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Meinem Münchhausen zum Denkmal.

Aus der 1797 in Frankfurt erschienenen Schrift: »Rückerinnerungen von Seume und Münchhausen«. – A. d. H.

 

Bona, justa, honesta, decore, utilia,
omnia eadem virtus.

 

Vielleicht blickt jetzt Dein Engel auf mich nieder
Von seinem Strahlenweg und sieht.
Wie meine Seele Hochgefühle glüht,
Und flüstert Dir's im stillen Lüftchen wieder;

Wo ich an unsers guten Gellert's Grabe,
Auf meinen Knotenstab gelehnt
Und selig in Betrachtung hingedehnt,
Mich an der Liebenswürdigkeit des Todten labe;

Wie ich auf seinen Stein mein Auge senke,
Und wie in tiefer Andacht Gluth
Auf meiner Wimper eine Thräne ruht,
Und wie ich dann ein Lied der Freundschaft denke.

So wahr ich lebe, Freund, und hier am Staube
Des großen Menschenfreundes steh'
Und froh in Sternenregionen seh',
So wahr ich an den Werth der Tugend glaube:

Mein Herz, zwar hart und arm, doch gut und bieder,
War einst so folgsam, als Du mir
Am Felsen riefst, und sendet jetzo Dir
Dein Echo aus der tiefsten Falte wieder.

Ich habe, liebster Freund, der Freunde wenig.
Der eine starb, der andre zog
In eine fremde Welt, der dritte log
Und war es nicht. So bin ich fast ein König.

Auf meine Stirne fiel geheimnißvolle
Zurückgezogenheit und hielt
Mein Herz, wie man auf lose Waare schielt.
Voll Argwohn in dem tiefsten Menschengrolle.

Es giebt der Schurken zahlenlose Rotten,
Die listig oder mit Gewalt
In mehr als tausendförmiger Gestalt
In Hütten und am Thron der Tugend spotten.

Die Bosheit rollet ungeheure Fluthen,
Und was nicht diese niederziehn,
Zerstickt, zerbessert und zerkünstelt kühn
Die Weisheit und die Grillerei der Guten.

Nun tadle mich, wenn ich in diesem Strauße
Nicht meine Lanze brechen will
Und wohlbedachtsam, ruhig, stumm und still
Auf meinem Lager sitz' in meiner Klause.

Mein Herz ist enge, hat nicht Platz für Viele,
Ich binde mich an keine Pflicht,
Die Freundschaft ist die größte, wenn ich nicht
Die Kraft in mir, sie zu erfüllen, fühle.

Wer mir mit Bonzenton den Glauben stärket
Und wie aus einer Todtengruft
Den Bann mit der Verdammniß Stimme ruft,
Sobald er einen Schein von Zweifel merket;

Wer Tugend und die Vorsehung verlachet,
Wer mit des Witzes frechem Spott
Nur zum Gespenst des Pöbels seinen Gott
Und Volksreligion zum Hohne machet:

Wer glatt und schlüpfrig mit Cabale züngelt,
War nie noch werth, mein Freund zu sein;
Wer Silberglätte schenkt für ächten Wein
Und mit den Schwüren wie mit Münze klingelt;

Wer seinen Werth in seiner Börse wieget,
Und wog' er Tonnen Goldes auf;
Wer in der feinsten Wollust gift'gem Lauf
Die Unschuld fängt und Unschuld dann betrüget;

Wer Unsinn von dem Recht des Stärkern redet
Und den Beweis am Degen trägt;
Wer die Vernunft mit Fluchen widerlegt
Und seine Zeit durch dumme Wildheit tödtet;

Wer hinter einem alten Ahnenbaume
Sich Vetter Karl's des Großen fühlt
Und auf die Undiplomten schielt.
Als wären sie nur von der Schöpfung Schaume;

Wer mit zwei Groschen noch in seinem Sacke
Dem alten Bettler, der es wagt,
Um Brod zu bitten, »Geht zum Teufel!« sagt,
Ist, trag' er goldnen Kragen oder Jacke,

Ist mein nicht werth; und wer mit leerer Stirne
Wie ein Insect des Lenzes hüpft,
Von Strauch zu Strauch, von Blatt zu Blatte hüpft,
Als sucht' er den Verlust von seinem Hirne,

Ist mein nicht werth, und wer den Dunst der Schule
Um seinen weißen Schädel webt
Und jeden Zweifel aus der Wurzel hebt
Mit Heureka von seinem großen Stuhle.

Verzeihet mir, mein Freund muß gut und bieder,
Muß hell von Kopf, von Herzen rein,
Wie eine Probe schweren Goldes sein,
Ein Freund für alle seine Erdenbrüder,

Sie mögen sich in Ganges' Fluthen baden,
Sie mögen an des Inra Fuß
Die Ziegen hüten, an dem Platafluß
Den Köcher zu der Jagd mit Pfeilen laden.

Sein Wort steht fest wie tausend Eisenschrauben,
Sein Mund ist karg, sein Leben spricht
Dem Edlen Muth und Furcht dem Bösewicht
Und ist der Commentar zu seinem Glauben.

Herab vom Fürstensaal zur Bettlerhütte
Bricht er die Schale von dem Mann
Und sieht, ob er den Kern genießen kann;
Wo Gute sind, ist er in seiner Mitte.

So, Freund, bist Du, ich denke. Keine Kronen
Erkaufen von mir Schmeichelei.
Mein Herz ist gut, ist hart, ist stolz und frei;
Es werde Dein, kann es dem Deinen lohnen!

Der Bund bleibt ohne Schwur so lange feste,
Als Tugend in uns Beiden schlägt,
Als Muth und Kraft uns ihre Wege trägt.
Und dieses alte Siegel ist das Beste.

Ha, könnt' ich einst, ha, könntest Du es brechen,
Das himmlische, das schöne Band,
Das nur die Tugend für die Tugend wand,
So möge Dich und mich der Himmel rächen!


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