William Shakespeare
Der Kaufmann von Venedig
William Shakespeare

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Siebente Szene

Belmont. Ein Zimmer in Porzias Hause

Trompetenstoß. Porzia und der Prinz von Marokko treten auf, beide mit Gefolge

Porzia. Geht, zieht beiseit den Vorhang und entdeckt
Die Kästchen sämtlich diesem edlen Prinzen. –
Trefft Eure Wahl nunmehr.

Marokko. Von Gold das erste, das die Inschrift hat:
«Wer mich erwählt, gewinnt, was mancher Mann begehrt.»
Das zweite, silbern, führet dies Versprechen:
«Wer mich erwählt, bekommt soviel, als er verdient.»
Das dritte, schweres Blei, mit plumper Warnung:
«Wer mich erwählt, der gibt und wagt sein Alles dran.»
Woran erkenn ich, ob ich recht gewählt?

Porzia. Das eine faßt mein Bildnis in sich, Prinz:
Wenn Ihr das wählt, bin ich zugleich die Eure.

Marokko. So leit ein Gott mein Urteil! Laßt mich sehn!
Ich muß die Sprüche nochmals überlesen.
Was sagt dies bleir'ne Kästchen?
«Wer mich erwählt, der gibt und wagt sein Alles dran.»
Der gibt – wofür? für Blei? und wagt für Blei?
Dies Kästchen droht; wenn Menschen alles wagen,
Tun sie's in Hoffnung köstlichen Gewinns.
Ein goldner Mut fragt nichts nach niedern Schlacken,
Ich geb also und wage nichts für Blei.
Was sagt das Silber mit der Mädchenfarbe?
«Wer mich erwählt, bekommt soviel, als er verdient.»
Soviel, als er verdient? – Halt ein, Marokko,
Und wäge deinen Wert mit steter Hand.
Wenn du geachtet wirst nach deiner Schätzung,
Verdienest du genug, doch kann genug
Wohl nicht soweit bis zu dem Fräulein reichen.
Und doch, mich ängsten über mein Verdienst,
Das wäre schwaches Mißtraun in mich selbst.
Soviel, als ich verdiene? – Ja, das ist
Das Fräulein; durch Geburt verdien ich sie,
Durch Glück, durch Zier und Gaben der Erziehung;
Doch mehr verdien ich sie durch Liebe. Wie,
Wenn ich nicht weiter schweift und wählte hier?
Laßt nochmals sehn den Spruch, in Gold gegraben:
«Wer mich erwählt, gewinnt, was mancher Mann begehrt.
Das ist das Fräulein; alle Welt begehrt sie,
Aus jedem Weltteil kommen sie herbei,
Dies sterblich atmend Heilgenbild zu küssen;
Hyrkaniens Wüsten und die wilden Öden
Arabiens sind gebahnte Straßen nun
Für Prinzen, die zur schönen Porzia reisen;
Das Reich der Wasser, dessen stolzes Haupt
Speit in des Himmels Antlitz, ist kein Damm
Für diese fremden Geister; nein, sie kommen
Wie über einen Bach zu Porzias Anblick.
Eins von den drein enthält ihr himmlisch Bild;
Soll Blei es in sich fassen? Lästrung wär's,
Zu denken solche Schmach; es wär zu schlecht,
Im düstern Grab ihr Leichentuch zu panzern.
Und soll ich glauben, daß sie Silber einschließt,
Von zehnmal minderm Wert als reines Gold?
O sündlicher Gedanke! Solch ein Kleinod
Ward nie geringer als in Gold gefaßt.
In England gibt's 'ne Münze, die das Bild
Von einem Engel führt, in Gold geprägt.
Doch der ist drauf gedruckt; hier liegt ein Engel
Ganz drin im goldnen Bett. – Gebt mir den Schlüssel,
Hier wähl ich, und geling es, wie es kann.

Porzia. Da nehmt ihn, Prinz, und liegt mein Bildnis da,
So bin ich Euer.

(Er schließt das goldne Kästchen auf.)

Marokko. O Hölle, was ist hier?
Ein Beingeripp, dem ein beschriebner Zettel
Im hohlen Auge liegt? Ich will ihn lesen:

    «Alles ist nicht Gold, was gleißt,
    Wie man oft Euch unterweist.
    Manchen in Gefahr es reißt,
    Was mein äußrer Schein verheißt;
    Goldnes Grab hegt Würmer meist;
    Wäret Ihr so weis als dreist,
    Jung an Gliedern, alt an Geist,
    So würdet Ihr nicht abgespeist
    Mit der Antwort: Geht und reist.»

Ja fürwahr, mit bittrer Kost;
Leb wohl denn, Glut! Willkommen, Frost!
Lebt, Porzia, wohl! Zu langem Abschied fühlt
Mein Herz zu tief; so scheidet, wer verspielt. (Ab.)

Porzia. Erwünschtes Ende! Geht, den Vorhang zieht!
So wähle jeder, der ihm ähnlich sieht. (Alle ab.)


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