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Doktor Faustus war jetzt nicht allein in der Stadt Wittenberg, sondern auch im ganzen Land wegen Schwarzkunst und Zauberei verrufen. Deswegen ließen ihn gottesfürchtige und gelehrte Leute durch andere zu unterschiedenen Malen erinnern und warnen, von solchem teuflischen Leben und Wandel abzustehen; unter andern ließ sich eines Tags ein Nachbar desselben, ein frommer alter Mann, die Mühe nicht dauern, sein Heil zu versuchen, ob er diesen elenden Menschen bekehren möchte, zumal er fast täglich wahrnehmen mußte, wie die jungen Burschen und fürwitzigen Studenten in seiner Behausung aus und ein gingen, da sie ja nichts Gutes sehen und lernen würden. Er verfügte sich deswegen an einem Nachmittag zu Doktor Faust, und als er ihm mit freundlichen Worten die Ursache seines Einkehrens zu erkennen gegeben, wurde er auch von diesem gütig empfangen; und es gehet die Sage, als sei dieser alte Warner der getreue Eckhart gewesen, der schon seit vielhundert Jahren zum Wächter am Venusberge bestellt ist und die unwissenden Menschen warnt und abmahnt, daß sie nicht zu den teuflischen Unholdinnen in den Berg hineingehen: wie denn ein Sprichwort ist, daß man zu einem, der andere getreulich warnet und hütet, gemeiniglich spricht: Du bist der getreue Eckhart, du warnest jedermann.
Leicht ist zu glauben, daß jener dem Doktor Faust allerhand Lehren und Ermahnungen aus Gottes Wort werde vorgebracht und recht unter die Augen gestellt haben, welche auf Abmahnung von seinem bisher so ärgerlich geführten Leben und Anweisung zu einem bessern Wandel werden gerichtet gewesen sein; wie denn dieser fromme Alte dem Ansehen nach auch wirklich so viel ausrichtete, daß ihm bei seinem Abschied Doktor Faustus gelobte, er wolle seiner heilsamen Lehre und Ermahnung nachkommen. Auch ist es ihm denn, da er jetzt allein war, solchergestalt zu Herzen gegangen, daß, indem er bei sich selbst erwog, was er doch gedacht habe, daß er sich um nichtiger Wollust willen dem leidigen Teufel ergeben habe, er sich entschloß, Buße zu tun, weil noch Zeit vorhanden, und sein Versprechen dem Teufel wieder zurückzuziehen. Unter solchem Vorhaben erscheint ihm der Teufel, tappt nach ihm, stellt sich nicht anders, als ob er ihm den Kopf umdrehen wollte, warf ihm bald vor, was ihn so ernstlich dazu bewogen hätte, daß er sich dem Teufel ergeben, nämlich sein frecher, stolzer und sicherer Mutwille. Er, Faustus, sei ihm, dem Teufel, nachgegangen und nicht er, der Teufel, ihm; er habe ihn zu vielen und unterschiedlichen Malen mit Charakteren, Verschwörungen und andern Sachen angerufen und seiner eifrigst begehrt. Zudem so hab er ja ungezwungen und freiwillig die fünf Artikel angenommen, sich auch hernach mit seinem eigenen Blut verschrieben und verpflichtet, daß er Gott und Menschen feind sein wolle. Diesem Versprechen nun komme er nicht nach, wolle eigenmächtig umkehren, da es doch schon allzu spät und er nunmehr des Teufels eigen sei, der ihn zu holen und anzugreifen gute Macht habe. So wolle denn der Satan Hand an ihn legen, oder aber er soll sich wieder von neuem verschreiben und solches mit seinem Blut bekräftigen, daß er sich hinfüro von keinem Menschen mehr wolle abmahnen und verführen lassen: wo nicht, so wolle er ihn in Stücke zerreißen. Doktor Faustus, ganz voll Erstaunens bei Anhörung dieser schrecklichen Drohworte, bewilligte alles mit bebenden Lippen von neuem, setzte sich nieder und schrieb mit seinem Blute die zweite Teufelsverschreibung, welche nach seinem Tode in seiner Behausung gefunden wurde. –
Nachdem er sich also dem Teufel aufs neue mit seinem Blute verschrieben, schlug er alle treue, wohlgemeinte und seiner armen Seele ersprießliche Warnung jenes gottesfürchtigen Nachbarn in den Wind und geriet, auf Anstiften des verbosten Geistes, gegen diesen alten, ehrlichen Mann in einen solchen Haß, daß er auch nicht ruhen oder rasten wollte, bis er sein Mütlein an ihm gekühlet und ihn womöglich an Leib und Leben gefährdet hätte.
Wie nun, dem Sprichwort nach, ehrlicher Leute wohlgemeinte Straf' und Ermahnung gemeiniglich schlechten Lohn erwirbt, also erging es auch dem ehrlichen Nachbarn: denn etwa nach zweien Tagen, als er nach dem Nachtessen zu Bette gegangen und sich allbereit nach gesprochenem Abendgebet schlafen gelegt: siehe, da rüstet ihm Doktor Faustus ein solch Poltern und Rumpeln vor der Kammer an, als ob alles über einen Haufen fallen wollte, welches der gute Mann vorher niemal gehört; jedoch ermunterte er sich bald und gedachte bei sich, dies werde gewiß eine Versuchung des Teufels sein, vielleicht, weil er dem Nachbar Faust gutherziger Meinung seiner Seelen Wohlfahrt zu bedenken ermahnt habe. In diesen Gedanken kommt das Teufelsgespenst gar zu ihm in die Kammer hinein, grunzt wie ein Schwein und treibt es so lang, daß dem guten Mann angst und bang darüber wird. Allein er erholt sich endlich, gedenkt bei sich selbst, ich werde doch solch Gespenst nicht leicht von mir treiben als mit Verspotten und Verachten; fängt deswegen an und sagt herzhaft: »Ei, eine solche schöne Musik ist mir mein Lebtag nicht vorgekommen, die lieblicher zu hören gewesen denn diese; ich glaube, du hast sie in einem Wirtshaus bei den vollen Bauern und Zechbrüdern oder, welches glaublicher, bei dem Schweinehirten gelernet; wie ist sie doch so trefflich angestellt, ist sie vielleicht ein höllisches Konzert? Nun wohlan, sing du die Noten, so will ich den Text dazu singen!«
Und so fing der fromme Mann an, mit heller Stimme ein geistliches Lied zu singen. Auf der Stelle schwieg der Teufelsspuk. Jener aber sagte: »Meister Satan, wie gefällt dir dieses Lied? Ich hätte vermeint, du solltest dich mit deiner lieblichen Musik etwa an einen fürstlichen Hof begeben haben, da man vielleicht mehr darauf würde geachtet haben als bei mir! Packe dich von hier und spare solchen Gesang bis zur Auferstehung der Toten und Erscheinung des allgemeinen Richters; wo du alsdann ohne Zweifel in einen Himmel kommen wirst, wo die Flammen zum Loch ausschlagen!« Mit solchem Gespötte hat der Nachbar das Gespenst vertrieben, und es ist hinfort nicht mehr gehöret worden.
Des andern Morgens fragte Faust seinen Geist, was er bei dem Alten ausgerichtet habe. Da gab ihm der Geist die Antwort: er hätte ihm nicht beikommen können, denn er wäre geharnischt gewesen.
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Um diese Zeit geschah es, daß Doktor Faust, zu besserer Betreibung seines Zauberhandwerks, sich einen Famulus beigesellte. Es kam nämlich zur rauhen Winterszeit eines Tags ein junger Schüler vor Fausts Behausung, der sang, selbiger Zeit Gebrauch nach, das Responsorium; diesem hörte eine Weile Doktor Faustus zu, und weil er sah, daß der arme Mensch übel gekleidet und fast erfroren war, erbarmte er sich seiner, forderte ihn hinauf in seine Stube, sich zu wärmen, besprach sich mit ihm, fragte, woher er wäre und wer seine Eltern seien? Worauf der Junge bald antwortete: er wäre eines Priesters Sohn zu Wasserburg, hätte seines Vaters täglichen Ungestüm nicht länger ertragen können u. s. w. Als nun Doktor Faust aus seinen Reden und allen Anzeichen abnahm, daß er eines gelernigen und zugleich verschmitzten Kopfes sei, nahm er ihn zu einem Famulus an und hatte ihn hernach sehr lieb, hauptsächlich, da er nach und nach an ihm wahrgenommen, wie er ganz verschwiegen war und keine Schalkheit seines Herrn offenbarte, ja selbst voll böser Lüste steckte. Darum eröffnete er ihm einst alle seine Heimlichkeit und ließ ihn überdies eines Tags seinen Geist in der gewöhnlichen Mönchsgestalt sehen, worüber jener nicht erschrak, sondern die Erscheinung bald gewohnt wurde. Ja, er verrichtete hernach alle Sachen, wie ihm der Geist befahl, so wohl und mit solchem Fleiß, daß ihn sein Herr, Doktor Faustus, so liebgewann, daß er ihm vor seinem Tod in seinem Testament alle seine Verlassenschaft vermachte.
Nun Faust einen menschlichen Aufwärter bekommen, konnte er seinen schwarzen Zauberhund Prästigiar, der auch ein Geist war, entbehren und schenkte ihn einem Abte zu Halberstadt, der selber ein Kristallseher war. Dieser Hund war nun in allem dem Abt gehorsam, deswegen er ihn auch sehr liebhatte; nach Verfluß eines Jahres aber verfiel er in ein großes Winseln und Seufzen, wollte sich nicht sehen lassen und verbarg sich, wo er nur konnte; der Abt fragte ihn deswegen: wie es doch käme und wie er's meine? Da gab ihm der Geisterhund zur Antwort: »Ach, lieber Abt, ich habe vermeinet, ich wolle sehr lang in deinem Dienst verharren, aber ich sehe es leider und weiß es, daß es nicht sein kann und ich also vor der bestimmten Zeit von dir scheiden werde, das wirst du bald und in kurzem erfahren, die Ursach' aber verschweig ich für dieses Mal!« Wie dem allen sein mochte, ehe acht Tage um waren, fiel der Abt in eine hitzige Krankheit und starb im Aberwitz.
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Einstmals besuchte Doktor Faustus wieder mit einigen Studenten, seinen vertrauten, guten Freunden, die Leipziger Messe. Es kam aber eben damals auch daselbst ein vornehmer Kardinal namens Campegius an, dem erwies der Magistrat der Stadt alle Ehre. Dieser fuhr des andern Tags aus der Stadt mit seinen Leuten an einen nahe gelegenen luftigen Ort, frische Luft zu schöpfen; weil nun Faust solches erfuhr und er ihn auch gerne sehen wollte, ging er mit seiner Gesellschaft zu Fuß hin an denselbigen Ort.
Doktor Faustus gedachte bald bei sich, wie er auch hier sich mit seiner Kunst zeigen und diesem Herrn etwas zu Gefallen tun möchte, damit er von ihm bei seiner Heimkunft zu Rom etwas zu sagen hätte. So sprach er denn zu seinen Gesellen: »Liebe Herren und Freunde, in Ermanglung anderer Kurzweil will ich diesem Fürsten zu Ehren eine sonderbare Jagd anstellen, die doch dem Landesfürsten in seinem Gebiet und den daran haftenden Rechten nicht nachteilig sein soll; Ihr aber bleibet allhier stehen und sehet zu.«
Bald darauf zog daher sein Mephistopheles, mit vielen Hunden begleitet, und auch er ging einher wie ein Jäger; Doktor Faustus setzte sein Hörnlein an und blies: zur Stunde sah man in der Luft daherfahren bald einen Fuchs, bald einen furchtsamen Hasen, welche denn, beide gleichfalls in der Luft, Mephistopheles mit den Hunden, Doktor Faust aber mit seinem Hörnlein immer nachfolgten. Die Hunde ängstigten und trieben die Füchse und Hasen bald so weit in die Höhe, daß man sie kaum mehr sehen konnte, bald kamen sie wieder herab und hatte der Kardinal, der ohnedies dem Jagen sehr ergeben war, darob eine sonderliche Freude; dies währte fast eine Stunde, alsdann verschwanden die Jäger, die Hunde, die Füchse, die Hasen, und Doktor Faust fuhr wie aus der Luft herab an den Ort, wo seine Gesellen standen und zuschaueten. Dies sah auch der Kardinal, ließ seiner Diener einen dahin eilen, um zu fragen, wer doch diese Person wäre. Da ihm nun hinterbracht wurde, daß es der Doktor Faustus wäre, von welchem er bereits viele wunderliche Abenteuer erzählen gehört, erfreute er sich und ließ ihn durch einen Edelmann bitten, daß er auf den Abend sein Gast sein und mit seiner Tafel fürliebnehmen wolle.
Als Doktor Faust erschienen, erzeigte ihm der Kardinal allen geneigten Willen, versprach ihm, wenn er mit ihm nach Rom kommen wolle, daß er ihn allda zu einer hohen Würde befördern wollte, denn er gedachte, sich seiner als Wahrsager zu bedienen. Faust aber bedankte sich höflich und setzte stolz hinzu: Er habe Guts und Hoheit genug, denn ihm sei der höchste Fürst der Welt untertänig. Und damit nahm er unter vielen Reverenzen Abschied von dem Kardinal.
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Der löbliche Kaiser Maximilian kam auf einige Zeit mit seiner ganzen Hofhaltung nach Innsbruck, Willens, eine Zeitlang da zu verharren und frische Luft zu schöpfen. Weil nun Doktor Faustus auch dazumal seiner Kunst wegen bei Hof sich aufhielt und ein anderer probehalber bei Ihrer Kaiserlichen Majestät in besonderen Gnaden war, geschah es einst im Sommer nach Jakobitag, da der Kaiser das Nachtessen eingenommen hatte und in seinem Zimmer auf und ab spazierte, daß er den Doktor Faust allein zu sich kommen ließ und begehrte, er soll ihm vermittels seiner Kunst etwas zu Gefallen ausrichten, es werde ihm, bei Seinem Kaiserlichen Wort, nichts Arges deswegen widerfahren, sondern er wolle es noch mit allen Gnaden erkennen.
Doktor Faustus konnte und wollte ein solches Ihrer Kaiserlichen Majestät nicht abschlagen, und der Kaiser sprach hierauf weiter: »Ich saß neulich in meinen Gedanken und betrachtete in meinem Gemüte, wie meine Vorfahren so hoch in der Kaiserlichen Würde und Hoheit gestiegen und zu einem solchen Ansehen bei der Nachwelt gelangt sind, daß ich billig Sorge trage, ob die nachfolgenden Kaiser gleicher Ehre möchten teilhaftig werden; aber was ist dieses alles gewesen gegen die Hoheit und das Glück Alexanders des Großen, der fast die ganze Welt in so kurzer Zeit unter sich gebracht hat? Nun möchte ich herzlich gern den Geist dieses unüberwindlichen Helden wie auch seiner schönen Gemahlin, wie sie in dem Leben gewesen, sehen und kennen.« Doktor Faust antwortete nach einem kleinen Bedacht, er wolle dieses alles bewerkstelligen ohne einen Betrug, nur dieses bäte er Ihre Kaiserliche Majestät, daß sie ja während der Zeit dieser Vorstellung nichts reden sollten, welches jener auch versprach. Faustus gehet indessen vor das Gemach hinaus, erteilt seinem Mephistopheles Befehl, diese Personen vorstellig zu machen, und geht wiederum hinein. Bald klopfet er an die Türe, da tat sich diese von selbst auf, und herein schritt der große Alexander, wiewohl nicht groß von Person, jedoch strengen Ansehens; dazu hatte er einen falben Bart; er trat herein in einem ganz vollkommenen köstlichen Harnisch und machte dem Kaiser Reverenz, dieser aber wollte sofort dem Herrn Bruder die Hand bieten und sprang deswegen von seinem Stuhl auf. Faust aber trat eilig dazwischen und verhinderte es.
Als nun Alexanders Geist wieder von dannen gegangen, kam alsobald der Geist der Königin, seiner Gemahlin, herein. Diese machte ebenfalls vor dem Kaiser eine tiefe Reverenz, war angetan mit himmelblauem Samt, über und über mit orientalischen Perlen besetzt; sie war dabei eine über alle Maßen schöne Frau, lieblichen Ansehens und holdseliger Gebärden, daß sich der Kaiser recht über solcher Schönheit verwunderte. Zugleich fiel ihm ein, wie er öfters von dieser schönen Königin gelesen, daß sie hinten an dem Nacken eine Warze gehabt haben sollte. Er stand daher auf, die Wahrheit dessen zu erfahren, und ging hin zu ihr, und als er die Warze gefunden, ist auch der Geist hinausgegangen: also ist dem Kaiser hierin ein völliges Genüge geschehen, und er bedachte den Schwarzkünstler mit einem recht kaiserlichen Geschenke. Dieses nun wollte Doktor Faust mit Dankbarkeit erwidern und Ihrer Majestät noch eine besondere Ergötzlichkeit verschaffen. Nachdem kurz hierauf eines Abends der Kaiser Maximilian zur Ruhe gegangen und sich in sein gewöhnliches Schlafgemach verfüget, konnte er sich frühmorgens, da er erwachte, nicht besinnen, wo er doch wäre: denn das Schlafgemach war durch Doktor Fausts Kunst zugerichtet als ein schöner Saal, in welchem viel schöne luftige Bäume von grünen Maien zu beiden Seiten standen, neben andern, die behängt waren mit zeitigen Kirschen und anderem Obst; der Boden des Saals war anzusehen als eine grüne Wiese von allerlei bunten Blümlein; um des Kaisers Bettstatt aber standen noch edlere Bäume, als Pomeranzen, Granaten, Feigen und Limonien, mit ihren Früchten: auf dem Gesims waren zu sehen die allerwohlriechendsten Blumen, und an den Wänden hingen bereits zeitige Trauben.
Leicht ist zu glauben, daß solche unverhoffte Veränderung seines Schlafzimmers den löblichen Kaiser werde haben recht verwundern gemacht, welches denn auch Ursache war, daß er etwas länger als sonst in dem Bette verharret. Er stand aber hernach auf, tat seinen Nachtpelz um sich und setzte sich nahe bei dem Bett auf einen Sessel: indem hörte er lieblichen Gesang der Nachtigall, den anmutigen Zusammenklang anderer singenden Vögel, die denn immer von einem Baum auf den andern hüpften; auch sah er von ferne zu Ende des Saals schneeweiße Kaninchen und junge Hasen laufen; und bald darauf überzog das obere Tafelwerk ein Gewölk. Als nun der Kaiser diesem allem begierig zusah und solchergestalt im Saal sich verweilete, gedachten die Kammerdiener, wie es doch kommen möge, daß ihr allergnädigster Herr vom Bett nicht aufstehe, es müsse ihm etwa eine Unpäßlichkeit zugestoßen sein; sie erkühnten sich deswegen und öffneten sittiglich die Türe des Schlafgemachs: allwo sie denn nicht allein ihren Herrn den Kaiser bei guter Gesundheit antrafen, sondern aus der herrlichen Luft allda abnehmen mußten, was die Ursache des Verweilens gewesen: der Kaiser aber ließ alsobald die Vornehmsten am Hof zu sich berufen, die sich denn ebenfalls ob der Zierlichkeit und Lustbarkeit des Saals nicht genugsam verwundern konnten. Allein nach etwa einer Stunde und ehe sie sich dessen versahen, fingen die Blätter an den Bäumen an, welk zu werden und zu verdorren, wie auch die Früchte und Blumen; bald aber kam ein Wind zum Gemach herein, der wehete alles ab, so gar, daß der ganze Zauber in einem Augenblick vor ihren Augen verschwunden und ihnen nicht anders war, als hätte es ihnen geträumt. Dem Kaiser hatte die Lustbarkeit dieses zugerichteten Saals so wohl gefallen, daß er eine gute Weile in Gedanken sitzend nachdachte, wer doch solche zugerichtet haben möge; und als, wie natürlich, sein Verdacht auf Doktor Faustus fiel, ließ er ihn zu sich berufen und fragte ihn, ob er der Meister dieses Werkes gewesen? Doktor Faust demütigte sich und sprach: »Ja allergnädigster Herr, Euer Kaiserliche Majestät hat mich kürzlich wegen eines erwiesenen Kunststücks mit einer ansehnlichen Verehrung begnadigt, dagegen ich mich denn auch, wiewohl schlecht genug, habe müssen dankbar erweisen.« Darob der Kaiser ein gnädiges Wohlgefallen getragen.
Nun ward eines Tages Doktor Faust inne, daß der Kaiser einigen fremden Gesandten und andern Herren zu Ehren ein kostbares Bankett auf den Abend zugerichtet hatte, wobei auch das Frauenzimmer zugegen sein mußte. Es wollte aber bei solcher Fröhlichkeit Doktor Faustus seine Kurzweil auch mit einmengen, wohl wissend, daß es hoherorten nicht mißliebig sein würde. Er brachte es deswegen durch seine Kunst dahin, daß in dem großen Saal, wo das Mahl gehalten wurde, dem Ansehen nach ein Gewölk hineinrauschte, etwas trüb, gleich, als wenn es bald regnen wollte, bald aber darauf trennte sich dieses Gewölk, mit Weiß und Blau gemischt, also daß es herrlich anzusehen war; der Himmel stund da ganz blau, und ließen sich die Sterne daran in voller Klarheit sehen, auch nahm man den Mond in vollem Scheine wahr: etwa eine Viertelstunde hernach überlief das Gewölk wieder, und die Sonne tat einen starken Blitz, daß sich alle versammelten Gäste kreuzigten, bald aber einen schönfarbigen Regenbogen der kaiserlichen Tafel zugehen sahen, der jedoch bald wieder verging. Als nun Doktor Faustus vermerkt, daß bereits der Kaiser und mit ihm die vornehmsten Herren von der Tafel aufgestanden, die Damen aber und die sie bedient und ihnen aufgewartet sich noch etwas aufhielten, siehe, da überlief das Gewölk durch einen starken Wind abermal und erschien sehr trübe, da es denn bald anfing zu blitzen und zu donnern, ja zu kieseln und stark zu regnen, so daß alle, die in dem Saal zugegen waren, davonlaufen mußten; welches denn dem Kaiser alsobald angedeutet wurde, der, nach einigem Schrecken, wohl inne ward, daß das Wetter ohne Schaden abgegangen und nur ein durch Kunst des Doktor Faust zugerichtetes Gewitter gewesen. Und so hatte er ein besonderes Wohlgefallen auch an dieser Kurzweil.
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Einst kam einer von Adel nach Leipzig, und als ihm in dem Wirtshaus über der Tafel von andern erzählt wurde, wie Doktor Faustus, der berühmte Schwarzkünstler, verstorben, und zwar ein erbärmliches Ende genommen hätte, da erschrak hierüber dieser Edelmann von Herzen und sprach: »Ach, das ist mir sehr leid, er war dennoch ein guter, dienstfertiger Mann, und mir hat er eine Wohltat erzeigt, deren ich die Zeit meines Lebens nimmermehr vergessen kann. Es war dazumal mit mir so beschaffen: als ich vor sieben Jahren noch ledigen Standes und unverheiratet war, auch zur selbigen Zeit zu Wittenberg Studierens wegen mich aufhielt, lernte ich unter andern Freunden auch Doktor Faust kennen, und zwar so, daß er mich, ohne Ruhm zu reden, vor andern recht liebte und mir wohlwollte. Nicht lang hernach wurde ich auf den Ehrentag eines Verwandten nach Dresden eingeladen, auf welchem ich auch erschien, aber ich weiß nicht, zu meinem Glück oder Unglück; denn ich kam in ein Verhältnis mit einer adeligen, schönen, tugendbegabten Jungfrau, die mich auch in Züchten ihre Gegenliebe merken ließ, so daß nach der Einwilligung unserer beiderseitigen Verwandten in kurzem daraus eine Heirat ward. Als ich nun etwa ein Jahr in aller Vergnüglichkeit, in friedsamer Ehe lebte, da ward ich einst von zweien meiner Vetter verführt, die Lust hatten, das Heilige Land zu besehen, daß ich trunkenerweise, jedoch bei Edelmannswort zusagte, daß ich mit ihnen und anderen Gesellen dahin reisen wollte; ich hielt auch dies Versprechen unverbrüchlich, und meine Hausfrau, wie sehr sie sich auch dawidersetzte, mußte doch solches endlich geschehen lassen.
Es starben aber nach kaum halb vollbrachter Reise etliche von uns und kamen, kurz zu sagen, mit Mühe und Arbeit nur unser drei an den verlangten Ort; um nun in der Welt auch noch mehr zu sehen, wurden wir darüber einig, unsern Weg über Griechenland nach Konstantinopel zu nehmen, um des Türken Wesen desto besser einzusehen; allein bei einem Engpaß, durch den wir reisen mußten, wurden wir für Kundschafter angesehen, darüber gefangen, und, mit einem Wort, wir mußten unser hartseliges Leben in schwerer Dienstbarkeit fünf ganze Jahre zubringen. Der eine meiner Vettern starb hierüber und kam über Venedig die Sage nach Deutschland zu den Ohren meiner Freunde wie auch meiner Ehefrau, daß ich gewiß gestorben wäre. Nun fanden sich, wie leicht zu glauben, bald Freier, die sich um meine Frau bewarben, und ließ sich auch diese nach halb geendigter Trauer von einem wackern Edelmann aus der Nachbarschaft bereden, daß sie das Jawort gab und also zur andern Ehe schreiten wollte, wie denn bereits zur hochzeitlichen Feier Anstalt gemacht wurde. Allein was geschiehet?
Diesem meinem alten guten Freund und Bekannten, dem Doktor Faust, kommt beides zu Ohren, daß ich nämlich wäre in der Türkei verstorben und daß daher meine Ehefrau sich wieder in ein anderes Eheverlöbnis mit einem von Adel eingelassen hätte; er hatte nun meines vermeinten Todes wegen mit mir ein großes Mitleiden, zumal daß ich in so schwerer Dienstbarkeit solle verstorben sein: fordert deswegen seinen Geist zu sich, fragt ihn, ob dem also wäre, wie die Sage von mir ginge? Ob ich tot oder noch am Leben wäre? Und als er von dem Geist vernommen, daß ich nicht tot sei, jedoch noch immer in harter Dienstbarkeit lebe, daraus ich ohne Zweifel so bald nicht würde erlöst werden, befahl er von Stund an diesem seinem Geist, daß er sich aufmachen, mich von da erlösen und wieder in mein Vaterland bringen sollte; welches alsobald Mephistopheles zu leisten zusagte und auch redlich gehalten. Denn er kam in Fausts Gestalt, eben um die Mitternachtsstunde, da ich wachend auf der Erde (denn dieses war mein Bett) gelagert war und mein Elend betrachtete, zu mir hinein, und es war um ihn gar helle; ich erschrak und fürchtete mich, den Mann recht anzusehen, erkühnte mich doch dessen einmal, und es dünkte mich, ich sollte diesen Mann zuvor mehr gesehen haben. Er fing aber mit mir an zu reden, darüber ich mich erfreute, weil ich ihn für ein Gespenst hielt, und sprach: »>Kennest du deinen alten Freund, den Doktor Faust, nicht mehr? Wohlauf, du mußt mit mir und dich nach ausgestandenem Leid wiederum ergötzen.« Ich kam also von da schlafend getragen in des Doktor Fausts Behausung nach Wittenberg, der empfing mich mit Freuden, zeigte mir zugleich an, wie sich meine Ehefrau bereits vor einem halben Jahr mit einem andern Edelmann verlobet und am dritten Tag die Hochzeit sein sollte; es wäre demnach große Zeit, mich eilig bei derselben einzustellen, wie ich denn auch folgenden Tags getan. Meine Ehefrau erschrak nun zwar bei meiner Ankunft nicht wenig und wußte nicht, ob ich ihr leibhaftiger Mann oder aber sein Geist wäre, weil jedermann glaubte, daß ich vorlängst schon der Würmer Speise worden. Weil ich aber meiner Liebsten genügsame Anzeichen sehen ließ, ob schon die Menge der Trübsale meine Gestalt um ein Merkliches verändert, ihr auch den ganzen Verlauf meiner fünfjährigen Gefangenschaft sowie die erfreuliche Erlösung aus derselben erzählte, so fiel sie mir zu Füßen, bat demütig um Verzeihung, ließ alsbald unser beider Verwandtschaft berufen und entdeckte ihr meine Wiederankunft, erklärte auch darauf selbst, daß sie das zweite Verlöbnis für nichtig und ungültig erkenne. Diesem Ausspruche fiel die ganze Sippschaft bei, und weil der Edelmann an das Gericht appelierte, so bestätigte denselben auch der Richter. Eine solche Wohltat nun, ihr Herren, hat mir der gute Doktor Faustus erzeigt, welche ich ihm die Zeit meines Lebens nicht werde genugsam verdanken noch rühmen können.«
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Als einst die erfreuliche Fastnachtszeit herbeigekommen, berief Doktor Faust etliche Studenten, seine vertrauten Brüder und Freunde, traktierte sie aufs beste, und dieses währte bis in die Nacht hinein. Obwohl nun für dieses Mal kein Mangel an irgendeinem Getränk erschien, gelüstete doch den Doktor Faust, eine kurzweilige Fahrt anzustellen, und weil ihm nicht unbewußt war, daß zu jener Zeit der Keller des Bischofs zu Salzburg mit den besten und delikatesten Weinen vor andern versehen war, richtete er seine Gedanken gleich dahin und eröffnete deswegen solch Vorhaben den andern mit der Bitte, sie sollten mit ihm in jenen Keller fahren und allda nur die besten Weine, gleichsam zu einer Ablöschung und Abkühlung, versuchen, er wolle ihnen für alle Gefahr gut stehen.
Den Herren Studenten ging dieses, weil sie Doktor Faust schon lange kannten, daß er's nicht bös mit ihnen meinte, desto eher ein, sie ließen sich leichtlich bereden und waren damit zufrieden. Alsobald führte sie Doktor Faustus hinab in seinen Garten am Hause, nimmt eine Leiter, setzt einen jeglichen auf einen Sprossen und fuhr also mit ihnen davon; und sie kamen gleich nach Mitternacht in dem bischöflichen Keller zu Salzburg an; da sie denn bald ein Licht schlugen und also ungehindert die besten und herrlichen Weine auszapften und versuchten. Als sie nun sämtlich fast bei einer Stunde guten Mutes waren, lustig einer dem andern auf die Gesundheit des Bischofs ein Glas nach dem andern zubrachte, siehe, da kommt der Kellermeister, und eröffnet, ohne an etwas anders zu denken, die Türe des Kellers; will, weil ihn und seine Gesellen der Durst nicht schlafen ließ, noch einen Schlaftrunk holen: findet also die nassen Bursche allda zechen, die an nichts wenigers gedachten, als wie sie einen guten Rausch so wohlfeilen Kaufs möchten mit sich nehmen. Es war nun beiderseits Entsetzen und Furcht; der Kellermeister erkühnte sich jedoch letztlich und schalt sie Diebe, denen ihr Lohn bald werden sollte: wollte auch gleich zurücklaufen und ein Geschrei machen, daß Diebe vorhanden wären. Dieses verdroß nun den Doktor Faust gar sehr und noch mehr, da er sah, daß seine Mitgesellen gar kleinmütig zu werden begannen wegen der ihnen drohenden Strafe; er ermahnte sie daher zum eiligen Aufbruch und befahl, es sollte ein jeder seine Flasche, die er vorher schon mit gutem Wein gefüllt hatte, mit sich nehmen und die Leiter ergreifen, er aber nahm den Kellermeister bei dem Haar und fuhr mit allen zugleich davon. Sie zogen aber (wie nachmals der Kellermeister ausgesagt) aus dem Keller in die Höhe, und da sie kurz hierauf über einen Wald hinfuhren, ersah Doktor Faust einen hohen Tannenbaum, auf diesen nun wurde der vor Furcht und Schrecken halbtote Kellermeister gesetzt; Faust aber kam mit seinen Burschen und dem Wein wieder nach Hause; da sie dann erst recht herumzechten, bis der Tag anbrach.
Wie dem guten Kellermeister indessen, bis der Tag angebrochen, auf seinem Baum müsse zumut gewesen sein, ist leichtlich zu erachten, zumal er nicht gewußt, wo und in welcher Gegend er wäre, dazu schier erfroren war: als aber der sehnlich verlangte Morgen anbrach und er nun augenscheinlich sah, daß er ohne Lebensgefahr nicht von dem hohen Baum kommen würde, rief er ohne Unterlaß mit heller Stimme so lang und viel, bis zwei vorübergehende Bauern, welche in die Stadt gehen und etwas von Schmalz und Käse verkaufen wollten, solches vernahmen und also mit höchster Verwunderung diesen Vogel in den Tannenzweigen pfeifen hörten. Die Bauern, weil der Kellermeister ihnen eine gute Verehrung zu geben versprach, eilten desto mehr der Stadt zu, wo sie solches verkündigten, bis sie letztlich gar nach Hofe kamen, allwo sie denn zuerst keinen Glauben fanden, bis man ihnen wegen der Abwesenheit des Kellermeisters, auch der noch halbgeschlossenen Tür im Keller, Glauben geben mußte; weswegen eine große Menge Volks sich aus der Stadt mit den Bauern dorthin verfügte, wo der Kellermeister saß, welcher denn mit großer Mühe und Arbeit herabgebracht werden mußte. Sosehr man aber mit Fragen ihm zusetzte, so vermochte er doch nicht zu sagen, wer die Diebe gewesen, so er im Keller angetroffen, noch denjenigen zu nennen, der ihn auf den Baum geführt und in solcher Gefahr daselbst gelassen hatte.
Es verfügten sich auch genannte Studenten in der Fastnacht am Dienstag in des Doktor Faust Behausung und hatten sämtlich sich vorgenommen, der Zeit das Recht zu tun und die Fastnacht in aller erdenklichen Lust und Freude zu halten; wozu denn ihnen ohne allen Zweifel Doktor Faustus jeglichen Vorschub tun würde, denn sie wußten wohl, daß er gar freigebig war, wenn er nur selbst hatte, und sich freute, wenn jemand in solchem Vorhaben zu ihm kam: allein sie wurden in ihrer Meinung gar sehr betrogen, weil sie bei dem Nachtessen nichts anders als eine Schüssel mit gesottenem Rindfleisch, auch keinen Wein sahen, ja gar nichts, was man sonst bei solcher Fastnachtszeit Gutes zu speisen und den Gästen aufzutragen pflegte. Es sah immer einer den andern an und konnten nicht begreifen, wie solches gemeint wäre, gedachten aber wohl, daß es Doktor Faust auf eine Schalkheit abgesehen habe, welches auch bald sich auswies. Denn er ließ kurz hierauf den Tisch aufheben, einen neuen bereiten und sprach zu ihnen: »Ihr, meine lieben Herren und angenehmen Gäste, ich bitte, Ihr wollet mir zugut halten, daß ich Euch zum Nachtessen nicht bessere Gerichte hab lassen vortragen, nichts anders als ein Stück Rindfleisch und einen schlechten Trunk, das ist aber die Ursache gewesen, daß dieses von dem Meinigen und aus meinem Beutel gegangen. Nun aber wollen wir erst recht lustig sein und die liebe Fastnacht einweihen und der Gebühr nach halten, und dieses soll nicht aus meinem Beutel gehen, sondern, weil jetzund zu dieser Zeit große Potentaten und Herren Gastereien und herrliche Mahle halten, also will ich meinen Teil auch dabei haben, es sei ihnen lieb oder leid.« Darauf stellte Doktor Faustus drei Flaschen, eine zu fünf, die zwei andern jede zu acht Maß, in seinen Garten und befahl seinem Geist Mephistopheles, daß er darein ungarischen, welschen und spanischen Wein füllen solle, desgleichen setzte er fünf platte Schüsseln hinaus, darin brachte der Geist nach etwa einer halben Stunde Wildpret und Gebratenes noch fein warm herein: also setzten sie sich sämtlich zu Tische, und sprach ihnen Doktor Faustus zu, sie sollten fröhlich und guter Dinge sein, denn es sei keine Verblendung, sondern seien recht natürliche Speisen und Getränke, wie sie es denn auch gefunden haben; denn sie verfuhren mit Wein und Speisen dergestalt, daß nicht viel von allem übergelassen wurde und sie ganz toll und voll fast gegen den Tag erst nach Hause gegangen.
Am folgenden Aschermittwoch als der rechten Fastnacht kamen diese guten Brüder abermal zu Doktor Faust, gaben vor, sie müßten der Zeit ihr Recht tun und also wieder anfangen, wo sie es gestern gelassen hätten; und weil Doktor Faust sich recht fröhlich noch einmal erzeigen wollte, ließ er den Tisch decken, mit Bitte, vorliebzunehmen, was man auftragen würde. Nebst zwei Braten wurde auch in die Mitte ein schöner großer, gebratener Kalbskopf aufgesetzt und der Studenten einer gebeten, solchen zu zerlegen. Als aber dieser das Messer ansetzte, fing der Kalbskopf mit lauter Stimme an zu rufen: »Mordio, Helfio, Auweh, was hab ich dir getan!«, daß die Studenten recht von Herzen darüber erschraken; weil sie aber sahen, daß Doktor Faust schier vor Lachen ersticken wollte, konnten sie bald erraten, wie es damit beschaffen sein müsse, und lachten deswegen auch mit.
Indessen fing Doktor Faust sein Gaukelspiel an, die Gemüter seiner Gäste zu erlustigen: erstlich hörten sie in der Stube allerhand musikalische Instrumente, da man doch nicht sehen noch wahrnehmen konnte, wo es herkäme; ja, sobald ein Instrument aufgehört, kam ein anderes; wenn dann die Violin etwa einen lustigen Tanz machte, da sprangen und hüpften die Gläser und Becher auf dem Tisch, und so einer oder der andere den Becher, damit der Wein, seiner Meinung nach, nicht verschüttet würde, mit der Hand festhalten wollte, mußte er auch mithüpfen, so daß ein großes Gelächter entstand. Nach solcher Kurzweil nahm Doktor Faustus zehn irdene Häfen, die stellte er mitten in die Stube: da huben die an zu tanzen und aneinanderzustoßen, daß sie in Stücke zerbrachen. Zum dritten ließ er einen Haushahn im Hofe fangen, den stellte er auf den Tisch; als er ihm aber zu trinken gab, hub er an, ganz natürlich zu pfeifen und Tänze zu machen. Darnach richtete Doktor Faust wieder eine Kurzweil an und legte eine Harfe auf den Tisch; da kam ein alter Aff' in die Stube herein, der machte viel gute Possen darauf und tanzte dazu sehr zierlich.
Weil nun mit solchen und andern Späßen etliche Stunden von dem Mittag an verlaufen, die Zeit aber zum Abendessen bereits vorhanden war, so wurden sie zu solchem berufen, da doch der Gäste keinen hungerte, außer daß zwei oder drei nach einem Gerichte Vögel gelüstete: da nahm Doktor Faust eine Stange, die reichte er zum Fenster hinaus, pfiff zugleich aus einem Pfeiflein; alsbald kamen viele Trosteln und Krammetsvögel hergeflogen, welche auf der Stange saßen, und die mußten bleiben; diese nahm er denn herein, und die Studenten halfen solche würgen und rupfen, der Famulus aber briet sie. Nach dem Nachtessen und als man die Küchlein aufgetragen, beschlossen sie, daß sie miteinander in die Mummerei gehen wollten, wie denn gebräuchlich war, und zog ein jeder auf Geheiß Doktor Fausts ein weißes Hemd an: als aber die Studenten einander ansahen, bedünkte einen jeden, er habe keinen Kopf, gingen also miteinander in etliche vornehme Häuser, Fastnachtküchlein zu holen; darob denn die Leute sehr erschraken: nachdem man aber solche Gäste, der Gewohnheit nach, zu Tische gesetzet, hatten sie ihre erste Gestalt wieder, und man kannte sie; bald aber wurden sie abermal verändert und bekamen rechte Eselsohren, großmächtige Nasen u. s. f., das trieben sie bis in die Mitternacht hinein, da sie dann voll und toll nach Hause zogen.
Als am Donnerstag, den folgenden Tag, Doktor Faust noch immer seine Fastnacht hielt und die Studenten wieder beieinander versammelt waren, traktierte er sie wie des vorigen Tags, fing auch seine Gaukelei wieder an, und so kamen in die Stube herein dreizehn Affen, diese gaukelten so wunderbarlich, daß dergleichen nie gesehen worden: denn sie sprangen immer einer auf den andern und tanzten darnach in einer Reihe um den Tisch herum, dann sprangen sie zum Fenster hinaus und verschwanden.
Weil es aber damals fast den ganzen Tag über geschneit hatte und also ein dicker Schnee lag, rüstete Doktor Faust mit Zauberei einen schönen großen Schlitten zu, der hatte eine Gestalt wie ein Drache, auf dessen Haupt saß Faust selber und mitten innen die Studenten; dabei waren vier Affen, auf dem Schwanz des Drachen sitzend, die gaukelten aufeinander, ganz lustig zu sehen, unter welchen einer auf der Schalmei pfiff, der Schlitten aber lief von sich selbst, wohin sie wollten; dies währte lang in die Nacht hinein, mit solchem Klappern, daß einer vor dem andern nicht hören konnte, und sie gedachten sämtlich, sie hätten in der Luft gewandelt.
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Doktor Faustus verbrachte indessen, je näher das Ende seines Bündnisses herzu nahete, je mehr und mehr nach Sankt Epikurs Regel, ein rohes, sicheres und wüstes Leben, daß er das tägliche Vollsaufen, Spielen und Buhlen für seine höchste Ergötzlichkeit hielt. Er sah aber zu dieser Zeit in seiner Nachbarschaft eine schöne, doch arme Dirne, welche vom Land herein in die Stadt gekommen und sich in Dienste bei einem Krämer begeben hatte; diese gefiel nun Doktor Faust über die Maßen wohl, daß er nach ihr auf allerlei Weise und Wege trachtete und sie zu eigen haben wollte. Die Jungfrau aber wollte niemals, was man ihr auch versprechen mochte, in seinen sündlichen Willen sich fügen, sondern sie blieb ehrlich und wollte nur von der Ehe hören. Dazu rieten dem verliebten Faustus denn endlich auch seine guten Brüder und Freunde: der Geist Mephistopheles aber, als er dieses vermerkte, sprach unverzüglich zu Doktor Faust: was er nunmehr, da die versprochenen Jahre bald zu Ende sein würden, aus sich selbst machen wolle? Er solle gedenken an seine Zusage und sein Versprechen, zudem, so könne er sich in keinen Ehestand einlassen, dieweil er nicht zwei Herren zugleich dienen könne. »Denn der Ehestand ist ein Werk des Höchsten, den wir Teufel aufs höchste hassen und verfolgen. Derohalben, Fauste, siehe dich vor: wirst du dich versprechen zu verehelichen, so sollst du gewiß von uns zu kleinen Stücken zerrissen werden. Denke doch bei dir selbst, wie der Ehestand eine so große und schwere Last auf sich hat und was jederzeit für Unlust daraus ist entstanden, Unruhe, Widerwillen, Zorn, Neid, Uneinigkeit, Sorge, Zerstörung der fröhlichen Herzen und Gemüter und was dessen mehr ist.«
Dem allen gedachte zwar Doktor Faustus eine Weile nach, er wollte aber doch auf seiner Meinung verharren, wendete auch das Rauhe heraus, und sagte dem Geist: »Kurzum, ich will mich verehelichen, es folge gleich daraus, was da wolle«, gehet damit hinweg und in seine obere Stube. Was folgte aber hierauf? Alsbald gehet ein großer Sturmwind seinem Hause zu, als wollte er's zugrunde werfen, es sprangen inwendig alle Angel der Türen auf, und ward das Haus voller Feuer. Doktor Faust lief die Stiege hinab, wollte die Haustüre suchen und davonlaufen, da erhaschet ihn ein Mann, der warf ihn zurück wie ein Ballen in die Stube hinein, daß er weder Hände noch Füße regen konnte; um ihn her ging allenthalben Feuer auf, gleich als ob er jetzt verbrennen sollte; er schrie in diesen Nöten zu seinem Geist um Hülfe, er sollte die Gefahr nur diesmal von ihm abwenden; dann wolle er versprechen, hinfort in allem nach seinem Willen zu leben.
Da erschien ihm der Fürst Luzifer ganz schrecklich und leibhaftig, so grausam anzusehen, daß Faust auch seine Augen vor ihm zuhielt und seines elenden Endes gewärtig war. Darauf ließ sich Luzifer also vernehmen: »Sage nun an, weß Sinnes bist du?« Doktor Faustus, ganz kleinmütig und erschrocken, auch mit zugetanen Augen, antwortet: »O du gewaltiger Fürst dieser Welt, verlängere mir meine Tage, du siehest, daß ich ein verkehrtes, wankelmütiges Menschenherz habe, daß ich auf andere Gedanken, welche dir zuwider sind, gefallen bin, hab aber das Werk noch nicht erfüllt; deswegen bitte ich dich, du wollest noch zur Zeit nicht Hand an mich legen, ich kann bald andern Sinnes werden.« Der Satan gab hierauf die Antwort mit kurzen Worten: »Wohlan, siehe zu, daß dem also sein möge, und beharre darauf, das sage ich dir bei meiner Gewalt«; und also verschwand er samt dem Feuer.
Damit nun der elende Doktor Faustus seinen Lüsten genügsamen Raum geben und er also des Verheiratens ganz und gar vergessen möchte, gibt ihm der Satan den Gedanken ein, wie er doch die schöne Helena aus Griechenland, von welcher noch heutigen Tags die Welt so viel zu sagen weiß, nicht allein sehen, sondern gar zu einer Liebsten bekommen möchte. Eines Morgens frühe forderte er deswegen seinen Geist zu sich und entdeckte ihm sein Vorhaben, mit der Bitte, es dahin zu bringen, daß hinfüro die schöne Helena, Königs Menelaus Gemahlin, um welcher willen die herrliche Stadt Troja zugrunde gegangen, in ebender Gestalt, wie sie im Leben gewesen, sein eigen werden möchte: welches denn der Geist zu tun versprach.
Des andern Tags meldet Mephistopheles dem Doktor Faust an, daß er nun seinem Begehren ein Genüge zu tun bereit wäre und ihm die schönste Griechin selbiger Zeit herbeischaffen wollte, mit welcher er die folgende Zeit seines Lebens in aller Ergötzlichkeit zubringen möchte: und folgte ihm also die Königin auf dem Fuße nach, so wunderschön, daß Doktor Faust nicht wußte, ob er bei sich selbst wäre oder nicht. Diese Helena erschien denn in einem köstlichen Purpurkleid, ihr Haar hatte sie herabhängen, welches herrlich goldfarb schien, auch so lang war, daß es ihr bis in die Kniebeuge herabhing, mit schönen, kohlschwarzen Augen, holdseligem Angesicht und lieblichen Wangen; sie war eine schöne, länglichte, gerade Gestalt, und war kein Tadel an ihr zu finden. Als nun Doktor Faustus solches alles sah und wohl betrachtete, hat diese verzauberte Helena ihm das Herz dermaßen eingenommen und gefangen, daß er zur Stunde in heftiger Liebe gegen sie entzündet wurde und mit ihr bald anfing zu scherzen, ja nachgehends sie wie sein eigenes Weib hielt und sie so liebgewann, daß er schier keinen Augenblick von ihr sein konnte noch wollte und also dabei alles Verehelichens vergaß. Etliche Monate strichen indessen vorbei, als ihm einst von ihr berichtet wurde, daß sie ihm ein Kind gebären würde. Faust hielt dieses für unmöglich, denn er wußte ja, daß sie keine natürliche leibhafte Person wäre.
Nachdem er aber gesehen, daß sie fast zu Ende des Jahrs von Geburtsschmerzen überfallen wurde, auch bald darauf eines Sohns genesen, erfreute er sich höchlich darüber und nannte ihn Justus Faust. Welcher aber hernach, nach seines Vaters elendem Tode, zugleich mit seiner vermeinten Mutter verschwunden.