William Shakespeare
Die beiden Edelleute von Verona
William Shakespeare

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Vierter Aufzug.


Erster Auftritt.

Wald zwischen Mailand und Verona.

Mehrere Räuber treten auf.

Erster Räuber. Gesellen, sieht, dort kommt ein Reisender!

Zweiter Räuber. Und wärens zehn, wankt nicht und macht sie nieder!

(Valentin und Sput treten auf.)

Dritter Räuber. Steht, Herr, und gebt uns her was ihr besitzt:
Sonst werfen wir euch hin und plündern euch.

Sput. Wir sind verloren, Herr: dieß sind die Schufte,
Die alle Reisenden so übel fürchten.

Valentin. Ihr Freunde –

Erster Räuber. Das sind wir nicht, Herr, wir sind eure Feinde.

Zweiter Räuber. Still, hört ihn an!

Dritter Räuber. Bei meinem Bart, das sei; er ist ein feiner Mann.

Valentin. So wißt, ich habe wenig zu verlieren.
Mir kam das Unglück immer in die Quere;
Die schlechten Kleider hier sind all mein Reichthum:
Wenn ihr von denen mich entblößen wollt,
So nehmt ihr Alles hin was ich besitze.

Zweiter Räuber. Wohin reist ihr?

Valentin. Nach Verona.

Erster Räuber. Woher kommt ihr?

Valentin. Von Mailand.

Dritter Räuber. Wart ihr da längre Zeit?

Valentin. Sechs Monden wohl, und wär noch gern geblieben,
Verwehrt' es nicht ein widriges Geschick.

Zweiter Räuber. Wie? wurdet ihr verbannt?

Valentin. Ich ward es.

Zweiter Räuber. Für welch Vergehn?

Valentin. Für eins, das mich noch schmerzt, wenn ichs erzähle.
Ich tödtet' einen Mann, des Tod mich reut;
Doch schlug ich ihn im ehrlichen Gefecht
Und ohne Hinterlist und falschen Vortheil.

Erster Räuber. Ei laßt es euch nicht reun, wenns so geschah.
Und seid ihr um so kleine Schuld verbannt?

Valentin. Ich bins und war noch froh so milden Spruchs.

Erster Räuber. Versteht ihr Sprachen?

Valentin. Ja; frühe Reisen halfen mir dazu;
Ich wäre sonst oft übel weggekommen.

Dritter Räuber. Bei Robin Hoods dickwanstgen Paters Glatze:
Der Bursche wär ein Haupt für unsre Bande.

Erster Räuber. Wir woll'n ihn haben; hört –

Sput.                                                                   Geht unter sie:
's ist eine ehrenwerthe Dieberei:

Valentin. Schweig, Schurke!

Zweiter Räuber. Sagt, habt ihr irgendwas, worauf ihr baut?

Valentin. Nichts als mein Glück.

Dritter Räuber. Wißt denn, ein Theil von uns sind Edelleute,
Die unberathner Jugend Uebermuth
Aus der Gemeinschaft Rechtlicher verwies.
Vertrieben bin ich selber aus Verona,
Weil ich ein Fräulein zu entführen suchte,
Des Herzogs Erbin und ihm nah verwandt.

Zweiter Räuber. Und ich aus Mantua, weil ich im Zorn
Dort einem Edelmann das Herz durchstach.

Erster Räuber. Und ich um gleiche Lumperei wie diese.
Zur Sache nun, denn unsre Strafen sollten
Nur unsern Räuberstand entschuldigen:
Wir sehn, ihr seid ein wohlgebauter Mann
Von edler Bildung und, wie ihr uns sagt,
Der Sprachen kundig: so vollkommnen Manns
Bedürfen wir zu unserer Hantierung.

Zweiter Räuber. In Wahrheit, weil ihr ein Verbannter seid,
Darum vor allem Andern fragen wir:
Sagt, möchtet ihr wohl unser Häuptling werden,
Und eine Tugend machen aus der Noth,
In dieser Wildniss hier mit uns zu leben?

Dritter Räuber. Was sagst du? trittst du ein in unsern Bund?
Sag ja, und werde Hauptmann von uns allen,
Wir huldgen dir und schwören dir Gehorsam
Und lieben dich als unsern Herrn und König.

Erster Räuber. Doch ists dein Tod, verschmähst du unsre Gunst.

Zweiter Räuber. Nicht sollst du je mit unserm Antrag pralen.

Valentin. Den Vorschlag nehm ich an, mit euch zu leben
Mit dem Beding, daß ihr harmlose Fraun
Und arme Reisende mit Frieden laßt.

Dritter Räuber. Ja. wir verschmähn so ehrlos feiges Thun.
Komm mit, wir bringen dich zu unsrer Rotte
Und zeigen dir den Schatz, den wir gehäuft:
Du magst nun über ihn wie uns gebieten. (Alle ab.)


Zweiter Auftritt.

Mailand. Hof des Pallastes.

Proteus tritt auf.

Proteus. Erst war ich untreu gegen Valentin
Und muß nun auch an Thurio unrecht handeln.
Unter dem Vorwand, als empfähl ich ihn,
Gewinn ich Zutritt eignem Liebeswerben.
Doch Silvia ist zu schön, zu treu, zu heilig,
Durch meinen niedern Dienst sie zu verführen.
Betheur ich Treu ihr und Ergebenheit,
Wirft sie die Falschheit an dem Freund mir vor;
Und weih ich ihrer Schönheit mein Gelübde,
Erinnert sie mich an den Eidesbruch
Gegen mein Julchen, die ich einst geliebt.
Und ungeachtet ihrer scharfen Hiebe,
Die jedem Andern längst die Hoffnung raubten,
Wächst meine Liebe, einem Hündchen gleich,
Das, fortgestoßen, nur ergebner schmeichelt.
Doch Thurio kommt: wir müßen vor ihr Fenster,
Ein Abendständchen ihrem Ohr zu bringen.

(Thurio kommt mit Musikanten.)

Thurio. Wie, Proteus? seid ihr mir vorausgeschlichen?

Proteus. Ja, werther Thurio, denn ihr wißt, daß Liebe
Zum Dienst hinschleicht, wo sie nicht gehen kann.

Thurio. Ja; doch ich hoffe, Herr, ihr liebt hier nicht?

Proteus. Doch, Herr, ich thus; sonst wär ich fern von hier.

Thurio. Wen? Silvia?

Proteus.                     Ja Silvia – für euch.

Thurio. So sei mein Dank für euch. Wohlan, ihr Herrn,
Stimmt an, und laßt die Instrumente klingen.

(Im Hintergrunde tritt der Wirth auf und Julie in Pagenkleidern.)

Wirth. Nun, mein junger Gast, ich glaube, ihr seid maulhängolisch; ich bitt euch, warum?

Julie. Ach, Herr Wirth, weil ich nicht fröhlich sein kann.

Wirth. Kommt, ihr sollt fröhlich werden. Ich bring euch hin, wo ihr Musik hört und den Edelmann seht, nach dem ihr gefragt habt.

Julie. Aber werd ich ihn auch sprechen hören?

Wirth. Ja, das werdet ihr.

Julie. Da soll die Musik sein?

(Die Musik beginnt.)

Wirth. Hört, hört:

Julie. Ist er unter ihnen?

Wirth. Ja, aber still: laßt uns zuhören.

Lied.
        Wer ist Silvia, was ist Sie,
Die wir zu preisen pflegen?
Heilig, schön und weis ist sie,
Der Gott den reichsten Segen
Und der Welt Bewundrung lieh.

Ist die Schöne denn auch gut?
Bei Reiz muß Güte weilen.
Amor ihr im Auge ruht,
Von Blindheit sich zu heilen;
So verbleibt er wohlgemuth.

Dich, o Silvia, singen wir,
Silvia ist ohne Gleichen:
Auf der dumpfen Erde hier
Muß Alles vor dir weichen. –
Kränzt das Haupt mit Rosen ihr.

Wirth. Wie nun? Seid ihr noch trauriger als zuvor? Was ist euch, Freund? Die Musik gefällt euch wohl nicht?

Julie. Ihr irrt, der Musikant gefällt mir nicht.

Wirth. Warum, mein Söhnchen?

Julie Er spielt falsch, Vater.

Wirth. Wie? greift er nicht die rechten Saiten?

Julie. Das nicht; aber er spielt so, daß er die Saiten meines Herzens zerreißt.

Wirth. Ihr habt ein zartes Gehör.

Julie. Ja, ich wollt, ich wäre taub; es macht mir das Herz schwer.

Wirth. Ihr habt keine Freude, merk ich, an Musik.

Julie. Gar keine, wenn sie so misslautet.

Wirth. Hört, welch ein schöner Wechsel in der Musik!

Julie. Ach, eben der Wechsel ist vom Bösen.

Wirth. Wollt ihr immer dasselbe gespielt haben?

Julie. Derselbe sollte stäts dasselbe spielen.
Hat jener Proteus, Herr, von dem wir sprachen,
Mit diesem Edelfräulein viel Verkehr?

Wirth. Wie mir Lanz, sein Diener, sagte, liebt er sie über alle Maßen.

Julie. Wo ist Lanz?

Wirth. Er ist fort, seinen Hund zu suchen, den er morgen, nach seines Herrn Befehl, dem Fräulein zum Geschenk bringen muß.

Julie. Still, geht beiseite: die Gesellschaft entfernt sich.

Proteus. Thurio, seid unbesorgt, ich rühm euch so,
Ihr selbst sollt meine Rednerkünste rühmen.

Thurio. Wo find ich euch?

Proteus. Am Brunnen St. Gregors.

Thurio. Auf Wiedersehn!

(Thurio mit den Musikanten ab.)
(Silvia erscheint am Fenster.)

Proteus. Fräulein, ich biet eur Gnaden guten Abend.

Silvia. Nehmt meinen Dank, ihr Herrn, für die Musik. –
Wer ists, der sprach?

Proteus. Mein Fräulein, wüstet ihr, wie treu er liebt,
Ihr lerntet bald ihn an der Stimme kennen.

Silvia. Proteus vermuthlich.

Proteus. Proteus, mein edles Fräulein, euer Diener.

Silvia. Was wünschet ihr?

Proteus. Nach euerm Wunsch zu leben.

Silvia. Das könnt ihr haben, denn mein Wunsch und Will ist,
Daß ihr sogleich nach Haus geht und zu Bett.
Du treulos schlau, meineidger, falscher Mann!
Meinst du, ich sei so dumm und unverständig,
Daß mich dein loses Schmeichelwort verführte,
Der du mit Schwüren schon so Manche trogst?
Zurück, zurück und sühne deine Braut.
Bei dieser bleichen Königin der Nacht,
Ich bin, dich zu erhören, so entfernt,
Daß ich dein schamlos Werben tief verachte,
Und schon beginne, mit mir selbst zu hadern,
Daß ich so lange Zeit noch mit dir spreche.

Proteus. Ich läugn es nicht, Süßlieb, ich liebt ein Fräulein;
Doch die ist todt.

Julie (beiseite).             Falsch wärs, käm Ich zu Wort;
Denn ich weiß sicher, sie ist nicht begraben.

Silvia. Gesetzt, sie wärs, doch lebt noch Valentin,
Dein Freund, dem ich, wie du bezeugen kannst,
Versprochen bin: kennst du denn keine Scham,
Daß du ihn kränkst durch dein zudringlich Werben?

Proteus. Man meldet mir, auch Valentin sei todt.

Silvia. So denk, ich sei es auch; denn in sein Grab,
Des sei gewiss, versenk ich meine Liebe.

Proteus. Laßt mich sie, Fräulein, aus der Erde scharren.

Silvia. Geh, rufe Juliens Lieb aus ihrem Grab,
Und kannst dus nicht, begrab auch deine drin.

Julie (beiseite). Das hört er nicht.

Proteus. Ist euer Herz, Signora, so verhärtet,
So gönnt doch euer Bildniss meiner Liebe,
Das Bildniss, das in eurer Kammer hängt.
Zu ihm dann will ich sprechen, seufzen, weinen;
Denn da das Wesen eures edeln Selbst
Sich weggeschenkt, so bin ich nur ein Schatte,
Und euerm Schatten will ich Liebe schwören.

Julie (beiseite). Wär sie das Wesen, du betrögest sie
Und machtest sie zum Schatten so wie mich.

Silvia. Es wär mir leid, eur Götzenbild zu sein;
Doch da es eurer Falschheit wohlgeziemt,
Schatten zu ehren, Schemen anzuflehn,
Schickt morgen zu mir und ich send es euch.
Somit schlaft wohl.

Proteus.                       Wie arme Sünder thun,
Die man zur Richtstatt schleppt am andern Morgen.

(Proteus und Silvia ab.)

Julie. Gehn wir, Herr Wirth?

Wirth. Bei meiner Treu, ich war fest eingeschlafen.

Julie. Sagt an, wo wohnt Ser Proteus?

Wirth. Nun, in meinem Hause. Wahrhaftig, ich glaube, es ist schon Tag.

Julie. Das nicht; doch wars die längste Nacht
Und auch die bängste, die ich je durchwacht.

(Beide ab.)


Dritter Auftritt.

Ebendaselbst.

Eglamour tritt auf.

Eglamour. Um diese Stunde hat mich Silvia
Hieher beschieden, ihren Wunsch zu hören;
Zu wichtgen Dingen will sie mich gebrauchen.
Fräulein!

(Silvia erscheint oben am Fenster.)

Silvia.             Wer ruft?

Eglamour.                       Eur Diener und eur Freund,
Der euern gnädigen Befehl erharrt.

Silvia. Ser Eglamour, viel tausend guten Morgen:

Eglamour. Ich wünsch euch, edles Fräulein, auch so viel.
Nach euer Gnaden Willen und Befehl
Komm ich so früh, zu hören, welchen Dienst
Mir aufzutragen euch gefallen wird.

Silvia. O Eglamour, du bist ein Edelmann
(Denk nicht, ich schmeichle, wahrlich nein, ich thus nicht),
Tapfer und klug, gefühlvoll, ohne Tadel.
Dir ist nicht unbekannt, wie holden Sinn
Ich dem verbannten Valentin bewahrt,
Noch wie mein Vater mir den eiteln Thurio
Aufdrängen möchte, den mein Herz verabscheut.
Du hast geliebt, und sagen hört' ich dich,
So nahe sei dir nie ein Leid gegangen
Als deiner Braut und Heißgeliebten Tod,
Auf deren Grab du ewge Keuschheit schwurst.
Ser Eglamour, ich will zu Valentin
Nach Mantua, wo er jetzt verweilen soll;
Und da die Wege da gefährlich sind,
So wünsch ich deine würdige Begleitung,
Auf dessen Ehr und Treu ich zählen darf.
Sprich von des Vaters Zorn nicht, Eglamour,
Mein Leid erwäge, eines Weibes Leid,
Und welch ein Recht ich habe zu der Flucht,
Mich vor gottlosem Ehebund zu schützen,
Den Himmel und Geschick mit Fluch bedroht.
Von dir erfleh ich dieß mit einem Herzen
So voll von Kummer als das Meer voll Sand,
Mit mir zu gehn und mir Geleit zu geben;
Wo nicht, so hehle, was ich dir gesagt,
Daß ich allein das Abenteuer wage.

Eglamour. Fräulein, mich jammert eure Kümmerniss,
Und da ich sie in Tugend weiß gegründet,
So bin ich gern bereit mit euch zu reisen;
So wenig achtend was mich treffen könnte
Als ich von Herzen eure Wohlfahrt wünsche.
Wann wollt ihr fort?

Silvia.                             Sobald der Abend kommt.

Eglamour. Wo treff ich euch?

Silvia.                                       In Bruder Patriks Zelle,
Wo ich zuvor zur heilgen Beichte gehe.

Eglamour. Ich werd euch nicht verfehlen, Fräulein: Guten Morgen!

Silvia. Habt guten Morgen, werther Eglamour!

(Beide ab.)


Vierter Auftritt.

Ebendaselbst.

Lanz tritt auf mit seinem Hunde.

Lanz. Wenn eines Menschen Diener sich wie ein Hund gegen ihn beträgt, seht, das geht einem nahe: Einer, den ich von Kindesbeinen erzogen habe; einer, den ich vom Ertrinken gerettet habe, als drei oder vier von seinen blinden Brüdern und Schwestern dran glauben musten: Ich hab ihn abgerichtet gerade wie sich Einer vornehmen möchte: so will ich meinen Hund abrichten. Ich ward geschickt, ihn der Fräulein Silvia als ein Geschenk meines Herrn zu überbringen, und kaum bin ich ins Eßzimmer getreten, so läuft er mir zu ihrem Teller und stiehlt ihr einen Kapaunenschenkel. O das ist ein böses Ding, wenn ein Hund sich nicht in allen Gesellschaften zu benehmen weiß: Ich möchte gern, versteht ihr, daß Einer, der es auf sich nimmt, ein rechter Hund zu sein, nun auch, sozusagen, ein Hund in allen Stücken wäre. Hätt ich nicht mehr Witz gehabt als er und den Fehler auf mich genommen, den er begangen hatte, ich glaube wahrhaftig, er wär gehängt worden: so wahr ich lebe, er hätt es ausbaden müßen. Urtheilt selbst: da schiebt er sich ein in die Gesellschaft von drei oder vier wohlgeborenen Hunden unter des Herzogs Tafel; da hatte er, mit Respect zu melden, kaum einen Piss lang gesteckt, so roch ihn schon das ganze Zimmer. Hinaus mit dem Hund, ruft der Eine; was ist das für ein Beest? sagt der Andre; peitscht ihn hinaus, sagt der Dritte; hängt ihn auf, sagt der Herzog. Ich, der mit seinem Geruch schon früher Bekanntschaft gemacht hatte, merkte gleich, daß es Krabb war und geh euch zu dem Kerl, der die Hunde peitscht: Freund, sag ich, wollt ihr den Hund da peitschen? Ja, zum Henker, das will ich, sagt er. Ihr thut ihm groß Unrecht, sag ich; ich war es, der das Ding that, das ihr wißt. Da peitscht er mich ohne Umstände zur Thür hinaus. Wie viel Herrn würden das für ihren Diener gethan haben? Ja, ich kanns beschwören, ich hab im Stock geseßen für Würste, die er gestohlen hat, sonst wär es ihm an die Haut gegangen; ich hab am Pranger gestanden für Gänse, die er todt gebißen; sonst hätt Er dafür leiden müßen: daran denkst du jetzt nicht mehr! – Ja und nun fällt mir der saubere Streich ein, den du mir spieltest, als ich von Fräulein Silvia Abschied nahm. Befahl ich dir nicht, auf mich Acht zu geben und es zu machen wie ich? Wann hast du gesehen, daß ich mein Bein aufhob und mein Waßer abschlug gegen eines Fräuleins Crinoline? Hast du je solche Streiche von mir gesehen?

(Proteus und Julie treten auf.)

Proteus. Sebastian ist dein Name? Du gefällst mir.
Ich will dich gleich zu einem Dienst verwenden.

Julie. Was euch beliebt; ich will thun was ich kann.

Proteus. Das, hoff ich, wirst du. – (Zu Lanz.) Nun, nichtswürdger Tölpel,
Wo bummelst du umher jetzt seit zwei Tagen?

Lanz. Je, Herr, ich brachte Fräulein Silvia, wie ihr befahlt, den Hund.

Proteus. Was hat sie denn gesagt zu meinem Kleinod?

Lanz. Je, Herr, sie sagte, euer Hund wär ein Köter, und meinte, ein hündischer Dank wär gut genug für solch ein Geschenk.

Proteus. Aber nahm sie meinen Hund?

Lanz. Nein, wahrlich, das that sie nicht: hier hab ich ihn wieder mitgebracht.

Proteus. Was? brachtest du ihr diesen da von mir?

Lanz. Ja; das andere Eichhörnchen wurde mir auf dem Markt von des Henkers Leuten gestohlen, und da schenkt ich ihr meinen eigenen, und das ist ein Hund wohl so dick als zehn von den eurigen: darum ist auch das Geschenk desto größer.

Proteus. Geh, scher dich fort und bring mir meinen Hund,
Sonst komm mir nie mehr vor das Angesicht.
Hinweg, sag ich: stehst du hier, mich zu ärgern?
Ein Schuft, der stäts mir nichts als Schande macht.
        (Lanz ab.)
Sebastian, dich nahm ich in den Dienst,
Theils weil ich einen solchen Knaben brauche,
Der mein Geheiß mit einger Einsicht thut,
Denn kein Verlaß ist auf den dummen Bengel;
Doch mehr um dein Gesicht und dein Betragen,
Die, wenn mich meine Kennerschaft nicht trügt,
Von zarter Herkunft, Glück und Treue zeigen:
Dieß merke dir, daß ich dich darum nahm.
Geh nun sogleich und nimm den Ring mit dir
Und überbring ihn Fräulein Silvia;
Sie liebte sehr mich, die mir ihn geschenkt.

Julie. Ihr liebtet sie wohl nicht, daß ihr ihn weggebt.
Sie ist wohl todt?

Proteus.                     Das nicht; sie lebt noch, glaub ich.

Julie. So weh mir!

Proteus.                 Weshalb rufst du: weh mir?

Julie. Ich muß sie wohl beklagen!

Proteus. Warum beklagst du sie?

Julie. Weil mich bedünkt, sie hat euch so geliebt
Als ihr jetzt dieses Fräulein Silvia liebt.
Sie träumt von ihm, der sie vergeßen hat;
Ihr brennt für sie, die euch nicht lieben mag.
O Jammer, daß die Liebe so sich ausweicht!
Wenn ichs bedenke, muß ich »weh mir!« rufen.

Proteus. Gut, gieb ihr diesen Ring und auch zugleich
Den Brief; hier ist ihr Zimmer. – Sag dem Fräulein,
Ich fordr ihr himmlisch Bild, das sie versprochen.
Ist das gethan, so komm zu meiner Kammer;
Du wirst mich traurig da und einsam finden. (Ab.)

Julie. Wie wenig Frauen trügen solche Botschaft!
Ach, armer Proteus, du erwählst den Fuchs
Als Hirt dir, deine Lämmer zu behüten. –
Ach, arme Thörin, was beklag ich den,
Der mich aus vollem Herzen jetzt verschmäht:
Weil er sie liebt, darum verschmäht er mich;
Weil ich ihn liebe, muß ich ihn bedauern.
Ich gab ihm diesen Ring, als wir uns trennten,
Damit er meiner Liebe stäts gedenke:
Nun schickt man mich, o unglückselger Bote!
Zu fordern, was ich nicht gewinnen möchte;
Zu bringen, was ich ausgeschlagen wünsche;
Die Treu zu preisen, die ich schelten müste.
Ich bin die treu Verlobte meines Herrn
Und kann nicht sein getreuer Diener sein,
Werd ich nicht an mir selber zum Verräther.
Ich will wohl für ihn werben, doch so läßig
Als ich, Gott weiß: ihm keine Gunst erflehe.
        (Silvia tritt auf mit Gefolge.)
Ich bitt euch, Kammerfräulein, helft mir doch,
Daß ich das Fräulein Silvia sprechen möge.

Silvia. Was wolltet ihr bei ihr, wenn Ich es wäre?

Julie. Wenn ihr es seid, so bitt ich, mit Geduld
Die Botschaft anzuhören, die ich bringe.

Silvia. Von wem?

Julie. Von Signor Proteus, Fräulein, meinem Herrn.

Silvia. Ach, eines Bildes wegen schickt er euch?

Julie. Ja, Fräulein.

Silvia. So bring mein Bildniss, Ursula. (Sie bringt es.)
Geht, gebt das euerm Herrn; sagt ihm jedoch,
Die Julie, die sein Wankelsinn vergaß,
Ziere sein Zimmer beßer als der Schatte.

Julie. Lest gütigst diesen Brief, Signora. –
Verzeiht, Signora, unvorsichtig gab ich
Euch ein Papier, das euch nicht zugehört:
Dieß ist der Brief an euer Gnaden, dieß.

Silvia. Ich bitte, laßt mich das noch einmal sehn.

Julie. Ich darf nicht, Fräulein; zürnt mir nicht darum.

Silvia. Da, nimm:
Ich will die Zeilen deines Herrn nicht lesen.
Ich weiß, sie sind mit Schwüren vollgepfropft,
Mit neuerfundnen Eiden, die er bricht,
So leicht als ich jetzt dieß Papier zerreiße.

Julie. Fräulein, er schickt eur Gnaden diesen Ring.

Silvia. So mehr ihm Schande, daß er mir ihn schickt!
Denn tausendmal hab ich ihn sagen hören,
Daß ihn ihm seine Julie gab beim Scheiden.
Hat auch sein falscher Finger ihn entweiht,
Soll Julien meiner nicht solch Unrecht thun.

Julie. Sie dankt euch.

Silvia.                           Was sagst du?

Julie. Ich dank euch, Fräulein, daß ihr für sie fühlt.
Das arme Kind: mein Herr thut ihr groß Unrecht.

Silvia. Kennst du sie?

Julie. Beinah so gut als ich mich selber kenne.
Gedacht ich ihres Leids, ich glaube sicher,
Wohl hundertmal hab ich um sie geweint.

Silvia. Sie denkt wohl, Proteus habe sie verlaßen?

Julie. Sie denkts gewiss, und das ist ihre Noth.

Silvia. Ist sie denn nicht sehr schön?

Julie. Sie war einst schöner, Fräulein, als sie ist:
Als sie noch glaubte, daß mein Herr sie liebe,
War sie so schön, bedünkt mich, als ihr selbst;
Doch seit sie nicht mehr in den Spiegel schaut,
Die Maske wegwarf, die der Sonne wehrte,
Ersterbte Luft die Rosen ihrer Wangen,
Und ihrer Stirne Lilienweiß vergilbte,
Daß sie so dunkel wurde wie ich selber.

Silvia. Wie groß war sie?

Julie. Etwa von meiner Größe; denn zu Pfingsten,
Als wir mit heitern Spielen uns ergetzten,
Gab mir das junge Volk die Frauenrolle
Und schmückte mich mit Fräulein Juliens Kleidern:
Die passten mir so gut, wie alle sagten,
Als wäre das Gewand für mich geschnitten:
Daher weiß ich, sie ist von meinem Wuchs.
Und damals bracht ich ernstlich sie zum Weinen,
Denn traurig war die Rolle, die ich spielte;
Ariadne war es, Fräulein, wie sie klagte
Um Theseus Falschheit und treulose Flucht:
Das spielt ich unter Thränen so lebendig,
Daß mein arm Fräulein, tief davon ergriffen,
Von Herzen weint', und strafe mich der Tod,
Wenn ich ihr tiefes Leid nicht mit empfand.

Silvia. Sie ist dir sehr verbunden, lieber Knabe. –
Ach armes Fräulein, hoffnungslos verlaßen:
Ich weine selbst, erwäg ich deine Worte.
Hier, Knab, ist meine Börse: sie sei dein
Um deines Fräuleins willen, die du liebst.
Lebwohl! (Ab.)

Julie. Sie solls euch danken, lernt ihr je sie kennen. –
Ein edles Fräulein, zartgesinnt und schön.
Mein Herr macht, hoff ich, wenig Glück bei ihr,
Da meiner Herrin Liebe so sie rührte.
Ach wie doch Liebe falsch spielt mit sich selbst!
Hier ist ihr Bildniss. Laßt mich sehn: ich denke,
Hätt ich nur solchen Anzug, mein Gesicht
Wär ganz so liebenswerth als ihres ist;
Und etwas hat der Maler ihr geschmeichelt,
Wenn ich nicht allzuviel mir selber schmeichle.
Ihr Haar ist nußbraun, meins vollkommen gelb:
Hat das allein mir seine Lieb entwandt,
So will ich mir hellbraune Locken kaufen.
Ihr Aug ist blau wie Glas und meines auch,
Doch ihre Stirn ist schmal und meine hoch.
Was könnt es sein, das er all ihr erschaut,
Das ich all mir nicht schauen laßen könnte,
Wär nicht ein blinder Gott die kindsche Liebe?
Komm, Schatte, komm, und nimm den Schatten mit.
Er ist dein Nebenbuhler. Leblos Bild!
Du wirst verehrt, geküsst, geliebt, vergöttert,
Und wäre Sinn in seinem Götzendienst,
Mein Wesen sollt er statt des Schattens lieben.
Ich will dir hold sein deiner Herrin wegen;
Sie war es mir: denn sonst, bei Jupiter,
Kratzt ich dir aus dem Kopf die blinden Augen,
Die Liebe meines Herrn zu dir zu tilgen. (Ab.)

 


 


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