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Vierter Aufzug.

Erste Scene.

Eine finstre Höle; in deren Mitte ein grosser Kessel über einem Feuer steht.

Donner und Blize. Die drey Hexen treten auf, und ermuntern sich zu ihrem Vorhaben; alsdann gehen sie unter einem seltsamen Zauber-Spruch rund um den Kessel herum, und werfen die mancherley Ingredienzien zu ihrer Bezauberung, (z. ex. Frosch-Zehen, Otter-Zungen, Eidexen-Beine, Fledermaus-Haar, Wolfs-Zahn, Schierlings-Wurzeln, Ziegen-Galle, die Leber von einem Juden, die Nase von einem Türken, und die Lippe von einem Tartar u.s.w.) in den Kessel; nachdem alles genug gekocht hat, wird das Decoctum mit eines Säuglings Blut abgekühlt, und das Zauberwerk ist fertig. Hierauf erscheint Hecate mit drey andern Hexen, giebt ihren Beyfall zu dem was gemacht worden, und befiehlt ihnen, einen Tanz und Gesang um den Kessel anzufangen; dieses geschieht mit Musik, und hierauf erscheint in der

Zweyten Scene

Macbeth.

Macbeth. Wie geht's, ihr geheimnißreichen, schwarzen, mitternächtlichen Unholden? Was macht ihr da?

Alle. Ein Werk ohne Namen.

Macbeth. Ich beschwöre euch bey dem, den ihr verehrt, antwortet mir, durch was für Mittel ihr auch dazu gelangen möget; müßtet ihr gleich die Winde entfesseln, und sie gegen Kirchen kämpfen lassen; müßten gleich die schäumenden Wellen im allgemeinen Sturm die ganze Schiffahrt verschlingen, Schlösser über die Häupter ihrer Hüter einstürzen, und Paläste und Pyramiden ihren Gipfel bis zu ihrem Grund niederbeugen; ja müßte die ganze Natur darüber zusammenfallen. Antwortet mir auf das, was ich euch frage.

1. Hexe. Rede!

2. Hexe. Frage!

3. Hexe. Wir wollen antworten.

1. Hexe. Sag, ob du die Antwort lieber aus unserm Mund, oder von unsern Meistern hören willt?

Macbeth. Ruft sie, ich will sie sehen.

1. Hexe. Nehmt Blut von einer Sau, die ihre neun Ferkel gefressen hat, und Fett, das vom Galgen eines Mörders getrieft, und werft es in die Flamme.

Alle. Komm, wer du auch seyst, und zeige dich und deine Schuldigkeit.

(Donner und Bliz.)

Eine Erscheinung von einem bewafneten Haupt steigt aus dem Boden empor.

Macbeth. Sage mir, du unbekannte Macht

1. Hexe. Er weiß schon deine Gedanken; höre was er sagt, aber du rede nichts.

Erscheinung. Macbeth! Macbeth! Macbeth! Hüte dich vor Macduff ! Hüte dich vor dem Than von Fife! Entlaßt mich Genug!

(Die Erscheinung steigt wieder herab.)

Macbeth. Wer du auch seyn magst, ich danke dir für deine Warnung. Du hast meiner ungewissen Furcht eine Richtung gegeben. Aber nur noch ein Wort

1. Hexe. Er läßt sich nicht befehlen; hier ist ein andrer mächtigerer, als der erste.

(Donner.)

Eine Erscheinung von einem blutigen Kinde steigt empor.

Erscheinung. Macbeth, Macbeth! Macbeth!

Macbeth. Hätt' ich drey Ohren, ich wollte dir aufhorchen.

Erscheinung. Sey blutig, kühn und entschlossen; verlache was ein Mensch gegen dich vermag: denn von niemand, der von einem Weibe geboren ward, soll Macbeth jemals Harm empfangen.

(Die Erscheinung steigt herab.)

Macbeth. So lebe, Macduff! Was hab' ich nöthig, dich zu fürchten? Und doch will ich die Sicherheit doppelt sicher machen, und ein Pfand vom Schiksal nehmen; du sollt nicht leben, damit ich der bleichsüchtigen Furcht sagen könne, sie lüge, und mitten im Donnerwetter schlafe.

(Donner.)

Eine Erscheinung von einem gekrönten Kinde, mit einem Baum in der Hand, steigt empor.

Was ist diß, das gleich dem Abkömling eines Königs emporsteigt, und um seine kindliche Stirne den Cirkel der Majestät trägt?

Alle. Horch, aber rede nicht!

Erscheinung. Sey muthig wie ein Löwe, stolz und unbekümmert, wer murre, wer sich auflehne, wer sich gegen dich verschwöre. Macbeth soll niemals bezwungen werden, bis der grosse Birnam-Wald auf Dunsinans Hügel gegen ihn angezogen kommen wird.

(Steigt herab.)

Macbeth. Das wird niemals geschehen. Wer kan den Bäumen von Birnam befehlen, daß sie ihre tiefen Wurzeln entfesseln? Angenehmes Orakel! Gut! Wenn die Empörung ihr Haupt nicht erheben soll, bis der Wald von Birnam von seinem Plaz aufsteht, so wird unser Macbeth die Dauer der Natur ausleben und doch pocht mein Herz noch, ein einziges Ding zu wissen; sagt mir, (wenn eure Wissenschaft so weit reicht) wird Banquos Nachkommenschaft jemals in diesem Reiche herrschen?

Alle. Verlange nicht mehr zu wissen.

(Der Kessel sinkt in den Grund.)

Macbeth. Ich will befriedigt seyn. Versagt ihr mir's, so fall' ein ewiger Fluch auf euch! Laßt michs wissen. Warum sinkt der Kessel? und was für ein Getön ist das?

(Man hört einen Marsch von Hautbois.)

1. Hexe. Erscheint!

2. Hexe. Erscheint!

3. Hexe. Erscheint!

Alle. Erscheint vor ihm, und härmt sein Herz!
Kommt wie Schatten, und verschwindet wieder.

Acht Könige, von Banquo geführt, erscheinen einer nach dem andern, und gehen langsam bey Macbeth vorbey; der lezte hält einen Spiegel in der Hand.

Macbeth (während daß sie vorbeygehen.)
Du gleichst zu sehr dem Geist des Banquo; hinab! deine Crone verwundet meine Augäpfel Du gleichst dem ersten und du dem vorigen Ihr garstigen Unholden, wofür zeigt ihr mir das? ein Vierter! Erstarre, mein Auge! Wie? wird sich dieser verdammte Zug bis an den jüngsten Tag erstreken? Noch einer? Ein Siebenter! Ich will nicht mehr sehen aber da kommt noch der Achte, und trägt einen Spiegel, worinn er mir noch viele andre zeigt; ja ich sehe einige, welche doppelte Reichs-Aepfel und dreyfache Scepter tragen. Dieses war ein Compliment für Jacob den I. der beyde Inseln und die drey Reiche zuerst unter ein Haupt brachte, und dessen Haus, der Sage nach, von Banquo abstammte. Abscheuliches Gesichte! Nein, nun, seh ich, ist's wahr; denn der wundenvolle Banquo lächelt auf mich, und deutet mit der Hand auf diese hier wie, ist es so?

1. Hexe. Ja, Sir, alles ist so. Aber warum steht Macbeth so erstaunt da? Kommt, Schwestern, laßt uns, seine Geister aufzumuntern, ihm die beste unsrer Lustbarkeiten zeigen; ich will die Luft bezaubern, Musik zu unserm grotesken Rundtanz zu machen, damit dieser grosse König sagen könne, daß wir ihm Ehre angethan haben. Reime, im Original; wie alles was die Hexen im ganzen Stüke sprechen.

(Musik. Die Hexen machen einen Tanz und verschwinden.)

Macbeth. Wo sind sie? Weg? Laß diese verderbliche Stunde auf ewig verflucht im Calender stehen! Komm herein, du draussen!

Lenox kommt herein.

Lenox. Was befiehlt Eu. Hoheit?

Macbeth. Saht ihr die Zauber-Schwestern?

Lenox. Nein, gnädigster Herr.

Macbeth. Kamen sie nicht bey euch vorbey?

Lenox. Nein, in der That, nicht, Sire.

Macbeth. Verpestet sey die Luft, durch die sie reiten! und verdammt alle die ihnen trauen! Ich hörte das Stampfen von Pferden im Gallop. Wer kam vorbey?

Lenox. Es waren zween oder drey, Gnädigster Herr, die euch Nachricht bringen, daß Macduff nach England geflohen ist.

Macbeth. Nach England geflohen?

Lenox. Ja, gnädigster Herr.

Macbeth. Zeit, du entziehst meinem furchtbaren Vorsaz sein Opfer die Ausführung sollt' allemal an den Fersen der Entschliessung gehen. Von diesem Augenblik an soll jeder Erstling meines Herzens unmittelbar in meine Hand übergehen. Und eben izt, meine Gedanken mit Handlungen zu krönen, sey es gedacht und gethan! Ich will Macduffs Schloß überfallen, Fife im Sturm wegnehmen, und sein Weib, seine Kinder und alle die unglüklichen Seelen, die zu seinem Stamme gehören, der Schneide des Schwerts Preiß geben. Das soll keine Pralerey eines Narren seyn; die That soll gethan seyn, eh der Entschluß noch erkaltet ist Aber keine Gesichter mehr! Wer sind diese Männer? Komm, begleite mich zu ihnen.

(Sie gehen ab.)

Dritte Scene.

Verwandelt sich in Macduffs Schloß zu Fife.

Lady Macduff, ihr kleiner Sohn, und Rosse treten auf.

Lady Macduff. Was hat er denn gethan, daß er flüchtig werden mußte?

Rosse. Ihr müßt Geduld haben, Madam.

Lady. Er hat keine; seine Flucht war Raserey; wenn es unsre Handlungen nicht thun, so machen uns unsre Besorgnisse zu Verräthern.

Rosse. Ihr wißt nicht, ob es seine Klugheit oder seine Furcht war

Lady. Klugheit? Sein Weib, seine Kinder, seinen Siz, seine Titel an einem Ort vor sicher halten, von dem er selbst entflieht? Er liebt uns nicht, er hat das natürliche Gefühl nicht; der arme Zaunkönig sogar, der allerkleinste unter den Vögeln, hat Muth, wenn seine Jungen im Nest sind, gegen die Eule zu kämpfen: Seine Furcht ist alles, seine Liebe nichts; und wie groß ist nun da die Klugheit, wo die Flucht aller Vernunft und Pflicht so zuvorrennt?

Rosse. Meine theureste Base, ich bitte euch, mäßiget euch; euer Gemahl ist edel, ist weise, ist bedächtlich, und weiß am besten, was die Zeit erfordert. Ich darf mehr nicht sagen, aber grausam sind die Zeiten, wo wir Verräther sind, und uns selbst nicht kennen: wo wir uns von unsrer Furcht regieren lassen, und doch nicht wissen was wir fürchten; sondern auf einer wilden und stürmischen See hin und her getrieben irren. Ich beurlaube mich von euch; aber ich will in kurzem wieder da seyn; Wenn die Sachen am schlimsten sind, müssen sie gar aufhören oder wieder gut werden. Lebet wohl mein liebenswürdiger Vetter.

Lady Macduff. Er hat einen Vater, und ist doch vaterloß.

Rosse. Ich bin so sehr ein Thor, daß wenn ich mich länger aufhielte, meine Schwachheit mich selbst beschämen, und euch nur trostloser machen würde. Ich muß mich auf einmal losreissen.

(Rosse geht ab.)

Lady. Armer Junge, dein Vater ist todt? Was willt du nun anfangen? Wie willt du leben?

Sohn. Wie die Vögel, Mutter.

Lady. Wie, von Würmern und Fliegen?

Sohn. Von was ich kriegen kan, meyn' ich; sie machen's auch so.

Lady. Armes Vögelchen! du würdest weder Nez noch Leimruthe, weder Fallen noch Strike fürchten.

Sohn. Warum sollt' ich, Mutter? Die armen Vögelchen! wie wollten sie das machen? Aber, mein Vater ist nicht todt, wenn ihr's schon sagt.

Lady. Ey ja, er ist todt; wo willt du nun einen Vater hernehmen?

Sohn. Aber wo wollt ihr einen Mann hernehmen?

Lady. Wie! ich kan ihrer zwanzig auf dem nächsten Markt kauffen.

Sohn. So kauft ihr sie nur, um sie wieder zu verkauffen?

Lady. Du redst so gescheidt als du kanst, und doch in der That gescheidt genug für dich.

Sohn. War mein Vater ein Verräther, Mutter?

Lady. Ja, das war er.

Sohn. Was ist ein Verräther?

Lady. Wie, einer der schwört und lügt.

Sohn. Und die sind alle Verräther, die das thun?

Lady. Ein jeder, der das thut, ist ein Verräther und muß gehangen werden.

Sohn. Und müssen die alle gehangen werden, die schwören und lügen?

Lady. Ein jeder.

Sohn. Wer muß sie hängen lassen?

Lady. Wer? die ehrlichen Leute.

Sohn. So sind die Lügner und Schwörer nur Narren; denn es sind ihrer so viele, daß sie stark genug wären, die ehrlichen Leute zu schlagen und hängen zu lassen.

Lady. Gott helfe dir, du armer Junge! Aber was willt du um deinen Vater thun?

Sohn. Wenn er todt wäre, so würdet ihr um ihn weinen; und wenn ihr nicht um ihn weinen würdet, so wäre es ein gutes Zeichen, daß ich bald wieder einen andern Vater bekäme.

Lady. Kleines Plaudermaul! wie du redst!

Ein Fremder zu den Vorigen.

Fremder. Heil euch, schöne Dame! Ihr kennt mich nicht, aber euer hoher Stand macht euch vielen bekannt, die es euch nicht sind. Ich besorge, daß irgend eine Gefahr über euerm Haupte schwebe. Wenn ihr die Warnung eines gemeinen Manns annehmen wollt, so laßt euch hier nicht antreffen; fliehet unverzüglich mit euern Kindern. Ich bin vielleicht unhöflich, daß ich euch so erschreke; aber es würde unmenschlich seyn, wenn ich es nicht thäte, da ihr keinen Augenblik zu verliehren habt, der Himmel bewahre euch! Ich darf mich nicht länger aufhalten.

(Er geht ab.)

Lady Macduff. Wohin sollt' ich fliehen? Ich habe ja nichts böses gethan. Aber nun besinn' ich mich; ich bin in einer Welt, wo böses thun oft löblich ist, Gutes thun, für eine gefährliche Thorheit gehalten wird. Was ist nun zu thun? Soll ich auf meine Unschuld mich beruffen, und mich hinter diesem weiblichen Schilde sicher glauben? Was für Gesichter sind diese?

(Die Mörder treten auf.)

Mörder. Wo ist euer Mann?

Lady Macduff. Ich hoffe, an keinem so schändlichen Orte, daß ihn deines gleichen finden sollen.

Mörder. Er ist ein Verräther.

Sohn. Du lügst, du zottelköpfiger Spizbube!

Mörder. Was sagst du, ey du junge Brut von Verrätherey

(Er ermordet ihn.)

Sohn. Er hat mich umgebracht, Mutter; flieht, flieht, ich bitte euch.

(Lady Macduff entflieht mit Geschrey um Hülfe; die Mörder verfolgen sie.)

Vierte Scene.

Verwandelt sich in den Palast des Königs von England.

Malcolm und Macduff treten auf.

Malcolm. Laß uns irgend einen einöden Schatten suchen, und dort unsre kummervollen Herzen leer weinen.

Macduff. Laß uns lieber das tödliche Schwert fest halten, und wie wakre Männer unser zu Boden gestürztes Leben schirmen; jeden neuen Morgen heulen neue Wittwen, schreyen neue Waysen, schlagen neue Klagen an den Himmel an, der wie aus Mitleid abgebrochne Töne des Schmerzens wiederhallt.

Malcolm. Was ich glaube, will ich beweinen; was ich weiß, will ich glauben; und was ich ändern kan, sobald ich die Zeit zum Freund habe, das will ich. Was ihr vorhin sagtet, mag sich vielleicht so verhalten. Dieser Tyrann, dessen blosser Name unsre Zungen lähmt, wurde einst für ehrlich gehalten; ihr liebtet ihn, und noch hat er euch nicht beleidigt. Ich bin zwar jung; aber doch könntet ihr euch durch mich ein Verdienst um ihn machen, es ist Klugheit, ein schwaches, armes, unschuldiges Lamm aufzuopfern, um einen erzürnten Gott zu besänftigen.

Macduff. Ich bin kein Verräther.

Malcolm. Aber Macbeth ists. Macht und Würden können einen tugendhaften Character verfälschen. Ich bitte euch um Vergebung; meine Gedanken können euch zu nichts anders machen als ihr seyd; Engel glänzen immer fort, ob schon die glänzendsten fielen: wenn gleich alle bösen Dinge die Gestalt des Guten annähmen, so muß doch das Gute immer diese Gestalt behalten.

Macduff. Ich habe meine Hoffnungen verlohren.

Malcolm. Vielleicht eben da, wo ich meine Zweifel fand. Wie? ihr solltet in so gefährlichen Umständen euer Weib und eure Kinder, die kostbaren Pfänder der Liebe verlassen, ohne auch nur Abschied zu nehmen? Ich bitte euch, treibet mich nicht weiter; meine Besorgnisse sollen euch nicht beleidigen, sondern nur meine Sicherheit seyn: ihr könnt ein sehr rechtschaffner Mann seyn, ich mag denken was ich will.

Macduff. So blute dann, blute, mein armes Vaterland! und du, eingethronte Tyranney, seze dich feste, denn Redlichkeit darf dich nicht erschüttern Dulde du deine Kränkungen, sein Titel ist bestätiget. Gehabe dich wohl, Lord. Um allen den Raum, den der Tyrann in seinen Klauen hält, und den reichen Ost dazu, wollt ich der Elende nicht seyn, für den du mich ansiehst.

Malcolm. Werdet nicht unwillig; was ich sage, kommt nicht eigentlich von einem Mißtrauen her, so ich in euch seze. Ich denke unser Vaterland sinkt unters Joch, es weint, es blutet, und jeder neue Tag ist eine neue Wunde zu seinen vorigen. Ich zweifle nicht, es würden Hände für mein Recht aufgehoben werden; und hier bietet mir Englands mitleidige Freundschaft etliche Tausende an. Aber gesezt auch, ich träte endlich auf des Tyrannen Haupt, oder trüg' es an der Spize meines Schwerdts, so wird mein armes Vaterland nichts dabey gewinnen; es wird nur noch mehr Gebrechen haben, als zuvor, und von seinem Nachfolger noch mehr und auf eine mannichfaltigere Art leiden als jemals.

Macduff. Und wer sollte der seyn?

Malcolm. Mich selbst meyn ich, Diese Unterredung Malcolms mit Macduff ist aus den Chroniken von Schottland genommen. mich, in welchen alle besondre Laster so eingepfropft sind, daß wenn sie sich aufthun und ausbreiten werden, der schwarze Macbeth schneeweiß scheinen, und der arme Staat ihn, mit meiner grenzenlosen Bosheit verglichen, für ein mildes Lamm ansehen wird.

Macduff. Aus allen Legionen des flammenden Abgrunds kan kein verruchterer Teufel als Macbeth hervorkommen.

Malcolm. Ich gesteh' es, er ist blutgierig, schwelgerisch, geizig, falsch, tükisch, launisch, boßhaft, und stinkt nach jeder Sünde, die einen Namen hat. Aber in meiner Ruchlosigkeit ist kein Boden, nein, keiner; eure Weiber, eure Töchter, eure Mütter und eure noch unzeitigen Mädchen reichten nicht zu, die Cisterne meiner Lust aufzufüllen; und es sind keine Schranken, keine Hindernisse zu ersinnen, die meine unbändige Begierde nicht überspringen würde. Besser, Macbeth herrsche als ein Solcher.

Macduff. Grenzenlose Ueppigkeit ist eine Art von Tyranney; und hat schon manchen Thron vor der Zeit leer gemacht, ist schon der Sturz mancher Könige gewesen. Aber fürchtet euch deßwegen nicht zu übernehmen, was euer ist; ihr könnt euren Ergözungen ein weites Ziel steken, ohne sie dem allgemeinen Auge auszusezen. Wir haben willige Damen genug; es kan kein solcher Geyer in euch seyn, dessen Gefräßigkeit zu ersättigen, nicht alle diejenigen zureichen sollten, die sich der Majestät freywillig widmen werden, sobald sie diese Neigung an ihr bemerkt haben.

Malcolm. Ueberdas, wächst unter meinen andern unordentlichen Neigungen, ein so unersättlicher Geiz, daß wenn ich König wäre, ich meine Edeln aus dem Wege räumen würde, um ihre Güter an mich zu reissen; bey diesem würden mich seine kostbaren Mobilien reizen, bey jenem sein Haus; der Anwachs meines Eigenthums würde nur wie eine Brühe seyn, die mich immer hungriger machte; so daß ich an rechtschaffne Leute ungerechte Händel suchen, und sie verderben würde, um ihre Reichthümer zu haben.

Macduff. Dieser Geiz schlägt tiefer ein, und breitet sich in verderblichere Wurzeln aus, als die Wollust, die mit dem Sommer des Lebens ihre Hize verliehrt; Er ist das Schwerdt gewesen, das unsre Könige erschlagen hat: aber fürchtet auch dieses nicht; Schottland hat Ueberfluß, eure Habsucht mit demjenigen anzufüllen, was euer rechtmäßiges Eigenthum seyn wird. Alles das ist noch erträglich, wenn es durch andre Tugenden vergütet wird.

Malcolm. Aber, die hab' ich nicht; von allen diesen königlichen Tugenden, Gerechtigkeit, Wahrheit, Mäßigung, Standhaftigkeit, Güte, Gnade, Demuth, Frömmigkeit, Geduld, Herzhaftigkeit, Tapferkeit, ist nicht ein Funke in mir; alle meine Neigungen, alle Triebfedern meines Willens sind eben so viele Laster, und ich übe jede auf alle mögliche Arten aus. Ja, hätt' ich das Vermögen dazu, ich würde die süsse Milch der Eintracht in die Hölle schütten, den allgemeinen Frieden aufstören, und die ganze Erde zu einem Schauplaz der Verwüstung machen.

Macduff. O Schottland, Schottland!

Malcolm. Wenn ein solcher zur Regierung tauglich ist, so redet; ich bin, wie ich gesagt habe.

Macduff. Zur Regierung tauglich? Nein, nicht des Lebens werth. O unglükselige Nation! Unter dem blutigen Scepter eines unrechtmäßigen Herrschers seufzend, wenn wirst du deine glüklichen Tage wiedersehen? da der rechtmäßige Erbe deines Throns den Bann der Ausschliessung über sich selbst ausspricht und seinen geheiligten Ursprung lästert. Dein königlicher Vater war der beste König; die Königin, die dich gebahr, öfter auf ihren Knien als auf ihren Füssen, starb jeden Tag den sie lebte. O! Fahre du wohl! Diese Laster, deren du dich selbst anklagst, haben mich aus Schottland verbannt. O! Mein Herz! hier enden sich alle deine Hoffnungen!

Malcolm. Macduff, diese edle Leidenschaft, das Kind deiner Redlichkeit, hat die schwarzen Zweifel von meiner Seele gewischt, und meine Gedanken mit deiner Aufrichtigkeit und Ehre ausgesöhnt. Der teuflische Macbeth hat schon durch manche, die sich als meine Freunde verstellen mußten, mich in seine Gewalt zu bekommen gesucht: mißtrauische Klugheit war meine Sicherheit; aber Gott im Himmel sey Zeuge zwischen mir und dir, daß ich, in diesem Vertrauen, wozu du mich nunmehr gewonnen hast, mich gänzlich deiner Führung überlasse; und bey ihm schwör' ich, daß alle diese Laster und Schanden, deren ich mich selbst anklagte, ferne von mir sind. Ich habe noch kein Weib erkannt, noch nie mein Wort gebrochen, mich kaum desjenigen gelüsten lassen, was mein eigen ist, und wollt den Teufel selbst seinem Cameraden nicht verrathen; ich liebe die Wahrheit nicht weniger als mein Leben, und die erste Unwahrheit, die aus meinem Munde gegangen ist, war diese wieder mich selbst. Was ich in der That bin, steht dir und meinem armen Vaterlande zu diensten; wohin würklich, noch vor deiner Ankunft der alte Siward mit zehentausend tapfern Kriegs-Männern aufgebrochen ist. Wir wollen ihm folgen, und möge der Ausgang der Gerechtigkeit unsrer Sach' entsprechen! Warum schweiget ihr?

Macduff. So willkommne und so unwillkommne Dinge auf einmal sind schwehr zusammen zu reimen!

Fünfte Scene.

Ein Arzt zu den Vorigen.

Malcolm. Gut, hernach mehr hievon! Geht der König aus, ich bitte euch?

Arzt. Ja, Milord; es ist ein Hauffen armer Leute hier, die auf seine heilende Hand warten; ihre Krankheit macht die äussersten Versuche der Kunst zu Schanden. Aber so bald er sie berührt, (eine solche Kraft hat der Himmel seiner geheiligten Hand eingegossen,) so werden sie auf der Stelle gesund.

(Er geht ab.)

Malcolm. Ich danke euch, Doctor.

Macduff. Von was für einer Krankheit redte er?

Malcolm. Man nennt es das Uebel The Evil, oder the King's Evil werden vorzugsweis in England die Kröpfe genannt, welche Eduardus Confessor durch die blosse Berührung mit seiner Hand geheilt haben soll. ; es ist eine höchst wunderthätige Eigenschaft an diesem König, wovon ich, seit meinem Aufenthalt in England, schon oft ein Augenzeuge war. Wie er diese Gabe vom Himmel erbeten, weiß er selbst am besten; gewiß ist, daß er Leute, die mit seltsamen Geschwulsten und Geschwüren heimgesucht sind, (ein erbärmlicher Anblik, und die Verzweiflung der Heil-Kunst!) durch seine Berührung heilt, indem er, unter heiligen Gebeten, ein goldnes Gepräge um ihren Hals hängt: und man sagt, er werde diesen heilenden Segen allen Königen seinen Nachfolgern lassen. Ausser dieser wundervollen Heil-Kraft hat er noch die Gabe der Prophezeyung, und verschiedne andre Segnungen hangen um seinen Thron, welche beweisen, daß er ein Günstling des Himmels ist.

Sechste Scene.

Rosse zu den Vorigen.

Macduff. Seht, wer hier kommt!

Malcolm. Ein Landsmann; und doch kenn' ich ihn nicht.

Macduff. Mein werther Vetter, seyd willkommen.

Malcolm. Nun kenn ich ihn. Der Himmel entferne bald die Ursachen, die uns einander fremde machen!

Rosse. Dazu sag' ich Amen, Gnädigster Herr.

Macduff. Ist Schottland noch im alten Stand?

Rosse. Ach! Unser armes Vaterland, es erschrikt vor seinem eignen Anblik! Es kan nicht mehr unsre Mutter genennt werden, sondern unser Grab; ein Land, wo allgemeiner Jammer alle Angesichter verzehrt; wo man das unwissende Wiegen-Kind allein noch lächeln sieht; wo Seufzen, Aechzen und Schreyen die Luft erfüllen, ohne mehr bemerkt zu werden, und beym Getön der Todtengloke kaum noch gefragt wird, um wen? Wo rechtschaffne Leute schneller dahin sind, als die Blumen auf ihren Hüten, und sterben, eh sie krank geworden sind.

Macduff. O grausame, aber nur allzuwahrhafte Beschreibung!

Malcolm. Was ist die neueste Beschwerde?

Rosse. Jede Minute brütet eine neue aus.

Macduff. Wie steht's um mein Weib?

Rosse. Wie? wohl

Macduff. Und um alle meine Kinder?

Rosse. Auch wohl

Macduff. Hat der Tyrann ihre Ruhe nicht gestört?

Rosse. Nein, sie waren in guter Ruhe, wie ich sie verließ.

Macduff. Ich merk euch an, daß ihr mir etwas verbergen wollt: redet frey heraus, wie geht es?

Rosse. Wie ich abreisete, um die Zeitungen mit denen ich schwer beladen bin, hieherzutragen, gieng ein Gerüchte, daß verschiedne brave Leute aus dem Wege geräumt worden seyen; welches mir desto glaublicher war, weil ich die Völker des Tyrannen ausrüken sah. Nun ist die höchste Zeit zu helfen; euer blosser Anblik würde in Schottland Krieger erschaffen, und Weiber zum fechten aufmuntern, um dieses unerträglichen Jammers loß zu werden.

Malcolm. Laß es ihren Trost seyn, daß wir im Begriff sind, zu kommen: der huldreiche König von England hat uns den wakern Siward mit zehentausend Männern geliehen, den ältesten und besten Kriegs-Mann in der ganzen Christenheit.

Rosse. Wollte der Himmel, ich könnte diesen Trost mit einem andern erwiedern! Aber ich habe Dinge zu sagen, die ich lieber in eine einöde Wüste hineinheulen wollte

Macduff. Was betreffen sie? die allgemeine Sache? Oder ist es ein besonderer Schmerz, der irgend einer einzelnen Brust zugehört?

Rosse. Es ist kein redliches Gemüth, das nicht Theil daran nimmt, ob gleich das Ganze euch allein gehört.

Macduff. Wenn es mein ist, so enthaltet mir's nicht länger vor redet!

Rosse. O! Laßt um dessentwillen, was ich sagen muß, den Ton meiner Stimm' euern Ohren nicht auf ewig verhaßt werden! Es ist das schmerzlichste, was ihr jemals gehört habt.

Macduff. Hem! ich errath es.

Rosse. Euer Schloß ist überrumpelt, euer Weib und eure Kinder unmenschlich niedergemezelt worden die Umstände zu erzählen, wäre euern Tod auf den ihrigen häuffen.

Malcolm. Barmherziger Himmel! Wie, Mann! drükt euern Hut nicht so auf eure Augbrauen Gebt euerm Schmerz Worte: ein stummer Schmerz preßt seine Klagen in das Herz zurük, und macht es brechen.

Macduff. Meine Kinder auch!

Rosse. Weib, Kinder, Hausgenossen, alles was er fand.

Macduff. Und mußt' ich abwesend seyn! Auch mein Weib um gebracht?

Rosse. Wie ich sagte.

Malcolm. Fasset euch; Raache soll die Arzney seyn, womit wir diesen tödlichen Schmerz heilen wollen.

Macduff. Er hat keine Kinder alle meine artigen Püpchen? Alle, sagtet ihr? wie, alle? O höllischer Geyer! alle? Wie, alle meine armen Hühnchen, und ihre Mutter, auf einen verfluchten Schluk?

Malcolm. Rächet euch wie ein Mann

Macduff. Das will ich: aber erst will ich fühlen wie ein Mann. Ich kan nicht gleich vergessen, daß ich sie hatte, daß sie das kostbarste waren was ich hatte Konnte der Himmel zusehen, und nahm sich ihrer nicht an? Sündenvoller Macduff! um deinetwillen wurden sie erschlagen! Ich unglükseliger! Nicht um ihrer Missethaten, um der meinigen willen wurden sie geschlachtet: der Himmel gebe ihnen nun Ruhe!

Malcolm. Laßt das euer Schwerdt wezen, laßt Schmerz sich in Wuth verwandeln: erleichtert euer Herz nicht, sezt es in Flammen.

Macduff. O ich könnte weinen und schreyen wie ein Weib! aber, du gütiger Himmel, schneide allen Aufschub ab! bring du, Stirne gegen Stirne, mich und diesen Schottischen Teufel zusammen; bring ihn nur so nah daß ihn mein Schwerdt erreichen kan, und wenn ich ihn entrinnen lasse, dann, o Himmel, dann vergieb ihm auch!

Malcolm. Dieser Ton geht männlich! Kommt, wir wollen zum Könige, unsre Völker sind marschfertig, wir haben nichts mehr nöthig als Abschied zu nehmen. Macbeth ist reif abgeschüttelt zu werden, und die Mächte über uns sezen ihre Werkzeuge an. Gehet, und erfrischet euch diese Nacht auf den morgenden Tag.

(Sie gehen ab.)


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