Reinhard Sorge
Der Bettler
Reinhard Sorge

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Der Vater (sieht ihnen nach). Wird wahrhaftig immer schöner, unser Muttichen! (Er beginnt auf- und abzugehen.) Na, warte nur, warte nur, mein liebes Frauchen! Diese acht Tage gehen auch noch vorüber. – – Eins, zwei, drei, eins, zwei, drei... bibite... ach ja. (Er setzt sich auf eine Ecke am Fußende des Sofas.)

Der Sohn. Erzähle doch weiter von deiner Arbeit, Vater!

Der Vater. Ja, das will ich auch, Junge. Wo ich einmal angefangen habe, muß ich es dir auch zu Ende erzählen. Das gehört sich doch, was?

Der Sohn (vor ihm). Zuletzt erzähltest du von den Maschinen, und daß du allmählich anfingst, ihre Konstruktion zu begreifen und überhaupt...

Der Vater (verändert; unter dem Zwang der Vision). Ja, die Maschinen! Gott, was für ein Fortschritt gegen unsere! Sieh mal... (Er neigt sich nieder und zeichnet mit dem Finger auf dem Fußboden. Sein Hirn brennt in den Dingen und zerbricht oft die Worte. Der Sohn steht vor ihm.)... Die große Bohrmaschine zum Beispiel, so und so hing sie auf Spulen, so lief die Umrahmung, so, hier schräg die beiden Träger, hier die Mittelbalken, da über Kreuz... Da teilte sich der obere Balken, Drahtseile verbanden ihn mit dem unteren Teil, viere verschwanden hier hinter dem Mittelbau. Diesen Mittelbau sah ich später im Durchschnitt, in ihm war der Antrieb, eine schwierige Konstruktion, sie blieb mir lange unklar. Hier unter dem Antrieb waren riesige Haken, darunter war der Bohrer... sie hatten eine Art der Induktion, ach, ehe ich die herausbekam! Aber alles, alles habe ich endlich gefunden! – Und dann eine Baggermaschine, Gott, darüber hätte man heulen mögen... was sind wir dagegen! – Hier dieser Bohrer hatte nun... nein, es ist zu schwer zu beschreiben, ich muß dir die Zeichnungen zeigen, da wirst du es klar haben. (Durch die Zähne; er springt auf.) Ja, Junge, war es nicht ein ungeheures Glück, dies alles zu sehen!? Und wie ich es sah! Der ganze Mars brannte sich förmlich in mein Gehirn ein. Und mein Gehirn war wie eine riesige Spinne, die den Mars umklammerte, und dann tauchte sie ihren Rüssel in ihn, einen spitzen Stachel, und sog ihm seine Geheimnisse aus... alle. (Hat sich wieder gesetzt.)

(Pause.)

Der Sohn. Und nun willst du...

Der Vater (ganz im Rausch).
                                        und nun, und nun – nun will ich
Die Erde beglücken! hörst du! Schätze halte ich –
Marswunder! Sternenschätze! Weltenglück!
Ich habe die Allmacht! kann die große Erde
Zu Staub zerstoßen! Stampfe ich den Boden,
So kracht er auf. Die harten Felsen reißen
Mitten durch! Mitten! Ah – sie reißen schon!
Die Berge kehren sich um und wandern weit.
Wohin ich will. Abgründe füllen sich
Mit Felsen oder Feuer oder Blumen.
Ich will es ja! Oder mit Wiese! Grün!
Ich schlage Krater! schlage Tiefen,
Furchtbare Tiefen – hier! mit dieser Faust!
Und rufe die Meere von den Polen her
Und alle Meere! alle Meere her,
Sie anzufallen... Fruchtbar! Fruchtbar! Fruchtbar!
(Er sinkt zurück.)

Der Sohn (bettet den Vater auf das Sofa. Er legt ihm die Hand auf die Stirn).

Der Vater (sucht sich wieder aufzurichten; er zuckt unter den Kräften. Stille).

Der Vater. Den Plan!... den Plan!... den Plan!

Der Sohn. Sei jetzt ruhig, Vater, und rede nicht mehr davon.

Der Vater. Den Plan... den Plan mußt du sehen! (Wehrt der Hand des Sohnes.) Laß nur – So. (Halb aufgerichtet.) Es geht schon. – Du mußt den Plan doch sehen. (Er greift in die Tasche seines Schlafrockes und zieht den zusammengelegten und umfangreichen Plan hervor. Rasch breitet er ihn auseinander und auf die Erde. Der Plan mißt etwa dreiviertel der Sofalänge in Höhe und Breite.)

Der Vater.
Da hast du ihn! mein Werk! mein Werk! es ist es!
·   ·   ·   ·   ·   ·   ·   ·   ·   ·   ·   ·   ·   ·   ·   ·   ·   ·   ·
Ja, groß! stolz! herrlich! selig! wundervoll!
Der Mars lag mir im Hirn, als ich es schuf!
Rollte und glühte rot und wirbelte Gedanken
Und hob die Arme auf, elektrisch auf
Und führte sie! Da gruben sie die Linien,
Der Kosmos grub und alle Sterne gruben!
Allmacht schuf dies durch mich! So stolz... so

Der Sohn (abwehrend). Vater...

Der Vater.
Du sollst mich preisen lassen! Preisen! Fort!
Sich her und staune: Hier den Himalaja
Durchschneidet diese Linie; das bedeutet:
Weg mit Himalaja! Ich rücke ihn
Beiseite! Hier die gelbe Wanze
– Sahara heißt sie – wird bald vor mir rennen,
Gott weiß, wohin! Der Käfer soll auch rennen,
Himalaja!
Beide ersäufe ich im Meer mit diesen
Zwei Armen, wund vor Kraft und Strahl des Kosmos!
Sie brennen! Hörst du! wund!... Hier diese Linien
Alle die schwarzen werden bald von breiten
Kanälen silbrig sein! Sie werden das Glück
Der Erde, durch meine Macht! Und fruchtbar! fruchtbar!
Viel weiße Segel segeln hin und her,
Das sind die Tauben, die ich liebe. Weiter,
Viel mehr!...
Und Häfen! Häfen! Häfen! werden sich
Meilenlang drängen, schwarz und wirr und rauchig,
Ich sehe die Schiffe alle schwarz und rauchig
Mit Bäuchen, geschwollen von all dem Segen! Segen!
Ja, Segen! Brot und Mark schwankt in den Lüften,
Die Kräne winden es. Oh Segen! Breite
Bruderbrücken binden Ufer und Ufer!
Ja, brüderlich! Es klirrt und webt in den Lüften,
Und Samen stäubt und wirbelt in den Lüften
In großen Wolken. Schwellenden Wolken.
Süßen Wolken! Alle Wunder! Alle Wunder!
(Er lehnt sich zurück.)
Ah! ich bin müde von der Herrlichkeit!
Die Herrlichkeit! Schaffen macht müde! Ich
Will mir ein Haus baun an der Straße und
Still liegen und mein Glück sehn. Aus den Fenstern.
Liegen und sehn. Ich will nichts weiter... Und sterben
Will ich! Mich friert. Decke mich doch zu...
Mich friert so! Die Decke...

Der Sohn (nimmt eine – rote – Decke vom Fußende des Sofas und breitet sie über den Vater).

Der Vater.                                     So ist's schön...
Hörst du... ich will nun sterben... alle Tage
Sehne ich mich... das Werk ist ja getan!
Schön war das Schaffen! Schaff es weiter, du
Mein Sohn!
Du tust es! Danke dir! So, deine Hand!
Liebe mich recht und hilf mir sterben. Weißt du
... Gib Gift! Gib deinem armen Vater Gift!
Ich dank dir's so! Ich weine schon, du siehst doch!
Ja, du gibst Gift und hilfst mir aus dem Leben,
Das mich so quält... Ich will zu Bett...

Der Sohn (hilft dem Vater sich aufrichten).

Der Vater.                                                 ... So... so
Du weißt ja nicht, wie's quält! Glaub deinem Vater!
Es quält und quält und keiner weiß, wie sehr!
Man ist allein... und schwarz ist es vor Qual
Und man ist stumm. Und wird verrückt! du wirst es auch!
Gib Gift! Gib Gift! Tu's deinem Vater! Auch
Die andern werden froh sein, wenn ich fort bin; –
Ihr braucht den Wärter nicht mehr!... Ja, zu Bett!

(Der Sohn führt den Vater fort.)

.   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .

Die Bühne bleibt kurze Zeit lang leer. Sie verdunkelt sich. Der Sohn kommt durch die Tapetentür zurück, die er draußen entriegelte. Er zieht dann den Vorhang weg, und nun steht die Sichel des zunehmenden Mondes im Rahmen. Über ihr flimmert ein Stern.

Der Jüngling (setzt sich auf das Fußende der Chaiselongue. Stellung: Zurückgebeugt, auf die geraden Arme gestützt).
Nacht – tief – Nacht blau – Wie wundervoll. – Erlösung.
Silberner Mond.   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .
Nun stürzt des Tages steinerne Beklemmung;
Kühl kann ich mich in deine Nähe betten
Und himmlische Zwiesprache halten, du Silberwunder!

Der linke Teil der Hinterwand und die daran stoßende Hälfte der linken Seitenwand weichen zurück und man blickt in den blauen Nachthimmel, Sterne. Rot der Mars. Vor dem Himmel auf der Schwelle des Zimmers werden diese Gestalten sichtbar: Zwei Frauen, tief verhüllt kniend. Hinter ihnen aufrecht, gleichfalls verhüllt, die Gestalt eines Mannes. Langwallende, lose, dunkle Gewande. – Der Jüngling hat sich aufgerichtet, er blickt die drei an.

Die Erscheinung des Mannes (spricht).
In des Tages
Großer Qual und Not,
Bei der lichten
Schöpferspiele Tod,
Bei der dürren
Grauen Rinde Brot –
Vergaßest du des Werkes nicht?
Nicht dieses ehernen Befehls,
Über dir in Ketten an den Himmel geschmiedet?
Über dir mit Ketten an dich geschmiedet?
Das zu neuen Zeichen
Dich erwählt,
Alle deine
Pulse zählt,
Dich zu jeden
Martern stählt,
Über dir als
Sternglut schwält –
Vergaßest du es nicht?

(Kurze Stille.)

Die Erscheinung der ersten Frau (spricht).
In deine strenge Bahn
Warf deiner Mutter Stern
Manch ausgebrannten Fels
Von Schmerzen abgesprengt,
Manch unfruchtbar Gestein,
Manch aschentotes Stück.
Nahm solche störende
Verwirrung, solch gemein
Geschenke dir niemals
Den liebenden Aufblick zum mütterlichen Leuchten,
Zu mütterlicher Milde im nachttiefen Blau?!

(Kurze Stille.)

Die Erscheinung des Mannes (spricht).
Rot und glühend,
Verstört und schöpferisch
Deines Vater Meteor
In ruheloser Irre
Marsumwärts –
Begriffest du ihn recht
In diesen flammenden Ausbrüchen
All seiner Krater
Als deinen Zeuger?

(Kurze Stille.)

Die Erscheinung der zweiten Frau (spricht).
Dir führte der große allmächtige Wille,
Als der Verzweiflung ganz du genaht,
Des Mädchens Liebe auf deinen Pfad.
Von welchen Sorgen
Auch betürmt,
Von welchem Gramen
Auch bestürmt,
Von welchen Mächten
Auch zerrungen,
Von welchen Liedern
Wund gesungen –
Gleich liebend öffnet sie stets ihre Arme,
Gleich milde ist dir ihr Auge stets nah,
Daß der Erstarrte zum Lächeln erwarme,
Öffnet sie weit ihre Arme: Oh du,
Sei dir ihres Kusses Hauchen,
Sei dir ihre fromme Umarmung
Heilig Symbol der mystischen Mächte:
Ihres heftigen Umfangens
Mystisch mütterlich Symbol.

Der Jüngling.
Ich höre euch ganz. Ihr seid die Sterne und Stimmen,
Mit denen ich immer lebe. Eure Zeichen
Habt ihr in mich gemeißelt, diese Zeichen
Reden nun immer zu mir. Wenn ihr sprecht,
Wird alles Ewigkeit und schöner Trost...

Chor der Drei.
Die donnernden Gestirne
Setzten uns über dich
Als deine leiblichen Sterne;
Schaue auf uns, Leib und Mensch!

Andere Sterne
Viel noch werden dir aufsteigen,
Liebe Sterne
Viel dir noch blutend untersinken;
Acht' unserer Stimmen, Leib und Mensch!

Höre, höre
Uns, deine leibliche Ewigkeit –
Fühle, fühle
Uns, deiner zukünftigen Ewigkeiten
Mütter!

(Sie verschwinden, indem die Wände sich wieder schließen. Die Stimme des Mannes hört man noch verhallend.)

Der Vater bat dich. Habe Acht. Tue gut.

(Die Bühne erhellt sich etwas.)

Der Jüngling (steht auf).
Der Vater bat von mir den Tod. Ich fühle
Mit seine Bitte. Doch diese Frage drängt sich zwischen:
Schuf er ein fruchtbar Werk? Er darf nicht sterben,
Ist er noch schöpferisch geschickt. In seinem Wahnsinn
Zeugte vielleicht sein Hirn tiefsinnige Wunder? –
Dies soll ein Sachverständiger entscheiden.

(Man hört unter dem Zimmer das Geräusch einer Türe.)

Der Jüngling lauscht auf, geht dann zur Tapetentür und öffnet sie. Man hört einen raschen Schritt eine Treppe heraufkommen. Die Tür bleibt offen. Der Jüngling wendet sich und durchmißt noch einmal das Zimmer. Dann kommt das Mädchen herein. Sie schließt die Tür hinter sich, bei ihm, legt sie die Hände auf des Jünglings Schultern. Der Jüngling küßt Stirn und beide Augen.

Das Mädchen (nach einer Stille). Ich komme so spät, Liebling. Es war im Geschäft soviel zu tun. Wir sind erst um neun Uhr fertig gewesen.

Der Jüngling. Ist diese Stelle anstrengender als deine früheren?

Das Mädchen. Ja, das ist sie, aber das tut ja auch nichts. Ich bin so froh, daß ich sie bekommen habe und nun in derselben Stadt mit dir wohnen kann. Und man muß sich auch erst einleben, weißt du. Ich bin doch erst vier Tage hier.

Der Jüngling (indem er sie zur Chaiselongue führt). Ja, es war ein Glück, daß mein Freund dir die Stelle so rasch verschaffen konnte.

Das Mädchen. Wie schnell dies alles kam. (Indem sie sich setzen will.) Ach, weißt du, wir wollen uns doch wieder hinsetzen wie gestern abend. Ja? – das war so schön.

Der Jüngling. So – (Er rückt den Sessel vor den rechten Pfosten der Türöffnung des Hintergrundes, dann setzt er sich in den Sessel, und das Mädchen lagert sich auf die Erde und legt den Kopf an seine Knie. Sie reicht ihm die Hand hinauf. Beide sitzen so vor dem Nachthimmel, vor Mond und Stern.)

Das Mädchen (nach einer kurzen Stille). Erzähle du heut zuerst, mein Liebling, denn ich habe dir viel zu sagen.

Der Jüngling. Kind, ist es Schlimmes?

Das Mädchen. Bitte, erzähl du erst!

Der Jüngling. Ich weiß nicht viel. Ich schrieb am Vormittag und über Mittag ging ich spazieren... Kind, du glaubst gar nicht, wie sehr du mich verändert hast! Weißt du, an dem Abend in Berlin, als mir der letzte Weg versperrt wurde, wußte ich nicht mehr, wie ich vorwärts sollte, und vorwärts zwang es doch, vorwärts zwang die Sehnsucht. Nein, ich wußte nicht mehr, wie ich mich weiterleben sollte! Aber da tratest du vor mich hin und hemmtest die Sehnsucht, und alle Mächte innen drängten mich nicht mehr vorwärts, sondern aufwärts, Kind! Sie trieben mich in Kreise, die ich noch nicht kannte, und sie treiben mich noch in diesen Kreisen und treiben mich höher. Ich weiß nicht, wie es weiter wird... (Eine Stille.)

Der Jüngling (neigt sich und küßt das Mädchen). Und nun erzähle du! Hast du endlich Nachricht über dein Kindchen?

Das Mädchen. Ja, heute früh bekam ich den Brief. Es geht ihm gut, (sie lächelt schmerzlich) und es wird alle Tage runder, schreiben sie.

Der Jüngling (küßt dem Mädchen die Tränen von den Wimpern). Es wird schon gut aufgehoben sein im Heim.

Das Mädchen. Ja, sehr gut. (Kurze Stille.) Und nun lies diesen Brief. (Reicht ihm einen Brief.)

Der Jüngling (indem er ihn entfaltet). Von wem ist er?

Das Mädchen. Von dem Onkel, dem Baumeister.

Der Jüngling (überfliegt die Zeilen). Was ist das... was?... Du sollst dein Kind hergeben?

Das Mädchen (nickt schmerzhaft). Er will es adoptieren lassen.

(Eine Stille.)

Der Jüngling. Ich fasse es noch nicht – weißt du – es ist so grauenhaft unnatürlich und mir so fremd...

Das Mädchen. Ich konnte es zuerst ja auch nicht fassen! Und niemals wollte ich mein Kind hergeben. Niemals! Aber dann sprach auch der Verstand mit, und da mußte ich meinem Onkel recht geben: was kann ich mit meinem kleinen Verdienst dem Kind denn bieten, und wie sehr ist ihm da in einer anständigen Familie geholfen.

Der Jüngling. Aber laß es zu Leuten kommen, die dem Kind außer Ihrer Anständigkeit nichts bieten können, die nicht weiter reich sind, aber vielleicht mit ihren beschränkten Ansichten und ihrer Mißerziehung dem Kind die Jugend verderben...

Das Mädchen. So hat es wenigstens einen anständigen Namen, siehst du! Das ist ja für sein Weiterkommen so notwendig!... Und mein Onkel würde sich doch vorher sehr genau über die Leute unterrichten.

Der Jüngling. Wovon reden wir nur –! Wir reden, als ließe sich ein Schicksal vorausbestimmen und mit gutem Verständnis zusammenbauen. Und wir wissen doch nichts von den Möglichkeiten, die das Kind vielleicht zu seinem Glück führen, wenn es bei dir bleibt, und vielleicht zu seinem Unglück, wenn du es fortgibst. Was wissen wir davon!

Das Mädchen. Ja, es ist so schwer...

Der Jüngling. Wozu wirst du dich entschließen, Liebe...?

Das Mädchen. Ich bin schon entschlossen. Eines gab für mich den Ausschlag. (Leiser.) Wenn ich das Kind fortgebe, hält mich kein Wesen mehr... und ich kann dich ganz lieben... und ich kann dir ganz dienen...

(Eine große Stille.)

Der Jüngling.
Mein Mädchen... mein... es ist so fremd...
so viel... es ist so gut... unfaßbar gut...

(Er windet sich auf dem Sitz, erhebt sich dann, steht rückgeneigt und starrt in den Himmel.)

O Wunder! Wunder! Es rauscht heran... es biegt...
Mich in die jenseitigen Himmel... biegt mich... rauscht –
Mädchen! Liebe! Du bist gut – so gut
Und ganz...

(Er neigt sich nieder und küßt wild ihren Scheitel, dann wieder auf dem Sessel, über ihr sinnend.)

Doch etwas warnt in mir –
Ich fürchte mich. Ich fürchte den Muttermord.
(Mit Haupt und Rumpf aufwachsend.)
... Und daß die Schreie der erdrosselten Mutter
Dich ganz anfüllen und dein Herz umschwärmen,
Dein Wesen umtrümmern und über dem Schutthaufen schreien!
Tu's nicht! Tu's nicht! Liebe dein Kind und mich!
Und morde nicht!

Das Mädchen. Ich habe dich zu lieb!

Der Jüngling.
Mädchen, dein Opfer ist für mich so tiefer
Rausch! Es ist schwindelnd gut und himmlisch!
Ich sehnte mich schon jahrelang nach dieser Liebe!
Man nennt sie nicht!
Man denkt sie nicht! Sie ist nur Wunsch und gut!
Tu's nicht! Tu's nicht! So gern ich will! Tu's nicht!
Die Furcht rät gut!...

Das Mädchen. ... Die Furcht ging schon vorbei...

Der Jüngling. Es ist zu viel. Es ist zu schnell. Laß warten... (Eine Stille.) Bis dein Onkel dir über etwas Bestimmtes Nachricht gibt, kann noch viel Zeit hingehen, und wir können uns inzwischen wieder und wieder bedenken. Verstehe mich doch recht, mein Mädchen!

Das Mädchen (reckt den Leib und blickt starr zum Jüngling auf. Der Mond ist fast gänzlich untergesunken, nur die Spitze der Sichel blickt silbern hervor, es sind mehr Sterne sichtbar geworden).

Das Mädchen (spricht).
Ich kann dich nicht verstehen,
Ich kann mich nicht bedenken,
Ich kann dich nur flehen,
Ich kann dir nur schenken –
All mein Herz
Will immer bei dir sein
Und will sich dir schenken. Und will sich dir schenken.

Der Jüngling (spricht die ersten Verse niedergeneigt zum Mädchen, die letzten aufrecht und Blick in den Himmel).
Alle tiefen Himmel
Sollen um uns sein,
Alle schönen Sterne
Sich in uns versenken –
Was will ich verstehen,
Was will ich bedenken –
Mich mag die große Allmacht
Zu meinem Ziel lenken.

Das Mädchen.
All mein Herz
Will immer bei dir sein,
Ich will deine Lieder
Im Herzen bewahren –
Du kannst mir nur schenken, du darfst mich nur segnen –
Wie soll ich dich tränken, womit dir begegnen –?
Treu will ich vor dir sein,
Gern treu mit dir zum Himmel fahren.


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