenden Hausthiere, Alles erregte ein allgemeines Entzücken, das ich gewiß selbst getheilt habe, aber trotzdem zu beschreiben nicht im Stande bin.«

Kaum waren die »Boudeuse« und die »Etoile« vor Anker gegangen, als der Resident der Niederlassung zwei Soldaten absendete, um sich bei dem französischen Commandanten nach der Ursache zu erkundigen, die ihn veranlaßte, hier einzulaufen, da er doch wissen müsse, daß das nur den Schiffen der indischen Compagnie gestattet sei. Bougainville beauftragte sofort einen Officier, jenem die Erklärung zu bringen, daß nur Hunger und Krankheiten ihn gezwungen hätten, in dem ersten Hafen, dem er begegnete, einzulaufen. Auch werde er Boero verlassen, sobald er die nöthige Hilfe, die er höchst dringend brauche und um die er im Namen der Menschlichkeit bitte, erhalten habe. Der Statthalter schickte ihm nun den Befehl des Gouverneurs Amboine, der ihm ausdrücklich verbot, kein fremdes Schiff in seinem Hafen aufzunehmen, und bat Bougainville, ihm eine schriftliche Erklärung darüber abzugeben, warum er hier trotzdem eingelaufen sei, um seinem Vorgesetzten im Nothfalle den Beweis beibringen zu können, daß er nicht gegen die Vorschrift gefehlt, sondern nur dem Zwange der Umstände nachgegeben habe.

Als Bougainville das Certificat unterzeichnet hatte, entwickelten sich zwischen ihm und den Holländern bald die herzlichsten Beziehungen. Der Statthalter wollte den Stab der beiden Schiffe bei der Tafel empfangen und es wurde auch ein Contract wegen Lieferung frischen Fleisches abgeschlossen. An Stelle des Brotes trat nun der Reis, die gewöhnliche Nahrung der Holländer, und außerdem wurden den Mannschaften frische Gemüse vorgesetzt, welche auf dieser Insel keineswegs allgemein angebaut werden, sondern von dem Statthalter aus dem Garten der Compagnie selbst bezogen worden waren. Für die Kranken wäre es gewiß wünschenswerth gewesen, die Rast hier noch etwas zu verlängern, das bevorstehende Aufhören des Ostmonsuns drängte Bougainville aber, nach Batavia zu segeln.

Am 7. September verließ der Commandant Boero mit der Ueberzeugung, daß die Seefahrt in dem Archipel beiweitem nicht so gefährlich sei, als die Holländer gewöhnlich behaupten. Auf die französischen Karten konnte man sich hier allerdings nicht verlassen; sie waren weit geeigneter, die Schiffe in's Verderben zu führen, statt sie zu leiten, Bougainville schlug also den Weg durch die Button- und Saleyer-Straße ein. Diese von den Holländern selbst benützte Passage ist den anderen Nationen sehr wenig bekannt; der Bericht beschreibt hier auch mit größter Sorgfalt den zurückgelegten Weg von Cap zu Cap. Wir halten uns bei diesem Theile der Fahrt nicht auf, obwohl gerade er sehr lehrreich, aber mehr für Fachleute geschrieben ist.

Am 28. September gelangten die »Etoile« und die »Boudeuse« nach einer Reise von zehneinhalb Monaten seit der Abfahrt aus Montevideo nach Batavia, der schönsten Colonie der ganzen Erde. Jetzt ist die Reise eigentlich als beendet anzusehen. Nachdem er noch die Isle de France, das Cap der Guten Hoffnung und die Insel Ascension berührt, bei welcher er auch Carteret auffand, kehrte Bougainville am 16. Februar 1769 nach St. Malo zurück; er hatte, seitdem er Nantes vor zwei Jahren und vier Monaten verlassen, übrigens nur sieben Mann verloren.

Die noch übrige Laufbahn dieses glücklichen Seefahrers liegt unserer Aufgabe ferner, wir erwähnen derselben nur mit wenig Worten. Er nahm am Kriege in Amerika theil und bestand im Jahre 1781 ein ehrenvolles Gefecht vor dem Fort Royal de Martinique. Seit 1780 Geschwader-Chef, erhielt er zehn Jahre später den Auftrag, auf der meuterischen Flottille Albert de Rious' die Ordnung wieder herzustellen. Im Jahre 1792 zum Vice-Admiral ernannt, suchte er die Annahme dieses Postens abzulehnen, weil er ihn für einen bloßen Titel ohne Amt betrachtete. Später in das Längenbureau und das Institut von Frankreich berufen, zur Würde eines Senators erhoben und von Napoleon I. mit der Grafenwürde beehrt, starb Bougainville am 31. August 1811, »an Jahren und an Ehren reich«.

Bougainville's Namen hat vorzüglich der Umstand so volksthümlich gemacht, daß er der erste Franzose war, der eine Erdumsegelung ausführte. Kommt ihm auch das Verdienst zu, einige unbekannte oder doch wenig bekannte Archipele entdeckt, wenn auch nicht näher erforscht zu haben, so verdankt er seinen Ruf doch weit mehr dem Reize, der Leichtigkeit und Lebendigkeit seines Reiseberichtes, als seinen eigentlichen Arbeiten. Daß er mehr bekannt wurde als andere französische Seeleute und erfolgreiche Wettbewerber, rührt nicht daher, daß er mehr geleistet hätte als diese, sondern nur, daß er seine Abenteuer in einer Weise zu erzählen wußte, welche seine Zeitgenossen interessirte.

Was Guyot Duclos betrifft, so verschuldete es seine Stellung als zweiter Officier und seine bürgerliche Abkunft, daß er ohne Belohnung ausging. Seine spätere Ernennung zum Ritter des heiligen Ludwig verdankt er nur seiner Rettung der »Belle-Poule«. Obschon 1722 geboren und seit 1734 im Dienst, nahm er doch 1791 noch die Stellung eines Schiffslieutenants ein. Erst mußten mit der neueren Zeit vorurtheilsfreiere Minister an's Ruder kommen, damit er wenigstens zum Kapitän avancirte, gewiß eine sehr verspätete Belohnung so langer und erfolgreicher Dienste. Er starb in St. Servan am 10. März 1794.


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