Ludwig Tieck
Das Ungeheuer und der verzauberte Wald
Ludwig Tieck

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Vierter Akt.

(Der Pallast.)

Der König, Climene, Gefolge vom Hofe, alle in der größten Betrübniß.

König herumirrend. Es wird Abend, die Sonne geht richtig schon unter, und unser Sohn kömmt noch nicht zurück.

Hofleute, Hände ringend. Ach das Unglück! das unaussprechliche Unglück!

König. Warum er wohl nicht zurückkömmt? Was soll dergleichen doch bedeuten? Glaubst Du, geliebte Gemalin, daß das Ungeheuer von einer so unsittlichen Natur sein sollte, unsern einzig geliebten Sohn mir nichts dir nichts aufzufressen?

Climene. Man kann nicht wissen, mein Gemal, aber dennoch mußt Du Dich zufrieden stellen.

König. Ich muß! Und wer will mich denn dazu zwingen? O ich unglücklicher Vater, wenn die Bestie auf meine Vaterthränen nicht einige Rücksicht nehmen sollte! Wozu habe ich die Schulen und den Unterricht in meinem ganzen Lande verbessern lassen? Sind das die Früchte unserer neuen Erziehung? O! über den verfluchten modernen Egoismus.

Climene. Mein Gemal, Ihr vergeßt Euch in Euren Schmerzen gänzlich.

König. Ach freilich, freilich! ich werde mich noch und alles vergessen.

Trappola hereinlaufend.

Trappola. O Unglück über Unglück!

König. Was giebts, Bedienter? Sprich! Rede!

Trappola. Das Ungeheuer –

König. Nun?

Trappola. Schon zum Thor herein ist es! Wo werden wir uns alle retten können? Es frißt Stadt-Mauer und alles nieder, daß keine Spur übrig bleibt, nun muß es bald beim Schlosse anbeißen.

König. Hast Du es gesehn?

Trappola. Gesehn? Nein, was man sehn nennt, so recht eigentlich gesehn wohl nicht, nein, ich habe mich sehr gehütet hinzusehn.

Samieli hereinstürzend.

Samieli. – Mein König –

König. Was ist Euch, Minister? Redet! denn ich bin lauter Furcht und Entsetzen. Was soll daraus werden?

Samieli. Ich weiß es durchaus nicht, hochgebietende Majestät – all mein Verstand, meine Urtheilsgabe, meine so liebliche Aufklärung und Toleranz ist in den Brunnen gefallen.

König. Wieder was Neues! –

Samieli. Wie es gekommen ist, weiß ich selber nicht; allein, mitten im Gebirge kam es mir plötzlich vor – doch ich schäme mich, weiter zu reden.

König. Zu reden sollt Ihr Euch nie schämen.

Samieli. Ich muß mir die Augen zuhalten, so sehr erröthe ich vor dem Gedanken –

König. Nun was habt Ihr denn? – sprecht dreist heraus.

Samieli. Die Schaam lähmt meine Zunge.

König. Was der Teufel habt Ihr denn angefangen? Ich hoffe doch nimmermehr –

Samieli. Ach mein König, Ihre Gnaden muß verzeihen – es kam mir mit einem Male vor, als wenn es wirklich ein Ungeheuer gebe.

König. Weiter nichts?

Sebastiano stürzt herein.

Samieli. Da kömmt auch der Verfinsterer, der berüchtigte Obscurant.

Sebastiano. Ach! bin ich wirklich wieder an dem holdseligen Hofe? Ich weiß mich nicht zu lassen –

König. Was giebts denn, Minister?

Sebastiano. In einem Galopp hieher gerennt, kaum kann ich mich auf den Beinen halten – das wüthige Ungeheuer hinter mir drein.

König. Also langt es wirklich an?

Sebastiano. Immer hinter mir drein; – es ist groß, größer als ein Thurm – wenn die Schildwacht es am Thor examiniren will, wird es Schildwacht und Thor mit einander auffressen.

König. Das muß ja ein saubrer Geselle sein, – was sollen wir aber anfangen?

Samieli. Herr Sebastiano übertreibt wieder nach seiner alten Art.

Sebastiano. Uebertrieb ich damals auch, als Sie so gar behende fortliefen?

Jubelgeschrei hinter der Scene, Aldrovan und Volanti treten herein.

Alle. Prinz Volanti!

Climene. Soll ich meinen Augen traun?

König. Was? mein Sohn?

Volanti. O mein Vater! – Seh ich Eure Augen wieder? Fühl ich wieder Eure Umarmungen?

Climene. Mein geliebter Sohn!

Volanti. O meine Mutter!

Aldrovan. Bewundert Eltern, Freunde, Genossen, die wunderbaren unerforschlichen Verhängnisse der Götter, der Zauber ist gelöst, das Ungeheuer ist verschwunden und mein Bruder, mein geliebter Volanti, stand an seiner Stelle.

König. Was? Nein, sagt, ist es wahr? Du bist das Ungeheuer gewesen?

Volanti. Ein furchtbares Verhängniß hatte mich ergriffen.

König. Was man doch an seinen Kindern erlebt. Aber wie bist Du denn dazu gekommen? Pfui, mein geliebter Sohn! hast Dich so in der Leute Mäuler gebracht: alle Zeitungen stehn von Dir voll.

Volanti. O mein gütiger Vater, diese Freude! Euch wieder zu sehn –

König. Nein, wenn man sich nun auch in einem andern Stande versuchen will, warum denn grade ein Ungeheuer werden? Du hättest ja incognito manche andre angenehme Rolle spielen können, die eines reisenden Künstlers, oder Gelehrten, Schriftstellers; aber warum warst Du denn grade auf das Ungeheuer versessen?

Volanti. Mein Vater, das Schicksal zwang mich.

König. Ja das ist freilich etwas andres. Mag's sein, Du bist also nunmehr Kronprinz.

Aldrovan. Wie glücklich bin ich, Bruder, Dich wieder zu sehn, daß ich Dich als den Erben dieses Reiches begrüßen darf.

        Wieder fand ich den Geliebten,
        Und versuche jedes Glück;
        Alle Leiden, die uns trübten,
        Treten bald von uns zurück.
        Ja ich wage mich zum Hain,
        Er soll auch entzaubert sein.

Climene.
        Du wagst, kaum zurück gegeben,
        Wiederum Dein theures Leben?

Chor.
        Nein, der Held er wird besiegen,
        Er entzaubert kühn den Hain,
        Und wir werden glücklich sein! alle ab.


(Garten.)

Rondino, Camilla.

Camilla. Weißt Du schon, daß aus dem Ungeheuer der Prinz Volanti geworden ist?

Rondino. Man erfährt alle Tage mehr Neues; wer weiß, was mit der Zeit noch aus dem verzauberten Walde wird. Er bekehrt sich vielleicht zu einer trefflichen Schulanstalt.

Trappola kömmt.

Trappola. Freunde, wir haben das Ungeheuer erlöst, und nun wird es nach dem bezauberten Walde gehn. Da wollen wir auch aufräumen.

Camilla. Gehst Du auch dorthin?

Trappola. Allerdings, wir wollen sehn was es giebt. Bisher sind keine guten Köpfe hingerathen, der meinige ist dauerhaft; o mein lieber Rondino, wir werden gewiß nicht überschnappen.

Rondino. Bist Du Deiner Sache so gewiß?

Trappola. Hier komm und fühle wie hart, wie fest und felsenfest mein Kopf ist: o wie lachen wir über die Fee, sie muß sicherlich das Spiel verlieren. – Aber kommt, es ist schon alles reisefertig.

Camilla. Wenn Ihr den Hain entzaubert habt, such' ich Euch dort auf. alle ab.

Aldrovan, Angelica.

Angelica.
        O kannst Du mich hassen?
        Du trotzest dem Hain,
        Hier willst Du mich lassen
        Mit Schmerzen allein?

Aldrovan.
        Es rufen die Winde,
        Die Wolken mich fort,
        Ich eile geschwinde
        Zum furchtbaren Ort.

Angelica.
        Und wie, meine Bitten
        Sie halten Dich nicht?

Aldrovan.
        Der Kampf sei gestritten,
        Der Muth nicht gebricht.

Angelica.
        O! Freude des Lebens
        Dich rühret kein Blick?

Aldrovan.
        Du bittest vergebens,
        Mich ruft mein Geschick.

Angelica.
        Ach hielten Dich Thränen,
        Geliebter, zurück!

Aldrovan.
        Dies Sehnen,
        Die Thränen,
        Die schlagende Brust, –
        Die Götter
        Sind Retter,
        Sie wandeln die Leiden in jauchzende Lust.
        Ich scheide,
        Zur Freude.
        Bald kehr' ich zurück!
        Nicht weinen!
        Bald einen
        Die Götter uns gütigst zum herrlichsten Glück. ab.

Angelica.
        Er geht! er kehret nicht zurück!
        Ich soll ihn niemals wiederfinden,
        Er schied, dies war sein letzter Blick,
        Die Sonne lischt, ich muß erblinden;
        Ich wandle still in Finsterniß,
        Im Scheiden er mein Herz zerriß:
        Dort lauret heimlich Grauen
        In stiller Nacht:
        Entsetzen wacht,
        Er wird um sich den Greuel schauen
        Und seiner Kraft nicht mehr vertrauen.
        Ich bebe,
        Ich wanke,
        Ich strebe,
        Ich schwanke
        In dämmernder Nacht,
        Die Sinnen
        Zerrinnen,
        Der Wahnsinn erwacht:
        Ich muß ihn auf steilen
        Gebirgen ereilen:
        Ihr Winde
        Gelinde
        Bringt Kunde von dort:
        Ich darf nicht verweilen,
        O leitet, ihr Götter, damit ich ihn finde
        Den furchtbaren Ort. ab.


(Felsen. – Nacht.)

Sebastiano, Climene, Oriana.

Climene. Aber warum gehst Du mir nach? Was willst Du? laß mich allein, Bösewicht!

Sebastiano. Ihr sollt, ihr müßt mir verzeihen, meine allerhuldreichste Königin, ich kann mich nicht eher zufrieden geben.

Climene. Du bist mir verhaßt.

Sebastiano. Ich kann nicht dafür, ich bin ganz unschuldig daran. Ich habe Ihnen zum Besten den Ausspruch eines hochlöblichen Orakels verfälscht! Was können Ihro Majestät mehr verlangen, als daß man selbst privilegirten Offenbarungen zu nahe tritt?

Climene. Ich biete das Reich der Unterwelt und Feen und Zauberer auf, um den Prinzen aus dem Wege zu schaffen, und siehe da, er kehrt unversehrt zurück, noch mehr, er bringt seinen Bruder wieder frisch und gesund mit, von dem wir alle glaubten, daß ihn die Hölle schon längst aufgenommen hätte.

Sebastiano. Aber kann ich dafür? bin ich Schuld daran? ich habe mir alle Mühe gegeben; wer konnte denken, daß der Prinz hinter dem Ungeheuer stecke. Es geht mancher nach Wolle und kömmt geschoren nach Hause.

Climene. Kein Wort mehr! Entferne Dich, Bösewicht!

Sebastiano. Ist das die Belohnung meiner Treue?

Climene. Bei meinem Zorn! geh!

Sebastiano ab.

Climene. Was ist nun zu thun! ich möchte das Schicksal und mich verwünschen! Dich und die Welt!

Oriana. Halt ein! ich habe alle meine Kräfte aufgeboten, jetzt ist die Stunde, in der sich alles entscheiden muß; glaubst Du, daß es dem gewaltigen Olallin nicht möglich sei, unser aller Glück noch zu begründen?

Climene. Ruf ihn an.

Oriana. Olallin! Olallin! hör unser Rufen!

Tiefe Stimme.
        Ich höre
        Und kehre
        Von fernen Gestaden.

Geister-Chor.
        Von fernen Gestaden,
        Wo Elfen sich baden,
        Durch Stürme zurück.
        Auf luftigen Rossen
        Stürzt, muntre Genossen,
        Entgegen dem Glück.

Donner, Blitz und Sturm.

Olallin unsichtbar.
        Ihr fröhlichen Geister,
        Erkennt ihr den Meister?

Geister.
        Wir beugen,
        Wir neigen:
        Dem Meister ergeben:
        Wir wandeln und schweben
        In Wasser und Fluthen,
        Durch Wolken, durch Gluthen
        Der Blitze dahin
        Zum Zaubergewinn.

Olallin.
        So stürmt und raset, brecht ein!
        Elfino muß unser Gefangner sein!

heftiger Donner, Stürme toben. – Die Töne verfliegen.

Oriana. Hast Du sie gehört? Elfino wird besiegt und mit ihm stürzen alle unsre Feinde; ich bin die mächtige Fee Oriana, Angelica ist die Tochter meines Gegners, die ich ihm heimlich raubte. – Erscheint ihr Geister! –

Geister erscheinen; unter Musik verwandelt Oriana sich in eine Fee; ein Wagen, mit Drachen bespannt, senkt sich nieder, sie steigt hinein, und zieht durch die Wolken fort.

Climene. Ich bin vergnügt. Alle meine Wünsche erfüllen sich. Jetzt muß ich den Rückweg suchen. geht ab.

Sebastiano tritt auf.

Sebastiano. Ein schönes Wetter! und obenein noch die Ungnade der Königin? – Ist das mein Dank? Nein, ich muß mich rächen. – Wenn ich nur irgend eine Höhle oder Hütte fände, um unterzukriechen: ich bin naß, erstarrt und erfroren: ist das mein Dank? Ein Mann von der schwächlichsten Constitution, der sich Catarrhe, vielleicht gar den Schlag zuziehen kann: ist das mein Dank? Ein Mann, der weder Orakel noch Propheten, weder göttliche noch menschliche Gesetze geachtet hat, um sich ihr gefällig zu machen, wird nun verstoßen und läuft hier herum in der Wildniß, naß wie ein Hund: ist das mein Dank? geht ab.

Der König begleitet von vielen Leuten, die Laternen tragen.

König. Sucht, Kinder, allerliebste Bedienten, sucht, was ihr suchen könnt. In jeder Felsenritze, hinter jedem Busche. – O meine unglückliche Gemalin! Wo sie nur hingerathen sein mag? – Was das für eine Nacht ist! – Sucht Kinder, sucht! – Kaum den ältesten Sohn wiedergefunden, nun schon die Gemalin wieder verlohren. – Greift auf, was Euch nur verdächtig vorkömmt, denn sie ist auch vielleicht verwandelt. – O meine Gemalin! o Climene!

Einige Bedienten bringen Sebastiano.

Sebastiano. Mein König –

König. Bist Du verwandelt, meine geliebte Climene?

Sebastiano. Nein, Ihro Majestät, ich bin Dero wirklicher Minister Sebastiano.

König. Hast Du meine Königin nicht gesehn?

Sebastiano. O ja, aber hört mich nur an, mein König.

König. Nur nicht zuviel gesprochen, es ist kein Wetter darnach.

Sebastiano. Aber doch muß ich einiges sagen. Die Königin ist eine Verbrecherin.

König. Was? das sind wenige, aber derbe Worte.

Sebastiano. Ich kann es beweisen. Sie steht dem Prinzen nach dem Leben; darum habe ich das Orakel verfälschen müssen, darum ist der Prinz jetzt in Lebensgefahr, sie will den Thron allein besitzen und Euch bei Gelegenheit auch aus dem Wege schaffen. Das hat sie mir wohl tausendmal gesagt.

König. Ist das alles wahr?

Sebastiano. Die lautere Wahrheit. Sie hat sich darum mit Zauberern in ein Bündniß gegeben. Darum ist der Prinz in ein Ungeheuer verwandelt gewesen. Darum soll Prinz Aldrovan umkommen.

König. Gut, daß Du mir das alles sagst. Leute! hört auf zu suchen, laßt es bleiben! Kommt, wir wollen gleich nach dem verzauberten Walde aufbrechen, um meinen Sohn zu retten oder alle zusammen unsinnig zu werden. gehn ab.

Sebastiano. Nun bin ich gerächt, und will trotz dem schlimmen Wetter ihnen fröhlich nachgehn. geht ab.

Aldrovan kömmt.

Aldrovan.
Durch den Sturm, durch dunkle Nacht
Irrt' ich einsam hin und her.
Nicht ein Stern im Raum erwacht,
Blickt mit seinen Strahlen her.
Willst du Mondschein mich nicht leiten,
Auf der wundervollen Bahn:
Auch den Sturm muß ich bestreiten,
Dennoch geh' ich dreist hinan.

Der Sturm lauter, der sich nach und nach in fröhliche Musik auflößt.

Der Greis erscheint.

Aldrovan. Welche Töne! – Die Wolken entfliehn. – Der Mond bricht mit süßer Gewalt durch die schauerliche Finsterniß.

Greis. Ich bin ermüdet, doch war ich Sieger im Kampfe, der gräuliche Olallin ist entflohn. – Nun hat er nur noch eine Stunde, in der er mächtig ist; wird er dann überwältigt, so ist er auf immer bezwungen.

Aldrovan. Sei mir, freundliche Erscheinung, in der Einsamkeit der Nacht gegrüßt.

Greis. Ich danke Dir, aber Du sollst mich näher kennen lernen. – er verwandelt sich in einen schönen Knaben. Ich bin Elfino, der Beherrscher der Elfenwelt, Du liebst meine Tochter Angelica, die eine verwegne Fee mir einst entführte. Du gehst jetzt nach dem bezauberten Walde, und Du wirst glücklich sein, wenn Du meine Tochter liebst und meiner Vorschrift folgst. Darum nimm dieses Blatt; wenn Dich die Töne gefangen nehmen wollen, so lies es laut ab und Du bist gerettet, der Zauber ist gelöst und alle sind glücklich. geht ab.

Aldrovan. Ich bin erstaunt, verwirrt. – Ich vergaß ihm zu danken – alle meine Sinne, alle meine Erinnerungen sind wie zerrüttet. geht ab.

Trappola kömmt betrunken.

Trappola.
        So muß doch der Wein,
        Von alle den Schätzen
        Die wir nur besitzen,
        Der Köstlichste sein.
        Die himmlische Gluth
        Sie giebt in den Schaaren
        Der größten Gefahren
        Uns Kräfte und Muth.
        Wie denn auch bekannt,
        Daß unter dem Trinken
        Die Grillen versinken,
        Und wächst der Verstand.
        So geh ich nun frech,
        Als wär' es zum Wein,
        Zum furchtbaren Hain,
        Mond zeige den Weg. ab.


(Der bezauberte Wald. – Heller Mondschein.)

Eine sanfte liebliche Musik, zwei wunderbare Vogelgestalten treten auf.

Erster Vogel.
        Wie? sollen wir vergehn,
        Die Welt nicht wiedersehn?

Zweiter Vogel.
        Der Wahn hält uns in Ketten,
        Und keiner darf uns retten.

Beide.
        Wir sind, wir sind verloren,
        Ach wär' ich nie geboren.

Trappola kömmt betrunken.

Trappola. Ach! Leute, sagt mir doch, wo ich mich nunmehr befinde?

Erster Vogel. Mein Bester, in dem verzauberten Walde.

Trappola. Das ist ja schön.

Zweiter Vogel. Sein Sie uns willkommen. Bemerken Sie noch keine Veränderung an Ihrem Verstande?

Trappola. Danke der gütigen Nachfrage wegen, aber nein, mir ist, wie immer.

Erster Vogel. Es wird Ihnen bald einiger Wahnsinn zu Theil werden.

Trappola. Ich denke nicht; wir haben uns vorgesehn. Mit wem habe ich denn die Ehre zu sprechen?

Erster Vogel. So wie Sie mich hier sehen, war ich sonst ein überaus glücklicher Mensch: ich und mein Bruder, jener unglückliche Verwandelte dort, lebten sonst auf dem Lande, mitten in den rührenden Schönheiten der Natur; ach wie viele herzliche Freuden haben wir beim Auf- und Untergehn der Sonne ausgestanden. – Meine Doris liebte mich so überschwänglich, ich sollte in wenigen Tagen mit ihr auf ewig verbunden werden, als mich der Satan aus Vorwitz hier in den Wald führte, wo ich denn so bezaubert wurde, wie Sie mich jetzt gewahr werden.

Trappola. Ei Du armer Kerl. zieht eine Flasche heraus. Da trink einmal, das bekömmt Dir wohl gut.

Erster Vogel. Schönen Dank.

Zweiter Vogel. Laß mich ebenfalls kosten.

Sie trinken und fangen an zu tanzen: einige andere seltsame Masken erscheinen, die auch nach einer fröhlichen Musik hüpfen und sich bald wieder in den Wald zurückziehn.

Trappola. Hier ist ein lustiges Leben. – Aber nun muß ich auch einmal untersuchen, ob auch an meinem Verstande noch kein Abbruch geschehn ist. Ich bin Trappola? – – richtig! – ich habe Camilla meinem Freunde abgetreten? – – richtig! – ich bin der klügste Mann im Lande? – – richtig!

        Nun ich bin nicht in der Irre,
        Denn ich weiß noch wer ich bin,
        Es erlieget dem Gewirre
        Niemals mein verständ'ger Sinn.

        Alle sonst'ge weise Leute
        Gegen mich nur Kinder sind,
        Und es zeigt sich wahrlich heute,
        Wer verliert und wer gewinnt.

Mein Verstand ist noch so beisammen, als man es sich nur wünschen kann; zum malen! Da bestätigt sich doch der alte Satz, daß gewisse Leute nicht unsinnig werden können, wenn man auch alle Anstalten dazu trifft.

Aldrovan kömmt.

Aldrovan. Hier ist der Ort, ich höre die wunderbaren Töne.

Trappola. Ja ich höre sie auch; aber nehmen Sie Ihren Verstand in Acht.

Aldrovan. Was machst Du hier?

Trappola. Was ich hier mache? da steh' ich zum Wohl des Vaterlandes.

Der Nachen von Schwänen gezogen erscheint. Die Fee Allina im Nachen.

Allina.
Woher in dieser Einsamkeit?
Bist du entflohn der Menschen Neid,
Zu schmecken hier die Seligkeit?
Die Blumen, Bäume bieten Gruß,
Die schöne Welle dir Genuß,
Allinens Mund den Freundschafts-Kuß.

Aldrovan.
Was seh' ich?
Welche Himmelstöne berühren mein Ohr?
Wie ruht sie auf der silbernen Fluth,
Die des Mondscheins goldne Strahlen küssen,
Wie gießt sich um die Göttliche
Und spielt um sie ein Funkenregen:
Wie jauchzt der Hain,
Wie freun sich die Gebüsche?
Sie ruht so hingegossen lieblich,
Daß selbst die Sterne funkelnder
Zur lieben Nähe süß hernieder glänzen.
Mein Herz! was fühlst du? welchen Zauber?

Trappola.
O bleiben Sie ein Mann!
Hier nehmen Sie den Trank
Als ein Geschenk nur an,
Und trinken Sie zum Dank.

Allina.
Willst Du im Walde heimisch sein?
Im süßen lieben Dämmerschein,
So geh zu meinen Freunden ein.

Trappola.
Die Freunde werden Affen sein.

Aldrovan.
Angelica!
O laß Dein Angedenken mich beschirmen!
Entzieh, entzieh mich diesen Melodieen,
Die sich mit leiser lieblicher Gewalt
Wie Fesseln um mein Herz, um meine Sinne weben.

Allina.
O schenke Dein Leben,
Dein Herz der Gewalt
Dem einsamen freud'vollen Aufenthalt.

Trappola.
Mir wird's in allen Gliedern kalt,
Mein Verstand erhält sich nur noch eben.

Aldrovan.
Ich nehme das schützende Blatt. er liest.
Zauber schwinde,
Weht ihr Winde,
Ueber Berge, über Thal,
Ins tiefste Meer des Volkes grause Quaal.

Die frohe Musik wird klagend, das Theater finster, der Nachen entfernt sich nach dem Hintergrunde, der Sturm beginnt.

Allina.
        So belohnst Du mir das Lieben,
        Das ich Dir im Herzen trage?

Trappola.
        Der Zauber fühlt sich schon vertrieben,
        Das ist jetzt seine letzte Klage.

Aldrovan.
        Mich lockt, erschüttert die Sirenen-Stimme.

Allina.
        O helft! o helft! ich erliege dem Grimme.

Chor unsichtbar.
        Wir fühlen neues Leben
        In allen Adern weben.

Allina.
        O schenke mir mein Leben!

Trappola.
        Ich fühle nur noch eben
        Einen Rest von Besinnung in mir;
        Was gilt' es, ich werde zum Thier?

Aldrovan.
        Ich muß vollenden,
        Mein Herz zerbricht,
        Die Götter senden
        Mir Kraft und Licht,
        Dem Feigen wenden
        Sich Geister nicht: –
        Zauber schwinde!
        Weht ihr Winde,
        Ueber Berge, über Thal,
        Ins tiefe Meer des Volkes grause Quaal.

Mit den Worten wird die Finsterniß, der Sturm stärker, der Nachen verschwindet ganz im Hintergrunde, wo ihn die schäumenden Wogen zu versenken drohen.

Chor unsichtbar.
        Wie wallen die Wogen,
        Wie rauscht es im Wald,
        Wir werden gezogen
        Von magisch kräftiger Gewalt,
        Es endet bald!

Allina, mit klagendem Ruf.
        Es wüthen verderbend
        Die Fluthen, sie schlagen
        Hoch oben zusammen,
        Verschlingen und tragen
        Die höllischen Flammen.
        O Jammer! wer rettet,
        O Hülfe! wer kettet
        Die Geistermacht fest,
        Die mich treulos verläßt.

Trappola.
        Hier hilft, ich will wetten,
        Keine Ketten, kein Retten!
        Der Wald kriegt den Rest.

Aldrovan, das Blatt wegwerfend.
        Ich trage das Sehnen
        Im Busen nicht länger,
        Nur wilder und bänger
        Erregen Gedanken
        Das Herz mir und brennende Thränen!
        Komm zurück, du holdes Bild!
        Komm zurück!

Das Theater erheitert sich nach und nach, die Fee kömmt im Nachen zurück.

Allina.
        O Glück!
        Du giebst dem Verlangen
        Dich gerne gefangen?

Chor unsichtbar.
        Von neuem wir bangen
        Im Kerker gefangen;
        Gegeben der Pein!

Trappola.
        Wie tanzet der Hain,
        Wie schwärmen Najaden
        Mit wilden Dryaden
        Im Strome zu baden
        Ins Wasser hinein,
        Ich werde geladen
        Und will mit fröhlichem Herzen Euer sein. geht ab.

Aldrovan.
        Ich bleibe Dir treu;
        Woher diese Scheine?
        Ein Glücke so neu
        Begegnet im Haine:
        Stets bin ich der Deine.

Allina.
        Ha ha! gewonnen;
        Die Beschwörung zerronnen;
        Ha, ha, er ist mein;

Chor.
        Ha, ha, er ist Dein.

Sie fährt triumphirend fort.

Angelica tritt wahnsinnig auf.

Angelica.
Töne? wohin führt ihr meinen Schritt,
Bin ich hier im Pallast aller Götter?
Welch ein goldnes Frühlingswetter
Geht in lauen Lüften mit?

Aldrovan.
Wer bist Du holder Schein?

Angelica.
Vernimmst Du diese Töne?
Ach fern aus trüber Ferne,
In dunkler kalter Welt,
Da schienen goldne Sterne,
Die lockten mich aus der Ferne
Und nun mich das Glück in Liebe gefangen hält.

Aldrovan.
O gieb mit süßem Munde
Von jener Welt mir Kunde!
Mir träumte, einst mein Glück
Sei nur Angelicas Blick.

Angelica.
Sie ist gestorben, begraben,
Die finstern Götter haben
Geendet ihr Geschick.

Beide.
Auf wundervollen Pfaden
Wohin, wohin ach! sollen wir gehn?
Wie Liebe, Sehnsucht uns umwehn!
Wir werden von Stimmen geladen;
O Glücke! laß Dich sehn!

Camilla, Rondino kommen.

Alle, umherirrend.
        Wie fröhlich,
        Wie selig
        Das trunkene Leben!
        Geschicke,
        Welch Glücke
        Hast du uns gegeben.

Chor, unsichtbar.
        Sie rasen, es kennt
        Nun keiner den Andern,
        Es sei Euch zu wandern
        Im Wahnsinn gegönnt!

König, Climene, Sebastiano, Samieli, Trappola, und alle übrigen erscheinen, von Wahnsinn umher getrieben. Die Musik des bezauberten Waldes geht fort; Oriana erscheint oben auf dem Felsen, Allina auf dem Bache.

Oriana.
        Meine Rache ist vollbracht!

Allina.
        Deine Macht,
        Meine Macht
        Hat unsern Sieg vollbracht!

Olallins Stimme.
        In allen Sinnen Nacht!
        Triumph! wir siegen,
        Sie erliegen
        Der Geister Macht.

Oriana, Allina, Olallin.
Noch wilderes Grauen
Erfasse ihr Herz.
Wir jauchzen und schauen
Sie alle zerrissen vom wüthenden Schmerz!

Eine wunderbare gräßliche Musik, eine Tanzlust befällt alle, seltsame Masken und Gestalten treten herein, ein großes, ausdrucksvolles, magisches Ballet, das Wahnsinnige in wunderlichen, aber nicht widrigen Gestalten darstellt.

Chor.
        Sie wüthen und lärmen,
        Sie rasen und schwärmen,
        Sich unbewußt;
        Noch wilder und freier
        Ergreife das Feuer
        Schnell jegliche Brust.

Ein heftiger Donnerschlag. Olallin, eine colossale Figur, erscheint in Wolken zwischen den Bäumen, in demselben Augenblick Elfino gegenüber auf einer Wolke, der einen gespannten Bogen hält und nach Olallin zielt, der Pfeil fliegt ab und trifft ihn; der Riese stürzt zerschmettert herunter. Die wilde Musik schweigt, alle stehen und kommen zur Besinnung; gegenseitige Erkennungen.

Allina. Verloren! Sie sinkt mit dem Nachen unter.

Oriana. Der Schreckliche! Entflieht von den Bergen.

Elfino steigt von seiner Wolke nieder, legt Angelicas und Aldrovans Hände in einander, die sich erkennen; er winkt, Geister erscheinen, mit denen Climene versinkt, indem verwandelt sich das Theater in einen prächtigen, unabsehlichen Feenpallast mit wunderbarer Architektur; ein schöner Thron, den Elfino besteigt.

Chor von Geistern.
        Es ist uns gelungen,
        Der Feind ist bezwungen,
        Die Götter geben den König zurück.

Alle.
        O herrliches Glück!
        O herrliches, wunderherrliches Glück!

Der Vorhang fällt.

 


 


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