Ludwig Tieck
Sehr wunderbare Historie von der Melusina
Ludwig Tieck

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Zweite Abtheilung.

Reymund kam zurück zur Melusina, küßte sie freundlich und sagte: Allerliebste Gemalin, womit sollen wir uns nunmehr die Zeit vertreiben? Melusina antwortete: ich hoffe, Gott wird uns mit allem dem versehn, was wir nur bedürfen.

Nach einigen Tagen fing Melusina einen großen und prächtigen Bau an, über welchen sich die ganze Nachbarschaft verwunderte, denn noch niemals hatte man ein so mächtiges Kastell und in so geringer Zeit aus seinem Fundamente heraufsteigen sehen. Sie bezahlte die Arbeiter reichlich und auch gleich baar, wodurch sie alle die Lust zum Baue behielten. In weniger als einem Jahre stand ein großes und festes Schloß mit seinen Zinnen, Wällen, Zugbrück und sehr tiefen Gräben da, welches nach seiner Festigkeit fast für unüberwindlich gehalten wurde, und welches sie Lusinia nannte, wodurch sie gleichsam auf ihren eignen Namen anspielend deutete.

Nach neun Monaten gebar Melusina einen Sohn, der Uriens genannt wurde, und der sonst wohlgestaltet war, nur befand sich sein Angesicht seltsam eingerichtet, denn dieses war kurz und breit, mit einem rothen und einem grünen Auge, einem sehr weiten Mund, und hatte darneben noch große herabhangende Ohren: sonsten war seine übrige Gestalt adelich und fein und er wuchs nachher zu einem schönen und tapfern Ritter auf.

93 Im folgenden Jahre gebar Melusina wieder einen Sohn, der Gedes getauft wurde; dieser hatte eine solche Röthe in seinem Antlitze, daß sie ordentlich einen Widerschein gab, sonst war er übrigens von edler Bildung. Hierauf wurde von der Melusina ein anderes Schloß, Favent, gebaut, hernach legte sie der Mutter Gottes zu Ehren ein Kloster aus Andacht an, welches sie Malliers nannte; zuletzt aber baute sie eine ganze Stadt, Portenach.

Darauf gebar sie wieder einen Sohn, der war zwar schön, doch stand ihm das eine Auge höher als das andre, und wurde Gyot genannt. Worauf sie wieder ein Schloß bauen ließ, mit einer sehr schönen und kunstreichen Brücke über den Strom allda. Dann brachte sie wieder einen Sohn zur Welt, der Antoni geheißen wurde und der eine Löwenklaue auf dem Backen mit auf die Welt brachte, auch war er sehr wild und ganz rauch von Haaren, und als er größer wurde, mußte sich jedermann vor ihm fürchten, welcher ihn sah.

Dann gebar sie wieder einen Sohn, den Reinhardt, der nur ein Auge mitten auf der Stirne hatte, damit aber so viel sah, wie andre mit zweien und nachher sehr brav und tapfer wurde. Nicht lange gebar sie wieder einen andern Sohn, den Geoffroy; dieser kam mit einem großen Zahn zur Welt, der ihm fast wie ein Eberzahn aus dem Munde heraus stand, dieser wurde nachher ein sehr tapfrer Ritter, hatte aber einen mehr wunderlichen Sinn, als alle seine Brüder zusammen genommen. Reymund sagte bei dieser Gelegenheit zu seiner liebsten Gemalin: werthe Frau, was bringst du mir doch für seltsame Kinder zur Welt? soll 94 denn kein einziger ohne einen Makel erfunden werden? Sonderlich betrübt mich dieser Geoffroy mit dem Zahn, denn er erinnert mich an mein ehemaliges Unglück mit meinem Herrn Vetter und an das Schwein; ich fürchte immer, daß uns durch diesen Sohn irgend ein Leid zustoßen wird. Melusina antwortete: wir wollen ihn in der Furcht des Herrn erziehn und er wird ein wackrer Ritter werden.

Darnach gebar sie wieder einen Sohn, den Freymund, der von schöner Leibesgestalt war, aber auf der Nase einen haarigen Fleck, fast wie ein Stück Wolfshaut, hatte. Nicht lange, so bekam sie noch einen Sohn, Horribel, derselbe hatte drei Augen und war von bösen Sitten und argem Gemüth. Dann kam der Dietrich zur Welt, der ein großer Ritter wurde, und zuletzt ein Sohn, den sie Reymund nannten. So hatte Melusina nun zehn Söhne, als:

  1. Uriens, mit schlechtem Antlitz, einem rothen Auge und langen Ohren.
  2. Gedes, mit der Röthe im Angesicht.
  3. Gyot, ein Auge höher als das andre.
  4. Antoni, eine Löwenklaue auf der Wange.
  5. Reinhardt, nur ein Auge auf der Stirn.
  6. Geoffroy, mit dem Zahn.
  7. Freymund mit der Wolfshaut auf der Nasen.
  8. Horribel, der drei Augen hat.
  9. Dietrich, ohne Fehl.
  10. Reymund, ohne Fehl.

Als der älteste Sohn Uriens, der mit dem schlechten Antlitz und langen Ohren, zu seinen erwachsenen Jahren gekommen war, begehrte er ein berühmter Ritter und Kriegsmann zu werden und sein Glück in 95 der weiten Welt zu versuchen. Da ihm nun sein Sinn darnach stand, so rüstete er ein Schiff aus, welches er eine Galeere nannte, nahm viel Volks mit, von seinen Eltern Abschied, und ihn begleitete sein jüngerer Bruder Gyot, dem ein Auge höher, als das andere stand. So begaben sie sich auf das hohe Meer, und versahen sich auch mit Gold und Silber, von dem Segen Reymunds, wie der Melusina begleitet.

Sie richteten ihre Seefahrt nach Famagusta, der Hauptstadt des Königreichs Cypern, wo sie Anker warfen und an das Land stiegen. Hier vernahmen sie, daß ein heidnischer König diese Stadt mit einer großen Menge Volks belagert hielt und den christlichen König von Cypern hart bedrängte, worauf sie sich vornahmen, diesem beizustehn. Schlugen also ihr Lager im Angesicht der Feinde in der Nähe der Stadt auf, und erwarteten eine günstige Gelegenheit, ihre Tapferkeit zu zeigen; die Heiden aber waren ungewiß, ob sie dieses fremde Volk für Heiden oder für Christen halten sollten. Der Heide zog daher aus Vorsichtigkeit sein Volk zusammen, ob er etwa überfallen werden möchte, worauf der König von Cypern, der dieses aus der Stadt wahrnahm, meinte, jener wolle sich zur Flucht bereit machen, daher er die Thore aufmachen, Fahnen vortragen und die Trompeten fröhlich blasen ließ, indem er mit aller Macht in das heidnische Lager einbrach. Die Heiden aber wehrten sich tapferlich, und brachten viele der Christen um, der König von Cypern selbst wurde von einem vergifteten Pfeile getroffen, so daß er augenblicklich spürte, die Wunde würde tödtlich sein. So mußten sie sich alle mit großem Verlust in die Stadt zurück begeben.

Der König hatte eine schöne Tochter, Hermina 96 genannt, welche heftig erschrak, als sie ihren Herrn Vater auf diese Weise zurück kommen sah, von dem vergifteten Pfeile verwundet, besonders, da sie hörte, daß er von dieser Wunde nicht wieder aufkommen könne; sie klagte und weinte, aber ihrem von dem vergifteten Pfeil getroffenen Vater war damit nicht geholfen, sondern seine Leiden wurden dadurch nur vergrößert.

Indessen der König auf dem Kranken- und Sterbelager klagte, griff Uriens nebst seinem Bruder die Heiden mit solcher Tapferkeit an, daß sie bald erschraken und nicht wußten, wie ihnen geschah, so daß sie sich genöthigt sahen, zurück zu weichen, weil ihnen eine solche Tapferkeit bis dahin noch nicht vorgekommen war. Uriens aber that noch mehr, er drang bis zu dem Heidenkönig hindurch, schwang sein Schwert, und hieb ihm ohne weiteres den Kopf herunter, so daß der übrige Leib ebenfalls gezwungen wurde, aus dem Sattel zu fallen. Wie die Heiden dergleichen Beginnen wahrnahmen, verloren sie vollends gar den Muth und suchten ihr Heil in einer unordentlichen und übereilten Flucht; damit war ihnen aber wenig geholfen, denn nun schlugen die Christen dermaßen unter sie, daß die meisten auf dem Platze blieben und nur die wenigsten mit dem Leben davon kamen. Nachdem so der Streit geendigt war, ruhte Uriens mit seinem Bruder Gyot im Lager der Feinde von dem vielen Fechten aus, denn die Helden waren von dem Erschlagen der Heiden müde geworden.

Als der König diese Thaten und die Niederlage seiner Feinde vernahm, freute er sich, ob er gleich dem Tode so nahe war, schickte also seine Abgeordneten nach den beiden Brüdern, die um Entschuldigung bitten mußten, daß er nicht selber komme, um ihnen seine 97 persönliche Aufwartung zu machen, er liege aber an einer Wunde von einem vergifteten Pfeile dermaßen darnieder, daß es ihm unmöglich falle; sie möchten daher von der Güte sein, ihn in seinem königlichen Pallaste zu besuchen, bevor er gar gestorben wäre. Die beiden Brüder antworteten: daß sie ihre Schuldigkeit nicht unterlassen würden, vor der hohen Gegenwart seiner königlichen Majestät zu erscheinen, worauf sich die Abgeordneten zurück begaben, und Uriens sich mit seinem Bruder Gyot alsbald in die Stadt Famagusta verfügte. Als sie in die Stadt anlangten, verwunderte sich das cyperische Volk sehr über das seltsame Aussehn des Uriens und daß er, ohnerachtet seines Angesichtes, solche Wunder der Tapferkeit zu verrichten im Stande sei: er merkte, daß sie über ihn erstaunten und begab sich in den Pallast des Königs, wo er diesen übel zugerichtet und von dem vergifteten Pfeile am ganzen Leibe geschwollen im Bette liegend antraf. Er grüßte den König und beklagte ihn wegen seines Unfalls, worauf ihm der König dankte und sagte, daß ihm die ganze Christenheit Preis, Lob und Verbindlichkeit schuldig sei, indem er auf solche Weise unter die Heiden gewüthet, daß sie es auf lange empfinden würden. Zugleich fragte der König, von wannen sie beiden gebürtig wären? Uriens sagte, wie er Uriens heiße und in Lusinien geboren sei. Worauf der König wieder antwortete: da ich nun meines tapfern Herrn Namen und Geschlecht so umständlich weiß, so will ich nicht länger eine Bitte zurück halten, die ich vorzutragen habe: ich bin nämlich des Willens, Euch, mein edler Ritter, ein großes Glück, viel Ehre und Reichthum zuzufügen; ich habe nur eine einzige Tochter, Hermina genannt, an welche mein Reich, so wie mein ganzes 98 Vermögen fällt, wenn ich, will's Gott bald, an meiner vom vergifteten Pfeil empfangenen Wunde gestorben sein werde, dabei wünschte ich, mein Reich in den Händen eines tapfern Ritters zu wissen, weil es dem Heidenthum so nahe liegt, daß es durch dieses täglich beschädigt werden kann; ich weiß keinen bessern Ritter als Ihr seid, darum bin ich gesonnen, Euch mein Reich so wie meine Tochter zu übergeben.

Uriens bedankte sich höflich, sagte: er wäre es zwar durchaus nicht würdig, wolle sich aber nicht weigern, die königlichen Befehle zu vollführen. Ueber diese Antwort war der König sehr froh und zufrieden, er ließ alsbald seine Tochter zu sich kommen und auch die Räthe seines Reichs vor sich versammeln, zu welchen er sprach: Ihr wißt, wie ich bisher mein Reich mit bewaffneter Hand gegen die Heiden beschirmt habe, doch dieses kann von nun an nicht mehr geschehn, indem ich durch einen vergifteten Pfeil auf den Tod verwundet bin, ich verlange also von Euch, daß Ihr meine Tochter Hermina als Eure Oberherrschaft in meiner Gegenwart, bevor ich sterbe, anerkennt, denn sie ist meine einzige und rechtmäßige Erbin. Die Räthe und Landesherren thaten, was er begehrte, worauf der sterbende König also fortfuhr: ein Weib aber kann unmöglich durch ihre eigene Kraft ein Königreich beschützen, welches eine so gefährliche Lage hat, indem es fast zu nahe an das wilde Heidenthum gränzt, ich verlange daher, daß meine einzige Tochter Hermina sich mit einem Ehegemal verbinde und da wüßte ich keinen tapfrern, und bessern, wenn ihm gleich die Schönheit des Angesichts abgeht, als den unvergleichlichen Ritter Uriens aus Lusinien, der die Heiden so trefflich bezwungen, ja ihrem Könige das Haupt 99 heruntergeschlagen hat, ob ich gleich diese Freude nicht lange genießen werde, da ich auch durch einen vergifteten Pfeil auf den Tod verwundet: Ich verlange also meine Tochter Hermina, daß Du diesem Ritter als Deinem Gemale die Hand reichest, und daß alle meine Räthe und Landesherren ihm als ihrem zukünftigen Könige huldigen sollen.

Die Landesherren thaten solches sehr gern, auch gab Hermina dem Uriens freiwillig ihre schöne Hand, worüber dieser im Herzen ungemein erfreut war. Das Volk in Cypern, als es diese Neuigkeit erfuhr, war sehr froh und vergnügt, denn Uriens gefiel ihnen allen, sie folgten ihm daher alle in die Hauptkirche, wo er mit seiner Braut Hermina vermält wurde. Zugleich ließ sich der verwundete König das heilige Sakrament geben, worauf er selig verschied, so daß die Hochzeit ohne Tanz und Saitenspiel gefeiert werden mußte; doch wurde der verstorbene König herrlich und mit aller Pracht in seinem Begräbnisse beigesetzt. Dann wurde Uriens zum Könige gekrönt.

Um diese nämliche Zeit fügte es sich auch, daß der König von Armenien sterben mußte, welcher ein naher Verwandter des Königs von Cypern war. Er hinterließ eine einzige sehr schöne Prinzessin, welche den Namen Florie führte; die hinterlassenen Räthe beschlossen, diese mit dem tapfern Gyot, dem Bruder des Uriens, zu vermälen, worein die Prinzessin selber auch gern einwilligte. Als es so weit gekommen war, schickte man eine Abgesandtschaft zum Könige Uriens von Cypern, die ihn ersuchen mußte, dem Reiche Armenien seinen Bruder Gyot als einen Herrscher zu überschicken, welches dieser auch sehr gern that, weil er dem Glücke 100 seines Bruders nicht im Wege sein wollte. Worauf Gyot nach Armenien ging, sich mit der Prinzessin Florie verheirathete und zum König gekrönt wurde.

Beide Brüder unterließen es nach diesen glücklichen Vorfällen nicht, Boten mit Briefen zu ihren Eltern nach Lusinien zu schicken, wodurch diese alles erfuhren, was ihren lieben Söhnen begegnet war und sich von Herzen freuten, so daß auch Melusina, um sich gegen Gott dankbar und gefällig zu bezeigen, eine neue Kirche stiftete, nachdem sie schon viele andre gebaut hatte. Um die Zeit verheiratheten sie auch ihren Sohn Gedes, den mit der hohen Röthe im Angesichte, mit einer vornehmen Gräfin aus dem dortigen Lande.

Es währte nicht lange, so nahm auch Reinhardt, der nur ein Auge hatte, von seinen Eltern Abschied, um sein Glück in der Welt zu versuchen. Ihn begleitete Antoni, der zum Zeichen eine Löwenklaue auf der Wange trug; sie nahmen ebenfalls viel Volks mit sich. Diese tapfern Ritter gelangten auf ihrem Zuge nach Lützelburg, welches damals eben der König von Elsaß mit einer ansehnlichen Armee belagert hielt und schon im Begriff stand, die Stadt gar zu gewinnen. Dieser König hielt die Stadt aus bloßem Muthwillen belagert, denn er wollte durchaus die Herzogin von Lützelburg, die in der Stadt regierte, zu seiner Gemalin haben, sie aber war nicht dieser Meinung und deshalb suchte er ihre Stadt zu erobern, um sie selber dadurch zu gewinnen. So war also diese Prinzessin eine arme verlassene Waise und in größter Bedrängniß, welches die beiden Brüder von Lusinien nicht sobald gehört hatten, als sie, von Mitleid ergriffen, den Entschluß faßten, dieser unglückseligen Prinzessin mit ihrer 101 ganzen Macht beizustehn. Sie wickelten also die Fahnen auf, stellten ihre Völker in eine gute Schlachtordnung, und griffen nun mit der Loosung Lusinien die Elsasser so beherzt an, daß viele von diesen in die Pfanne gehauen wurden. Antonius kam im Treffen mit dem Könige von Elsaß in ein einzeln Gefecht, worauf dieser entwaffnet wurde, und sich der König dem Antonius gefangen geben mußte. Reinhardt that hierauf noch dem übrigen Volke großen Schaden, so daß die Brüder eine herrliche und glänzende Schlacht gewonnen hatten.

Die Brüder ließen hierauf den gefangenen König durch sechs von ihren Rittern der Prinzessin von Lützelburg überantworten, welche sich über ein solches Präsent höchlich erfreute und dem Himmel, so wie den beiden tapfern Helden den besten Dank abstattete; sie erkundigte sich auch nach den Namen, Herkommen und Geschlechte der beiden Brüder und war sehr zufrieden, als sie solches alles erfahren hatte, denn sie faßte nun den Entschluß, in ihren Staatsgeschäften nichts ohne Mitwissen und Beistimmung der beiden Herren zu thun oder zu unternehmen. Sie ließ hierauf diese beiden tapfern Ritter nebst den vornehmsten aus ihrem Gefolge zu sich in die Stadt bitten, welche sich auch sogleich fertig machten, ihr in Lützelburg aufzuwarten. In der Stadt empfing sie das Volk in schöner Fröhlichkeit mit auserlesener Musik und trefflichem Klang von Instrumenten, Jubelgeschrei und dergleichen, weil sie durch die Brüder von dem Elsassischen Könige erlöst waren, der ihnen viel zu schaffen gemacht hatte. Zwei vornehme Landesherren aus Lützelburg erschienen hierauf und führten die beiden Herren auf das Schloß, wo die 102 Fürstin ihnen mit den schönsten Damen, Fräulein, Pagen und Gefolge höflich entgegen kam und ihnen in den wohlgesetztesten Redensarten ihren Dank abstattete, außerdem aber eine prächtige und überaus köstliche Mahlzeit zurichten ließ, so daß nicht genug zu sagen ist, wie vergnügt die beiden Brüder waren.

Am Tische wurde der gefangene König von Elsaß oben an gesetzt, dann folgten die beiden Herren Antonius und Reinhardt, dann die vornehmsten Landesherren und die übrigen Gäste nach ihren Würden, den Brüdern aus Lusinien gegen über saß die schöne Fürstin, und so war man beim Essen und Trinken ausnehmend vergnügt, ausgenommen der gefangene König, der den großen Verlust seiner Leute und seiner Reichthümer nicht verschmerzen konnte.

Nach dem Essen wurde gebetet und darauf fing der gefangene König zu den Brüdern an: tapfre Ritter, bitte, mir nunmehr zu sagen, um welche Ranzion ich der Gefangenschaft entledigt sein soll, die ich gern entrichten will, um meine Freiheit nur wieder zu gewinnen. Antonius antwortete: Ew. Königliche Majestät ist nicht unser Gefangener, dieselben sind der Fürstin Durchlauchtigkeit von Lützelburg als ein Präsent übermacht, so daß wir nicht mehr über Euch schalten können, sondern Ihr gänzlich in die Willkühr dieser hohen Fürstin gestellt seid. Darüber erschrak der König über die maßen, denn er wußte, daß er durch sein Betragen die höchste Ungnade der Fürstin verdient hatte, fürchtete also gar, als ein gottloser Mann und unverschämter Liebhaber sein Leben zu verlieren. Da die Fürstin seine Verlegenheit sah, wandte sie sich wieder zu den beiden Brüdern, und sagte, daß die Ranzion des 103 Königs gänzlich in ihrem Belieben stehe; sie hätten ihn gefangen, möchten daher auch seinen Preis bestimmen, gebe ihnen also hiemit ihr Präsent wieder zurücke. Worauf die Grafen antworteten: sie wollten ihn aller Ranzion entledigen, er solle fußfällig die Fürstin um Verzeihung bitten, versprechen, ihr nie in Zukunft mehr zur Last zu fallen, und allen ihrem Lande zugefügten Schaden zu ersetzen. Wie das der König hörte, wurde er froh und that sogleich freiwillig alles, was von ihm verlangt wurde.

Als dies geschehn und in Richtigkeit gebracht war, überlegte der König von Elsaß bei sich selber, wie fromm die beiden Brüder aus Lusinien wären, und wie edelmüthig sie sich gegen ihn bezeigt hätten, erinnerte sich auch, wie nach dem Boethius Undankbarkeit eins der größten Laster sei, nahm sich daher in seinem Gemüthe vor, nicht für undankbar zu gelten und sagte daher öffentlich im Beisein aller Landesherren: Wollte Gott, daß diese beiden Brüder die Stützen und Anführer des Fürstenthums wären, so würde weder ich noch ein andrer Feind jemals sich unterstehn, dieses Land feindlich zu überziehn; wenn ich rathen sollte, so möchte die durchlauchtige Prinzessin einem von diesen tapfern Brüdern ihre Hand und ihre Liebe reichen. Als die Landesherren dies hörten, freuten sie sich und waren derselben Meinung, redeten auch der Fürstin von Herzen zu, solches auszurichten, sie aber antwortete, daß sie dergleichen Vorschläge erst überlegen müsse.

In der Nacht erwägte die Fürstin alles bei sich, was sich zugetragen hatte, und da sie genau auf ihre Gedanken achtete, merkte sie, daß sie eine sonderliche Neigung zum Grafen Antonius in sich habe, dieses 104 offenbarte sie auch am folgenden Tage und Antonius gab ihr seine Liebe zu erkennen, die er gleich im ersten Augenblicke zu ihr gefaßt hatte; so wurden sie dann einig und nach weniger Zeit mit einander getraut. Die Hochzeit währte unter vielen Ergötzlichkeiten eine ganze Woche hindurch und that sich beim Stechen der König von Elsaß ganz besonders hervor.

Als die Hochzeit vorüber und man eben unter vielen Danksagungen von einander scheiden wollte, erschien am Hofe ein schnellreitender Bote, der sogleich nach dem Könige von Elsaß fragte. Als dieser sich gemeldet, empfing er von dem Boten Briefe, über deren Inhalt er sehr erschrak und schmerzlich seufzte, worauf sich Antonius erkundigte, was in den Briefen enthalten sei. Der König sagte. ach Gott! mein Herr Antonius, mein Bruder, der König von Böhmen, schreibt mir hier, daß ihn der Türkische Kaiser mit einer gewaltigen Macht in seiner Hauptstadt Prag belagert halte, und daß er sich keiner Hülfe oder Entsatzes zu versehn habe, drum wende er sich in seiner Bedrängniß an mich und beschwöre mich bei meiner brüderlichen Liebe, zu seinem Beistande herzu zu eilen, denn sonst sei es gewiß um ihn, wie um sein Reich geschehn. Und nunmehr, fuhr der König von Elsaß fort, ist es meine eigne Schuld, daß fast alle mein Volk durch Euch, tapfre Fürsten, in die Pfanne gehauen ist, so weiß ich nun in der Eile meinem Bruder nicht sonderlich zu helfen.

Graf Antonius antwortete hierauf: Ew. Königliche Majestät kann sich versichert halten, daß die Türken aus dem Lande Eures Herrn Bruders herausgeschlagen werden sollen, denn mein Bruder Reinhardt soll mit Euch ziehn, mit der ganzen Macht, die wir aus Lusinien 105 mit uns genommen; dazu will ich ihm noch Hülfsvölker aus meinem neuerworbenen Reiche geben, so daß es Euch beiden mit Gottes Hülfe gelingen soll, den König von Böhmen von seinen Feinden zu befreien. Sollte dieses aber noch nicht hinreichend sein, so laßt es mich nur durch einen schnellen Boten wissen, und alsbald will ich Euch selbst mit einer neuen Macht zu Hülfe ziehn.

Hierauf dankte der König mit sehr freundlichen Worten, und sagte: Sollte es uns gelingen, wie ich denn nicht zweifle, den Türken zu besiegen, so hat mein Bruder, der König von Böhmen, eine einzige Tochter, die er ohne meinen Rath und meine Einwilligung nicht verheirathet; diese verspreche ich hiemit, sie dem Grafen Reinhardt, Eurem Bruder, zu einer ehlichen Gemalin zu geben, wodurch er dereinst nach meines Bruders Tode König von Böhmen wird, da mein Bruder kein andres Kind hat.

Beide Grafen dankten hierauf dem Könige für seinen guten Willen, und Antonius war sehr vergnügt darüber, daß sein Bruder Reinhardt eine Aussicht auf ein Königreich hatte, welches er ihm von Herzen gerne gönnte. Er beschloß daher, um die Sache noch gewisser zu machen, sogleich mit seinem Bruder und dem Könige nach Böhmen dem Türken entgegen zu ziehen. Es wurde hierauf von ihnen eine große Macht zusammen gebracht und sie zogen damit durch Deutschland bis vor die Stadt Prag, welche der Türke eng belagert hielt.

Es war gerade an dem, daß der König von Böhmen einen kühnen und tapfern Ausfall gegen die Ungläubigen that, um sie von der Stadt abzutreiben, da 106 wurde von beiden Seiten sehr tapfer gefochten, viele Heiden, aber auch viele Christen erschlagen und endlich mußten die Christen der türkischen Uebermacht weichen. Ja, was noch schlimmer war, der König von Böhmen, der sich sehr tapfer hielt und ungern den Rückzug anstellte, wurde mit einem Pfeile dergestalt durch den Leib geschossen, daß er sogleich todt zur Erden niederfiel. Wie die Böhmen ihren König gefallen sahn, wurden sie völlig sieglos und die Türken triumphirten, die Böhmen zogen sich in die Stadt zurück und die Ungläubigen blieben Meister vom Felde, worauf sie der Stadt Prag noch härter mit Belagern zusetzten.

Die heidnischen Türken nahmen hierauf in ihrem Uebermuthe den Leichnam des Königs von Böhmen, legten ihn vor den Augen der böhmischen Landesherren, die auf der Mauer standen, auf einen Scheiterhaufen und brannten ihn zu Pulver, welches jene nicht ohne Thränen ansehn, aber dennoch nicht verhindern konnten. Am meisten aber war die königliche Prinzessin Eglantina betrübt, als sie diese kläglichen Neuigkeiten vernommen hatte; sie rang die Hände, seufzte und sprach: ach! was soll ich arme, Vater- und Mutterlose Waisin doch wohl anfangen? Meine Mutter ist gestorben, so haben mir die Türken meinen Herrn Vater gar zu Pulver verbrannt, verderben mir Land und Leute, nehmen mein Königreich weg, und ich muß am Ende noch, ich Unglückseligste, den christlichen Glauben verläugnen und zum Heidenthume übergehn, um nur beim Leben zu bleiben, vielleicht muß ich gar einen Sohn oder Anverwandten des türkischen Kaisers heirathen, um nur bei Ehren zu bleiben.

Dergleichen Klagen verführte die Prinzessin 107 Eglantina sehr viele und häufige, und es kam beinah so weit, daß sie sich in die Verzweiflung ergab, als ein Bote kam, der ihr zu ihrer größten Freude die Nachricht überbrachte: daß sich der König von Elsaß mit zwei Brüdern aus Lusinien in Frankreich und einem großen Heere der Stadt nahe, um sie zu entsetzen. Da dankte sie Gott von Herzen und hörte wieder auf den Trost, den ihr ihre Freunde zusprachen, brachte auch ihre Kleider und Haare wieder in Ordnung, die sie zuvor zerrissen hatte.

Die Türken waren eben dabei, im Sturm die Stadt gar zu ersteigen, als sie die Nachricht durch einen andern Boten erhielten, ein großes christliches Heer sei im Anzuge; darauf verwunderten sie sich, ließen vom Stürmen ab, beriefen die Trompeter zur Schlacht zu blasen, stellten sich in Ordnung, und wehrten sich gegen den tapfern Angriff der christlichen Heerschaaren. Das Treffen war sehr blutig, doch behielt endlich die gerechte Sache die Oberhand, sonderlich durch das großmüthige Betragen der beiden Brüder Antonius und Reinhardt, die unglaublich viel heidnisches Volk mit eignen Händen todtschlugen. Der türkische Kaiser wurde wüthend, da er seine Armee verlieren sah, und brachte wieder viele der Christen um, doch ersah ihn endlich Graf Reinhardt, stürzte sich auf ihn und hieb ihm nach einem kurzen Kampfe und einiger Verwundung seinen Kopf völlig herunter. Als das die Türken wahrnahmen, wurden sie ganz sieglos und begaben sich auf die Flucht; so behielten die christlichen Fahnen das Feld, und der König von Elsaß ließ hierauf auch einen großen Scheiterhaufen errichten, den türkischen Kaiser sammt allen 108 getödteten Ungläubigen darauf legen und sie zur Wiedervergeltung ebenfalls zu Pulver verbrennen.

Der König von Elsaß zog hierauf in die Stadt Prag, wo ihm die Prinzessin traurig und weinend entgegen kam; der König aber tröstete sie und sagte: gieb Dich nur zufrieden, liebste Muhme, das Geschehene ist nicht mehr zu ändern, Dein Vater ist zwar mit Tode abgegangen und Dein Land ist Dir von den Feinden einigermaaßen verderbt worden, indessen haben wir doch auch durch Gottes Gnade unsre Rache erhalten, denn ich habe den türkischen Kaiser und die Seinigen wieder zu Pulver brennen lassen. Die Prinzessin antwortete: somit habe ich doch immer meinen Herrn Vater verloren, und um ihn muß ich klagen und trauern. Das geziemt sich, sagte der König, indessen ist es auch vernünftig, Trost anzunehmen, war er doch mein Bruder und ich muß mich darin finden, so magst Du es denn auch thun, wir wollen ihm ein ehrliches und schönes Begräbniß zurichten, mehr kann er nicht verlangen.

Bei dem Begräbniß beschaute das Volk von Böhmen die beiden Brüder aus Lusinien, und es dünkte ihnen wunderbar, daß der Graf Antonius eine Löwenklaue auf der Wange und der Reinhardt nur ein Auge habe, doch gefielen sie den Leuten sehr wegen ihres edlen Anstandes und weil sie wußten, daß diese Brüder sie meistentheils von den Türken erlöst hatten. Nach dem Begräbnisse versammelte der König von Elsaß alle Landesherren des böhmischen Reichs und stellte ihnen vor, wie sie nunmehr ihren guten König verloren, so daß sie sogar sein Leichenbegängniß ohne Leiche hätten feiern müssen, das Königreich sei nun an die Prinzessin 109 Eglantina, seine Tochter, gefallen, aber ein Weib sei zu schwach, das Land auf die gehörige Weise zu beschützen, sie möchten sich daher nach einem frommen Könige umthun, dem sie alle gern gehorchten, und dem die Prinzessin ihre Hand und Liebe schenken möchte.

Die Landesherren antworteten, daß sie alles in sein eignes hohes Belieben stellen wollten, er möchte nach seiner trefflichen Vernunft alles einrichten und das Reich entweder selber als König in Besitz nehmen, oder ihnen einen andern tugendhaften Mann vorschlagen, dem sie dann alle gern dienen wollten. Hierauf wandte sich der König gegen die beiden Brüder aus Lusinien und sagte: nun ist die Zeit gekommen, daß ich mein Wort halten kann, Euch, tapfrer Reinhardt, zum Könige von Böhmen zu machen; hier, Ihr Landesherren ist der Fürst, den ich Euch ausgesucht habe und der Euch gewiß immer gut beschützen wird, denn er hat sich schon dermalen gut erwiesen, indem er dem türkischen Kaiser den Kopf herunter gehauen und sein Volk zerstreut und erschlagen hat.

Die Landesherren waren mit der Wahl des Königs vollkommen zufrieden, worauf sich die beiden Brüder, insonderheit Reinhardt bedankten. Die Prinzessin war vergnügt, einen so tapfern Helden zum Gemal zu bekommen, der ihren Herrn Vater so schön gerochen, indem er den heidnischen Kaiser und die Seinigen zu Pulver verbrannt. Man feierte die Hochzeit prächtig, aber ohne Tanz und Saitenspiel, weil man noch den gestorbenen König betrauerte, doch wurde ein großes Thurnier gehalten, wo sich beim Stechen Reinhardt sonderlich hervorthat, so daß die Böhmen wahrnahmen, welch einen tapfern und in Waffenübungen geschickten König sie erhalten hatten. Antonius zog hierauf in sein Herzogthum, zu seiner 110 Gemalin zurück, und der König von Elsaß begab sich ebenfalls in sein Königreich, nachdem alle herzlich von einander Abschied genommen hatten.

Indessen war Geoffroy mit dem Zahn auch zu einem starken und mächtigen Ritter herangewachsen und spürte auch die Lust in sich, große Thaten zu thun, um seinen Namen berühmt und unsterblich zu machen. Die Gelegenheit, einigen Ruhm zu erwerben, zeigte sich bald, denn an den Gränzen des Landes ließ sich ein gewaltiger Riese spüren, der ein ziemliches Unwesen trieb mit Morden und Rauben, auch Leute Beschädigen und Plündern, so daß selbst die Schlösser nicht sicher waren, die die edle Melusina in dortiger Gegend gebaut hatte und sich jedermann vor ihm furchte. Diesen Riesen beschloß Geoffroy anzugreifen, und auch mit Gottes Hülfe umzubringen, über welchen Entschluß sich aber sein Herr Vater Reymund heftig entsetzte und ihn von seinem gefährlichen Vorhaben abzumahnen suchte, stellte ihm das Beispiel seiner Brüder vor Augen, welche auch Ruhm gesucht und durch ihre Thaten sogar Könige geworden, aber doch nie daraufgefallen waren, sich mit Riesen einzulassen. Aber der Geoffroy bestand auf seinem festen Sinn und sagte: wird dem Riesen nicht Einhalt gethan, so verübt er immer mehr Schaden an den Ländereien, und das soll nicht sein. Reiste mithin ab, ohne sich sonderlich an die Bitten seines Vaters Reymund und die Thränen seiner Mutter Melusina zu kehren.

Der Freymund mit der Wolfshaut auf der Nasen war nun auch zu seinen erwachsenen Jahren gekommen, und schien sich fast gänzlich den Wissenschaften zu ergeben, denn er las sehr viel, trieb auch keine Waffenübung, wie seine übrigen Brüder von ihrer frühen 111 Jugend gethan hatten. Es währte nicht lange, so zeigte sich seine Begierde zum geistlichen Stande, denn er lag seinen Eltern dringend an, ihm zu erlauben in dem Kloster Malliers, welches die Melusina aus Andacht gestiftet hatte, ein Mönch zu werden. Als sein Vater Reymund diese Bitte verstanden hatte, wurde er einigermaßen unwillig und sagte: Freymund, alle Deine Brüder haben nach Ehren und Würden gestrebt, und sind tapfre und berühmte Ritter geworden, und ich sollte nun noch unter meinen Kindern einen Pfaffen haben? Solches will mir gar nicht gefallen; Du sollst auch nach Tapferkeit und nach Ritterschaft streben.

Nach Ritterschaft will ich nicht streben, antwortete Freymund, auch will ich Zeit meines Lebens keinen Harnisch an meinem Leibe tragen, oder ein Pferd besteigen, sondern hier im Kloster Malliers Gott als Mönch dienen. Sind alle meine Brüder edle und tapfre Herren und verrichten große Thaten, so ist es auch nicht unrühmlich, wenn sie einen andern Bruder haben, der für alle betet, da ihnen oft die Zeit dazu in ihren verwirrten Händeln gebrechen mag. Ich bitte Euch daher um Gottes Willen, Ihr wollet mir in meinem Verfahren nicht hinderlich, sondern beförderlich sein, denn mein Sinn ist so darauf gerichtet, daß ich auf andre Weise keine Ruhe für meine Seele finde.

Da Reymund diese große Begierde seines Sohnes sah, Gott zu dienen, ging er seinetwegen mit seiner Gemalin Melusina zu Rath, was sie wohl über ihn beschließen möchten. Diese sagte, daß sie es gänzlich in Reymunds Wohlgefallen stelle, doch sei es ihr gar nicht zuwider, unter ihren Kindern auch einen geistlichen Herrn zu haben.

112 Darauf wandte sich Reymund wieder zu seinem Sohn und sagte: mein Freymund, ich und Deine Mutter haben es nun überlegt, daß wir Dir in Deinem gottseligen Vorhaben nicht wollen hinderlich, sondern vielmehr beförderlich sein, aber überlege Du, daß der Orden in Malliers sehr strenge ist; ich kann Dich ja leicht zu einem Domherrn machen, so hast Du es besser, oder ich habe es auch wohl um unsern allerheiligsten Vater, den Pabst, verdient, daß er Dir ein Bisthum ertheilt, wenn ich darum bei ihm nachsuche, so hast Du doch mehr Ehre und kein so hartes und strenges Leben.

Aber Freymund sagte: nein, ich will sonst nichts weiter, als zu Malliers im strengen Orden ein Mönch werden.

Wie bist Du nur von diesem Gedanken so eingenommen? fragte Reymund.

Freymund sagte: liebster Herr Vater, die Welt mit ihren Händeln ist sehr verworren, so fürchte ich, wenn ich mich da hinein begebe, gar meine Seele darüber zu verlieren, denn hinter Ehre und Ruhm, Wohlleben und Pracht lauert der Satan, wie er den Schwachen überrasche, und ihn von sich selber abtrünnig mache. Bin ich im Kloster zu Malliers, so bin ich keiner dergleichen Gefahren ausgesetzt, meine zeitlichen und weltlichen Sorgen sind mir entnommen, ich kann unaufhörlich an Gott denken, und mir seine Wunderwerke recht lebendig vorstellen, dabei weiß ich, in diesen Stunden schläfst du, in diesen issest du, in diesen wird Handarbeit gethan, oder im Garten gegraben und Blumen und Gemüse auferzogen, so viele Stunden dienst du Gott, und daß das jeden Tag wiederkommt und keine Aendrung leidet, daß keine Störung und Irrsaal in 113 diesem schönen einfachen Lebenslaufe vorfällt, seht, das hat mir so überaus wohlgefallen, daß ich gar zu gern im Kloster Malliers, im strengen Orden, Mönch werden möchte.

Reymund sah ein, daß sein Sohn weise war und Recht hatte, darum gab er seiner Bitte nach, und freudig begab sich Freymund zu den Patribus, und wurde alsbald Mönch in dem Kloster Malliers, welches seine Mutter gestiftet hatte, in dem strengen Orden.

Jetzt erhielten auch Reymund und Melusina Nachrichten von ihren Söhnen Antonius und Reinhardt, wie der eine König von Böhmen, der andre Herzog zu Lützelburg geworden sei, durch ihre Ritterschaft und ihre kühnen Thaten: darüber dankten sie Gott sehr und freuten sich über ihr eignes und ihrer Kinder großes Glück, denn drei von den Söhnen waren zu Königen gekrönt, der vierte ein Herzog geworden, und der fünfte ganz nahe bei ihnen im Kloster zu Malliers ein Mönch, um für alle übrigen Gott zu bitten.

Es fügte sich, daß Reymund an einem Sonnabend wieder die Melusina vermißte, denn sie pflegte an diesem ganzen Tage nicht zu erscheinen, doch gedachte er seines Eides, sich nie um sie zu bekümmern und sie ungestört gewähren zu lassen. Der Vater des Reymund, der alte Graf von Forst, war damals schon gestorben, und sein ältester Sohn, der jetzt Graf von Forst genannt wurde, legte einen Besuch bei seinem Bruder Reymund ab. Reymund ließ dieses Besuches wegen viele und vornehme Gäste zu sich einladen, die alle dem Reymund ihren ergebensten Respekt bezeigten; doch als sich Melusina den ganzen Tag nicht zeigte, sagte der Graf von Forst zu seinem Bruder: Bruder, 114 laß doch Deine Gemalin erscheinen, damit sich Deine vielen und vornehmen Gäste nicht darüber verwundern, daß sie so lange außen bleibt. Reymund antwortete: lieber Bruder, heute kann solches nicht geschehn, aber morgen sollst Du sie zu sehn bekommen.

Als die Mahlzeit geendigt war, gingen die beiden Brüder beiseit, und der Graf sagte zu Reymund: lieber Bruder, ich muß Dir ein Ding eröffnen, welches mir schon seit lange auf dem Herzen liegt. Man sagt allgemein im ganzen Lande, daß Du mit Deiner Gemalin übel angekommen seist, sie sagen, Du seist bezaubert, daß sie sich alle Sonnabend abseitiget, und Du an solchem Tage gar nicht einmal nach ihr fragen darfst; wunderlich ist es immer, daß Du nicht weißt, was ihr Thun und Lassen sei, als ein redlicher Bruder seh ich mich gezwungen, Dir zu sagen, daß Du davon große Schande haben kannst, denn die meisten Leute meinen, sie treibe an diesen Tagen Hurerei, welches doch gegen deine Ehre liefe, andre sagen wieder, sie möchte überhaupt wohl ein Gespenst und alles mit ihr nur ein ungeheures Wesen sein, darum ist es mein demüthiger Rath, Du erkundigst Dich etwas mehr um ihr wahres Befinden und suchst es zu erforschen, damit Du nicht Gefahr läufst, für einen Narren gehalten zu werden.

Als Reymund diese Rede verstanden hatte, wurde er vor Zorn ganz bleich und dermaßen wüthig, daß er sich und seinen Schwur gänzlich vergaß; die Worte seines Bruders schienen ihm recht und gut, in der größten Grimmigkeit lief er fort und griff ein Schwert, womit er sich in die Kammer begab, in die er noch nie gekommen war, weil er sie der Melusina zu ihrem 115 heimlichen Aufenthalte absonderlich hatte erbauen lassen. Hier kam er an eine fest verschlossene eiserne Thür und er besann sich nun, was er thun sollte; es fielen ihm wieder die Worte seines Bruders ein, daß seine Gemalin in Unehren lebe. Darüber beschloß er, alles selber zu sehn, und dann, nachdem er es befinden würde, seine Schmach zu rächen. Er nahm also das Schwert, und bohrte mit der Spitze desselben ein kleines Loch in der eisernen Thür, wo er hindurch sehn mochte.

Als Reymund nun stand, und durch die Oeffnung schaute, verwunderte er sich über die maßen, denn er sah Melusina im Bade, wie sie von oben bis auf den Nabel ein schönes Weib sei, dann aber in den Schweif einer bunten gesprengten Schlange endigte, der azurblau war und mit Silberfarben darunter gesprengt, so daß diese Farben wundersam in einander schimmerten. Das Zimmer war eine tiefe Grotte, die Wände waren mit allerhand seltsamen Muscheln ausgeziert und ein Springbrunnen, in welchem sich Melusina befand, war in der Mitten. Von oben ergossen sich auch Wasserstrahlen und tröpfelten wie Perlen durch einander, bei welchem wunderbaren Getöse Melusina sang, indem sie eine Zitter in der Hand hielt:

Rauscht und weint ihr Wasserquellen
In der stillen Einsamkeit,
Die Erlösung ist noch weit,
Meine Thränen mehren eure Wellen.

Ach! wann wirst du, Trauer, enden,
Von mir nehmen meine Schmach? 116
Immer ist die Strafe wach,
Keiner kann das bös Verhängniß wenden.

Bei diesen Worten vergoß sie einen Strom von Thränen und Reymund war auf das innigste bewegt und erschüttert. Nun fiel ihm auch bei, wie er seinen Eid gebrochen und eine Untreue gegen seine tugendvolle Gemalin begangen habe, dabei konnte er ihre seltsame Verwandlung nicht begreifen und furchte sich auch, daß nun sein Elend anfangen würde, da er seinen Schwur nicht gehalten, wie sie ihm vor der Hochzeit prophezeit hatte, denn er glaubte, daß sie nach ihrer verborgenen Wissenschaft recht gut um seine Untreue wissen würde. Endlich aber verstopfte er die gemachte Oeffnung wieder mit Wachs, und ging im höchsten Zorne zu seinem Bruder zurück. Da dieser ihn also wüthend kommen sah, glaubte er, Reymund habe die Melusina auf einer Unehre betroffen, und sagte zu ihm: siehe, mein Bruder, es hat sich also bestätigt, daß Deine Gemalin Dir und ihrer Ehre ist abtrünnig geworden.

Reymund aber sagte: Du hast mir Unwahrheit vorgebracht und bist mir ein schädlicher Bruder, Du bist zu einer unglücklichen Stunde in mein Haus gekommen, denn deinetwegen bin ich nun in Elend gerathen, daß ich meinen allertheuersten Eid gebrochen habe, darum geh, verweile Dich nicht länger hier, sonst möchte es Dein Leben kosten, und komme mir auch niemalen wieder in mein Haus, oder vor mein Angesicht!

Ueber diese unvermuthete Anrede erschrak der Graf, so daß er sich eilig zu Pferde satzte, und schnell wieder nach Hause ritt; auch die übrigen Gäste wußten nicht, was sie aus Reymund machen sollten, denn er 117 geberdete sich, als wenn er ohne Sinnen wäre, weshalb sie sich auch wieder fort begaben.

Reymund aber war im allergrößten Jammer, er glaubte, daß er seiner Untreue halber nun seine geliebte Melusina nimmermehr wieder sehn würde, und daß er sie auf Zeitlebens verloren habe, er schrie und klagte: ach, du unglückselige Stunde, in welcher ich armer Mann geboren bin, daß ich nun mein allerliebstes Gut entbehren soll! In seiner großen Betrübniß zog er seine Kleider aus und legte sich zu Bett, denn er fühlte sich matt und krank, er beschloß, als ein Einsiedler sein künftiges Leben zuzubringen, wenn er Melusina verlieren sollte. So trieb er die ganze Nacht sein Klagen, indem er sich von einer Seite nach der andern wendete, indem eröffnete Melusina mit einem Schlüssel die Kammer und trat zu ihm, zog sich nackt aus und legte sich neben ihm in das Bett, sie fühlte, daß er kalt und krank war, umfing ihn zärtlich mit ihren Armen und fragte ihn: was fehlt Dir, mein liebster Gemal? Er klagte ihr, daß ihn ein Fieber überfallen habe, war aber doch froh, daß Melusina wieder da sei und sich gegen ihn freundlich bezeigte, worauf er auch wieder von ihren Küssen und liebreichen Umarmungen besser wurde.

Indessen war Geoffroy mit dem Zahn nach dem Lande geritten, wo man ihm gesagt hatte, daß sich der große Riese aufhielte und seinen Unfug triebe. Er ritt hin und her und fragte die Leute nach der Wohnung des Riesen, weil er gekommen sei, ihn umzubringen. Die Leute sagten: das wolle Gott, Herr Ritter, daß ihr dieses in's Werk setzt, denn er ist ein ungeschlachter 118 Mann und fügt uns so viel Leides zu, daß es nicht zu sagen ist; worauf sie ihm auch das Schloß des Bösewichts zeigten. Geoffroy kam hierauf an einen steilen Berg, auf welchem ein festes Schloß lag, in welchem der Riese seinen Aufenthalt hatte Hier stieg Geoffroy von seinem Rosse ab, legte den Harnisch an, hängte den stählernen Streitkolben an seinen Sattelbogen, gürtete das Schwert um sich, nahm die Lanze in seine Hand, hielt seinen schönen mit Gold ausgezierten Schild vor sich, setzte den Helm auf und stieg wieder zu Pferde, worauf er gegen das Schloß ritt und den Riesen mit kühner und lauter Stimme ausfoderte, indem er sprach: wo bist Du nun, Bösewicht, der mir mein Land verdirbt, und den Meinigen so großen Schaden zufügt? komm nur schnell heraus, damit ich Dir den Garaus mache. Der Riese war oben im Schloß und fuhr mit seinem Kopfe heraus, welcher so groß wie ein Ochsenhaupt war, um zu schauen, wer da sei, der ihn so kühnlich ausfodre. Er erstaunte, als er nur einen einzigen Mann gewahr wurde, und däuchte ihm, es sei kaum der Mühe werth, ein Gefecht mit ihm anzufangen; doch zog er seinen Harnisch an, trat vor das Schloß heraus, und brachte einen stählernen Schild mit sich, und drei eiserne Stangen, und drei Hämmer in seinem Busen.

Als der Riese hervor kam, sah Geoffroy, daß er wohl bei funfzehn Schuh lang war, worüber er sehr erstaunte, aber dennoch den Muth nicht verlor, sondern jenen mit erschrecklicher Stimme anschrie. Der Riese aber sprach: Wer, und von wannen bist Du? Worauf Geoffroy ausrief: ich bin Geoffroy mit dem Zahn, wehre Dich, denn Du sollst allhier Dein Leben 119 lassen. Der Riese sagte: kleines Kerlein, mich jammert Deiner, geh nach Hause, Du scheinst mir ein guter junger Mensch, aus dem mit der Zeit wohl noch etwas werden kann. Gehst Du aber nicht, so schlage ich Dich mit einem einzigen Streich zu Tode. Geoffroy aber achtete nicht darauf, sondern schrie immer fort: wehre Dich, Hollunke, wenn Dir Dein Leben lieb ist! Zugleich ritt er zurück, um Feld zu gewinnen, legte seine Lanze ein, und rannte mit solcher Gewalt auf den Riesen, daß dieser von diesem einzigen Stoße zur Erden niederfiel. Die Erde bebte unter dem gewaltigen Fall des Riesen, aber er stand schnell wieder auf, und war sehr erbost, daß ihn ein einziger Stoß eines Ritters dermaßen hatte umwerfen können, er nahm daher seine stählerne Stange und schlug gegen Geoffroy, der schon das zweite Rennen gegen ihn vornahm, womit er dessen Pferd traf, und ihm beide Vorderbeine abhieb. Das Pferd fiel zu Boden, und Geoffroy sprang plötzlich aus dem Sattel, zuckte sein Schwert, lief den Riesen an, und gab ihm einen so harten Schlag, daß dieser seinen Schild aus der Hand fallen ließ. Hierauf nahm der Riese die stählerne Stange und schlug so auf den Geoffroy ein, daß dieser vom Schall des Schlages ganz betäubt wurde, er erholte sich aber schnell, nahm den Streitkolben vom Sattelbogen und schlug damit dem Riesen die Stange aus der Hand. Da ergriff der Riese einen von seinen Hämmern, und schmiß ihn so mächtig nach Geoffroy, daß dieser den Streitkolben auch mußte fallen lassen. Der Riese bückte sich nach dem Kolben, aber Geoffroy nahm sein Schwert wieder zur Hand und hieb damit dem Riesen einen Arm von Leibe herunter: darüber 120 erschrak der Riese und faßte seine Stange mit der andern Hand und schlug nach Geoffroy, der aber sprang diesem Schlage behende aus dem Wege, der Riese fiel wieder auf die Knie und Geoffroy gab ihm nun einen solchen Hieb auf das Bein, daß er völlig zu Boden stürzte, entsetzlich schrie und seine heidnischen Götter um Hülfe anrief. Nun blieb dem tapfern Ritter nichts weiter übrig, als ihm den Kopf nur völlig herunterzuhauen, welches er auch in aller Schnelligkeit that, und so über den ungeheuren Mann den Sieg davon getragen hatte.

Geoffroy nahm hierauf das Horn des Riesen und blies so lange darein, bis sich viele Leute aus den umliegenden Gegenden versammelten, die sich alle entsetzten, daß er den großen Heiden mit seiner Kraft hatte umbringen können. Bald breitete sich im ganzen Lande und auch in den andern Reichen die Nachricht aus, wie Geoffroy den Riesen bezwungen habe; er aber schickte einen Boten zu seinen Eltern, der auch diesen die erfreuliche Nachricht bringen mußte.

Weil die Rede von seinem Siege schnell weit herum gekommen war, so gelangten Boten aus dem entfernten Lande Norhemen an Geoffroy, die ihn im Namen der dortigen Landesherren demüthig ersuchten, zu ihnen zu kommen, und ebenfalls einen ungeheuren Riesen umzubringen, von dem sie so sehr geplagt würden, daß sie sich nicht zu lassen wüßten; wenn er ihn mit Gottes Hülfe bezwänge, so wollten sie ihn auch gern für ihren Oberherrn erkennen, und ihm das ganze Land übergeben. Geoffroy antwortete: er wolle kommen und den Riesen umbringen, nicht aber um 121 Land und Leute zu gewinnen, sondern er thue dieses nur aus Barmherzigkeit, und weil er es für seine Pflicht halte, alle Riesen umzubringen, so weit er sie nur erreichen möchte. So rüstete er sich, um zu Schiffe nach dem Lande Norhemen zu fahren, voll von hohem Muth und feuriger Begier, Wittwen und Waisen zu beschützen, allen Unterdrückten beizustehn, und alle Unglaubigen vom Angesichte der Erde zu vertilgen, so daß alle über seinen hohen Eifer und treffliche Vorsätze in Verwunderung geriethen. 122

 


 


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