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Rußige Herzen …

Der Kundler Berg, das ist ein Luder, und wer das nit wahrhaben will, das ist unmöglich ein gescheiter Mensch. Alle Kundler sagen es drum auch, daß der Bracher Bauer frisch recht hat, wenn er einen Kreuzweg neben den Gangsteig dahinauf gestiftet hat. – –

Es ist in der besten Sommerzeit, die Vögel jubelieren, der Wald duftet, und es soll sicher heut noch ein heißer Tag werden. Die Kundler Achen hört eins wenigstens bis herauf mitt am Berg rumoren.

Zwei gehen grad an der Materlwand vorbei bergauf. Das Diendl hat eine hübsch schwere Krax, und der Bua, der bei ihr ist, das ist ein Grüner; zu was hätt er wohl sonst seine Büx? Seinen Hund sieht eins für's erste gar nit. Mein Gott, so ein Hundvieh, das hat den Weg eh vier-, fünfmal zwischen die Füß …

»Diendl,« nimmt sich der Jäger ein Herz, »gib mir doh deine Kraxn. I trag leichter wie du.«

Das Diendl, die Nanni vom Schröckl, lacht fast ein bißl.

»Gelt, passen täts dir, Jager, wenn ein Diendl so wenig heben tät …?«

»Ah was. Es gehört si nit, daß unsereins leer daneben geht und du einen Sack Salz am Buckel«, mault der Jager.

Dem Diendl ist die Red aber nett gleich, das siggst auf hundert Stund.

Eine Viertelstund weiter oben beim guten Wasser setzt sich die Nanni ins Moos und die Krax neben ihr. Da wird einmal verschnauft und ein Bröckl Speck und Brot schnabuliert, weil das g'sund ist zu dem Wasser. Der Jager redet auf die Dirn ein …

»Teigel,« tut die Nanni mit eins, »eine kranke Kuah wär längst schon g'sund, dunkt mi.« Ihr ist das Anrehren zu dumm worden.

Der Jager zerbeißt sich die Zung, aber statt zu reden, greift er itzt nach der vollen Krax und meint: »Gehn wir wieder, 's ist g'scheiter … nit?«

»Ist recht, daß d' heut so Eil hast, Ferdl«, lacht die Nanni mit einen überwendlichen Blick.

Der Ferdl will wieder reden, aber es redet sich hart, wenn's gar so steil ist und das Diendl Maulweh hat. Endlich kann er seinen Zorn hart mehr verwinden, denn so oft er wieder anfangt, ist die Nanni bei einer ganz andern Sach. Das wird ihm einmal zu viel.

»Weißt, Dirn, stolze,« schreit er fast, »Dummstellen ist Kunst keine. Dir glaubt's eh kein Spatz …«

»Ganz unrecht hast nit, Jager«, lacht die Dirn übermütig. »I schau lang nit so dumm aus, wie i bin, gelt?«

»Nit reden laßt sich mit dir …«, ist der Ferdl in der Hitz.

»Jeder Spatz kennt, wer zu ihm g'hört; itzt erst … ein Jager …« tut die Dirn mitleidig.

»Soll das heißen … han …?«

»Haltaus, Bua, hitziger. I muß itzt dahinauf. Gib mir meine Kraxn wieder. Du gehst eh gegen die Stiegn …«, fahrt ihm das Diendl zwischen durch.

Es hat eigentlich recht. Aber ganz so billig soll's nit frei werden, hat sich der Jager vorgenommen.

Er stellt die Krax am Boden, als ob er's Folgen bei den Kapuzinern g'lernt hätt. Wie die Nanni aber danach greift, meint er halb lachend, halb begehrlich: »Was zahlst nachher fürs Tragen?«

»Ja, hab i dir's etwan geschaffen …?« ist die Nanni auf.

»Geschaffen oder nit, Müh ist die gleiche«, meint der Bua.

Da zieht die Nanni voll Spott ein Gesicht.

»Das ist nit Diendlgeld«, tut der Ferdl, wie er die seltsame Dirn anschaut.

»Ja …?!«

»Ein Bußl will i, verstehst?« ist der Jager auf.

Davon will die Dirn schon rein gar nix wissen. Der Bua aber ist voller Hitz und reißt sie her. Itzt und itzt pappts nachher, das Bußl. Da aber zieht die Nanni aus, und geklatscht hat es, daß der Fuchs rein vor Schreck davongelaufen ist.

Der Jager ist ja brennrot vor Zorn und will die Dirn greifen.

»Rühr di, du Lump, grüner … Meinst, i fürcht mi vor einen Buam, der, wenn der die Büx nit bei ihm hat, überhaupts keiner ist?« Hoch aufgerichtet steht die Stöcklnanni in der Waldeinsamkeit vor den Menschen. Das Diendl ist völlig im Augenblick größer geworden, und ihre Faust droht so fest und so ohne jede Furcht, daß der Bua, der üble, einfach voll wütigen Hohn laut auflacht, umdreht und seinen Weg zwischen die Füß nimmt.

Fürs erste schneidet sich das Diendl ein Trumm von einen Stecken und geht mit wogender Brust bergauf. Heller Zorn durchzittert sie und unmöglich scheint's, will die Nanni ruhig werden. Ganz unmöglich. Zuletzt fangt sie gar laut an zu schelten, als ob die Tann was dafür könnten.

Schon fast oben bei der Alm kommt ihr ein Almer entgegen. Er hat auch eine Krax, und vier große Käs sind drauf. Sie sieht ihn gar nit kommen, so schimpft sie noch immer.

»Grüß di, Nanni«, hört sie mit eins, und fast zu Tod erschrocken ist sie. »Was schimpfst denn so? Hat dich der Kuckuck genarrt, oder was …?«

Wie sie den Menschen kennt hat, ist sie arg verlegen worden, die Stöcklnanni.

»Mei, Thommerl, es hat eins halt oft so Täg, gelt«, tut sie nach langem.

Ihre Hand hat der Bua beim Grüßgott heilig bald zerdruckt, aber die Nanni hat gar nix geachtet. Und dann muß sie erzählen vom Kundler Dorf und so Sachen halt …

»Dein Muatterl laßt di schön grüßen, Thommerl«, meint sie nach einem Zeitl.

»Ist recht, Diendl. Ist sie g'sund, die Muatter?«

»Fehlt nix, Bua. Ein Packtl Tabak hat sie mir für dich mitgeben.«

Die Nanni kann nit zu, sie muß die Krax auf'n Boden stellen, und drum tuts der Thommerl halt auch. Und so dauerts nit lang, da hocken die zwei im Moos und erzählen.

Das Diendl ist grad mit eins wieder ruhig worden und reden hat sie wieder können, rein vom Mühlbach muß sie das gelernt haben. Sonst wär's einewegs nit möglich. Lieb und nett plauscht sie vom zehnten und hundertsten.

Auf einmal schießt ihr ein b'sunderer Gedanken durch den Kopf.

»Du Thommerl,« meint sie mit eins, »z'wegen was bist denn du von der Fremd auf einmal wieder da?«

»Bin eh sieben Jahr fortgewesen«, tut der Thommerl langsam und still für sich hin. »Muatterl kann i nimmer länger allein lassen.«

»Ah so … Hast schon recht, Bua. Mein Gott, die Haut, die arme. Ihr eigner Bua jagt sie zum Haus aus …«

»Weißt, i mein, ganz arg ist's ihm nit zu verübeln. Er hat's ja nit tan. Seine Bäuerin ist schuld dran. Und g'fehlt hat der Muatter ja nix nit. Jedes Jahr hab i ihr alle Monat sex Gulden geschickt … sie hat schon leben können …«

»Das ist g'wiß schön von dir, Thommerl«, meint die Nanni herzig. »Alle im Dorf sagen das, aber mußt recht verstehen, wundern tun sie do alle, wie du auf die Weis' überhaupts in der Fremd zu einem Geld kommen kannst …«

»Aber Diendl, schämst di nit«, redet der Bua verhalten. »Meinst nit, daß einem das Segen bringt? Ob i die vierhundertzweiunddreißig Gulden versauf oder Muatterl schick, wo sie die paar Kreuzer braucht … Geh, Diendl, dumms, du tätest nett das gleich. So kenn i di schon.«

»Ja, ja,« überlegt das Diendl, »aber hast wohl so viel verdient in der Fremd …«

»Die ersten zwei Jahr ist's schon hart gangen. Nit zum glauben wie hart. Und oft und oft hab i überlegt, ob i nit wenigstens einen Gulden von den sexen behalten sollt … Schau Diendl, die Sach ist ja die. In der Fremd brauchst Glück, sonst bist derschossen so und so. Was tun die Leut nit alles, damit s' grad ein bißl Glück haben. Und i – verstehst – i hab gar nix tan. Rein gar nix. Nur meinem Muatterl hab ih das bißl Geld fleißig g'schickt. Und grad armdick ist's Glück zu mir kommen.«

»Das gönn i dir, Thommerl«, klingts warm neben ihm. »Du verdienst ein recht großes Glück.«

»Großes Glück«, meint der Thommerl so ruhig, wie's oft seine Weis' war, »das ist so und anders. Etli Leut heißen's ein großes Glück, wenn s' zehntausend Gulden g'winnen. I heiß das eine patschete Sach und mehr nit …«

Das Diendl neben ihm schaut grad auf. Wohl, wenn itzt der Bua so dumm daherredet.

»Schau, einem Tiroler Bauernbuam wird das Geld nit in's Maul rinnen. Wenn's geht, wie's soll, ist's häuftig gnua. Wer da mehr will, ist ein Aff. Denk einmal. Als Schweizer hab i gut verdient, höllisch gut. Sogar ein halbes Jahr auf die Kieler Molkereischul hab i gehen können. Dann ist da ein kleiner Handel und dort einer. Mit'n Vieh ist hübsch was gangen und halt so Sachen. Ist alles ganz langsam, tröpferlweis' dahergeronnen, aber ein kleines Bachl ist's halt doch worden …« Und froh schaut er hinaus gegen Tal, weil die Tann grad eine Luck lassen.

»Nachher hast halt damisch g'spart, Bua?« redet das Diendl dazwischen.

Hellauf muß der Thommerl da lachen.

»Soll das etwan schon eine Kunst sein für einen notigen Tiroler Bauernbuam? Wo du's daheim auch nit besser g'wöhnt bist, dein Lebtag?«

»Dös halt i nit für g'wiß. Mußt denken, Thommerl, draußt in der Stadt, in der Fremd, da sixt alles zu viel …«

»Da hast nit unrecht, Nanni«, gibt ihr der Bua zu. »Aber da hat mir eine andere Sach übern Zaun geholfen. Mußt denken, die Kraft, die vom ersten selberersparten Hunderter ausgeht, du, Diendl, das kannst dir einfach nit vorstellen. I will dir was für g'wiß sagen, Nanni. Wenn da alle Kundler Burschen jeder hundert Gulden selber gespart haben, dann ist die Welt überhaupts nimmer zum kennen …«

»Das versteh i nit, Thommerl. Wirst schon recht haben«, tut das Diendl neben ihm und schaut den Baum immerlings pfeilsgrad ins G'sicht, das heißt, wenn er grad nit herschaut, der Thommerl. Endlich meint sie ziemlich verhalten:

»Ja, wodrum hast du dir denn nix gekauft? Wie d' wiederkommen bist, sind ja zwei Höf angestanden?«

»Das will i dir sagen, Nanni«, ist der Bua auf. »I muß zuerst die Leut wieder auf ein neues kennen lernen. Und nachher will i selber sehen, ob i die Kraft hab, die i brauch …«

Das Diendl kann sich das nit deuten. Und wie der Bua das sieht, erklärt er's ihr auch schon.

»Siggst, das Jahr verdien i so zweihundertvierzig Gulden. Dadavon müssen zweihundert in die Kassa. Siggst, und derschaff i das, dann weiß i ganz g'wiß, wie stark i bin … verstehst …?«

Als die Stöcklnanni später in der Almhütt war, greift sie das Packtl Tabak, das sie dem Thommerl hätt bringen sollen. Ist schon ganzgar aus, wie eins oft so … Und selber muß sie lachen …

Etli Wochen drauf ist der Stöcklbauer nach'm Essen nit aus der Stub. Gar gewartet hat der Bauer, bis alle Ehhalten draußt waren. Endlich war's so weit.

»Du, Nanni, Diendl z'wieders, geh her da. Muß dir was sagen«, fangt er mit eins an und stellt sich vor die Tür, damit niemand einerkann.

Seine Nanni schaut ja auf hellverwundert, denn so hat der Vater nie noch geredet. Am g'scheitesten dunkt sie's alleweil einmal zuhören und still sein. Und so schaut sie halt zu dem alten Mann auf mit Augen, die der Gwunder rein umbringt.

»Ja, was i will, Nanni …«, tut der Vater langsam und unmöglich findet er weiter mit der Red.

Endlich wird's dem Diendl zu dumm.

»Was ist's nachher, Vater?« fragt es.

So druckt und druckt der Bauer: »Der Rohrmoser von Breitenbach möcht auf B'schau kommen …«

Jetzt ist's wenigstens heraus. Ein Enztrumm ist ihm von der Seel gefallen, den Bauern.

Die Nanni meint, ein Geist steht vor ihr. Rein nimmer hauchen hat sie mehr können.

»Ja, Vater, das weiß i …«

»Mir paßt der Mensch. Nimm ihn, sag i dir …«

Jetzt blitzt's bei der Dirn auf.

»Tua i etwan müssen, Vater?«

»Abelei, Diendl, dumms. Aber wirst schon selber so g'scheit sein«, ist der Bauer beim Wort.

»Nachher ist die Sach ausg'redet, Vater. Der Rohrmoser ist mir z'dumm.«

»Aber Geld hat er. Sei do g'scheit, Nanni!« meint der Vater.

»Z'dreckig ist er mir auch, Vater«, tut das Diendl, als ob's in der Christenlehr wär.

»Das gewöhnst ihm ab.«

»I bin koa Kinderwieg'n nit.«

»Alsdann magst nit?«

»Na, Vater. Tua mir's nit verschmachen, aber i, weißt, brauch oan zum Gernhaben und oan, der g'scheiter ist wie i.«

»Teufl, und i's ihm verhoaßen«, ist der Bauer auf.

»Dös ist z'wider. Aber i kann dir nit helfen. Weil i's g'wiß weiß, daß i ihm in den ersten vier Wochen davonlauf.«

Da tut der Bauer einen langen, langen Pfiff. Und lauernd klingt's:

»Hast leicht schon einen?«

Das macht die Dirn übermütig und sie lacht hellauf: »Zehn an jeden Finger, Vater, sag lieber.«

»Du, das lugst Dirndl, so weit kenn i di …«

»Nachher lug i's halt. Ist weiter nix dabei, ein bißl lugen.«

Der Bauer geht aus der Stub. Zrütt mit sich selber und do wieder heimlicherweis' stolz auf seine Nanni.

Den andern Tag reden die Weiberleut beim Essen vom Heiraten. Die Nanni hat gar gemeint, sie wär die Scheib dazu. Aber das hat sie bald gesehen, das ist sie nit. Dadazu haben die Weiberleut einmal zu dumm dahergeredet. Mitt' in dem Diskurs fahrt die alte Hauserin der Henndirn übers Maul:

»Sei stad, was verstehst denn du!« schreit sie fast. »Freili gibt's ein Mittel, wodrauf sich eins verlassen kann, wenn's heiraten will.«

»Da wär i einmal neugierig,« tut die Dirn, »denn mit'n Maul sind so junge Dinger alleweil ein Trumm voraus.«

Aber andere am Tisch meinen auch, der Gwunder bringt sie um, wenn sie nit redet, die Hauserin.

Und so redet sie halt:

»Wenn du einen Buam heiraten willst, schau ihm nit zu fest auf den Schnauzer. Merk dir's, wie der Bua mit seine Eltern umgeht, so wird er mit dir auch umgehen, bald amal die Schönheit dahin ist.«

Da muß der Bauer völlig lachen. »Traudl, g'scheit bist«, meint er und haut mit'n nassen Löffel auf'n Tisch, daß das Tischtuch einen Enzfleck kriegt. –

Der Sommer war schlecht. Viel zu viel Regen. Aber in der Grummetzeit ist die Sonn brav und heiß. Auf'n Feld ist viel zu tun, und jede Faust ging einem Bauern in der Zeit ab. So hat die Nanni auch verhöllt raggern und werken müssen. Sie hat's weiter auch nicht ungern tan. Aber müd ist sie oft rechtschaffen gewesen.

Dann kommt die Zeit, wo die Küh auf der Alm die Köpf zusammenstecken und heimlicherweis' ausmachen, daß sie nimmer bleiben wollen. Und weil ein gescheiter Mensch einer Kuah nachgibt, so tun die Bauern um die Zeit abtreiben.

Der Tag, den das Vieh gegen Tal geht, ist lab, recht lab. Zwischen durch regnet's, und die Küh halten die Köpf zum Boden, daß die Glocken gar nit so hell klingen.

Der Hüaterbua, aufputzt wie ein Narrenturm, springt voran, damit die Küah ja den Weg nit fehlen. Mitten zwischen geht der Almputzer, und am End kommt der Thommerl. Auf der Krax hat er die Handzentrifug.

Herunt, wo der Berg aufhört, steht der Bauer und seine Nanni neben ihm.

Wie die ersten zehn Kuah vorbei sind, fangt sein Gesicht schon zu glanzen an; das wird immer ärger. Und jetzt kommt der Thommerl.

Einen Schritt entgegen geht ihm der Bauer.

»Thommerl, fein hast dein Vieh beinander«, sagt er mit ausgestreckten Händen.

Der Senn freut sich, aber der Bauer laßt ihm dazu keine Weil.

»Deine Hand magst ihm schon geben, stolzes Diendl«, mault der Bauer seine Nanni an.

Die wird brünnrot und haltet sie hin, ihre Hand. Da wird der Thommerl auch brennend. Grad daß es der Bauer nit wahrnimmt.

Dann war's wieder wie alle Tag.

Das Leben will jeden, auch den Bauern, in lauter kleinwinzigen Dingen zerdrücken. Dreiviertel aller Arbeit sind so langweilige kleinwinzige Ding. Aber 's ist nit anders. G'macht müssen sie werden, weil's eh nix anders sind wie die Stiegn im Turm, die zur Glock führen. Machst sie nit die kleinen Ding, hörst es nie froh läuten, nie. Das ist bei der Bauernarbeit nett akkrat so wie bei der Herrenarbeit.

Es ist was b'sunders. Je besser du die hundert und hundert klein langweiligen Ding in der Bauernschaft machst, desto größer kommt dann der Segen. Meinen möchtest, grad für'n Hennbuam sind die Ding da, wegstoßen möchtest sie. Aber weit gefehlt, sie gehören zur Sach wie das Rohr zum Brunn …

Die Adventmessen haben schon angefangen, und der Thommerl hockt grad einmal bei seinem Muatterl, das auch so ein Rorateweibel war, wie oft eine Alte im Dorf. Und bei der Milchsupp steigt der Alten der Wunder auf.

»Itzt red einmal, Bua«, fangt die Muatter an. »Willst dir nit bald was kaufen? Geld ist ja da. Hast ja einewegs mehr Glück wie sonst was gehabt, Thommerl …«

»Da bin i nit brennend, Muatter«, lacht der große Bua.

»Aber geh, du kommst doch auch itzt in die Jahr, wo eins ein Diendl …«

»Meinen tätest fast«, zuckt der die Achseln. »Aber weißt, Muatterl, mit'n Diendlvolk kann i nit umgehen. I woaß nit, wie tuan …«

Die Muatter schaut grad auf. Und lachend meint der Thommerl:

»Ja, du bist schuld, Muatter. Alles hast mir g'lernt, grad das nit.«

»Unfurm du«, muß sie selber lachen.

Dann ist's still ein Zeitl. Endlich redet die Muatter wieder:

»I tät dir halt raten, schau dir itzt um eine, die du gern hast, und dann kauf dir was. Eine, die was hat, natürlicherweis'.«

Grad aufspringt der Bua:

»Nix liabers wie das, Muatter«, schreit er fast und greift sein Hüatl. Grad im Augenblick ist der starke Mensch bei der Tür draußt, so ist er windig (zornig).

Und draußt lauft der Thommerl dem Stöckl in die Händ.

»Du,« fangt der gleich an, »du könntest mir einen G'fallen tuan.«

»Zehn für ein«, lacht der Bua wieder.

»Zwei Jungküah brauch i. Geh, schau di um.«

Das will er auch und gern.

Zwei Wochen später ist der Thommerl auf dem Weg von Liensfeld herauf. Dort hat er die beiden Jungküah gefunden. Ein Stuck außern Bach – wer geht durch den Schnee daher? Die Nanni vom Stöckl. Wie er sie kennt, wird er rot, und die Dirn hat gar wollen auf d' Seit schauen.

Da redet er sie an voll lauter Nitmeinen. Ihr Vater muß es do zu wissen kriegen, daß die zwei Küah …

An der Straß ist eine kleine Kapelln. So v'l g'fierig zum unterstehn, es kommt der Wind nit zu, und der Schnee nit … Grad mit eins waren die zwei Leut auf der einzigen Bank vor der Mutter Gottes.

Der Thommerl hat Neuigkeiten, einen ganzen Sack voll. Das merkt die Nanni gleich.

»Alsdann, Diendl,« fangt er langsam an, »heut hab i zweihundertvier Gulden von dem Jahr in der Sparkass', und jetzt mag i's schon riskieren, hab i denkt, und hab den Liesner kauft. Sind siebenundvierzig Jauch Grund, und 's Haus ist gut beinand.« Seine Augen glühen und brennen wie's beste Jochfeuer. Sie brennen sich in das Diendlherz hinein, aber der Bua druckt der Nanni grad die Hand und immer wieder grad die Hand, und es ist, als ob er immerlings ins eigne Herz hineinlosen wollt.

Wenigstens sehen alle beide nit, daß von der Scheferol wer daherkommt. Der Mensch sieht einen tolen Stecken aus der Kapell herausschauen, und da faßt ihn der Wunder. Flink schaut er durch das kleine Rundfensterl hinein und kennt die zwei Leut grad mit eins. Es ist der Jagerferdl. Völlig einen Riß gibt ihm das, was er sieht. Die Faust streckt er hoch und halblaut vor sich murmelt er hin: »Ah, hab i di itzt, Diendl, feins! Ah so wohl! … Wart grad … das will i dir ankreiden, du stolze Gredl für einand.« Und dann ein langer Tapper hinter die Stauden und fest in den Schnee geduckt.

Er hat wohl no ein Zeitl warten müssen, der Jager. Endlich ist die Sach halt doch ausg'red't in der Kapelln, und das Diendl geht dem Dorf zu.

Gleich drauf kommt der Thommerl zum Vorschein. Der geht übers Brückl, und seine Luxaugen sehen rein alles, so sieht er halt den Jager im Schnee.

Ohne Arg fangt er zu lachen an:

»Ho, Jager, bist beim Mausfangen? Itzt im Winter? Schamst di nit? …«

Da macht der Ferdl zornige Augen.

»Teufelschwanz, itzt hast mir den Fuchs vergrämt. Verdammter Loter!« schreit er mehr als er redet und geht zornig gegen den Berg.

Der Thommerl weiß sich rein nit zu helfen. Jetzt soll er dem Jager gar den Fuchs g'schreckt haben … Aber im nächsten Augenblick war das vergessen. Mein Gott, so ein Nannidiendl, da vergißt eins leicht solche Ding …

Wie den gleichen Tag die Hauserin beim Stöckl schlafen gehen will, sieht sie die Nanni am Herd im Dunkeln wehe Augen machen.

»Ja, Diendl, hat's die leicht bei der Falten …?« meint sie verwundert und mitleidig.

Da tut das Diendl grad einen lauten Rehrer.

»Wer ist's nachher, Nanni?« will die Hauserin fragen.

»Wenn er nix nit sagt, der dumme liebe Bua, der. I seh's, daß er mi gern hat und i hab ihm ja auch … Aber koa Wort redet er … I kann doch nit anfangen …«

Und hellauf heint die Nanni ins Fürtuch. Das Heinen ist halb Wut, halb Weh, aber bitter, gallbitter ist's ganz und gar.

»Wer ist's nachher, Nanni?« fragt die mitleidige Hauserin. Da aber kommt's dem Diendl wieder – Stolz und Bestimmtheit.

»Ah na, ehvor die Kirch koa Doch nit hat, predigt der Pfarrer nit«, tut sie.

»Aber sei nit so. 'leicht könnt i helfen …«

Da schupft die Nanni die Achseln. Gütigkeit, von einem Ehhalt sich helfen lassen …

Und wie die Hauserin das sieht, meint sie grad nur: »Bet fleißig, 'leicht bringt dir's Christkindl …«

»A hölzernes Poppele, meinst«, höhnt die Nanni voller Verzweiflung.

Und die ganze Nacht hat das Diendl nit schlafen können. Freilich, wenn sie itzt g'wußt hätt, daß no einer nit schlafen kann, 'leicht wär ihr's leichter worden. Ist oft einmal so was b'sunders in der Welt, wo die Schuh überall nach den Füßen und nit, wie so ein Diendl gern meint, nach'n Kopf g'macht werden …

Der Thommerl hat rein ganz vergessen, der Muatter zu erzählen, daß er heut beim Liesner kauft hat. So was, nit …? Rein vergessen hat der Schwanz …

Ja mein, das ist in Tirol eine alte Sach. Wenn wo zwei Herzen brennen, so ist in den Köpfen Kalk. Sonst hätt das Brennen ja koan Sinn nit, gelt? …

Der Jagerferdl hockt beim Neuwirt, bis ihn der Edenstraßer, der Wirt, gar hoamgehen schafft. Und hübsch einen zusammbracht hat er, der Mensch. Naß füttern, das hat der Ferdl sonst konnt, aber, mei, im Ärger, da draht's einem viel leichter.

»Ah was, ein Räuschl ist koa Fieber«, hat er sich in der Fruah tröstet. Und wenn er nit so verdammt Haarweh g'habt hätt, wär der Trost auch heilsam g'wesen. Aber so …

So ist er auf seiner Kammer g'hockt und hat trachtet und trachtet unter Achizen und halben Heinen. Erst in der Finster ist er wieder durchs Dorf. Und dasmal sucht er seine Kameraden auf. Und ganz außt im Dorf, wo der heimliche welsche Weinausschank ist, sind die Buam alle zusammen kommen. Da ist bald ein Lachen losgangen wie um Fastnacht.

»Aber's Maul halten, Buam!« tut der Jager ein um's andre Mal.

»Aber, Mensch, wir sind do keine Lampl …«, versichern sie alle und gehen lachend heimzu.

Im Bett ist dem Jagerferdl die Wut kommen. Laut redet er, er erstickt ja fast: »Vorn ganzen Dorf soll die stolze Dirn blamiert sein. Vorn ganzen Dorf. Alle Leut müssen lachen und spotten über die kreuzbrave Stöcklnanni. Alle …«

Das Leintuch zieht sich der lange Mensch über den Kopf und fangt zu lachen an, daß es ihn grad schüttelt … »Wart lei …, du Gredl, du dumme, du heilige, dir will i morgen ein Lichtl anzünden, daß alle Leut grad hellauf …, du …, dir werd i die Watschen heimzahlen … Verlaß di grad drauf, scheinheiligs Ding du …!«

Am Adam- und Evatag haut der Stöcklbauer auf den Tisch.

»Diendl«, schreit er mehr, als er redet, »was magst itzt zum Christkind?«

Ist die Nanni für den Augenblick still. Der Vater zwingt sie mit den Augen, und da schießt ihr die Gall übers Herz: »Was i gern möcht, Vater, kannst mir nit geben. Und aufs andere pfeif i.«

»Saggara Diendl, wo hast denn du dir den Haufen Schneid kauft?« ist der Bauer lachend. Gleich wird er aber wieder ernst. »Ist schon wahr, Nanni,« tut er, »du verdienst schon was vom Christkind. So wie du das Jahr her g'schafft hast, wie du überall g'scheit und fest zu'griffen hast, wo sich was greifen laßt, das ist nett. Wenn d' a mein Diendl bist, was wahr ist, muß wahr bleiben. Sag, was magst?«

Ein bißl Freud zaubert die Red doch in das zerschlagene Diendlherz. »Ist gut, Vater,« meint die Nanni besinnlich nach einer Weil, »ist gut. I werd mir's holen, bald i's brauch. Gelt?«

Der Bauer ist's zufrieden. So zufrieden, daß er gar bis zur Metten einen Napfizer Nur ein Viertelstündlein. tun geht.

Draußen liegt der Schnee so voller Glanz und Harscheit, daß es grad eine Pracht ist. Völlig vergnügt schaut die Haustochter durchs Fensterl. Die Bäum haben auf der Windseit'n spannhoch Schnee und ihre Äst seufzen und zittern unter der weißen Last. Dazu, es ist eine freudige Winternacht. Im Sterngefunkel glitzert frisch alles auf.

Endlich kommen die Leut von den Bergen herunter. Ihre Laternen leuchten müd und heimlich durch die dunkle Welt. Geisterhaft schleichen sie dem Dorfe zu. Die Nanni hätt wohl lang so zugeschaut, aber für sie wird's auch langsam Zeit, und so sperrt sie endlich das Haus ab, weil sie rein die letzte ist vor lauter Trachten und Sinnieren. Ist die einsamen Stunden doch ein gräußl was geruhsames in ihr gewesen, bis jetzt die Haustür zuschnallt. Da ist alles wieder verwischt. Grad wie ein Stich ins Herz war ihr der Schnaller. Und das hat die Dirn nimmer los'bracht, um alles nimmer. Bei der Metten hat sie schon koa gräußl nix bet't. Immerlings hat sie an den dummen, dummen, lieben Buam denken müssen. Wenn der Herrgott nit woltern viel Einsehen mit so einen dummen Tiroler Diendl hat, nachher hat die Nanni gar so weit nimmer bis in die Höll. Das muß sie selber merken. Froh, zu tot froh war sie, daß 's aus war und gar. Als sie endlich durch die Kirch aus hoamzu geht, macht sie das nur noch verzagter … Dumpf schlaft sie ein und wie ein Stock liegt sie die ganze Nacht.

In der Früh wird sie wach. Drunt vorm Haus hört sie Leut lachen. Und jeder, der neu kommt, lacht von neues. Da ist sie voll Wunder, und grad im Augenblick ist die Nanni gerichtet.

Kaum steht sie in der Kuchl, schlagt die Hauserin die Händ übern Kopf z'samm.

»Da hast itzt die Mett'n!« schreit sie. Und der Vater ist auch gleich um die Weg.

»Ho, Nanni!« schreit er zwischen zornig und wütig, »seit wann hast denn du den Thommerl zum Buam?«

»Ih!? Ja, was fallt enk denn ein, Vater?«

»Lüg du den Teufel an. Vorm Haus ist ein Herz aus Ruaß und ein rußiger Faden geht bis zum Thommerl sein Haus. Dort ist das zweite Herz«, erzählt der Vater. »Herrgott, morgen weiß es das ganze Unterland, daß mein Diendl ein G'spusi mit'n Thommerl hat. Höllt …«

Da will sein Diendl vor Scham in die Erd sinken. Aber in den bessern Tiroler Bauernhäusern ist in der Kuchl koa Erdboden. Ein Kreuz so was, gelt …

Anders ist's um die Zeit beim Thommerl zugangen. Sei Muatterl hat das rußige Herz vor'n Haus gesehen und kommt gesprungen:

»Itzt bist do einmal aufmaar, Offenkundig. Thommerl«, tut sie zwischen Ärger und Lachen. »Eine Liabschaft hast, Bua.«

»Bist verr…?« ist der Bua reinewegs überfahren.

»Ja, schau grad vorn Haus ist ein rußiges Herz im Schnee gemalt und ein rußiger Faden geht zu dein Diendl …«

»Ja, Kreuzteufel! …« schreit der Bua und ist in einem Satz dahin …

Immer den rußigen Strich nach, bis er zum Stöckl kommt. Da will dem starken Buam das Herz in die Hosen fallen.

Drin aber im Haus heint die Nanni. »Und wo der Bua nie nix g'sagt hat, Vater«, tut sie.

»Ja, magst ihn nit? Kost't grad eine Red, Diendl«, ist der Bauer wild.

»Wohl. Wohl, Vater. Aber i kann do nit reden …«

Da muß der Bauer selber lachen. Indem geht die Tür und der Thommerl steht in der Kuchel.

Der helle Zorn glost beim Bauern auf. Zum Glück stoßt ihn die Hauserin und tuschelt: »Du, Bauer, die Nanni hat ein Christkind guat von dir.«

Das macht ihn ruhiger.

Da redet der Thommerl:

»In Gottsnam, Bauer, tua mir's grad verzeihn. I kann nix dafür. Ganz g'wiß nit.«

»So, nix dafür kannst!« schreit der Stöckl, und herstehn tuat er, als wollt er ihn niederschlagen. »Daß d' itzt mei Diendl in aller Leut Mäuler 'bracht hast … das gilt etwan nit, han?!«

»Ja, was muß i denn grad tuan, Bauer? Alles, gar alles will i tuan.«

Der Bauer fuchtelt mit die Händ durch die Luft. Und das gießt dem Buam Kraft ins Herz.

»Ja itzt ist's, wie's ist«, fangt er langsam an. Und grad mit eins steht er vor dem Zornbinggl fest wie eine Zirm droben im Berg: »Den Liesner Hof hab i 'kauft und eine Bäuerin brauch i jetzt. Wannst mir's gibst, deine Nanni …, das wär die rechte für mi.«

»Das könnt dir passen, gelt du, Buaberl, du liabs«, höhnt der Bauer. »'s Diendl heißt's, und der Sack voller Geld ist g'meint.«

Da wird der Thommerl grad mit eins ruhig wie beim Forellenfangen.

»Wennst auf das Scheit hackst, Bauer, nachher muß i dir sagen, bald mi 's Diendl mag, steh i auf dein Geld nit an.«

Fest und voller Ruh ist das herausgekommen.

Der Bauer schaut grad auf. Endlich meint er:

»Moanst, mit einen einzigen Tüchel laß i mein Diendl Bäuerin werden? Daß die Leut no mehr lachen …«

»Das magst tuan, wie d' magst. I will dir sagen, kenn mi ganz genau. So viel Kraft hab i, daß i mit der Bäuerin die Sach auf meinen Hof zwing. Und mehr braucht's nit.«

Das sticht den Bauern. Und auf fahrt er:

»Red nit so g'schwollen, Bua, dummer. Wie viel hast denn auszahlt?«

»Tausend Gulden.«

»Und da traust du dir z'foppen, wo eh grad etli Dachschindeln dein gehörn«, ist der Stöckl beim Wort.

»Ja, wie moanst denn du eigentlich? Mein Geld woaß i mir besser zu brauchen. Fremdes Geld muß drucken und eignes muß arbeiten. Das könntest schon wissen«, dämpft der Bua.

Da ist der Bauer still.

Dem Diendl dauert es zu lang. Endlich, denn jetzt ist die Sach eh g'macht, meint die Nanni:

»Wia ist's aft, Vater, mit mein Christkindl …?«

»Du verhöllt's Diendl du«, will der Bauer schelten. Aber die Nanni tuschelt ihm ins Ohr: »Weißt, i habn so v'l gern, mein Buam. Grad wia Muatter di, Vater.«

Da trachtet der Bauer ein Zeitl, und endlich streckt er dem Thommerl die Hand hin:

»Wenn nit 's ganze Dorf lachen soll, müssen wir ja wohl Frieden machen, Thommerl«, meint er zwiespältig. »Aber i geh itzt schauen, wer die rußigen Herzen gemacht hat.«

Da geht die Tür und die Knecht bringen den Jagerferdl.

»Dem dankst es, Bauer«, lachen sie.

»Muaß i di, du Lump du!« schreit der Bauer.

»Wir sein quitt itzt, gelt Diendl«, trotzt der Ferdl auf. Da kommt der Nanni die Sach mit der Watschen. Und stolz, wie sie der Herr einmal erschaffen hat, greift sie blitzschnell nach 'n Geldbeutele, zieht einen Gulden:

»Na, Jager,« redet sie halb verhalten, »quitt sein wir nit. Du kriegst no einen Gulden außer. Weißt, was du angerichtet hast, das hat mir mein' Buam bracht – zum Christkindl.«

Da hat sich der Jager umdreht und ist mit rotem G'sicht zur Tür hinaus. Den Gulden hat er nit mögen. – –

»Schenk ihn einem Bettelmann«, tut die Nanni zur Hauserin.


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