Adalbert Stifter
Zwei Schwestern
Adalbert Stifter

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1. Einleitung

Wir legen in folgenden Blättern nicht sowohl eine einfache Geschichte, wie wir sie in diesen Büchern gerne erzählt haben, als vielmehr noch weniger dar, nehmlich blos den Zustand einer Familie, wie er aus mehreren uns unbekannten Veranlassungen, hauptsächlich aber aus der großen innern Grundverschiedenheit zweier Schwestern, der einzigen Kinder des Hauses, hervor gegangen ist. Wenn wir auch denjenigen, die gerne viel Thatsächliches und Geschehenes lesen, nicht genug thun können, so glauben wir doch, daß mancher Seelen- und Menschenforscher, wenn er am Ende dieser Blätter angekommen ist, sie nicht ohne eine kleine Theilnahme weglegen wird. Uns hat es einst ein sanftes, fast trauriges Gefühl erregt, als uns ein Freund die lükenhafte Thatsache, wie sie war, und ohne auf Verzierungen und Ausschmükungen auszugehen, erzählt hat. Die Theilnahme war um so größer, als dieser Freund selber in seiner Jugend eine einseitige Bildung seiner Geisteskräfte erhalten hatte, wodurch er in der Folge viel leiden mußte, als er ferner manchen unverdienten Schmerz und manche Täuschung erfuhr, und als er auch von dieser Familie eine Umdüsterung seiner Seele fort trug, die er wohl durch die Stärke und Heiterkeit seines Geistes, welche er sich in späteren Jahren erwarb, überwunden haben wird. Wir erzählen die Thatsache mit den Worten unseres Freundes, obgleich wir als Nacherzähler auf die Frische und Ursprünglichkeit verzichten müssen, die ihm, der die Sache erlebte, eigen war, und wir überhaupt nicht die Lebendigkeit der Darstellung besi zen, wie unser Freund, der aber mit vielen sehr wohlbegabten Menschen die eigenthümliche Sucht theilet, nie etwas Geschriebenes von sich geben zu wollen.

Nach diesen einbegleitenden Worten folge die Sache.


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