William Shakespeare
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William Shakespeare

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Vierter Aufzug.

Erste Scene.

Die Strasse.

Hans Wurst, der von Olivia geschikt worden, den Cäsario zu ihr zu ruffen, trift den Sebastiano an, und richtet seinen Auftrag bey ihm aus, weil er ihn für den Cäsario ansieht; Sebastiano, der hier ganz fremd ist, und von der Verkleidung seiner Schwester, die er sogar für todt hält, nichts wissen kan, stellt sich zu diesem qui pro quo so befremdet an, als man sich vorstellen kan, und will schlechterdings derjenige nicht seyn, wofür ihn Hans Wurst ansieht: Indem sie nun mit einander streiten, kommen Sir Andreas und Sir Tobias dazu, von denen der Erste durch den nemlichen Optischen Betrug seinen Mann gefunden zu haben glaubt, und dem vermeynten Cäsario eine Ohrfeige appliciert, welche Sebastiano mit einer Tracht Schläge erwiedert. Sir Andreas hatte sich das nicht vermuthet, und appelliert an die Justiz; denn, sagt er, wenn ich ihm gleich den ersten Schlag gegeben habe, so ist es doch keine Manier, daß er mir soviele dagegen giebt. Indem nun Sir Tobias Friede machen will, wird er selbst mit Sebastiano handgemein; von der dazwischen kommenden Olivia aber in der

 
Zweyten Scene.

so gleich wieder geschieden, welche ihren ungesitteten Oheim unter den bittersten Vorwürfen aus ihren Augen gehen heißt, den vermeynten Cäsario aber aufs zärtlichste zu besänftigen sucht, und zu sich in ihr Haus nöthiget. Sebastiano weiß nun vollends nicht mehr, in was für einer Welt er ist. Was bedeutet alles diß, ruft er aus, entweder hab ich den Verstand verlohren, oder das alles ist ein Traum. O wenn es ein Traum ist, so laßt die Phantasie meine Sinnen immer in Lethe tauchen, so laßt mich nie von diesem Traum erwachen. Nun, sagt Olivia, komm, ich bitte dich; ich wollte du liessest dich von mir regieren; von Herzen gerne, antwortet Sebastian, und so gehen sie in bester Eintracht mit einander ab.

 
Dritte Scene.

Ein Zimmer in Olivias Haus.

Maria und Hans Wurst.

Maria. Ich bitte dich, mache hurtig, zieh diesen Priesterrok an, und binde dir diesen Bart um; wir wollen ihn bereden du seyest Sir Topas der Pfarrer; beschleunige dich; ich will indeß den Sir Tobias ruffen.

(Sie geht ab.)

Hans Wurst. Gut, ich will's thun, ich will mich verkleiden, und ich wollte wünschen, ich wäre der erste der sich in einen solchen Rok verkleidete. Ich bin nicht lang genug, um eine ansehnliche Person in diesem Habit vorzustellen, noch mager genug, um die Meynung von mir zu erweken, daß ich zuviel studiere; allein, ein ehrlicher Mann und ein guter Haushälter seyn, klingt immer so gut als ein hübscher Mann und ein grosser Gelehrter seyn.

Sir Tobias und Maria.

Sir Tobias. Die Götter seyen mit dir, Herr Pfarrer.

Hans Wurst. Bonos Dies, Sir Tobias; denn wie der alte Einsiedler von Prag, der in seinem Leben weder Feder noch Dinte gesehen hatte, sehr sinnreich zu König Gorboduks Nichte sagte, daß nemlich alles was ist, ist: Also, da ich der Herr Pfarrer bin, bin ich der Herr Pfarrer; denn was ist was anders als was? Und ist anders als ist?

Sir Tobias. Zu euerm Patienten, Herr Pfarrer.

Hans Wurst. Wie, holla, sag ich – – Stille da, in diesem Kerker!

Malvolio (hinter der Bühne.) Wer ruft hier?

Hans Wurst. Sir Topas der Pfarrer, welcher Malvolio den Mondsüchtigen besuchen will.

Malvolio. Sir Topas, Sir Topas, guter Sir Topas, geht zur Gnädigen Fräulein – –

Hans Wurst. Fahre aus, du Hyperbolicalischer Teufel, warum quälst du diesen armen Menschen so? Redst du von nichts als von Fräulein?

Sir Tobias. Wohl gegeben, Herr Pfarrer!

Malvolio. Sir Topas, niemalen ist einem Menschen so übel mitgespielt worden als mir; lieber Sir Topas, bildet euch nicht ein daß ich rasend sey; sie haben mich hier in eine gräßliche Finsterniß gelegt.

Hans Wurst. Fy, du unartiger Satan; ich bediene mich der gelindesten Ausdrüke gegen dich; denn ich bin einer von diesen manierlichen Leuten, die dem Teufel selbst nicht anders als höflich begegnen wollten: Sagst du, dieses Haus sey finster?

Malvolio. Wie die Hölle, Sir Topas.

Hans Wurst. Wie, es hat Bogen-Fenster die so durchsichtig sind wie Gitter, und die innwendigen Steine gegen die Sud-Seite sind so glänzend wie Eben-Holz; und du klagst über Dunkelheit?

Malvolio. Ich bin nicht toll, Sir Topas; ich sag euch, es ist finster im Hause.

Hans Wurst. Tollhäusler, du betrügst dich; ich sage dir, es giebt keine andre Finsterniß als Unwissenheit; und in dieser stekst du tiefer als die Egypter in ihrem Schlamme.

Malvolio. Und ich sage, dieses Haus ist so finster als Unwissenheit, wenn gleich Unwissenheit so finster als die Hölle wäre; und ich sage, niemalen ist einem ehrlichen Manne so übel mitgespielt worden; ich bin nicht mehr rasend als ihr selbst; macht die Probe mit mir, fragt mich etwas gescheidtes was ihr wollt, und seht ob ich euch nicht antworten werde, wie sich's gehört.

Hans Wurst. Was statuierte Pythagoras in Betreff des wilden Geflügels?

Malvolio. Daß es leichtlich begegnen könne, daß die Seele unsrer Großmutter in einem Schnepfen wohne.

Hans Wurst. Was hältst du von dieser Meynung?

Malvolio. Ich denke edler von der Seele, und billige diese Meynung keineswegs.

Hans Wurst. Gehab du dich wohl: Bleib immer in der Finsterniß; du must die Meynung des Pythagoras halten, wenn ich dir zugestehen soll daß du deine fünf Sinne habest, und dich scheuen einen Schneppen zu schiessen, aus Besorgniß du möchtest die Seele deiner Großmutter aus ihrer Wohnung vertreiben. Leb wohl.

Malvolio. Sir Topas, Sir Topas – –

Sir Tobias. Der allerliebste Sir Topas!

Hans Wurst. Gelt, ich schike mich zu allen Rollen?

Maria. Du hättest das alles ohne Bart und Priesterrok thun können; er sieht dich ja nicht.

Hierauf erklärt sich Sir Tobias, daß er dieses Spiels nach gerade überdrüssig sey, und demselben um so mehr ein anständiges Ende gemacht wünsche, da er mit seiner Nichte zerfallen sey. Er geht also mit Maria ab, um sich darüber auf seinem Zimmer mit ihr zu berathen, und läßt Hans Wursten bey Malvolio zurük, der hierauf in der

 
Vierten Scene

seine eigne Person wieder annimmt, und nachdem er eine Weile den Narren mit ihm getrieben, sich endlich erbitten läßt ihm Papier, Feder, Dinte und ein Licht zu bringen.


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