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Die einen und die andern

[ Die Verse sind als leichte Prosa, nur mit graziöser Hervorhebung des Reimes zu sprechen .]

Erste Szene

Mezzetino singt :

Lüge ist alles hienieden,
nur was das Herz will, das gilt;
genieß denn, was gnadenmild
die Götter an Lust beschieden.

Das nimm in acht und versteh,
und leicht ist dein Los und helle,
und rings um dich blüht zur Stelle
Arkadien aufs neu – drum geh!

Geh! Der Wein im Laub blinkt wider
aus lockender Augen Glanz,
und lustge Herzen im Kranz
schlagen ans engende Mieder ...

Korydon:

Gesungen haben wir denn nach der Grille Brauch ...

Amyntas:

Gehn wir nun tanzen?

Alle bis auf Myrtill, Rosalinde, Sylvander und Chloris:

Ja, tanzen! Wir kommen auch.

Ab bis auf die Genannten.

Zweite Szene

Myrtill, Rosalinde, Sylvander, Chloris.

Rosalinde zu Myrtill:

Bleiben wir hier.

Chloris zu Sylvander:

Wahrlich, das können Sie Gunst nennen:
Ich liebe das Tanzen, daß mir die Ohren brennen,
und gehe ich nicht mit, wissen Sie, wem das gilt?
Ihnen allein!

Sylvander umarmt sie:

Aber nein! Halt doch, nicht so wild!

Sylvander und Chloris ab.

Dritte Szene

Myrtill, Rosalinde.

Rosalinde:

Reden Sie doch!

Myrtill:

Wovon soll ich reden? Von Dingen,
die vergangen sind? Das würde Langweile bringen.
Von der Gegenwart? Wir sind da; was weiter noch?
Von der Zukunft? Lassen wir sie in Frieden doch.

Rosalinde:

Sprechen Sie vom Vergangnen.

Myrtill:

Warum?

Rosalinde:

Eine Grille.
Vertraun sie nur der Erinnrung, die fein und stille
die dunkelsten Tage uns himmelblau verklärt
und Höllen von einst in Paradiese verkehrt.

Myrtill:

Seis denn, Ihnen zulieb, o Teure, will ich sagen,
was unsre Liebe, unser Wahn uns gab zu tragen:
All unsrer toten Tage bittre Traurigkeit,
sagen, wie unsere schönsten Hoffnungen trogen,
unsre Herzen, so tief zueinander gezogen,
so ganz einander geweiht, zu Dank und zu Lohn
am Schlusse einander verfolgt mit Spott und Hohn,
einander gequält, gefoltert, wie meine tolle
Eifersucht sich von Ihrer umschnürt sah, die volle
Gewißheit meines Verdachts mir der Ihre gab,
wie Sie mich verrieten, ich Sie verraten hab!
Gut, da es Ihnen schmeichelt, von all jenem Leide
zu hören, das ich, als wärs geschrieben in Kreide,
auf meiner Erinnerung dunkler Mauer les,
will ich es sagen, ganz Ihrem Wunsche gemäß,
all die Tränen und Vorwürfe, die hassesvollen,
die Stürme alle, o Teure – wie Sie es wollen!

Rosalinde:

Eigentlich, offen gestanden, finde ich Sie
scharmant in dieser Indignation.

Myrtill gereizt:

Merci!

Rosalinde:

Sie übertreiben, das hab ich immer gefunden.
Wie? ein bißchen Verdruß, ein paar grämliche Stunden,
und Sie klagen und wüten schon recht wie ein Kind!
Ich danke Gott, daß mein Leben sich so abspinnt,
daß ich geliebt hab, den Undankbaren noch liebe
und weiter ihn lieb, so toll er es immer triebe,
er liebt mich ja doch, wie's auch sein muß hier im Land
der Zärtlichkeit. Ja, sehn Sie nur her wie gebannt,
halten Sie wie eine starre Puppe die Arme,
gewiß: die Wunde darf nicht vernarben, die warme,
die, Trotzkopf, Ihr Herz von diesen Augen empfing.

Myrtill traurig:

Dennoch, der Tag, da mich diese Liebe befing,
O Freundin, auch Ihnen sollt er nur Unheil bringen.
Glauben Sie mir, die Gefühle, die schlafen gingen,
ist es gefährlich zu wecken, besser, man läßt
sie schlafen, solange sie wollen, gut und fest,
das ist: bis natürlicher Tod den Schlummer endet.

Rosalinde:

Narr! wie lebten wir ohne sie?

Myrtill offen:

Wenn mans so wendet,
wärs Zeit, daß wir sterben.

Rosalinde:

Nein, leben wollen wir
Wollens um jeden Preis! Denn alles, was Sie mir
ins Gesicht schleudern, ich weiß es, geht bald vorüber,
all Ihre heftigen Worte, ich mach mir drüber
nicht Sorge weiter, drück milde ein Auge zu
und liebe, so bin ich, Sie auch noch jetzt – hörst du?

Myrtill:

Sie ärgern sich ...

Rosalinde:

Aber gehn Sie mit Ihren Nücken!

Myrtill nachgebend:

Nun denn, wenn es sein muß.

Rosalinde:

Kommen Sie, und wir pflücken
die Primel der Liebe, die nach der Winternacht
aufs neu erblüht. Fort die Runzeln, wieder gelacht!
Ich lieb ihn ja immer noch, meinen großen Jungen!

Myrtill:

Ah, Zauberin, du hast mich doch immer bezwungen ...

Ab. Sylvander und Chloris kommen wieder.

Vierte Szene

Chloris kommt gelaufen:

Nein!

Sylvander:

Ja!

Chloris:

Nein, ich will nicht.

Sylvander küßt sie auf den Nacken.

Sylvander:

Sag doch: ich will nicht mehr!

Er hält sie umschlungen.

Doch sieh, ich halte dich, sperrst du dich noch so sehr,
die arme Schwalbe in tückischen Habichts Krallen.

Chloris:

Pfui! Schämen Sie sich, einen so zu überfallen!
Doch nein, er lacht, er lacht!

Sie weint und lacht zugleich.

Ah, oh, hi! Das tut weh!

Sylvander:

Papperlapa! Grad so ists recht, soviel ich seh:
ineinander verschossen, lustig, ungebunden,
jung, verachtend, die da ihr Gleichgewicht gefunden,
klägliche Einbeinhüpfer. Nein, Liebste, es sei
so nur: zwei Herzen für eins und eines für zwei!

Chloris:

Mein Herr Verehrer, das ist Ihnen schön geraten.
Ich hör einen Dichter, scheints, oder Advokaten.
Ein andrer lachte wohl, spräch er so blümerant.

Sylvander:

Ich find Ihr Geplauder ganz entzückend mokant.
Meine Erobrung kann zweifach sich benedeien:
das hübsche Aug so voll Glanz und voll Schelmereien,
das Köpfchen voll Esprit, wenn es beliebt.

Chloris:

Und ich,
fänd ich Sie dumm nun und häßlich und lächerlich
in Ihrem Siegerwahn, Ihrem Stolz auf die Beute?

Sylvander:

Hätten Sie dann unser Abenteuer von heute
so weit lassen gehn? Der Abscheu, der hinterdrein
Sie so sehr übermannt, schien erst nicht da zu sein.

Chloris:

O Männereitelkeit, nie und nimmer zu beugen!
Gehn Sie, gehn Sie! Was Sie da anrufen zu Zeugen,
daß mein Herz für das Ihre jemals Neigung trug,
viellieber Anbeter, das ist lang nicht genug.
– In Wahrheit, was sollen wir da den Text uns lesen?
Ich will Ihnen hier meinen Charakter, mein Wesen
offen schildern, dann kennen Sie mich um und um,
wissen Sie, wenn Sie leiden, wenigstens warum.
Hören Sie ...

Sylvander:

Lieber sterb ich, o Schönste der Schönen,
als das zu verlangen!

Chloris:

Hören sie auf zu klönen!
Also: ich bin kokett, hab nicht Verstand noch Herz:
ich liebe Tage voll Leichtsinn, Nächte voll Scherz,
das Band, das mir steht, den Freund, der mir gefällt, aber
gleich danach fort damit, mit Schleife wie Liebhaber.
Sie, zum Exempel, mein Herr, haben sicherlich
mich kürzlich nicht hart gefunden: halten Sie mich
für das böseste Untier nun gar, wenn ich sage:
Ich weiß nicht, ob ich Sie überhaupt noch ertrage!

Sylvander lächelt:

Wer zweifelt ...

Chloris kokett, fliehend:

»Halte dich fern«, wie es heißt. Ich tus.

Sylvander naiv weinerlich:

Jetzt ists genug! Ich halts nicht mehr aus!

Chloris gerührt, aber heiter:

Komm, mein Pouce!
Aber vergiß mir nicht, ich bin untreu, nicht immer,
aber oft, oder besser: launenhaft, darfst nimmer
mich anders wollen. Und sieh, alle beide da
sind wir richtig verliebt – auch ich in dich, ja, ja!
Das große Wort ist heraus! Aber ...

Sylvander:

O des harten
Abbrechens!

Chloris:

Erst, armes Hirn, das Ende abwarten!
Aber, sag ich, trotz all unsrer Leidenschaft, trotz
all unsern Schwüren am Altar des Liebesgotts,
den feierlich-eifersüchtgen, bleib so es beständig:
Der Gott ist ein Schalk –
auf eine abwehrende Gebärde Sylvanders
– er ist es – aus- und inwendig.
Das ist das Gesetz, das Amor für uns erließ.
Kaum hat man jenes gesagt, so tut man schon dies.
Hinterher ists einem leid, aber falsche Schwüre
haben Flügel, und wie das der Törige erführe,
der die entflogene Lüge einfangen wollt!
Was tun? Rotäugig, von wirren Locken umrollt,
die Arme himmelan, durch Wälder, Täler, Steppen,
ein anderer Orpheus, seinen Schmerz herumschleppen,
und in geschwätziger Verzweiflung ringsumher
die Luft mit Seufzern, mit Tränen schwellen das Meer?
Nein, hundertmal nein! Lieber in Liebe entlodern,
wie's kommt, als von der Natur Unmögliches fodern:
Da sind wir, sagen Sie sich: es gilt jetzt allein,
ineinander verliebt, restlos glücklich zu sein
und nur unsrer holden Torheit uns hinzugeben.
Zwei Herzen für eins, ein Herz für zwei – das ist Leben.
Hier haben Sie mich, hier hast du mich! ... Ists nun gut?
Tausendmal hatte ich unrecht, im Übermut
ein Herz, das sich freundlich mir darbot, so zu kränken.
Müde des Kampfs, komm ich selbst nun, mich dir zu schenken.
Komm, hab mich lieb! Nimm mein Herz hin mit meiner Hand,
doch denk nicht dran, wie das Morgen vielleicht bewandt,
und ist es wirklich nicht schön und die Lust zu Rande,
merke dir: alles Glück ruht auf fließendem Sande,
und in der Liebe gibts keine Sünde; auch das:
Seien wir geduldsam gegeneinander! Nun, was
meinst du dazu?

Sylvander:

Ganz einverstanden.

Fünfte Szene

Die Vorigen. Myrtill.

Myrtill kommt herzu:

Ich ingleichen.
Die Gnädige hat recht. In diesem günstigen Zeichen
begönne die Liebe auch ich.

Chloris:

Halt, das sind zwei;
einer davon ist zuviel.

Myrtill zu Chloris:

Da stimme ich bei.

Chloris zu Sylvander:

Und Sie, Sylvander?

Sylvander:

Ich meine in diesem Falle ...

Chloris:

Wie, mein Herr, schon so laut?

Myrtill zu Chloris:

O Chloris, Ihr Vasalle,
der richtige, bin nur ich ...

Sechste Szene

Die Vorigen. Rosalinde.

Rosalinde kommt herzu:

Da es unbedingt
sein muß, wo sich uns alles verwirrt und verschlingt,
komme auch ich herzu und bin nun sozusagen –
wenn Sie gestatten – das fünfte Rad am Wagen.

Zu Myrtill:

Ich gebe Ihnen all Ihre Schwüre, Stück für Stück,
alte und neue, wahre und falsche, hiermit zurück.

Myrtill an Chloris' Arm, obenhin widersprechend.

Myrtill:

Teure!

Rosalinde:

Nicht weiter! Wir sind nun quitt miteinander.
Ich bin die vertraute Freundin hier von Sylvander.

Sylvander scharmiert, überrascht und leichtlich:

Holde Charybdis nach reizender Szylla – nur
erfahr ich dasselbe hier, was ich dort erfuhr,
ohne Zweifel, und beide, ich könnte drauf wetten,
beide werden sie, anbetungwürdige Koketten,
die sie sind, Ball spielen mit meinem Herzen.

Chloris zu Sylvander:

Geck!

Rosalinde:

Undankbarer!

Myrtill:

Vermeßner!

Sylvander zu Myrtill:

Vermessen und keck!
Der Unwille, lieber Freund, ist wohl da wie dorten,
Vexieren wir dich, kommst du mit noch spitzern Worten.

Zu Rosalinde und Chloris:

Meine Damen, ich bin hier Ihrer beider Sklav,
doch mein Herz, das sag ich gleich, ist durchaus kein brav
zaumfrommes Roß, es bäumt auf verwegenen Stegen,
vor jeder erkannten Gefahr rennt es, verwegen,
auf und davon, und bricht es auch weiter den Hals.

Zu Rosalinde:

Sie wissens nun, teure Rosalinde, und falls
zum Ritt ins blaue Land der Phantasie ein kecker
Renner Ihnen genehm ist, ein Hafer-Feinschmecker,
ein etwas hitziger, der doch niemals den Herrn
ganz abwirft, mein guter Wille dient Ihnen gern.

Myrtill:

Das kam nicht aus sonderlich feurigem Gemüte.
Aber, natürlich, die Katze, die sich verbrühte,
fürchtet auch kaltes Wasser, und ich habe mich

Zu Rosalinde:

Sie wissens, vor allem verbrüht.

Rosalinde:

Gar nichts weiß ich.

Myrtill:

Da nun Chloris in diesem Hin- und Widerprüfen
ebenso mich erkoren hat zum Hypogryphen
ihrer Träume ins Mondland oder sonstwohin,
gut denn, ich trage schon Zaum und Zügel und bin
geschmückt mit reizenden duftgen Blumengewinden –
die Dornen werde ich bald genug auch empfinden.

Zu Chloris:

Nicht wahr, Gnädge?

Chloris:

Schweigen Sie, und lieben Sie mich.

Zu Sylvander:

Adieu, mein Herr!

Rosalinde:

Adieu, Myrtill!

Myrtill zu Rosalinde:

Unweigerlich?

Sylvander zu Chloris:

Auf immerdar!

Rosalinde zu Myrtill:

Adieu, mein Herr!

Chloris:

Adieu, Sylvander!

Sylvander und Rosalinde ab.

Siebente Szene

Myrtill, Chloris.

Chloris:

Vom Joch der Erzürnten frei, wählen Sie ein ander
Joch sich sogleich in meiner armen Schönheit da.
Sie haben wohl Überfluß an Zärtlichkeit? Ja?

Myrtill:

Glauben Sie, daß sie darum gekränkt sein wird?

Chloris:

Wer denn?
Meine Schönheit?

Myrtill:

Nein, jene ...

Chloris:

Ach so, Sie gebärden
sich wirklich köstlich. Ich meinte, jetzt käme ein –
künstliches Madrigal angerückt, aber nein,
Sie wollen zweifellos von Rosalinden sprechen
und dem Zorn, der ihr krauses Herz schwoll ... Ihr Verbrechen,
des seien Sie gewiß, hat sie schrecklich empört.

Myrtill:

Glauben Sie das bestimmt?

Chloris:

Ah! Das ist unerhört.
Ein Verehrer findet, auf heißes Flehen, Gnade
und hat nun, mag, was vorherging, auch nicht gerade
sonderlich lustig sein, nichts als solch ein Geflenn!
Mein lieber Theseus, ich frage: wissen Sie denn
nichts Besseres in unserem ersten Liebesglücke,
als zu der verlaßnen Ariadne zurücke
den Sinn zu wenden? – Nein, lassen wir das annoch.
Aber, um offen zu sein, das schwöre ich doch,
daß Rosalinde über den neuen Treulosen
wütet und tobt und rast und in diesem Erbosen
aus Trotz dafür mir meinen Sylvander entriß.

Myrtill:

's ist Ihnen leid um Sylvander?

Chloris:

Das ist gewiß,
er wird, daß er Ihrer Freundin folgt, noch beklagen.

Myrtill:

Warum?

Chloris:

Sie Schäker! Da kann ich gar nichts drauf sagen.

Myrtill:

Ist es Ihnen sehr leid um ihn?

Chloris:

Lieben Sie mich,
Sie?

Myrtill:

Ihre Augen sind so schön, Ihr ...

Chloris:

Sicherlich
sind Sie eifersüchtig auf ihn.

Myrtill sehr lebhaft:

O ja!
Sich korrigierend:
Auf das nur,
was war.

Chloris:

Nun, das war ein Geständnis, etwas spät und blaß nur
eine Galanterie, wie mans nennt; nun, es sei.
Sie lieben mich also?

Myrtill zerstreut, nach einer Pause:

O ja.

Chloris:

Die Schwärmerei
wär mir recht, wenn Sie mir der Rechte wären.

Myrtill wie vorher:

Teure
Freundin!

Chloris:

Ah! man glaubt, daß ihn wer weiß was befeure,
und »teure Freundin« kommt dann heraus. Wie banal!
Und an Ihre »O jas« denk ich auch noch einmal.

Myrtill gleichgültig:

O bitte ...

Chloris:

Da sind Sylvander und Rosalinde.

Myrtill springt auf, als erwachte er aus einem Traum:

Rosalinde!

Chloris:

Und Sylvander. Wahrlich, ich finde
keinen Grund, die Arme wie Windmühlen zu drehn.
Sie kommen aus dem Gebüsch. Am besten, wir gehn
hier weg und streiten, beliebts, woanders zu Ende.

Ab.

Achte Szene

Sylvander, Rosalinde.

Sylvander:

Das ist in zwei Worten meine ganze Legende.

Rosalinde:

Und die Legende Myrtills, nur in Spiegelschrift.
Sie fürchten, Böses ahnend, ein heimliches Gift
in der neuen Liebe, fürchten den unbekannten
Kuß ihrer Lippe, und er in seiner verbrannten
Erinnrung an Liebe, die irgendwann bestand,
fürchtet, so dumm wie undankbar, das alte Band.
Und beide haben Sie unrecht, gehn Sie, Sylvander!

Sylvander:

Auch ich?

Rosalinde:

Ja, beide. Sie gehören zueinander,
Und müssen Sie leiden, wirds Ihnen recht geschehn.

Sylvander:

Nach all dem erkenn ich nur sehr schlecht mein Vergehn,
Und das Martyrium kann mir auch nicht bange machen,
Schöntuend:
wo doch Ihr Herz ...

Rosalinde:

Es ist gar nicht am Platze, zu lachen.

Sylvander:

Ich lache nicht, ich sage nur sicher und klar:
Ich meine, daß es kein großes Verbrechen war,
wenn ich Chloris verließ, die entzückend kokett ist,
aber ungewiß, und daß ich, wo man so nett ist,
mich aufzulesen, den armen, verlaßnen Wicht,
wohl hoffen darf, Sie werden in Gnaden mir nicht
den Trost versagen. Sonst (wahrlich, zu nichts Geringerm
wär ich bereit) hätt ich zwischen meinen zehn Fingern
ein Pistol, ich gäb mir ins Hirn den Todesschuß.
Ja, ich werde Sie lieben, ich will es (und muß
im übrigen), werde Sie lieben ganz von Sinnen.
Fort, Erinnerung, Trotz, Melancholie, von hinnen!
Ihr treues Hündchen bin ich, dein Wölfchen, mein Schatz,
dein süßes ...

Rosalinde:

Noch einmal: es ist gar nicht am Platz,
zu lachen.

Sylvander:

Noch einmal: ich lache nicht. Ich bete
Sie an, ich vergöttre deine zärtlich-beredte
Stimme, lieb Ihre Füße, so klein, daß man sie
mit der Hand umspannt, und wie lustge Melodie,
wenn sie trippeln, weiße Träume unter den Flittern
des Stöckelschuhs. Deine Augen – die Sterne zittern
vor ihren Strahlen – senkt sich ihr reizender Glanz
her bis zu uns, wie die Sonnenblume, die ganz
nach der Sonne allein die treuen Blüten wendet,
verzückt dann bin ich, finde kein Wort mehr, geblendet,
toll, des Lebens beraubt, des Denkens allzumal
vor deines Blickes berückendem stolzem Strahl.
Vor deinem süßen Hauch beb ich wie Gras im Winde,
o reizende, göttliche, einzge Rosalinde.
Am Saume deiner Goldwimpern bebt meine Seele ...
– Apropos, glauben Sie, hat Chloris mich noch gern?

Rosalinde:

Und wenn ichs glaubte?

Sy1vander:

Wirklich eine tolle Frage!

Rosalinde:

Wollen Sie, daß ich ganz offen die Wahrheit sage?

Sylvander:

Nein! Wozu auch? ich bin ein Narr, bin nicht mehr ich
Und liebe nur Sie, Sie ganz allein.

Rosalinde:

Sicherlich
Ists Ihnen gleichgültig dann, daß Chloris beständig
noch in Sie verliebt ist, offenbar, unabwendig ...

Sylvander:

Teufel, wenns wahr ist! Sie! Sie! Zu ihr!

Plötzlich sich bedenkend, beiseite:

Ach, Geschwätz!

Rosalinde:

Sie zweifeln?

Sylvander:

Ihr unstet Herz folgt seinem Gesetz,
Sie hat jetzt Myrtill am Hamen ...

Rosalinde leidenschaftlich:

Myrtill am Hamen,
sagen Sie? Ah, dann liebt er sie! ...

Sylvander:

Den wundersamen
Eifersuchtsschrei verstehe, wer will.

Rosalinde:

Schweigen Sie!

Sylvander:

Ein Schalk! eine Närrin!

Rosalinde:

Eiferst du vielleicht, wie?
Auf Myrtill?

Sylvander wie plötzlich von einem schmerzlichen Gedanken
bewegt:

Ah, es ist so; ich kann es nicht fassen,
der böse Gedanke will nimmer von mir lassen ...

Rosalinde fast freudig:

Ah, so eifern Sie auch; ich wußt es ja!

Sylvander beiseite:

Ich will
die Rolle noch weiter spielen.

Zu Rosalinde:

Ich auf Myrtill
Eifern? Ich schwör Ihnen: ausgeschlossen. Es sei denn
der Myrtill, der Ihr Freund war. Den muß ich beneiden.

Rosalinde:

Unnütze Galanterien. Wahrhaftig, ich bin
sehr traurig und Sie auch. Haben wir doch im Sinn
beide ein Ziel. Sprechen wir denn von unsern Schmerzen,
die einander gleich sind. Für unglückliche Herzen,
sagt man, ist das ein Trost. Immer lieben wir noch,
Sie Chloris und ich Myrtill, ohne Hoffnung doch,
wies scheint. Das einzige nur, was uns unterscheidet,
ist, daß man mich verriet und das, was Ihr Herz leidet,
Sie, der Sie's verschuldeten, nur als Strafe trifft.
Hab ich unrecht?

Sylvander:

Mein Herz ist Ihnen offne Schrift. –
Teuerste Chloris, o wie arg ich dich verkannte!
Wer bringt mir zurück deine unschuldig-mokante
Schelmerei, deinen Frohsinn und Scharme und dein Herz?

Rosalinde:

Und ich, in anderem Los, verzehr mich in Schmerz
um Myrtill, den ungetreuen ...

Sylvander:

Den ungetreuen!
Aber Chloris liebt ihn jetzt. Sie soll mirs bereuen!
Ich rase und stöhne! Aber sagten Sie nicht,
sie liebe mich noch? – O Himmel, dort sind sie, dicht
an dem Boskett dort.

Rosalinde:

Was sie einander wohl sagen?

Sie ziehen sich auf die Anhöhe zurück.

Neunte Szene

Chloris:

Mein düstrer Ritter, Sie könnens freiheraus wagen.
Gestehn Sie nur alles ein, alles. Denn, nicht wahr,
das Schweigen würgt Ihnen die Kehle, und nun gar,
wo Sie vermeinen, es sei unbedingt vonnöten,
in Komplimenten zu wetteifern mit den Flöten
rings auf dem Plan. So ein nutzloses Madrigal –
nicht wahr, ein zu enges Wams machte mindre Qual?
Schlug denn Ihr Herz für sie, schon aus Höflichkeit mußt es
Und Klugheit sein Geheimnis verbergen. Ich wußt es
ja gleich, doch nun, wo ichs schier bis zum Grund durchschaut,
warum gestehn Sie's auch jetzt noch mit keinem Laut?
Reden Sie doch von ihr, das ist wahrer und mindert
zugleich Ihr Leiden, und ist dann Ihr Schmerz gelindert,
vielleicht dann leihen Sie anderem Schmerz Ihr Ohr;
denn auch ich spräche gern von ihm, den ich verlor.

Myrtill:

Wie, auch Sie?

Chloris:

Ja, auch ich! Ach, wenn mir Hoffnung bliebe,
daß er mich liebt, so wie ich ihn noch immer liebe!
Wir waren doch füreinander geschaffen so gut!
Welch eifersüchtiges Los, welches Gottes Wut
hat es vermocht, unsre Bande grausam zu lösen?
Ach, leichtsinnig war er, nicht von den wirklich Bösen,
sein Geist nur allein hat gesündigt, nicht sein Herz.

Myrtill:

Fassen Sie Hoffnung, vielleicht schon fühlt er drum Schmerz,
schließ ich nach meiner eignen Reu ...

Er schluchzt:

und meinen Zähren!

Myrtill und Chloris drücken einander die Hand.

Rosalinde kommt herzu:

O süße Tränen! O seliges Wiederkehren!

Myrtill:

's ist furchtbar!

Chloris:

O Bitternis!

Rosalinde auf den Fußspitzen und sehr leise:

Chloris!

Chloris:

Du bist da?

Rosalinde:

Das launische Schicksal, das uns zum Ziel ersah,
setzt seinem unmenschlichen Grimm nunmehr ein Ende,
führt Sylvander zurück, durch mich, in gute Hände,
und ich schwöre für ihn: er wirds nicht wieder tun.
Ist es zu spät schon?

Sylvander zu Chloris:

O seien Sie gnädig nun!
Weisen Sie mich nicht völlig ab. Von allen Strafen
sind es die mildesten, die uns am tiefsten trafen.
Sprechen Sie nicht zu streng Ihr Urteil über mich,
machen Sie's schmählicher nicht, als geziementlich,
sehn Sie auf das nicht, was ich verbrach, auf den tollen
Kopf hier allein und das schwache Herz ...

Er fällt auf die Knie.

Chloris:

Narr! Was sollen
derlei Geschichten? Stehn Sie auf! Ich bin zu froh,
um dir was Böses zu sagen, und siehe, so
schling ich dir um den lieben Hals die Efeuarme!
Das Weitre später! Und nur, daß du meine arme
Liebe in Zweifel zogst, die, mag sie manchmal schier
etwas locker und wirblig scheinen, doch nur dir,
immer und ganz nur dir gehört, das soll mein erster
zärtlicher Streit mit dir sein, und das nur mein schwerster
Vorwurf, Geliebter, gegen dich. – Laß uns nun weit
dies Gewölk verscheuchen und wie in vor'ger Zeit
zum holden Rausch, der die Seele verzückt, uns wallen.

Zu Rosalinde:

Du aber, o Freundin, bist teuer mir vor allen.
Komm und küß deine Schwester!

Die beiden umarmen einander.

Sylvander:

O heiterer Sinn,
o gutes Herz!

Rosalinde zu Myrtill:

Und Sie, nähmen Sie's übel hin,
Tät ich, Myrtill, wie Chloris an Sylvandern eben?

Myrtill:

Götter, sie hat, so gnädig wie schön, mir vergeben!

Zu Rosalinde:

O lassen Sie mich Ihre Hände küssen still.

Rosalinde:

Sehen Sie, nun ist alles wieder gut, Myrtill.
Und nicht mehr nun zurück nach unsern Schmerzen lugend,
seien wir glücklich!
Zu Cloris und Sylvander:
Genießet denn eure Jugend,
liebe Freunde, und pflücket in fröhlichem Mut
die rote Blume von Küssen voll Sonnenglut.
Doch wir, deren Liebe das Leben erst in Leiden
verkehrt hat, werden euch sehen und nicht beneiden
und still genießen unser Spätnachmittagsglück.

Alle Personen der ersten Szene kommen herzu und gruppieren sich wieder wie beim Aufgang des Vorhangs.

Und seht, unsre Freunde kommen vom Tanz zurück,
da schon die Sonne uns mildere Strahlen sendet,
um Zeugen zu sein, wie glücklich alles geendet.

Zehnte Szene

Alle gruppiert wie beschrieben.

Mezzetino singt:

Geh denn und denk nur daran,
daß nichts dir die Lust verleide.
Zerknittre knisternde Seide
und hör dir ein Liedchen an.

Das Beste ist hier auf Erden,
wo der Weiseste zur Frist
stets noch der Närrischste ist:
Der Zeit nicht inne zu werden.

Laß nur dem Trübsinn nicht Raum.
Das andre wird sich schon geben.
Und ist denn etwa das Leben
wirklich viel mehr als ein Traum?

Der Vorhang fällt.


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