Ernst Schulze
Die bezauberte Rose
Ernst Schulze

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An die geneigten Leser.

Der unterzeichnete Herausgeber des beliebten Taschenbuchs Urania, beseelt von dem Wunsche, dasselbe immer schöner und würdiger auszustatten und ihm einen über den kurzen Zeitraum eines Jahres hinausreichenden und möglichst bleibenden Werth zu verschaffen, glaubte durch Preisaufgaben in verschiedenen Dichtungsgattungen diesen seinen Zweck zu befördern und machte daher im April 1816 eine Aufforderung bekannt, aus der wir hier so viel mittheilen wollen, als zur Beurtheilung der Aufgabe selbst, der wir das herrliche Gedicht » die bezauberte Rose« verdanken, erforderlich ist.

»Jedem Freunde der deutschen Poesie,« hieß es darin, »wird sich die Bemerkung aufdringen, daß wir bei einer Menge von Dichtern doch wenige Gedichte besitzen, die, zwischen den größern epischen und dramatischen Darstellungen und den kleinen lyrischen Gattungen die Mitte haltend, durch das Interesse des reichhaltigen Stoffs sowol, als durch den Reiz einer gediegenen Kunstform zu stets wiederholtem Genusse einladen, und statt flüchtig und gleichsam spurlos vorüberzugehen, den Verstand und das Gemüth auf gleiche Weise befriedigen. Diese Wahrheit hat sich mir zunächst bei näherer Ansicht unserer Taschenbücher und Musenalmanache dargeboten, in denen wir Lieder, Sonette, Oden, Elegien, Romanzen u. s. w. in Ueberfluß finden, welche allerdings, in so fern sie vom wahren poetischen Leben durchdrungen sind, ihren eigentümlichen Werth behaupten; dagegen fehlt es fast ganz an gehaltvollen Gedichten von größerem Umfang, und wir haben, abgesehen von einzelnen hinreichend bekannten Meisterwerken, in der bezeichneten Art, in Vergleich mit der englischen und französischen Literatur, verhältnißmäßig nur wenig aufzuweisen. Ohne auf Pope, Buckingham, Roscommon, Boileau, Voltaire, Gresset und andere ältere Dichter von entschiedenem Werth zurückgehen zu wollen, nenne ich nur einige neuere, als Laharpe, Malfilâtre, Delille, Parny, Legouvé, Mollevaut, Millevoye, Victorin Fabre, Hayley, Walter Scott, Byron u. s. w., die, wenn sie auch nicht als höchste Muster gelten können, doch mehr oder weniger wahres Verdienst haben.

Der Wunsch, das bei mir erscheinende Taschenbuch Urania mit einem immer reichern und gehaltvollern Inhalt auszustatten, hat mich auf den Gedanken geführt, obige Bemerkung zu einigen Preisaufgaben zum Behuf des genannten Taschenbuchs zu benutzen, und alle, die sich der Gunst der Musen erfreuen und die Urania mit ihrer Theilnahme zu begünstigen geneigt sind, zu Versuchen in folgenden drei Gattungen einzuladen:

  1. in der poetischen Erzählung, wobei Stoff, Gattung und Einkleidung der Wahl des Dichters überlassen bleibt;
  2. in der Idylle, d. h. der poetischen Darstellung unschuldiger und glücklicher Menschen, sie mag nun rein ideal, oder mehr oder minder aus der Wirklichkeit entlehnt sein;
  3. in der poetischen Epistel aus dem Gebiet des Lebens oder der Kunst, wobei nur die Heroide ausgeschlossen, dagegen eine didaktische Tendenz als besonders willkommen bezeichnet wird.

Die Wahl der Versart, so wie die ganze äußere Form und Einrichtung, bleibt billig der freisten Willkür des Dichters überlassen; in Ansehung des Umfangs, der einem solchen Gedichte zu geben sein möchte, haben mir Pope's Lockenraub (798 V.) und Versuch über den Menschen (1304 V.) vorgeschwebt. Doch kann diese Bestimmung bei den Schwierigkeiten, welche die harmonische Begrenzung eines Kunstwerks hat, die einzig durch sich selbst bedingt wird, nur andeutungsweise gemacht sein, und soll damit keineswegs ein festes Maß angegeben sein.«

Diese Aufforderung erregte in ganz Deutschland die lebhafteste Theilnahme, und es gingen bis zu dem festgesetzten Termine in allen drei Gattungen zahlreiche Gedichte ein, welche um die ausgesehen Preise warben.

Als das schönste unter allen ward von den Preisrichtern schnell und einstimmig » die bezauberte Rose« erkannt, und als Verfasser fanden wir bei der Eröffnung der Devise den uns noch wenig bekannten Namen Ernst Schulze in Göttingen.

Der Unterzeichnete beeilte sich, dem herrlichen Dichter zu seinem Siege Glück zu wünschen; aber je größer seine eigene Freude über diese zarte und duftige Blume, die in der deutschen Poesie unverwelklich bleiben wird, gewesen war, um so niederschlagender und wahrhaft schmerzlich war ihm die Nachricht, die ihm schnell darauf wurde, daß der Dichter – nicht mehr lebe und ihm nur wenige Tage vor seinem Tode die Nachricht von seinem Triumphe und der Anerkennung seines Talentes zugekommen sei.

Der verehrte Lehrer und Freund des jungen Dichters, Herr Hofrath Bouterwek in Göttingen, gibt in einer Biographie, welche den gesammelten größern und kleinern Gedichten unsers Dichters, die im Laufe dieses Sommers bei dem Unterzeichneten herauskommen, vorangeht, genauern Bericht über den Eindruck, den die Nachricht von dem erhaltenen Preise auf den Sterbenden gemacht hat. Hier führen wir nur aus dieser Biographie an, daß » die bezauberte Rose« auf Veranlassung der Preisaufgaben ist gedichtet worden, ein Umstand, der von dem Unterzeichneten nicht ohne einige Genugtuung vernommen werden konnte.

[ . . . ]

Leipzig, den 15. Mai 1818.

Brockhaus.


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