Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Zwanzigstes Capitel.

Die Regenzeit. – Die Kleidungsfrage. – Eine Robbenjagd. – Fabrikation von Kerzen. – Häusliche Arbeiten. – Die beiden Brückchen. – Rückkehr von einem Besuche der Austernbank. – Was Harbert in seiner Tasche fand.

———

Mit dem Monat Juni, der dem December der nördlichen Erdhälfte entspricht, begann nun ernstlich der Winter und führte sich mit Platzregen und Windstößen ein, welche einander ohne Unterbrechung folgten. Jetzt lernten die Bewohner des Granithauses die Vortheile einer Wohnung schätzen, die sie vor jeder Unbill der Witterung schützte. Zur Ueberwinterung hätten sich die lustigen Kamine gewiß unzulänglich erwiesen, abgesehen davon, daß bei den anhaltenden, steifen Seewinden das Wasser wahrscheinlich bis in dieselben hineingetrieben worden wäre. Cyrus Smith ordnete hiergegen noch einige Vorsichtsmaßregeln an, um die Schmiede nebst den dort eingerichteten Oefen möglichst zu sichern.

Während des ganzen Monats Juni verwendete man die Zeit auf verschiedene Arbeiten, ohne die Jagd und den Fischfang, durch welche die Vorräthe der Speisekammer nach Kräften vermehrt wurden, zu vernachlässigen. Sobald er die nöthige Muße gewann, wollte Pencroff auch Fallen aufstellen, von denen er sich das Beste versprach. Er verfertigte also Schlingen aus holzigen Fasern, und bald verging kein Tag, an dem der Kaninchenbau nicht sein Contingent dieser Nagethiere geliefert hätte, so daß Nab kaum mit dem Pökeln und Räuchern des Fleisches fertig werden konnte, das eine so schöne und haltbare Nahrung versprach.

Nach und nach drängte sich nun auch die Bekleidungsfrage mehr in den Vordergrund. Die Colonisten besaßen ja Nichts, als was sie auf dem Leibe trugen, als der Ballon sie auf die Insel warf. Ihre Bekleidung war wohl warm und dauerhaft; sie wandten ihr ebenso wie der Leibwäsche die strengste Sorgfalt zu und hielten Alles so sauber als möglich, und doch machte sich ein Ersatz bald nöthig. Sollte nun gar der Winter recht anhaltend und streng auftreten, so mußte die Kälte ihnen gar empfindlich zusetzen.

Hier ließ nun Cyrus Smith fast seine Weisheit im Stiche. Das zunächst Nothwendigste, Wohnung und Nahrung, hatte er zu beschaffen gewußt, und jetzt konnte ihn die Kälte überraschen, noch bevor die Frage bezüglich der Kleidung gelöst war. Man mußte sich wohl oder übel darein ergeben, diesen ersten Winter ohne vieles Murren zu ertragen. Bei Wiederkehr der besseren Jahreszeit sollte dann den wilden Schafen, die man schon bei Gelegenheit der Besteigung des Franklin-Berges bemerkte, ernstlich nachgestellt werden. Hatte man nur die nöthige Wolle, so würde der Ingenieur schon warme und haltbare Stoffe herzustellen wissen ... Wie?… Das würde er sich schon überlegen.

»Ei was, sagte Pencroff, da versengen wir uns die Beine im Granithause! Brennmaterial haben wir ja genug und brauchen es also nicht zu sparen.

– Uebrigens, bemerkte Gedeon Spilett, liegt auch die Insel Lincoln nicht unter so hoher Breite, und hat voraussichtlich gar keinen so strengen Winter. Sagten Sie uns nicht, Cyrus, daß dieser fünfunddreißigste Breitengrad etwa dem von Spanien auf der nördlichen Halbkugel entspreche?

– So ist es, erwiderte der Ingenieur, und doch hat Spanien manchmal verhältnißmäßig recht harte Winter, denen weder Schnee noch Eis fehlen; dasselbe können wir wohl auf der Insel Lincoln erleben. Indeß, Lincoln ist eben eine Insel und wird als solche hoffentlich eine gemäßigtere Temperatur haben.

– Und warum das, Mr. Cyrus? fragte Harbert.

– Weil das Meer als ein ungeheures Reservoir betrachtet werden kann, in dem sich die Sonnenhitze aufspeichert. Im Winter strahlt dasselbe diesen Wärmevorrath wieder aus, und das sichert den Nachbarländern jedes Oceans eine mittlere Temperatur, die im Sommer nie so hoch steigt und im Winter nie so tief herabgeht.

– Das wird sich ja zeigen, fiel Pencroff ein; darüber aber, ob es sehr kalt werden mag oder nicht, wollen wir uns jetzt nicht beunruhigen. Ganz gewiß aber nehmen die Tage ab und die Abende zu. Ich meine, wir besprächen Ueber das Thema der Beleuchtung.

– Nichts leichter als das, antwortete Cyrus Smith.

– Zu besprechen? fragte der Seemann.

– Nein, auch zu lösen.

– Und wann gehen wir daran?

– Morgen, und beginnen nämlich mit einer Robbenjagd.

– Um Talglichter zu erhalten?

– Pfui, Pencroff! Feine Kerzen.«

In der That lag das in der Absicht des Ingenieurs. Da er Kalk und Schwefelsäure besaß und die Amphibien des Eilandes das nöthige Fett liefern mußten, so erschien ihm die Ausführung derselben mit Recht nicht so schwierig.

Man schrieb den 4 Juni; es war Pfingstfest, das man unter allseitiger Zustimmung andächtig feiern wollte Alle Arbeiten ruhten, dafür wurde manches Gebet zum Himmel emporgesandt, in dem sich jedoch nur der fromme Dank der Colonisten aussprach. Jetzt waren sie ja keine elenden Schiffbrüchigen mehr, sie hatten Alles und priesen Gott für seine Gnade.

Am anderen Tage, dem 5. Juni, begaben sich Alle bei ziemlich unsicherer Witterung nach dem Eilande. Jetzt war man noch immer gezwungen, die Ebbe abzuwarten, um den Canal zu durchwaten, und so wurde denn beschlossen, recht bald und so gut es sich eben ausführen ließ, ein Canot zu erbauen, das die Verbindung mit dem Eilande erleichtern und bei Gelegenheit der für das Frühjahr geplanten großen Expedition stromaufwärts der Mercy benutzt werden sollte.

Robben gab es in Menge und erlegten die Jäger mit ihren Spießen in nicht zu langer Zeit ein halbes Dutzend derselben. Nab und Pencroff häuteten sie ab und brachten nach dem Granithause nur das Fett und die Häute mit, da man letztere zur Anfertigung dauerhaften Schuhwerks zu verwenden gedachte.

Das Jagdergebniß bestand übrigens in etwa dreihundert Pfund Fett, welche ganz und gar zur Kerzenfabrikation dienen sollten.

Diese Operation gestaltete sich überraschend einfach, und wenn sie auch nicht allseitig vollkommene Erzeugnisse lieferte, so zeigten sich dieselben doch ganz brauchbar. Hätte Cyrus Smith nur Schwefelsäure zu Diensten gestanden, so konnte er wohl durch Erhitzung derselben mit dem Fettkörper, – hier dem Robbenthran, – das Glycerin isoliren und aus der entstandenen neuen Verbindung durch Absieden mit Wasser das Oleïn, Margarin und Stearin abscheiden. Um die Operation zu vereinfachen, zog er es vor, das Fett durch Kalk zu verseifen. Hierbei erhielt er eine unlösliche Kalkseife, aus welcher bei ihrer Zersetzung durch Schwefelsäure der Kalk in schwefelsauren Kalk umgewandelt, obige Fettsäuren aber frei wurden.

Von diesen drei Säuren, dem Oleïn, Margarin und Stearin, entfernte er die erstere, welche flüssig ist, einfach durch Auspressen. Die beiden übrigen stellten nun die zu Kerzen bestimmten Stoffe dar.

Das ganze Verfahren nahm kaum vierundzwanzig Stunden in Anspruch. Die Dochte bereitete man nach mehreren fehl geschlagenen Versuchen aus Pflanzenfasern, die mit Oleïn getränkt wurden. So entstanden denn wirkliche, freilich aus freier Hand geformte, Stearinkerzen, denen im Grunde nur die Bleiche und die Politur fehlten. Die Dochte boten freilich nicht dieselbe Bequemlichkeit, wie die gebräuchlichen, welche mit Borsäure getränkt sind und sich je nach dem Herabbrennen der Kerze verglasen und vollständig verflüchtigen; da es Cyrus aber auch gelang, eine ganz praktische Lichtscheere herzustellen, so fanden jene Kerzen bei den Abendzusammenkünften im Granithause die ausgedehnteste Anwendung.

Den ganzen Monat über fehlte es an Arbeiten im Inneren der neuen Wohnung nie. Die Tischler bekamen zu thun. Man suchte die sehr primitiven Werkzeuge zu verbessern und zu vervollständigen.

So wurden unter anderem Scheeren hergestellt und konnten die Colonisten endlich einmal ihre Haare schneiden und den Bart, wenn auch nicht rasiren, doch nach Belieben stutzen. Harbert hatte einen solchen noch nicht, Nab nur sehr wenig, die Uebrigen dagegen waren nach und nach so struppig geworden, daß die Fabrikation einer Scheere schon aus diesem Grunde gerechtfertigt erschien.

Die Anfertigung einer Handsäge kostete unendliche Mühe; endlich erhielt man aber doch ein Werkzeug, mit dem sich bei dem nöthigen Kraftaufwande Holz schneiden ließ.

Nun baute man sich Tische, Sitze, Schränke zur Möblirung der Zimmer, Bettgestelle, deren ganze Ausstattung aus einer Seegrasmatratze bestand. Die Küche mit ihren Brettern, auf denen die irdenen Gefäße ihren Platz hatten, ihrem Ziegelsteinofen und der steinernen Aufwaschplatte bot ein recht freundliches Aussehen, und Nab vollzog seine Geschäfte in derselben mit einem Ernste, als befände er sich in einem chemischen Laboratorium.

Bald mußten die Tischler aber den Zimmerleuten den Platz wieder räumen. Der neue, durch die Minensprengung geschaffene Abfluß machte zwei kleine Brücken nöthig, die eine auf dem Plateau der Freien Umschau selbst, die andere auf dem Strande. Beide Oertlichkeiten waren in der That jetzt durch den Wasserlauf durchschnitten, den man allzu häufig überschreiten mußte, wenn man sich nach dem Norden der Insel begab. Wollte man diesen vermeiden, so ging das nur mit dem ungeheuren Umwege um die Quelle des Rothen Flusses nahe dem Franklin-Berge herum. Am einfachsten erschien es also, auf dem Plateau, wie auf dem Strande, zwei kleine, zwanzig bis fünfundzwanzig Fuß lange Brücken darüber zu schlagen, deren Grundlager einige mit der Axt roh vierkantig behauene Baumstämme bildeten. Das war das Werk weniger Tage. Nach Fertigstellung der Brücken benutzten sie Nab und Pencroff sogleich, um sich nach der in der Nähe der Dünen aufgefundenen Austernbank zu begeben, dabei nahmen sie auch eine Art Wagen mit, der jetzt die Stelle der früheren, gar so unbequemen Schleife ersetzte, und brachten einige Tausend Austern mit, welche zur Anlage einer künstlichen Bank zwischen den Felsen, welche die Mündung der Mercy umgaben, dienten. Die Mollusken von wahrhaft trefflicher Qualität bildeten einen täglichen Bestandtheil der Tafel unserer Colonisten.

Wie man sieht, lieferte die Insel Lincoln, trotzdem, daß sie bis jetzt nur zum kleinsten Theile untersucht war, den Einsiedlern doch schon reichlich alle Lebensbedürfnisse und versprach in den dichtbewaldeten großen Strecken zwischen der Mercy und dem Krallen-Cap gewiß noch neue Schätze. Nur einen einzigen Mangel empfanden die Colonisten der Insel Lincoln recht hart.

Wohl hatten sie stickstoffhaltige Nahrung in Menge, ihre Körperkraft zu erhalten, Vegetabilien, um die Wirkung derselben zu mäßigen; die der Gährung unterworfenen holzigen Wurzeln von Drachenbäumen lieferten ein säuerliches, einem Biere ähnliches Getränk, das dem einfachen Wasser vorzuziehen war; sie hatten selbst ohne Zuckerrohr oder Runkelrüben sich Zucker zu verschaffen gewußt, indem sie den Saft von » acer saccharinum«, dem sogenannten Zucker-Ahorn, der in den gemäßigten Zonen vielfach gedeiht und auf der Insel Lincoln angetroffen wurde, auffingen; sie entbehrten nicht eines sehr angenehmen Thees; sie besaßen Salz, das einzige Mineral, das als solches zur Nahrung gehört, im Ueberfluß – aber eines fehlte ihnen, das Brod!

In der Folge war dieses Nahrungsmittel vielleicht durch irgend ein Aequivalent, wie das Mehl des Sagobaumes oder das Satzmehl des Brodfruchtbaumes zu ersetzen, denn in der That lag die Möglichkeit nahe, daß die Wälder des Südens jene so kostbaren Bäume enthielten, bis jetzt jedoch war man denselben noch nicht begegnet.

Hierin sollte ihnen aber die Vorsehung direct zu Hilfe kommen und zwar auf eine Weise, daß Cyrus Smith mit allen seinen Kenntnissen niemals im Stande gewesen wäre, dasjenige zu ersetzen, was Harbert in dem Futter seiner Jacke, das er auszubessern im Begriffe stand, eines Tages in die Hand fiel.

Gerade befanden sich die Colonisten – draußen regnete es in Strömen – in dem großen Saale des Granithauses versammelt, als der junge Mann plötzlich ausrief:

»Hier, Mr. Cyrus, ein Getreidekorn!«

Hierbei zeigte er seinen Gefährten ein einziges Korn vor, das aus seiner durchlöcherten Tasche den Weg in's Futter gefunden hatte.

Das Vorhandensein desselben erklärte sich aus Harbert's Gewohnheit, in Richmond einige Holztauben, die ihm Pencroff geschenkt hatte, zu füttern.

»Ein Getreidekorn! wiederholte lebhaft der Ingenieur.

– Ja, Mr. Cyrus, aber nur eines, ein einziges!

– Ei, mein Junge, rief da Pencroff dazwischen, was sind wir denn damit gebessert? Was können wir aus einem einzigen Körnchen machen?

– Brod, entgegnete ihm ganz ernsthaft Cyrus Smith.

– Ja wohl, Brod, Kuchen, Torten! fuhr der Seemann fort. Doch an dem Brode, das wir aus diesem einzelnen Korn erhalten, werden wir nicht sobald ersticken!«

Harbert, der seinem Funde selbst keine besondere Wichtigkeit beilegte, wollte das Körnchen eben bei Seite werfen, doch Cyrus Smith nahm es ihm ab, besah dasselbe genauer, erkannte, daß es in unversehrtem Zustande war und wandte sich nun an den Seemann.

»Pencroff, sagte er und sah diesem gerade in's Gesicht, ist Ihnen bekannt, wie viel Aehren ein Korn treiben kann?

– Nun, doch wohl eine, erwiderte der Gefragte etwas erstaunt.

– Zehn, Pencroff; und wissen Sie, wie viel Körner eine Aehre trägt?

– Wahrhaftig, nein!

– Im Mittel achtzig, fuhr Cyrus Smith fort. Wenn wir demnach dieses einzige Körnchen pflanzen, so können wir bei der ersten Ernte 800 daraus gewinnen, welche bei einer zweiten 640,000, bei der dritten 512,000,000 und bei der vierten mehr als 400 Milliarden Körner geben. Sehen Sie, so steigt das!«

Cyrus Smith's Genossen lauschten seiner Rede, ohne zu antworten. Ueber solche Zahlen erstaunten sie, und doch waren jene richtig.

»Ja wohl, meine Freunde, nahm der Ingenieur wieder das Wort, derart sind die arithmetischen Progressionen der fruchtbaren Natur. Und doch, wie sehr verschwindet die Vervielfältigung des Weizenkornes, das nur 800 Körner zu erzeugen im Stande ist, gegen die Mohnpflanze, welche 32,000, oder gegen die Tabakstande, welche 360,000 Samenkörner hervorbringt? Ohne die vielfältigste Zerstörung ihres Samens würden diese Pflanzen bei ihrer enormen Fruchtbarkeit in wenig Jahren die ganze Erde überwuchern.«

Der Ingenieur hatte aber seine Inquisition noch nicht beendet.

»Nun, Pencroff, redete er diesen noch einmal an, wissen Sie vielleicht, wieviel 400 Milliarden Körner Scheffel ausmachen.

– Nein, nein, sagte der Seemann, ich weiß überhaupt nur, daß ich ein Dummkopf bin.

– Nun, 130,000 Körner auf den Scheffel gerechnet, ergiebt diese Zahl mehr als 3,000,000 Scheffel.

– Drei Millionen! rief Pencroff.

– Drei Millionen.

– In vier Jahren?

– In vier Jahren, antwortete Cyrus Smith; ja vielleicht sogar in zwei Jahren, wenn wir, wie ich es unter dieser Breite hoffe, in einem Jahre zwei Ernten zu erzielen vermögen.«

Seiner beliebten Gewohnheit nach hatte Pencroff hierauf keine andere Erwiderung, als ein kräftig schallendes Hurrah!

»Du hast also, fügte der Ingenieur zu Harbert gewendet hinzu, hier einen für uns hochwichtigen Fund gethan. In unserer Lage, meine Freunde, kann uns Alles und Jedes von Nutzen sein, ich bitte, vergeßt das nun und nimmermehr!

– Nein, Mr. Cyrus, nein, das vergessen wir nicht, fiel Pencroff wieder ein, und wenn ich jemals ein einziges Samenkorn vom Tabak finde, das einen 360,000 fachen Ertrag verspricht, so versichere ich Ihnen, daß ich es nicht leichtsinnig wegwerfen werde. Doch jetzt, was haben wir zunächst zu thun?

– Wir brauchen nur das Korn zu pflanzen, antwortete Harbert.

– Gewiß, fiel Gedeon Spilett ein, und zwar mit aller ihm gebührenden Achtung, denn es trägt unsere zukünftige Ernte in sich.

– Wenn es überhaupt jemals aufgeht! rief der Seemann.

– Das wird es gewiß!« erwiderte Cyrus Smith.

Es war jetzt der 20. Juni, das heißt eine zur Aussaat vorzüglich geeignete Zeit. Zuerst wollte man das kostbare, einzige Samenkorn in einem Topfe anpflanzen, nach reiferer Ueberlegung aber entschied man sich dafür, es frei der Natur zu überlassen und der Erde zu übergeben. Das geschah denn noch an dem nämlichen Tage und selbstverständlich unter Beachtung aller Vorsichtsmaßregeln für das Gelingen.

Das Wetter war etwas heller geworden. Die Colonisten erstiegen die Anhöhe über dem Granithause. Dort wählten sie einen gegen den Wind möglichst geschützten Standort auf dem Plateau, der der Mittagssonne frei ausgesetzt lag. Die Stelle wurde gereinigt, umgegraben, ja, gänzlich durchwühlt, um Insecten oder Würmer daraus zu entfernen. Dann bedeckte man sie mit einer Schicht guter, mit ein wenig Kalk vermischter Gartenerde, errichtete einen Zaun rund herum, und feierlich wurde das Samenkorn seinem feuchten Lager übergeben.

Schien es nicht, als ob die Colonisten den Grundstein zu einem neuen Gebäude legten? Jedenfalls erinnerte es Pencroff an den Tag, wo er das unzige Zündhölzchen anzustreichen versucht hatte, und doch war der heutige Vorgang weit ernsterer Natur. Feuer hätten die Schiffbrüchigen auf die eine oder die andere Weise doch einmal bekommen, aber keine menschliche Macht war im Stande, dieses Samenkorn zu ersetzen, wenn es nicht gedeihen sollte!


 << zurück weiter >>